Steinbrück spricht sich gegen Schuldenschnitt für Griechenland aus

Links

[1]

http://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/zwoelfzweiundzwanzig/201308/192642.html

[2]

http://www.inforadio.de/

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http://www.youtube.com/watch?v=Vzx8jf5cyXo

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http://netzwerkrecherche.de/programme/fachkonferenz/2011/tunnelblick/speakers/423.en.html

[5]

http://www.taz.de/!108666/

[6]

http://strikem31.blogsport.eu/

[7]

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/1135445/

[8]

http://www.taz.de/Historiker-ueber-Wehrmachtsmassaker/!121894/

[9]

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-08/wahlkampf-bundestag-spd-steinbrueck-muentefering

[10]

http://www.sigmar-gabriel.de/

Statt Lohn nur Löhnchen

In Deutschland arbeitet inzwischen jeder Vierte im Niedriglohnsektor. Diese Entwicklung beeinflusst mittlerweile auch die wissenschaftliche Beschäftigung mit Arbeitslosigkeit und Prekarität.

Die Ergebnisse der Studie dürften jene, die sich mit der sozialen Entwicklung in Deutschland beschäftigen, nicht überrascht haben. Das zur Bundesagentur für Arbeit gehörende Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat Ende Juli Zahlen vorgelegt, die belegen, dass Deutschland den zweitgrößten Niedriglohnsektor in Europa hat, nur in Litauen gibt es noch mehr Geringverdiener. Im Jahr 2010 verdiente hierzulande knapp ein Viertel aller Beschäftigten weniger als 9,54 Euro brutto pro Stunde. Damit ist der Anteil der Geringverdiener in Deutschland größer als in anderen westlichen EU-Ländern. Wenn man ausschließlich Vollzeitbeschäftigte berücksichtigt, ist der Anteil in Deutschland mit rund einem Fünftel zwar etwas niedriger, aber im Vergleich immer noch hoch.

Als sich das Fahren von Lieferwagen noch lohnte: In Zypern ist der Niedriglohnsektor kleiner als in Deutschland, aber dank des Sparprogramms deutscher Prägung hat die Anpassung schon begonnen (Foto: PA/ZB / Waltraud Grubitzsch)

