Wieviel Schröder und Müntefering darf es denn sein?

 Der Streit um die Rente mit 67 in der SPD ist eine Auseinandersetzung über das Erbe von Schröder und Müntefering
„Gabriel versus Steinmeier?“ – solche Überschriften über den Streit in der SPD sind mittlerweile fast ein Jahr alt. Mittlerweile hat die SPD ihre Personalfragen geklärt. Die Arbeitsteilung zwischen dem Fraktionsvorsitzenden Steinmeier und dem Parteivorsitzenden Gabriel schien sogar zu funktionieren. Jedenfalls hat es die SPD in den letzten Monaten verstanden, sich geräuschloser als die gegenwärtigen Koalitionsparteien zu streiten. Allem Anschein nach zahlt sich das beim Wahlvolk aus. In momentanen Umfragewerten überholen SPD und Grüne schon mal die gegenwärtige Regierungskoalition. Genau in diesem Augenblick wollen die sozialdemokratischen Spitzenpolitiker beweisen, dass sie auch noch streiten können und prompt ist die alte Frontstellung von vor einem Jahr wieder da.
 Aktueller Streitpunkt ist die Frage, wie es die SPD mit der Rente mit 67 hält. Während Steinmeier mit dem Argument daran festhalten will, dass die Menschen heute älter werden und daher länger Rente beziehen, will Gabriel die längere Rente aussetzen, solange der Anteil der arbeitenden Menschen zwischen 60 und 64 nicht erhöht werden kann. Dabei hat er nach Angaben der FAZ große Teile der SPD auf seiner Seite, darunter die in der SPD rhetorisch eher auf den linken Flügel positionierten hessischen und saarländischen Landespolitiker. Zudem ist die Rente mit 67 in Gewerkschaftskreisen von Anfang an auf scharfe Kritik gestoßen.

Sogar größere Arbeitskampfmaßnahmen waren in der Diskussion. Mit der Rücknahme dieser Pläne könnte die SPD wieder näher an die Gewerkschaften rücken, was einige als links klassifizierte SPD-Politiker begrüßen würden, die darauf hoffen, die Linkspartei werde sich im Westen doch noch überflüssig machen. Kaum gab es Umfragewerte für eine rot-grüne Mehrheit, meinten einige SPD-Politiker, Anzeichen dafür zu entdecken, dass das 5-Parteien-System nicht von Dauer ist.
Sollten bei den künftigen Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz der dienstälteste SPD-Ministerpräsident Kurt Beck die absolute Mehrheit verteidigen und die dort besonders zerstrittene Linkspartei an der 5-Prozent-Hürde scheitern, werden solche Stimmen lauter werden. Mit einem Abrücken von der Rente mit 67 könnte die SPD auf solche Sozialdemokraten zugehen, die die Schröder-SPD zur Passivität oder zur Linkspartei getrieben hat.

Münteferings Reform

Doch so einfach ist die sozialdemokratische Welt nicht. Die Rente mit 67 ist nämlich 2007, also zu Zeiten der großen Koalition, beschlossen worden. Sie wurde von den damaligen SPD-Spitzenpolitikern nicht etwa widersprechend mitgetragen, sondern aktiv unterstützt und gegen Kritik verteidigt.

Besonders für die Rente mit 67 eingesetzt hat sich der langjährige SPD-Spitzenpolitiker und Bundesarbeitsminister in der großen Koalition Franz Müntefering und der damalige Außenminister und SPD-Vorsitzende Frank-Walter Steinmeier.

Kaum in der Opposition hat in der SPD der Streit über den Umgang der von ihr beschlossenen und vertretenen Rentenverlängerung begonnen. Nur war der Dissens in den letzten Monaten nicht so demonstrativ in der Öffentlichkeit ausgetragen worden wie in den letzten Tagen.

Stunde der Apparatschiks

Dass der Streit gerade jetzt wieder hochkocht, kann durchaus mit den guten Umfragewerten in Verbindung gebracht werden. Unmittelbar nach der Wahl hatten Beobachter der SPD eine längere Regenerationsperiode prophezeit. Da – nicht einmal ein Jahr später – in Umfragen wieder rot-grüne Mehrheiten möglich scheinen, regen sich in der SPD Kräfte, die bei nächsten Wahlen die Machtoption stark machen und die Oppositionszeit als einen kurzen Ausrutscher betrachten.

