Ist die Protestbewegung gegen die Pandemiepolitik für eine vernünftige Gesellschaftskritik wirklich verloren? Das Verhältnis der Linken zu dieser Frage ist gespalten Peter Nowak

Kritik im Handgemenge

Es werden sich immer mehr Menschen an den Protesten gegen die Maßnahmen beteiligen, die weder die Codes noch die Sprache der Linken kennen. Die (deutsche) Linke muss sich angesichts dessen die Frage stellen, ob sie mit ihrer Rhetorik und ihren Auftreten die Kluft zwischen sich und der Gesellschaft nicht noch vergrößert. Oder, anders formuliert: Wie es gelingen kann, durch soziale Forderungen deutlich zu machen, dass auch der Umgang mit der Pandemie eine Klassenfrage ist. Denn die Spaltung der Gesellschaft verläuft eben letztlich nicht zwischen Geimpften und Ungeimpften, sondern – beispielsweise – zwischen einem Krankenhauskonzern und der dort angestellten Pflegekraft.

Ein guter Leugner stirbt zuhaus und schont damit das Krankenhaus« – das war zu lesen auf einem Transparent der »Provinz Antifa Bergedorf«, bei einer Protestaktion gegen eine Demonstration von Gegner*innen der Corona-Maßnahmen am 5. Februar in Hamburg-Bergedorf. Weitere Transparente trugen den (ein kleines bisschen weniger martialischen) Spruch »Stäbchen rein – getestet sein«. Zivilgesellschaftliche und antifaschistische Gruppen mit ähnlichen Parolen wenden sich mittlerweile in vielen deutschen Städten gegen die »Spaziergänge« der Impfkritiker*innen, die seit Mitte Dezember 2021 stattfinden. Im Internet kann man Hunderte Orte finden, wo diese sich zumeist am Montagabend zum Protest versammelten. In größeren Städten wie in Hamburg, Köln und Berlin trafen sich die Impfkritiker*innen in verschiedenen Bezirken und Stadtteilen, häufig vor den Rathäusern oder einer Kirche.
Zu diesen Veranstaltungen kommen Menschen, die bisher noch nie auf einer Demonstration waren. Scheinbar wird hier ein alter linker Traum zur Wirklichkeit: Menschen, die bisher nicht politisch aktiv waren, gehen auf die Straße, ohne dass Parteien oder andere Großorganisationen dazu aufrufen. Doch ein großer Teil der parlamentarischen und außerparlamentarischen Linken war wenig erfreut über diese Aktivitäten. Vor allem in größeren Städten beteiligen sie sich an …

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Zunehmend warnen linke Gruppen vor weiteren Spaltungen, die nur den Rechten nützen

„Trennung verläuft nicht zwischen Geimpften und Ungeimpften“

Der mit Recht politisch viel kritisierte Kreuzberger Straßenkünstler Sozi36 hatte kürzlich an verschiedenen Stellen eine Parole in das Stadtteil gemalt, die auf viel Zustimmung stieß: "Die Grenze verläuft nicht zwischen Geimpften und Ungeimpften, sondern zwischen Jeff Bezos und Sozi 36."

Trotz Verbot gingen am Samstag in Hamburg wieder Kritiker der Corona-Maßnahmen auf die Straße. Wie in der letzten Woche entschied auch dieses Mal die Hamburger Justiz in mehreren Instanzen, dass das Demoverbot wegen der aktuellen Corona-Lage verhältnismäßig sei und das Hygienekonzept des Demo-Bündnisses nicht ausreichend sei. Trotzdem gab es am 29. Januar verschiedene maßnahmenkritische „Spaziergänge“ und Demonstrationen, aber auch …

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Demonstration "Friedlich zusammen": Stärkeres Bemühen um Abgrenzung nach rechts als bei "Querdenkern", aber auch kaum soziale Forderungen – und dafür Herzchen

Impfpflicht-Kritiker in Berlin auf der Straße: Demokratie-Idealisten in Aktion

Mittlerweile gibt es auch sich selbst links verstehende Gruppen, die sich gegen eine Impfpflicht aussprechen, ohne grundsätzliche Impfgegner zu sein. Vor allem der Kampf gegen die Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen könnte eine Möglichkeit sein, soziale Forderungen in die diffuse Bewegung der Impfkritiker zu tragen. Denn der Widerstand gegen die Impfpflicht am Arbeitsplatz ist ein Beitrag zur Verteidigung der erkämpften Rechte von Beschäftigten. Da war bisher allgemeiner Konsens, dass ein Beschäftigter das Unternehmen nicht über Vorerkrankungen informieren muss.

Am 19. Dezember untersagten die Behörden noch eine Demonstration gegen die Impfpflicht in Berlin, obwohl die Veranstalter betont hatten, alle Auflagen erfüllen und sich auch ganz klar von rechts abgrenzen zu wollen. Am Samstag nun wurde die Demonstration unter dem Motto „Friedlich zusammen“ nachgeholt. Rund 2000 Menschen konnten nun auf der geplanten Route demonstrieren. „Friedlich zusammen“ stand auf vielen Schildern, ergänzt durch …

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Die Streitigkeiten um die Ministerposten der neuen Mitte-Koalition gehören zum Geschäft. Die eigentlichen Probleme kommen noch

„Ampel“-Postengeschacher: Aufbruch vor allem für die Startup-Szene

In der Wochenzeitung Freitag diagnostizierte der Publizist Wolfgang Michal, dass in Deutschland von einer solchen Aufbruchstimmung angesichts der Mitte- oder "Ampel"-Koalition keine Rede sein kann. Aber ist das nicht eigentlich eine gute Nachricht? Schließlich werden mit solchen Metaphern gern reale Interessengegensätze verkleistert. So wird den Menschen schnell klar, dass die Regierung Scholz-Habeck-Lindner vor allem ein Aufbruch für die Startup-Szene wird.

Von der breiten Öffentlichkeit eher mäßig beachtet wurde der Koalitionsvertrag der Regierung der liberalen Mitte aus SPD, Grünen und FDP ausgehandelt. Damit ist es vorbei. Kaum wurden die Vereinbarungen am letzten Donnerstag veröffentlicht, trafen schon die Stellungnahmen verschiedener Interessenverbände ein, die überwiegend von Schritten in die richtige Richtung sprachen, die aber nicht groß genug seien. Als Beispiel sei die Pressemitteilung der …

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