In der Studie wird darauf hingewiesen, dass eine Beschäftigung im Niedriglohnsektor nicht unbedingt mit Armut einhergehen müsse: »Die Armutsgefährdung hängt nicht nur vom individuellen Bruttolohn, sondern auch von anderen Einkünften, von der Wirkung des Steuer- und Transfersystems und vom Haushaltskontext ab«, heißt es dort. Dabei bleibt jedoch unerwähnt, dass es sich bei einem Großteil dieser zusätzlichen Transferzahlungen um Leistungen nach dem SGB II handelt. Die Zahl der Geringverdiener hat in Deutschland bereits seit den neunziger Jahren deutlich zugenommen, richtig groß wurde der Niedriglohnsektor jedoch mit der Einführung von Hartz IV. Weil die Lohnarbeit nicht mehr dazu reicht, den Lebensunterhalt zu bestreiten, müssen sich immer mehr Beschäftigte dem Hartz-IV-Regime unterordnen. Mit den Folgen dieser Entwicklung beschäftigen sich auch 23 Sozialstaats- und Armutsforscher in einem kürzlich von Mechthild Bereswill, Carmen Figlestahler und Lisa Yashodhara Haller herausgegebenen Sammelband »Wechselverhältnisse im Wohlfahrtsstaat«. Detailliert werden dort die Veränderungen des Sozialsystems untersucht. Dabei konzentrieren sich die Autoren und Autorinnen auf die Relevanz der immer schlechter bezahlten Erwerbsarbeit, die Erosion des männlich konnotierten Alleinverdienermodells sowie die Durchsetzung des sogenannten Aktivierungsparadigmas in immer mehr Bereichen des Sozialstaates. Die Soziologen Wolfgang Ludwig-Mayerhofer und Ariadne Sondermann untersuchen die Ungleichheit in der Arbeitsverwaltung, die durch die Ausweitung der Transferleistungen immer mehr Macht erhält. Die beiden Wissenschaftler der Universität Siegen stellen dabei fest: »(Relativ) eindeutige Rechte haben Arbeitslose nur noch auf die finanziellen Unterstützungsleistungen, während nahezu alle anderen Leistungen rechtlich nur noch als Kann- oder allenfalls als Sollleistungen normiert sind.« In ihrer Untersuchung der Organisation in den Jobcentern kommen sie zu dem Fazit, dass es bei der Jobvermittlung eine Bevorzugung von Erwerbslosen gebe, die auf dem Arbeitsmarkt gute Chancen haben. Die in der Verwaltungssprache als »Beratungs- und Betreuungskunden« bezeichneten Erwerbslosen mit schlechten Aussichten auf dem freien Arbeitsmarkt würden auch im Jobcenter vor allem Frustration ­erleben. Ludwig-Mayerhofer und Sondermann sprechen von einer »Drei-Klassen-Gesellschaft« bei der Jobvermittlung. Mehrere Beiträge des Sammelbands gehen auf die feministische Kritik an der Erwerbszentrierung der bisherigen Arbeitslosen- und Prekaritätsforschung ein. So kritisieren die Kasseler Soziologen Julia Weber und Marko Perels nach ihrer Auseinandersetzung mit historischen Arbeiten der Erwerbslosenforschung, dass das Lohnarbeitsverhältnis als gesellschaftliche Norm festgesetzt wurde. Äußerungen von Erwerbslosen würden dabei lediglich als Defiziterfahrung wahrgenommen. Weber und Perels beschäftigen sich unter diesem Aspekt mit der Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal« von 1933, die sich mit den Folgen von Arbeitslosigkeit beschäftigt und als Klassiker der empirischen Sozialforschung gilt. Während dort vor allem die Hoffnungslosigkeit nach dem Verlust von Arbeitsplätzen betont werde, seien die Versuche der Bevölkerung, auch in Zeiten der Krise die sozialen Zusammenhänge aufrechtzuerhalten, zu wenig gewürdigt worden. Allerdings warnen die Autoren, die sich kritisch mit der Erwerbszentrierung auseinandersetzen, davor, der Lohnarbeit überhaupt keine Relevanz zuzusprechen. Das würde auch den Ergebnissen vieler Langzeitstudien über die Situation der Bezieher von Transferleistungen wie Hartz IV widersprechen. So berichten Andreas Hirseland und Philipp Ramos Laboto vom IAB: »Die hier im Fokus stehende Gruppe von Befragten erlebte ihre lang andauernde Arbeitslosigkeit und den Grundsicherungsbezug zumeist als eine mit vielfältigen alltäglichen Restriktionen verbundene Zeit.« Hirseland und Laboto weisen besonders auf den mit den materiellen Einschränkungen verbundenen Verlust von sozialen Kontakten und Beziehungen hin. »Dem Zwang zu sparsamer Haushaltsführung aufgrund der geringen finanziellen Spielräume fallen außerhäusliche (Freizeit-)Aktivitäten zum Opfer.« Die unterschiedlichen Beiträge der Publikation liefern einen guten Einblick in die Diskussionen der derzeitigen Prekaritäts- und Erwerbslosenforschung. Allerdings kommt auch dort ein Aspekt zu kurz, auf den die Studie des IAB ihre Aufmerksamkeit legt. Gerade in Deutschland wächst der Anteil derjenigen Menschen, die trotz regelmäßiger Lohnarbeit auf Transferleistungen wie Hartz IV angewiesen sind. Sie sind nicht nur mit den gleichen finanziellen Einschränkungen konfrontiert, sondern auch den gleichen Zwängen des Hartz-IV-Regimes unterworfen. Die Zunahme der Transferleistungen auch für Beschäftigte lässt daran zweifeln, dass die Lohn­abhängigen und ihre Gewerkschaften in Deutschland noch tarifmächtig sind. Zumindest macht es den Eindruck, dass die Gewerkschaften nicht in der Lage sind, für ihre Mitglieder Löhne durchzusetzen, die zumindest die Reproduktionskosten decken. Angesichts dessen ist ein Vorschlag, den belgische Gewerkschaften unter dem Motto »Helft Heinrich« (Jungle World 50/2011) bereits vor drei Jahren in die Diskussion brachten, durchaus bedenkenswert. Die Idee hinter dieser Kampagne ist einleuchtend. Weil der Niedriglohnsektor nicht nur die Beschäftigten in Deutschland betreffe, sondern auch zu geringeren Löhnen und einer Verschlechterung von Arbeitsrechten in der gesamten EU führe, sei eine Unterstützung deutscher Arbeitnehmer beim Kampf um höhere Löhne nicht nur eine Sache gewerkschaftlicher Solidarität, sondern auch im Interesse der Beschäftigten anderer EU-Länder, argumentierten die belgischen Gewerkschafter. Nach der Veröffentlichung der IAB-Studie nahmen hierzulande einige Medien irritiert zur Kenntnis, dass in Deutschland der Niedriglohnsektor größer ist als in Zypern. Dabei ist die Erklärung dafür einfach. In Zypern existierten starke Gewerkschaften, die lange hohe Löhne und gute Arbeitsbedingungen durchsetzten, bis im Zuge der Krise die von Deutschland beeinflusste sogenannte Troika aus Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds auch auf Zypern deutsche Verhältnisse anordnete.