Vorteile aus einer solchen Situation ziehen dabei die SPD-Apparatschiks, die meist noch aus der Schröder-Ära stammen und dessen Politik am liebsten nahtlos fortsetzen würden. Sie haben Erfahren in Management und Verwaltung und sind noch jung genug, um ihre Fähigkeiten sofort wieder zur Verfügung zu stellen, wenn die SPD in welcher Koalition auch immer, wieder Teil der Regierung wird.

Sie teilen mit Müntefering die Ansicht, dass Opposition Mist ist und deshalb ist ihr größtes Ziel, die SPD wieder an der Regierung zu sehen. Dass sie persönlich sich damit auch wieder Posten verschaffen, ist ein nicht zu vernachlässigender Nebeneffekt. Schließlich würde eine längere Oppositionszeit für die SPD auch bedeuten, dass diese Apparatschiks ihrem Vorbild Schroder in die Wirtschaft folgen würden.

Für diesen Typus steht Steinmeier. Unter Schröder der Mann im Hintergrund kam er während der großen Koalition als Schröderianer zum Zuge. Die Apparatschiks, die mit den früher „Kanalarbeiter“, heute „Seeheimer Kreis“ genannten Parteirechten, aber auch mit jüngeren, selbsternannten Pragmatikern gut vernetzt sind, geht es in erster Linie ums Mitregieren und um den Erhalt einer ideologiefreien SPD à la Schröder. Alle Ansätze, die als Rückkehr zu klassenkämpferischen Parolen gedeutet werden, sind ihnen ein Gräuel. Denn, ohne gute Beziehung zur Wirtschaft kann ein Sozialdemokrat nicht lange Regierung spielen, was Bundesfinanzminister Lafontaine gut bewiesen hat. Deshalb ist für sie nicht nur die Rente mit 67 sondern die gesamte „Agenda 2010-Politik“ sakrosankt. Sie sehen in der aktuellen Wirtschaftspolitik den Beweis für die Richtigkeit dieser Politik.

Widerstand der Nachwuchspolitiker

Diesen Apparatschiks stehen die auch schon in die Jahre gekommenen SPD-Nachwuchspolitiker gegenüber, die in der Schröder-Ära nicht in den engeren Machtzirkeln verkehrten, sondern es nur zum SPD-Popbeauftragten gebracht haben, wie Sigmar Gabriel – oder im Machtkampf der Apparatschiks unterlegen sind wie Kurt Beck.

Sie sind gar nicht darauf erpicht, ganz schnell wieder in die Regierung zu wechseln, gerade weil sie hoffen, dass die Apparatschiks sich nach lukrativeren Posten umsehen und sie dann die vakanten Posten besetzen können. Sie sind flexibler, wenn es darum geht, Fehler bei der Agenda-Politik einzugestehen, wobei auch von ihnen immer betont wird, dass diese Politik in den Grundlinien richtig war.

Sie wollen daher die Agenda-Politik nicht grundlegend verändern, sondern höchstens hier und da nachjustieren oder die Stellschrauben etwas anziehen, wie es in ihrer Technokratensprache heißt. Sie sind auch eher als die Apparatschiks bereit, einige sozialpolitische Zugeständnisse zu machen und bei der eigenen Klientel besonders unpopuläre Projekte wie die Rente mit 67 in Frage zu stellen, zumindest solange sie in der Opposition sind.

Alles nur Show?

„Gabriel setzt heute den Keim für ein gebrochenes Wahlversprechen von morgen“, kommentiert der Kölner Stadtanzeiger Gabriels Rütteln an der Rente mit 67 und dürfte damit nicht ganz falsch liegen. Denn Gabriel und Steinmeier teilen mit den meisten Zeitungskommentatoren die Ansicht, dass länger gearbeitet werden muss, aber dann müssen auch die Arbeitsplätze da sein.

