Polizei in Bad Schwalbach ließ sich zu Falschmeldung hinreißen. Zuvor standen tagelang Migranten und Geflüchtete im Fokus, als es um Böllerangriffe ging. Ist Vorverurteilung dann Zufall?

Rassistische Folgen der Böllerdebatte: Im Zweifel waren es Flüchtlinge

Der Pressefotograf Holger Müller stellte auf Twitter die berechtigte Frage, warum die Polizei sofort Geflüchtete für die Behinderung der Feuerwehr verantwortlich machte – und das wenige Tage nach Beginn der öffentlichen Diskussion um die Silvesterrandale. Da stellt sich schon die Frage, ob rassistische Stereotype verstärkt wurden. Zudem ist es grundsätzlich fatal, wenn in Pressemitteilung über eine noch nicht geklärte Brandstiftung in einer Einrichtung für Asylsuchende eine solche Vorverurteilung enthält. In der Unterkunft war an mehreren Stellen Papier angezündet worden. Einige Bewohner brachten das Feuer unter Kontrolle, bevor es die Feuerwehr endgültig löschen konnte – trotzdem sie dabei von Anwohnern behindert wurde, während die Geflüchteten alles dafür taten, um das Feuer zu löschen.

Spätestens nach der Debatte um die Böller-Krawalle vom Neujahr 2022/23 wird in der Union wieder unbefangen gegen missliebige Migranten Stimmung gemacht. Antirassistische Organisationen wie die Opferberatungsstelle Reach Out warnen vor den gesellschaftlichen Folgen und fordern ein Ende der Debatte. Es wird daran erinnert, dass es sehr unterschiedlichen Städten zu Silvester 2022/23 Böller-Krawalle gegeben hat. Diskutiert werde in der Regel aber nur über migrantische Gewalt. Reach Out erinnerte auch daran, dass am 8. Januar im Berliner Stadtteil Hellersdorf …

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Rassistische Übergriffe im Berliner Mauerpark


Anfang September haben mutmaßlich rechte Fans des BFC Dynamo in Berlin Teilnehmer eines Grillfests des Kameruner Vereins angegriffen und verletzt – dass der Staatsschutz ermittelt, wurde in der Öffentlichkeit erst jetzt bekannt.

„Ich bin 22 Jahre in Deutschland und ich hätte nicht für möglich gehalten, dass ich mitten in Berlin angegriffen  werde und das mich die Polizei nicht schützen kann“, erklärte  Patrice Alain Zombou.  Der in Kamerun  geborene Berliner  ist noch immer empört, wenn er berichtet, was sich am 3. September gegen 20.00 Uhr im Berliner Mauerpark zugetragen hat. Dort hatte der Kameruner Verein ein Grillfest gefeiert. „Viele meiner Freunde,  darunter Frauen und Kinder waren fröhlich und entspannt. Dann brach Panik aus“, berichtete Zombou über die Situation,  als eine Gruppe von rund 200 Fans vom FC Dynamo die Gruppe attackierte.  „Erst beschimpften sie uns mit  rassistischen Sprüchen, dann griffen sie uns mit Flaschen an“, erinnert sich  Zombou. Er wurde dabei im Gesicht verletzt. Ein anderer Gast des Grillfestes erlitt so schwere Gesichtsverletzungen, dass er 12 Tage stationär im Krankenhaus behandelt werden musste. Er erstattete sofort Anzeige  wegen Körperverletzung.

Doch erst zwei Wochen nach der Tat wurde bekannt, dass der Staatsschutz ermittelt und dabei den Fokus auf rechte Fans des BFC Dynamo legt. Der Kameruner Verein  kritisierte am vergangenen Samstag auf einer Pressekonferenz am Tatort Mauerpark das Verhalten der Polizei. Gäste des Grillfeses hätten die Beamten, die die Abreise der Fußballfans absicherten, über den Angriff informiert, als die Täter noch vor Ort waren. Da die Polizei deren Personalien nicht aufgenommen hat, konnten bisher keine Tatverdächtigen festgestellt werden.

Überfall kein Einzelfall in der Gegend

Dass erst zwei Wochen nach dem Überfall bekannt wurde, dass der Staatsschutz die Ermittlungen aufgenommen hat, kritisiert auch die Opferberatungsstelle „Reach Out“. Der Pressesprecher der Berliner Polizei Thomas Neuendorf erklärte gegenüber der Zeitung „Der Tagesspiegel“, die Vorwürfe würden geprüft. Unmittelbar nach der Tat, sei der Polizei „eine Auseinandersetzung zwischen einer Gruppe von Dynamo-Fans und einer Gruppe Menschen mit dunkler Hautfarbe“ bekannt geworden. Hinweise auf Straftaten habe es zunächst nicht gegeben.