http://jungle-world.com/artikel/2013/32/48235.html

Peter Nowak

SPD gerät in der Überwachungsdebatte unter Druck

Links

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http://www.mz-web.de/politik/linke-kipping-kritisiert-spd-wegen-nsa-affaere,20642162,23941636.html

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http://www.heise.de/newsticker/meldung/NSA-Ueberwachung-Steinmeier-hat-Kooperation-des-BND-abgesegnet-1931247.html

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http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/otto-schily-spaehaffaere-kein-gutes-wahlkampfthema-fuer-die-spd-a-913485.html

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http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-07/nsa-skandal-opposition-kommentar

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http://www.internet-law.de/2013/08/uebermittlung-von-metadaten-an-die-nsa-darf-der-bnd-das.html

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http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-08/frankreich-spionage-abkommen

Signal gegen ägyptisches Szenario in der Türkei

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http://www.ergenekonteror.com/

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http://www.heise.de/tp/artikel/31/31554/1.html

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http://www.tuerkeiforum.net/trw/index.php/2008_T%C3%9CRK%C4%B0YE_%C4%B0NSAN_HAKLARI_RAPORU

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http://amnesty-tuerkei.de/wiki/Helmut_Oberdiek:_Der_tiefe_Staat

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http://www.akparti.org.tr/english

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http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/649239/Die-Jagd-der-tuerkischen-Justiz-auf-ein-Buchmanuskript

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http://www.kas.de/wf/de/33.1497

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http://www.bloomberg.com/news/2013-06-27/erdogan-s-paranoia-and-turkey-s-economy.html

Noch Hoffnung auf den kritischen Onlinekunden?

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http://www.amazon.de/NSA-Anatomie-m%C3%A4chtigsten-Geheimdienstes-Welt/dp/3442151511

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http://www.zalando.de/?wt_ga41=5671686226_22217536906&wt_gk41=Exact_5671686226_zalando&gclid=CNOd4svw47gCFYmR3goddggAVQ

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http://www.ebay.de/

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http://www.amazon.de

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http://www.bfdi.bund.de/Vorschaltseite_DE_node.html

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http://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article118659616/Als-schaue-einem-jemand-ueber-die-Schulter.html

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http://www.taz.de/!88365/

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http://www.ftd.de/unternehmen/handel-dienstleister/:internethaendler-zalando-am-pranger/70069695.html

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http://www.amazon-verdi.de

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http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/deutscher-marketing-preis-warum-schreit-bei-zalando-keiner-vor-glueck/7443278.html

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http://www.taz.de/Kommentar-Amazon-sperrt-Nutzerkonten/!121074/

Zivilgesellschaft in Deutschland solidarisiert sich mit Snowden

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http://www.vdw-ev.de/index.php/de-DE

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http://www.ialana.de/

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http://www.transparency.de

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http://www.vdw-ev.de/index.php/de-DE/arbeitsfelder-der-vdw/informationen-zu-qwhistleblowernq/preisverleihung-fuer-whistleblower

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http://dejure.org/gesetze/GG/10.html

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http://www.gesetze-im-internet.de/g10_2001/BJNR125410001.html

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http://www.humanistische-union.de