„Der Unterschied besteht darin, dass der eine (Steinmeier) das längere Arbeiten mehr betont und die anderen (Gabriel, Beck) lieber von den Risiken reden“, meint der Chefkommentator der SPD-nahen FR die sozialdemokratische Rentenshow. Die Vorstellung, angesichts der gestiegenen Produktivität durch den technischen Fortschritt, die Rente zum Grundrecht für Alle – unabhängig von der Lohnarbeit und Produktivität zu erklären – liegt jenseits des sozialdemokratischen Horizonts. Darin sind sich die Gabriels, Becks und Steinmeiers einig.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33111/1.html

Peter Nowak

„Wir predigen Wein und trinken ihn auch“

Der Linksparteipolitiker Klaus Ernst ist manchen in seiner Partei zu hedonistisch
Darf ein Vorsitzender der Linkspartei Porsche fahren und auch sonst deutlich machen, dass er ein gutes Gehalt und die damit verbundenen Annehmlichkeiten zu schätzen weiß? Darüber streitet die Linkspartei zur Streit exemplarisch an der Personalie von Klaus Ernst. Der erst vor einigen Wochen gemeinsam mit Gesine Lötzsch an die Spitze der Linkspartei gewählte Politiker, hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass sozial engagierte Politiker keine Asketen sein müssen. „Wir predigen Wein und trinken ihn auch“, lautete einer seiner Sprüche.

Soviel Hedonismus kommt nicht bei allen in seiner Partei gut an. Besonders manche Politiker aus der ehemaligen PDS scheinen der Meinung sein, dass ein zur Schau getragener Wohlstand eine Charakterschwäche ist. Schon vor einigen Jahren wurde die Linksparteipolitikerin Sarah Wagenknecht von einer Parteifreundin gegen ihren Willen beim Hummeressen fotografiert. Auch Wagenknecht ging in die Offensive und erklärte, dass sie nicht Armut, sondern Luxus für alle fordere. Ihrer weiteren Parteikarriere hat die Episode nicht geschadet.

Auch der Streit um Ernst dürfte eher ein von eigenen Parteigenossen inszeniertes Sommerlochthema sein. Der langjährige Sozialdemokrat und bayerische IG-Metall-Funktionär hat innerparteilich viele Kritiker, die sich schon vor seiner Wahl an die Spitze bemerkbar machten. Manchen Ost-PDSler ist er zu klassenkämpferisch und, obschon noch immer Sozialdemokrat, zu kritisch der realen SPD gegenüber. Manchen ehemaligen WASGler, die selber gerne Karriere gemacht hätten, zu machtbewusst. Schon vor seiner Wahl an die Spitze gab es Vorbehalte gegen Ernst. Doch eine neue Führungsdebatte, die das weiterhin fragile innerparteiliche Ost-West-Balance zum Kippen bringen könnte, kann sich die Partei nicht leisten. Deshalb haben sich alle führenden Parteipolitiker hinter Ernst gestellt.

Gefährlicher für Ernst könnte der Ausgang der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen über seine Flugkostenabrechnungen werden. Ihm wird vorgeworfen, auch Reisekosten über den Bundestag abgerechnet zu haben, die er als Gewerkschaftsfunktionär und nicht als Bundestagsabgeordneter getätigt hat. Ernst erklärt, eine solche Trennung sei oft gar nicht möglich gewesen. Zu fragen wäre, ob die Bundestagsregelungen eine Doppelfunktion als Gewerkschafter und Parlamentarier vorsehen. Zumindest die Doppelfunktion als Wirtschaftslobbyist und Abgeordneter ist möglich:

http://www.heise.de/tp/blogs/8/148118 

Peter Nowak

Linkspartei zum Mitregieren bereit

Linkspartei zum Mitregieren bereit

Die Stärkung der Linken in der Linken und die Bereitschaft zum Mitregieren, diese beiden auf den ersten Blick widersprüchlichen Signale gingen vom Rostocker Parteitag der Linken aus
Harmonie war angesagt am Parteitag der Linken am Wochenende in Rostock. Dabei war er gleich in mehrfacher Hinsicht eine Zäsur. Mit Lothar Bisky und Oskar Lafontaine traten die zwei Politiker bundespolitisch in den Hintergrund, die die Partei in den letzten Jahren maßgeblich prägten und ohne die es die Vereinigung von PDS und WASG zur Linken wohl nicht gegeben hätte. Damit fällt dem Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi automatisch ein großes Gewicht zu, das er am Parteitag geschickt einsetzte.
   

