Die rechtspopulistische Bewegung macht jetzt die Erfahrung vieler spontaner Bewegungen: Die ideologischen Apparate können sie ganz ohne Verschwörungen bearbeiten und kleinkriegen
Eben rollte die Pegida-Bewegung noch, zumindest wenn man den Medien glaubte. Und nun das: „Tschüss, Pegida“ [1] und „Zunehmender Zerfall“ [2] lauten die Überschriften. Als einschneidendes Ereignis werden die Enthüllungen über den Pegida-Mitbegründers Bachmann hingestellt, der auf Facebook-Einträgen über Flüchtlinge herzieht. Zudem konnte auch noch ein Foto gefunden werden, in dem Bachmann mit Hitlerbärtchen posiert.
Nun verlangten auch die engsten Vertrauten seinen Rücktritt. Der Druck war bald so stark, dass er diesem Wunsch nachgeben musste. Der Rücktritt eines Mannes, den vor einigen Wochen noch niemand kannte, war gestern Thema in den internationalen Nachrichten. Das zeigt, welchen Stellenwert die Pegida-Bewegungen hat. Doch Bachmann könnte schnell wieder vergessen werden.
Erinnert sich jemand an Andreas Erholdt [3]? Vor 10 Jahren wurde er als Initiator der Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV gefeiert und verschwand bald wieder in der Versenkung. Seine Versuche eines politisches Comeback in der Linken sowie in selbstgegründeten Parteien scheiterten. So könnte es auch Bachmann ergeben. Er muss sehr naiv gewesen sein, seine Facebookseiten nicht gründlich zu säubern, bevor er mit Pegida an die Öffentlichkeit trat. Oder war es ihm gar nicht so wichtig, dass er nun auch mit offen rassistischen Äußerungen bekannt geworden ist?
Schadete Bachmanns Outing wirklich bei seinen Fans?
Zumindest bei seinen Fans dürfte er dadurch eher an Ansehen gewonnen haben. Schließlich hat er auf Facebook nur so geredet, wie sie es gewohnt sind. Es gibt nur den Unterschied, dass Bachmann das Gesicht von Pegida war, und so können solche Enthüllungen eine Karriere beenden und sei es auch nur die als Sprecher einer rechtspopulistischen Bewegung. Die Bachmann-Fans werden ihn zum Opfer der „Lügenpresse“ stilisieren und dabei auf die fragwürdigen Umstände der Bild-Enthüllungen ansprechen.
Warum wurden die Postings und das Hitlerbärtchen gerade jetzt bekannt, wo es doch auch schon vorher auf seiner Facebookseite zu finden war? Und dass Bachmann Facebookseiten spätestens, nachdem er das erste Mal als Sprecher von Pegida auftrat, gründlich durchleuchtet wurden, dürfte feststehen. Bachmanns Enttarnung bringt vor allem den bürgerlichen Kräften Vorteile, die gerne mit den Pegida-Teilnehmern, aber nicht mit ihren Organisatoren reden wollen. Da muss es dann erst wieder ein Hitler-Bärtchen sein, das jemand von einer Debatte ausschließt.
Der Rassismus der Mitte, der danach fragt, was uns die Flüchtlinge nützten und dies am besten bis auf Cent-Beträge ausrechnet, hingegen reicht dazu nicht. Da werden auch von liberalen Journalisten wie Heribert Prantl, Überlegungen gemacht, dass das Bachmann-Outing auf die Basis mäßigend wirken würde. „Ein Organisator, der Bilder mit Hitlerbart postet, war untragbar. Und viele der Pegida-Anhänger werden sich sehr genau überlegen, ob sie weiterhin einer Bewegung angehören wollen, deren Anführer so agiert“, schreibt [4]der Journalist.
Da wird der Wunsch deutlich, die Pegida-Basis als unzufriedene Bürger anzusprechen, die man von der extremistischen Führung unterscheiden müsse. Dass Bachmann auf Facebook so geredet hat, wie viele der Pegida-Teilnehmer denken und dass sie sich höchstens deshalb aus taktischen Gründen distanzieren könnten, wird gar nicht in Erwägung gezogen. Das würde die Pläne der bürgerlichen Mitte und die Unionsparteien konterkarieren, die Proteste der „besorgten Bürger“ als Argument für eine Rechtsentwicklung der Gesellschaft und besonders für härtere Gesetze gegen Flüchtlinge zu nutzen.
Darauf zielt die Gesprächsoffensive ab, die zurzeit von konservativer Seite intensiviert wird. Wenn dann der Geschäftsführer der sächsischen Zentrale für politische Bildung [5], Falk Richter, Pegida eine Namensänderung empfohlen hat, zielt das auch darauf ab, die Bewegung für ein Bündnis mit der Union salonfähiger zu machen. Das geht ohne den Begriff Patriotismus und Abendland gewiss besser.