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http://www.humanistische-union.de/veranstaltungen/buergerrechtspreise/fritz_bauer_preis/

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http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9205805.html

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http://www.moviepilot.de/movies/fritz-bauer-tod-auf-raten

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http://www.antiprism.de/

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http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/daniel-bangert-und-mitstreiter-spazieren-zum-dagger-complex-a-912226.html

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http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/kanzlerin-merkel-deutschland-ist-kein-ueberwachungsstaat-12287560.html

Peter Nowak

http://www.heise.de/tp/blogs/8/print/154696

Wenn Geiselnahme von Politikern und Barrikaden vor dem Parlament ein gutes Zeichen sind

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http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/2189296

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http://www.gerb.bg/

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http://www.n-tv.de/politik/dossier/Borissow-raeumt-auf-article482144.html

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http://www.heise.de/tp/artikel/39/39040/1.html

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http://www.heise.de/tp/artikel/39/39366/1.html

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154692

Peter Nowak

Die SPD, die Sicherheit und die NSA-Debatte

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http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/

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http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/16516

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http://jungle-world.com/artikel/2013/28/48085.html

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http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/2187981/

Peter Nowak

http://www.heise.de/tp/blogs/8/print/154686

Wenn ein falscher Link ins Gefängnis führt

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http://www.wired.com/threatlevel/2012/09/barret-brown-raid/

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http://www.youtube.com/watch?v=TOW7GOrXNZI

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http://www.dmagazine.com/Home/D_Magazine/2011/April/How_Barrett_Brown_Helped_Overthrow_the_Government_of_Tunisia.aspx

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https://twitter.com/LulzSec

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http://barrettbrown.blogspot.ca

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http://www.huffingtonpost.com/barrett-brown

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http://www.vanityfair.com/contributors/barrett-brown

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http://blogs.dallasobserver.com/unfairpark/2013/01/barrett_brown_found_competent.php

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http://freebarrettbrown.org/

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http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2013/mar/21/barrett-brown-persecution-anonymous

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http://reformjudaismmag.org/Articles/index.cfm?id=1104

http://www.heise.de/tp/blogs/8/print/154679

Peter Nowak

Exil am Rio de la Plata

Jüdische Naziverfolgte fanden in Uruguay Zuflucht und mussten in den 70er-Jahren wieder fliehen

Enrique Blum hieß früher Heinrich. Erst in Lateinamerika hispanisierte er seinen Namen. Der Medizinstudent aus Halle kam zusammen mit seinen Eltern am 24. Juli 1937 in Uruguay an. »Man hat ein Loch außerhalb Europas gesucht«, begründet Heinrich Blum die Wahl seines Exillandes. Auch für andere wurde das kleine Land am Rio de la Plata zwischen 1933 und 1945 zum Zufluchtsort vor dem NS-Terror. Und die große Mehrheit der Exilanten waren Juden.

Die Berliner Historikerin Sonja Wegner hat mit ihrem Buch die Geschichte dieser »Zuflucht in einem fremden Land« erforscht. Im ersten Teil des Buches beschreibt sie die Wege ins Exil, das oft eine Rettung in letzter Minute war. Fast alle Länder verschärften gerade in dem Augenblick ihre Einwanderungsgesetze, als das Naziregime den Druck auf die Juden immer weiter steigerte. In einem eigenen Kapitel schildert die Autorin die perfiden Methoden der Ausplünderung der Emigranten.

Innenpolitik Während in Deutschland die Situation für Juden und Nazigegner immer lebensgefährlicher wurde, entwickelte sich die innenpolitische Situation in Uruguay für die Emigranten günstig. Nachdem eine rechte Diktatur, die gute außenpolitische Kontakte zu Deutschland und Italien pflegte, 1938 abtreten musste, näherte sich das Land außenpolitisch den USA an.

Die liberalen Einreisebestimmungen in Uruguay ermöglichten es den Einwanderern zudem, innerhalb von drei Jahren eingebürgert zu werden. Die Prokuristin Hedwig Freudenheim erhielt das begehrte Dokument sogar bereits nach wenigen Monaten. Dass trotz der Einwanderungsmöglichkeit das Leben für die jüdischen Emigranten in Uruguay keineswegs einfach war, zeigt Wegner am Beispiel von Carl Sichel auf.