So als er den scheitenden Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, der in Intrigen um Lafontaine verstrickt war oder wurde, noch eine politische Karriere in der Linkspartei voraussagte. Damit dürfte er so falsch nicht liegen. Denn der ausgewiesene Pragmatiker Bartsch hatte immer auch das Ziel, die Partei auf allen Ebenen regierungsfähig zu machen.

Bisher wird inner- und außerhalb der Partei das Berliner Modell mit einer äußerst pragmatischen Regierungslinken je nach politischem Gusto als Ausnahme oder Betriebsunfall gesehen. Der Pragmatikerflügel ist hingegen immer bestrebt, das Berliner Modell zu verallgemeinern und durch Regierungsbeteiligungen in möglichst vielen Bundesländern den Weg für Regierungsbeteiligungen auch auf Bundesebene freizumachen.

 

Zwischendurch eine ernste Lage

Dabei gab es zwischendurch Situationen, wo die Kontroversen auf dem Parteitag aufbrachen, beispielsweise als die von Pragmatikern geprägte Frauenliste Ost im ersten Wahlgang mehrheitlich durchfiel.

Am Ende aber wurde das im Vorfeld ausgehandelte Personaltableau angenommen. Die Doppelspitze wurde sogar mit großen Mehrheiten gewählt. Bei der Wahl der stellvertretenden Vorsitzenden schnitt die Parteilinke Sahra Wagenknecht mit 75,3 % der Stimmen am besten ab, obwohl sie vor einigen Wochen in die Schlagzeilen geriet, als sie bei einer Rede des israelischen Staatspräsidenten Kritik an der israelischen Staatspolitik für angebracht hielt. Darüber wurde aber in der außerparlamentarischen Linken mehr gestritten als in der Partei, wie das Wahlergebnis zeigt. Fiel auch die Positionierung der Linken zum Nahostkonflikt unter das Harmoniebedürfnis?

Auseinandersetzungen werden weiter gehen

Doch nach dem Parteitag werden die Auseinandersetzungen um die Regierungsbeteiligungen und die zu ziehenden roten Linien ebenso weitergehen, wie die zur Positionierung in außenpolitischen Fragen, ob im Nahen Osten, in Afghanistan oder bei den UN-Militäreinsätze. Es war denn auch Matthias Höhn aus Sachsen-Anhalt, der gerne erster Ministerpräsident seiner Partei nach den dortigen Landtagswahlen werden will und nach dem Parteitag mehr Mut zu Kontroversen einforderte. Die Parteilinke hingegen hält sich bedeckt.

Das weißt auf ein Dilemma hin, in dem sich die Linkspartei befindet und das in einem Streitgespräch zwischen der Parteilinken Ulla Jelpke und den Realo Klaus Lederer in der Taz deutlich wurde. Während Lederer das Berliner Modell des Mitregierens verteidigte, betonte Jelpke, dass die Zeit für Reformen im Kapitalismus vorbei seien. Allerdings wich sie der Konsequenz, der Ablehnung von Regierungsbeteiligungen, aus und forderte lediglich von ihren Genossen in Berlin mehr Konfliktbereitschaft. An anderer Stelle warnt auch Sahra Wagenknecht die Partei immer wieder vor einer Entwicklung wie bei den Grünen, vermeidet aber auch jede klare Positionierung gegen Regierungsbeteiligungen. So ging auch vom Parteitag das auf den ersten Blick widersprüchliche Signal aus, dass die Linke in der Linken gestärkt und gleichzeitig die Bereitschaft zum Mitregieren bekräftigt wurde.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32645/1.html

Peter Nowak

Universitäten besetzen?