Vor mehr als 15 Jahren gelang es der Politik, eine rassistische Bewegung zu integrieren und sie zur Demontage der Asylgesetze zu nutzen. Ob das bei Pegida auch gelingt, hängt natürlich auch von den Führungspersonen ab. Dem neuen Gesicht von Pegida, Kathrin Oertel, die als „ganz normale Frau aus dem Volk“ antritt, wird von Teilen der Basis unterstellt, sie könnte die Bewegung an die Union heranführen. Dass Oertel, die sich immer als Kämpferin für Meinungsfreiheit ausgab, sich von der Leipziger Pegida-Variante distanzierte [6] und sogar mit einer Klage drohte, könnte ein Indiz dafür sein, dass sie die Bewegung in die etablierte Politik einspeisen will.
Streit unter Rechten
Nun ist es schon vor Wochen kein Geheimnis gewesen, dass der Leipziger Pegida-Ableger offener mit völkischen Begriffen umgeht als der Dresdner, dass dort mit Forderungen des Endes des deutschen Schuldkults und der multikulturellen Gesellschaft Anliegen von Rechtsaußen offen vertreten werden. Dass am letzten Mittwoch die Präsenz der extremen Rechten in Leipzig spürbarer als in Dresden war, liegt auch daran, dass die Zahl der Teilnehmer geringer war.
Der Misserfolg war auch ein Grund für die Distanzierung. Wären die angekündigten sechzigtausend Menschen gekommen, wäre sie sicher nicht erfolgt. Genauso war es bereit vor einigen Wochen in NRW [7]. Dort distanzierte sich Pegida-Dresden erst dann von den verschiedenen Imitatoren, als sie nicht den Massenanhang auf die Straße brachten, den sie ankündigten. Erst dann fiel den Dresdner Organisatoren auf, dass die NRW-Ableger aus verschiedenen rechten Parteien kommen.
Nicht ihre politische Herkunft, sondern ihre relative Erfolglosigkeit sind in NRW und Leipzig Gründe für die Distanzierung. Wobei die 15.000 Demonstranten in Leipzig nur angesichts der vorher geweckten Erwartungen eine Niederlage sind. Die Frage, ob Pegida Teil der etablierten Politik werden oder sich außerparlamentarisch in Kooperation mit rechten Kleingruppen bewegen soll, wird weiterhin für Streit sorgen. Zumal sich die rechten Kleingruppen auch untereinander uneinig sind.
Die sehen in der Pegida-Bewegung ein ideales Rekrutierungsfeld für Neuzugänge. Ob es parteipolitisch unabhängigen Rechten wie Jürgen Elsässer gelingt, in der Bewegung mehr Einfluss zu gewinnen, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Die Pläne, in Belgien [8] und Frankreich neue Pegida-Imitationen zu suchen, sind eher ein Ausdruck der Ratlosigkeit. Pegida ist so sehr mit Dresden verbunden, dass es nicht einfach exportiert werden kann. Diese Erfahrung mussten die westdeutschen Imitatoren machen und sie gilt auch für andere Länder. Was aber länderübergreifend gilt, ist die Existenz einer rechten Bewegung, die auf „Islamkritik“ setzt.
Linke Pegida-Kritik noch in den Anfängen
Mag es Pegida auch in der bisherigen Form bald nicht mehr geben, so wird es in anderer Form immer häufiger nach rechts offene soziale Bewegungen geben [9]. Dazu gehören die Montagsmahnwachen ebenso wie die Demos gegen Sexualkundeunterricht. Solange sich rechts von der Union keine hegemoniale Gruppierung herausgebildet hat, werden die immer schnell zerfallen, während es immer wieder Exponenten gibt, die die disparaten Bewegungen koordinieren. Dazu gehört zurzeit auf jeden Fall Jürgen Elsässer, der am Mittwoch die rechten Massen in Wallung brachte.
Die linke Bewegung, die gemeinsam mit der offiziellen Politik massenhaft gegen Pegida unter allgemeinen Parolen wie „Bunt statt Pegida“ demonstrierte, ist sich bisher nicht einig, wie sie die Pegida-Bewegung theoretischh einordnen soll. Die in der außerparlamentarischen Linken einflussreiche Interventionistische Linke [10] hat einige Überlegungen zu Pegida und den Anschlägen von Paris veröffentlicht [11] und dort auch den Versuch einer Pegida-Verortung unternommen. Dort heißt es:
Hier wird suggeriert, die Parteien der Ordnung stünden in der Mitte zwischen den Islamisten und Pegida. Pegida wird nicht als ein vielleicht ungezogener Teil der Parteien der Ordnung gesehen und deshalb verkannt. Die Bewegung muss dazu manchmal domestiziert und zurecht gestutzt werden, dann ist sie nützlich für die Pläne der Konservativen. Dass selbst außerparlamentarische Linke trotz der Erfahrungen mit den Ordnungsparteien und den diversen rechten Bewegungen hier eher Unklarheit verbreiten, ist auch ein Indiz für die die fehlende Staatskritik in linken Kreisen.
Peter Nowak
http://www.heise.de/tp/news/Pegida-am-Ende-2526819.html
Links:
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