Der 50 Jahre alte Rechtsanwalt durfte in Uruguay seinen Beruf nicht ausüben und versuchte, als Geschäftsmann zu überleben. Wie Sichel ging es vielen Exilanten, die in Deutschland bürgerliche Berufe ausgeübt hatten und in dem Aufnahmeland mit Gelegenheitsarbeiten ihren Lebensunterhalt verdienen mussten.

Konflikte Hoch waren die Einwanderungshürden allerdings für politische Emigranten, die häufig bereits in Deutschland in linken Organisationen aktiv waren. In eigenen Kapiteln geht Wegner auf die politischen Aktivitäten der Emigranten und die Auseinandersetzung darum unter den jüdischen Emigranten ein.

Als sich das Ende des NS-Systems abzeichnete, verschärften sich die Diskussionen auch innerhalb der jüdischen Exilgemeinschaft. Während der unter den jüdischen Emigranten in Montevideo sehr einflussreiche Hermann P. Gebhardt mit anderen antifaschistischen Organisationen für ein »anderes Deutschland« eintrat, wandte sich Karl Berets von der deutsch-jüdischen Neuen Israelitischen Gemeinde in einem Offenen Brief gegen dieses Engagement und trat für einen Staat Israel ein.

In den 50er-Jahren verhinderten die in Uruguay ansässigen jüdischen Emigranten, dass ausgerechnet der Mitverfasser der Nürnberger Rassengesetze, Hans Globke, als Staatssekretär der Adenauer-Regierung Uruguay besuchen konnte. Einige der neuen uruguayischen Staatsbürger mussten allerdings in den 70er-Jahren, als in Uruguay eine rechte Militärjunta die Macht ergriff, erneut fliehen. Ernesto Kroch, ein linker Gewerkschafter, der als Jugendlicher vor den Nazis geflohen war, suchte in Deutschland Exil.

Sonja Wegner: »Zuflucht in einem fremden Land: Exil in Uruguay 1933–1945«, Assoziation A, Berlin 2013, 375 S., 22 €

aus Jüdische Allgemeine

http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/16506

Peter Nowak

Nie mehr Überwachung durch die USA

SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück zieht die nationale Karte und beruft sich auf Schröder

Eben wurde im Magazin Focus die SPD als die große Niete in den Umfragen hingestellt [1]. Doch jetzt kommen für die Opposition erfreulichere Signale. Die Wahl sei noch lange nicht entschieden und der Vorsprung der Regierungskoalition schmelze [2]. Schon wird die Frage gestellt, ob der NSA-Abhörskandal die Wahlen entscheidet.

SPD-Kandidat Steinbrück, der sich schon immer politisch Gerhard Schröder sehr verbunden gefühlt, hat in den letzten Tagen gleich mehrfach den Ex-Kanzler als Vorbild genannt. Der habe gezeigt, dass man bei Wahlen aus einer aussichtslosen Position heraus aufholen kann. Er verweist dabei auf die Wahlen von 2005, die Schröder knapper als ursprünglich prognostiziert verloren hat. Schließlich wurde damals Schwarz-Gelb verhindert und die SPD trat in eine große Koalition ein. Eine solche Konstellation könnte sich auch bei den nächsten Bundestagswahlen wiederholen. Steinbrück hat allerdings bereits erklärt, dass er dann kein Ministeramt übernehmen würde.

Ein neuer deutscher Weg?

Doch Steinbrücks demonstrativer Bezug auf Schröder hat in diesen Tagen auch eine weitere Komponente. Wie der Ex-Kanzler im Konflikt mit dem Irak den deutschen Weg beschwor, spielt auch der Kanzlerkandidat in den letzten Tagen die nationale Karte:

„Frau Merkel hat als Kanzlerin den Amtseid geschworen, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden. Jetzt kommt heraus, dass Grundrechte der deutschen Bürger massiv verletzt wurden. Also: Schaden vom Volke abzuwenden – das stelle ich mir anders vor. Jeden Monat wurden 500 Millionen persönliche Verbindungsdaten von uns abgesaugt.“

Auch die Grünen monieren, dass die Merkel die Totalüberwachung durch die USA ignoriere [3]. Solche Töne könnten in der Bevölkerung auf offene Ohren treffen. Schließlich wurde der NSA-Skandal überwiegend als Anmaßung der USA gegenüber Deutschland interpretiert.