Stefanie Graf über die Perspektiven der Uni-Proteste / Graf ist Geschäftsführerin des Studierendenverbandes »Die Linke.SDS«
 

ND: Der Studierendenverband der Linkspartei beteiligte sich kurz vor den Wahlen in Nordrhein-Westfalen (NRW) in Düsseldorf an einer Demonstration gegen Studiengebühren. Ist das der Auftakt für die bundesweiten Bildungsproteste in diesem Semester?
Graf: Für diese Demonstration wurde vor allem in NRW mobilisiert. Damit sollte vor der Landtagswahl ein deutliches Zeichen für die Abschaffung von Studiengebühren gesetzt werden. Ein Wegfall der Studiengebühren in einem großen Land wie NRW hätte natürlich auch bundesweite Bedeutung und könnte einen Dominoeffekt in anderen Ländern auslösen. Zudem würde die Protestbewegung durch einen solchen Erfolg gestärkt.

Ihr Studentenverband hat für dieses Semester u.a. die Idee eines sogenannten Besetzungsstreiks entwickelt. Was würde sich dadurch gegenüber den bisherigen Protesten ändern?
Wir haben die Bildungsproteste der letzten Semester analysiert und die Stärken und Schwächen besprochen. Daraus haben wir den Schluss gezogen, dass der Druck verstärkt, die Bewegung verbreitert und die Proteste radikalisiert werden müssen. Daraus haben wir unseren Vorschlag eines Besetzungsstreiks entwickelt. Die Hochschulen würden während des Streiks besetzt und es würden keine Vorlesungen und Seminare stattfinden. Das hätte den Vorteil, dass die Studierenden, die die Forderungen des Bildungsstreiks unterstützen, sich aber am Streik wegen der Anforderungen des Studiums nicht beteiligen konnten, sich aktiv in die Proteste einbringen könnten. Im letzten Semester beteiligten sich viele Studierende an den Vollversammlungen des Bildungsstreiks und gingen danach wieder in ihre Vorlesungen.

Warum wären deren Probleme durch einen Besetzungsstreik behoben?
Bei solchen Streiks konnte in der Vergangenheit mit den Professoren und der Universitätsleitung eine Lösung gefunden werden, damit die beteiligten Studierenden keine Nachteile erleiden mussten. Das funktioniert allerdings nur bei einer großen Beteiligung.

Aber gerade daran haben Kritiker wie der langjährige Geschäftsführer des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren, Klemens Himperle, Zweifel. Er fordert inhaltliche Auseinandersetzungen statt Aktionismus und warnt vor dem Abbröckeln der Proteste.
Ich würde inhaltliche Arbeit und Aktionen nicht gegeneinander diskutieren. Wir haben unsere Vorschläge im Januar zur Diskussion gestellt und seitdem gibt es darüber eine Auseinandersetzung. Mittlerweile haben sich an verschiedenen Universitäten Bildungsstreikbündnisse wiedergegründet, die die Proteste fortsetzen wollen.

Gibt es konkrete Planungen?

Am 17. Mai findet die durch die Proteste durchgesetzte Bolognakonferenz mit Bundesbildungsministerin Schavan und Studierenden statt, die in die Hörsäle verschiedener Universitäten live übertragen werden soll. Anfang Juni ist eine dezentrale Aktionswoche der Bildungsproteste geplant, die am 9. Juni mit einem Aktionstag enden soll.

Der Besetzungsstreik ist wohl erst einmal verschoben?
Wir können und wollen ihn nicht alleine machen. Aber mit unserem Vorschlag haben wir eine mittelfristige Perspektive für den Bildungsstreik formuliert. Wir sehen darin eine Möglichkeit, den Prostest zu verbreitern und gleichzeitig zu radikalisieren. Das ist nötig, um den Druck zu erhöhen und eine wirkliche Verbesserung im Bildungssystem zu erreichen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/170889.universitaeten-besetzen.html

Gespräch: Peter Nowak

Rechte mit und ohne Haken

Pro-Bewegung will sich durch Konzentration auf Anti-Islamismus von der rechten Konkurrenz abgrenzen
Zum islamkritischen Wochenende hatte die rechtspopulistische Bewegung Pro NRW in den letzten Tagen geladen. Die aus der Bewegung Pro Köln entstandene Formation hat den Event schon am Freitag in einer Pressemitteilung zum Erfolg geklärt. Als Kriterien wurden vor allem die zahlreichen Gegenaktionen von zivilgesellschaftlichen Gruppen und die medienwirksamen Aktionen der wahlkämpfenden Politiker in NRW genannt. So hat SPD-Chef Gabriel eine Moschee besucht.