Zivilgesellschaftliche Gruppen machten auf der Pressekonferenz am Samstag darauf aufmerksam, dass der Überfall vom 3. September kein Einzelfall in der Gegend rund um den Mauerpark ist, der eigentlich als  ein Ort gilt, an dem sich viele Touristen aus aller Welt treffen. „People of Color“, die mit der Situation vertraut sind,  meiden  an Sonntagen, an denen Fußballspiele im  angrenzenden Jahnstation stattfinden, die Gegend wegen der zunehmenden Präsenz rechter Fußballfans. Beschimpfungen vor allem von BFC-Anhängern seien an diesen Tagen keine Seltenheit. Davon betroffen waren in den letzten Monaten auch nichtdeutsche Mitarbeiter von Imbissen und das alternative Kneipenkollektiv Baiz.

http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/rassistische-bergriffe-im-berliner-mauerpark
Peter Nowak

Hooligans im Edelkiez

RASSISMUS 150 Menschen erinnern an Übergriff von Dynamo-Hools auf Fest im Mauerpark

„Das Problem heißt Rassismus“, stand auf dem Transparent, das am Samstagnachmittag am Eingang des Mauerparks in Prenzlauer Berg hing. Davor hatten sich etwa 150 Menschen versammelt, darunter auch Mitglieder des Kameruner Vereins in Berlin. Deren Grillfest war Anfang September von etwa 200 Fans des BFC Dynamo, der im Jahnstadion gegen den Hamburger
SV spielte, angegriffen worden (taz berichtete). Mehrere Menschen wurden verletzt, ein Mann musste mit Gesichtsverletzungen
zehn Tage stationär im Krankenhaus behandelt werden. Patrice Alain Zombou wurde bei dem Angriff von einer Flasche am Kopf getroffen. Am Samstag berichtete er über die Panik, die bei den Gästen des Fests – darunter viele Frauen und Kinder – ausbrach, als sie von dem rassistische Parolengrölenden Mob attackiert wurden. „Ich bin 22 Jahre in Deutschland und hätte nicht für möglich gehalten, dass ich mitten in Berlin angegriffen werde und dass mich die Polizei nicht schützen kann“, erklärte Zombou. Die Opferberatungsstelle Reach Out hatte die Kundgebung gemeinsam mit Antifagruppen vorbereitet. „Wir müssen
nicht auf Orte in Ostdeutschland zeigen, wenn es um rechte Übergriffe geht. Sie passieren auch im angeblich so bunten
Prenzlauer Berg“, erklärte eine Sprecherin der  (NEA).

Rechtes Duell am 2. Oktober

Antifagruppen wollen auch am kommenden Sonntag rund um das Jahnstadion präsent sein. Dann spielen dort mit BFC Dynamo
gegen Lokomotive Leipzig zwei Vereine mit einer rechten Fanszene.

aus Taz vom 26.9.2016

Peter Nowak

2015 gab es statistisch eine Gewalttat am Tag

NAZIS Ein Schattenbericht über „Berliner Zustände“ geht von einer Verdoppelung rechter Gewalt aus
Das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin und die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin
geben seit zehn Jahren unter dem Titel „Berliner Zustände“ jährlich einen Schattenbericht über Rechtsextremismus, Rassismus
und Antifaschismus heraus. Dort kommen Einzelpersonen und Initiativen zu Wort, die sich gegen rechte Tendenzen im
Alltag engagieren. Im Vorwort der kürzlich erschienenen Jubiläumsausgabe macht die Journalistin Heike Kleffner die Dimension der rechten Gewalt in Berlin deutlich: „Statistisch gesehen ereignete sich im Jahr 2015 in Berlin quasi täglich eine politisch rechts beziehungsweise gegen Minderheiten gerichtete Gewalttat.“ Gestützt auf Daten von Opferberatungsstellen kommt sie zu dem Schluss, dass in den letzten zehn Jahren mehrere Tausend Menschen angegriffen wurden und sich die rechte
Gewalt in Berlin fast verdoppelt hat. In einen Beitrag geht Sabine Seyb von der Beratungsstelle für Opfer rassistischer, rechter und antisemitischer Gewalt Reach Out auf das Thema ein. Der Fokus liegt im aktuellen Schattenbericht auf den Kampf
der Geflüchteten um ihre Rechte und den unterschiedlichen UnterstützerInnen. Hanna Krügener, Susann Thiel und Manuel
Armbruster von Bildungsbewegt, einem Kollektiv, das Workshops, Seminare und Projekttage zu den Themen Fluchtund Asyl anbiett, plädieren für eine Politisierung der Unterstützungsarbeit. „Wir helfen nicht, wir lernen voneinander“, beschreibt
das Trio die eigene Arbeit. In einem Interview mit AktivistInnen von Willkommensinitiativen aus Kreuzberg, Moabit und Lichtenberg geht es um die alltäglichen Mühen dieser Unterstützungsarbeit. In einem weiteren Interview stellt Katharina Oguntoye das von ihr mit begründete interkulturelle Beratungs- und Begegnungszentrum Joliba vor, das seit 20 Jahren
am Görlitzer Park mit afrikanischen Flüchtlingen arbeitet. Über neue Wege zur Erfassung antisemitischer Vorfälle berichtet die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin. Vera Henßer und Frank Metzger analysieren die Bärgida-Bewegung, die sich jeden Montag am Hauptbahnhof trifft, als „verschworene Gemeinschaft“, in der sich RechtspopulistInnen und Neonazis
vereinigen. Erfreulich ist, dass auch das Agieren von türkischen NationalistInnen in Berlin am Beispiel der Grauen Wölfe
in einem Artikel thematisiert wird.
Peter  Nowak
■■Die Broschüre „10 Jahre BerlinerZustände“ hat 152 Seiten und kann beim Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin oder bei der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin bestellt werden.
Kostenloser Download unter qww.apabiz.de.
aus Taz vom 1.8.2016