Gefragt wird dann nur, ob auch deutsche Behörden den US-Diensten Hilfe geleistet hätten. Sie werden als mögliche Kollaborateure der USA gerügt. Hier schimmert wieder jenes Bild von Deutschland durch, das bereits in der Friedens- und Alternativbewegung der 1980er Jahre des letzten Jahrhunderts vorherrschend war. Auch dort kam (West)-Deutschland in der Regel als Kolonie der USA vor. Dass das Land eigene Interessen hatte, die es vor 1989 im Bündnis mit den USA umsetzten wollte, kam selten zu Sprache. In den letzten 20 Jahren hat Deutschland diese Interessen oft auch ohne und gegen die USA umzusetzen versucht. Daher ist es umso erstaunlicher, wenn nun die alte Platte wiederaufgelegt wird.

Die volle Souveränität ohne Vorbehalte

So ist es auch nicht verwunderlich, dass im Rahmen der NSA-Debatte erneut eine Diskussion um Deutschlands Souveränität begonnen hat und man daran Anstoß nimmt, dass es noch einige alliierte Vorbehalte gibt. In der FAZ wird gefordert [4]:

„In jedem Fall ist es höchste Zeit, dass das seit zwanzig Jahren nach offiziellem alliiertem Willen souveräne Deutschland darauf dringt, solche skandalösen Vorbehalte zu beseitigen. Das soll jetzt offenbar auch nach dem Willen der Amerikaner geschehen. Dann sollte man aber mit der Charta der Vereinten Nationen beginnen, nach der Deutschland noch heute als Feindstaat gilt.“

So wird die aktuelle Debatte genutzt, um auch die letzten Erinnerungen an eine Zeit zu tilgen, wo Deutschlands Souveränität in der Tat und begründet eingeschränkt war. Der Grund wird allerdings kaum noch genannt. Es war das völkermörderische NS-System.

Wie Josef Foschepoth in seiner in diesen Tagen vielzitierten Forschungsarbeit Überwachtes Deutschland. Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik [5] detailliert nachweist, dienten die ersten Überwachungsmethoden der Unterbindung weiterer nationalsozialistischen Aktivitäten. Doch so häufig in diesen Tagen, die in dem Buch dokumentierten Bestimmungen der Alliierten zitiert werden, so konsequent wird meist darüber hinweggesehen, dass in dem Buch auch detailliert beschrieben wird, wie westdeutsche Behörden die Überwachung gegen die DDR und angeblichen Unterstützer in Westdeutschland flächendeckend durchführten.

Während so viel über deutsche Souveränität geredet wird, die manchen noch immer nicht vollständig genug ist, wird unterschlagen, dass deutsche Behörden bereits in den 1950er Jahren sehr souverän die politische Opposition überwachten. Mittlerweile hat Überwachung und Kontrolle in Deutschland eine soziale Komponente.

So können Hartz IV-Bezieher, wenn sie verdächtigt werden, falsche Angaben gemacht zu haben oder anonym denunziert wurden, mit dem Einsatz von Sozialdetektiven rechnen, die auch in der Nachbarschaft Erkundigungen einziehen können. Doch darüber wird zurzeit nicht gesprochen, so dass man den Verdacht nicht los wird, dass es weniger um die Kritik an der Überwachung geht, sondern daran, dass fremde Mächte wie die USA es wagen, deutsche Bürger zu überwachen. Dass diese Entscheidung nach den islamistischen Anschlägen vom 11.9.2001 aus der Sicht der US-Behörden eine gewisse Plausibilität hat, wird auch kaum erwähnt. Schließlich hielten sich einige der an den Anschlägen beteiligten in Hamburg auf.