Für die Pro-Bewegung war das Wochenendevent der Wahlkampfauftakt. Schließlich will sie beweisen, dass auch in Deutschland eine modernisierte Variante des Rechtspopulismus erfolgreich sein kann. Der angestrebte Einzug in den Düsseldorfer Landtag soll der Auftakt sein. Aber schon wird auch über eine Wahlbeteiligung der Pro-Bewegung in Berlin geredet. Die finanziellen Mittel liefert der schwedische Patrik Brinkmann, der Jürger Rieger, den verstorbenen Finanzier verschiedener Rechtsbewegungen, beerben will. Anders als Rieger propagiert Brinkmann im Sinne der Pro-Bewegung den Aufbau einer rechten Bewegung, die auf NS-Folklore und offen antisemitische Bezüge verzichtet und den Antiislamismus in den Mittelpunkt stellt.

Mit dieser Ausrichtung will sich die Pro-Bewegung von der innerrechten Konkurrenz der NPD abgrenzen, die ebenfalls in NRW zur Landtagswahl kandiert und die am Wochenende eigenständig gegen Moscheen mobilisierte. Beide rechte Formationen kamen jeweils auf ca. 250 bis 300 Teilnehmer, was für Pro-Köln kein klarer Erfolg auf der Straße ist. Andererseits hat die Gegenmobilisierung an Schwung gewonnen, nachdem das rechte Spektrum mit und ohne Haken am Wochenende ins Ruhrgebot aufmarschierte.

Derweil umwirbt die Pro-Bewegung für ihr Bündnis „der seriösen rechtsdemokratischen Kräfte“ die Teile der arg geschrumpften Republikaner, die in Opposition zur Parteiführung stehen. Die ist ebenfalls um Seriosität bemüht und lehnt deshalb ein Bündnis mit der Pro-Bewegung ab, weil die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Doch der Hintergrund der Aversion dürfte in der Vergangenheit liegen. Führende Exponenten der Pro-Bewegung haben vor fast 20 Jahren mit der Deutschen Liga für Volk und Heimat eine rechte Sammlungsbewegung zu initiieren versucht und die Republikaner wegen deren verbaler Abgrenzung nach Rechtsaußen verlassen. 
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/147343

Peter Nowak

Westerwelle-Dämmerung

Landtagswahl in NRW wird der interne Burgfrieden halten
So schnell kann es gehen. Am Tag der Bundestagswahl wurde die FDP unter ihrem Vorsitzenden Guido Westerwelle noch als die große Siegerin gefeiert. Knapp vier Monate später sehen selbst die den Liberalen nahestehenden Medien die FDP im Sinkflug. Am Sonntag lud Westerwelle dann zu einer parteiinternen Krisensitzung, die natürlich offiziell nicht so genannt wurde. Kurs halten und die eigenen Pläne, vor allem bei den Steuersenkungen noch beschleunigen, hießen die Stichworte. Doch damit wird sich der koalitionsinterne Streit fortsetzen, bei dem die FDP momentan am meisten verliert.

Mittlerweile ist den liberalen Spitzenpolitikern klar geworden, dass es um ihre Zukunft geht. Es reicht nicht mehr, wie es Westerwelle vor einigen Tagen noch gemacht hat, als Bundesminister weiter so zu agieren, als sei er noch in der Opposition, und gleichzeitig den jetzigen Oppositionsparteien eine Kampagne vorzuwerfen. Wenn eine Partei innerhalb weniger Monate in Umfragen fast die Hälfte der Wähler weg bricht, müssen die Parteistrategen die Ursachen in erster Linie im eigenen Lager suchen.

 

Erfolg mit Leihstimmen

Dass die FDP mit dem Wahlerfolg unabhängig von ihrer späteren Politik ihren Zenit schon überschritten hatte, war Politbeobachtern klar. Denn die hohen Ergebnisse bestanden zum nicht unerheblichen Teil aus Leihstimmen aus dem christdemokratischen Lager. Diese Wähler wollten die Fortsetzung der großen Koalition verhindern und gaben dieses Mal der FDP ihre Stimme.

Daneben hat das konkrete Agieren der FDP in den letzten Wochen auch einen Teil der liberalen Stammwähler vor den Kopf gestoßen. Sie gerierte sich in der Debatte über die Gesundheitsreform und die Steuersenkungen als eine Programmpartei, die ihre Politik von ideologischen Prämissen ableitet. Ein nicht geringer Teil der FDP-Wähler sieht sich aber als ideologiefrei. Ideologisch sind im zweifelsfrei immer die politischen Gegner, vor allem die Gewerkschaften und die Grünen.

Dieser Teil der Liberalen wirft Westerwelle vor, mit der Ideologisierung der Debatte die Verwirklichung der Ziele eher erschwert zu haben. Sie sehen sich als Pragmatiker der Macht, denen es mehr um die konkreten Ergebnisse als auf die korrekte ideologische Begründung ankommt. Sie kreiden der FDP an, ihre Rolle als Regierungspartei noch nicht gefunden zu haben. Diese Kritik kommt auch aus der FDP selber und dürfte deshalb von der gegenwärtigen Parteiführung besonders ernst genommen werden. Denn hier könnte sich ein zukünftiger innerparteilicher Konflikt auftun, an dem Westerwelle sicher kein Interesse hat.

 

Erinnerung an J.W.Möllemann

Dabei würde es auch um eine parteiintern nie geleistete Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit gehen. Es war der FDP-Politiker Jürgen W. Möllemann, der die Strategie der Ideologisierung der Partei gegen den Willen der an pragmatischen Politikmodellen interessierten Altliberalen vorangetrieben hatte. Zu seinen eifrigsten Unterstützern gehörte der damalige aufstrebende Jungpolitiker Westerwelle. Zeitweise wirkten beide im Kampf gegen die alte Garde aus der Kohlära wie ein Tandem.

Erst nachdem Möllemann mit dubiösen Spendentricksereien und antiisraelischen Tönen politischen und kurz danach auch physischen Selbstmord verübt hatte, war für Westerwelle der Weg an die Parteispitze frei. Möllemann wurde in kurzer Zeit zur Persona non grata. Nur die hohen Geldstrafen für die nicht angegebenen Spenden erinnern noch an seine Zeit. Eine kritische Auseinandersetzung mit seinem Politikkonzept, das in modifizierter Form auch das von Westerwelle ist, hat es nicht gegeben. Wenn jetzt in den Medien beim Streit in der FDP auch wieder an Möllemann erinnert wird, muss das an der Parteispitze als Warnsignal aufgefasst werden.

 

Gnadenfrist für Westerwelle

Noch scheint Westerwelle parteiintern unangefochten. Seit er selber potentielle Konkurrenten wie seinen Vorgänger Wolfgang Gerhardt abservierte, gab es in der FDP keine personelle Alternative mehr. Zudem ist es Westerwelle gelungen, die Bürgerrechtsliberalen um Sabine Leutheusser-Schnarrenberger parteiintern einzubinden, die zeitweise in der FDP wie ein versprengter Haufen unter all den Wirtschaftsliberalen wirkten.

Die Kritik dürfte schnell zunehmen, wenn sich die momentane Schwäche der FDP nicht nur an Umfragewerten, sondern an Wahlergebnissen festmachen lässt. Der Wahl in NRW kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Auch dort werden der FDP hohe Verluste prognostiziert, die der schwarz-gelben Landesregierung in Düsseldorf die Mehrheit kosten könnten. Die Neuauflage eines Bündnisses zwischen SPD und Grünen wäre ebenso denkbar, wie ein schwarz-grünes Bündnis an der Ruhr. Nachdem die Grünen dort auch schon mit Wolfgang Clement regierten, gegen den Rüttgers fast schon wie ein Herz-Jesu-Sozialist wirkt, dürften sie keine großen Probleme damit haben. Wohl aber die FDP, denn jede weitere schwarz-grüne Koalition geht an ihre Existenz. Es würde sich damit eine zweite Variante einer bürgerlichen Koalition mit den auch nicht mehr ganz so jungen Linksliberalen von den Grünen etablieren.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32044/1.html

 

Peter Nowak