Nie wieder Überwachung durch die USA

Auf welchen Niveau die Diskussion nicht nur im Boulevard geführt wird, zeigt eine Spiegel-Kolumne [6] von Jakob Augstein mit der Überschrift: “Wir Untertanen“:

„Die Deutschen wollen im Überwachungsskandal endlich klare Worte von Angela Merkel. Aber die Kanzlerin schweigt. Wenn wir uns das gefallen lassen, haben wir aus zwei Diktaturen nichts gelernt.“

So wird der Widerstand gegen die NSA-Überwachung sogar noch zur antifaschistischen Aktion umgebogen. Lautete der Schwur von Buchenwald „Nieder wieder Faschismus“, so soll jetzt eine Lehre aus dem NS sein „Nie mehr Überwachung durch die USA sein.“

Peter Nowak 18.07.2013

Links

[1]

http://www.focus.de/magazin/kurzfassungen/focus-29-2013-gruene-beunruhigt-wegen-schlechter-umfragewerte-der-spd_aid_1042567.html

[2]

http://www.focus.de/politik/deutschland/bundestagswahl-2013/entscheidet-der-nsa-abhoerskandal-die-wahl-rot-gruen-zieht-an-vorsprung-von-schwarz-gelb-schmilzt_aid_1045024.html

[3]

http://www.gruene.de/themen/moderne-gesellschaft/merkel-ignoriert-total-ueberwachung-durch-die-nsa.html

[4]

http://www.faz.net/aktuell/politik/geheimdienste-wertegemeinschaft-12283119.html

[5]

http://www.v-r.de/de/title-0-0/ueberwachtes_deutschland-1007436/

[6]

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/jakob-augsteins-kolumne-zu-merkels-schweigen-im-nsa-skandal-a-909930.html

http://www.heise.de/tp/blogs/8/print/154656

Peter Nowak

Ein Urteil schreibt Überprüfungen von lebenslänglichen Haftsstrafen vor


Drei wegen Mordes zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilte Briten könnten europäische Rechtsgeschichte geschrieben haben

Die Briten hatten vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (ECHR) geklagt, weil eine Gesetzesänderung in Großbritannien dafür gesorgt hat, dass zu lebenslänglichen Haftstrafen Verurteilte kaum Chancen haben, das Gefängnis noch einmal lebend zu verlassen.

2003 hat das britische Parlament seine Gesetzgebung geändert. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden lebenslange Haftstrafen nach 25 Jahren vom britischen Justizminister überprüft. Er hatte das Recht, Strafen zu verkürzen. Diese Bestimmung war 2003 abgeschafft worden, ohne dass eine andere Überprüfungsmöglichkeit geschaffen wurde. Heute können zu lebenslänglichen Haftstrafen Verurteilte nur dann in Freiheit kommen, wenn sie vom Justizminister begnadigt werden. Der macht davon selten Gebrauch, weil auch in der britischen Bevölkerung harte Strafen immer auf Zustimmung in großen Teilen der Bevölkerung stoßen.

Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofes hat heute in einem Urteil entschieden, dass der Umgang Großbritaniens gegen die europäische Menschenrechte verstoße. Konkret gegen das Verbot unmenschlicher und erniedrigender Behandlung, wie sie in Artikel 3 der Konvention der Europäischen Menschenrechte festgelegt wird, wie die Richter erklären. Vor einigen Monaten hatte die kleine Kammer des Gerichts die britische Praxis noch gebilligt.

Die Entscheidung bedeutet allerdings nicht, dass die Kläger jetzt automatisch freigelassen werden. Das hängt davon ab, ob sie als gefährlich eingestuft werden. Damit hat der Gerichtshof eben nicht lebenslängliche Haftstrafen generell moniert, sondern nur Regelungen, die keinerlei Überprüfungen vorsehen. Vor allem Häftlinge, die sich einer Mitarbeit bei der Prüfung verweigern, werden so auch künftig kaum vorzeitig freigelassen werden.

Lebenslänglich durch die Hintertür?

Der Gerichtshof für Menschenrechte wies in der Urteilsbegründung darauf hin, dass die Mehrheit der Europaratsländer entweder keine lebenslangen Haftstrafen verhängen oder aber eine Überprüfung der Strafe – meist nach 25 Jahren – vorsehen, wie es in den Statuten des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag vorgesehen ist. Auch in Deutschland werden lebenslängliche Haftstrafen in der Regel nach 15 Jahren gerichtlich überprüft.

Damit scheint die hiesige Praxis von dem heutigen Urteil nicht betroffen zu sein. Doch das Europäische Gericht hat bereits mehrmals die deutsche Praxis der Sicherheitsverwahrung kritisiert und so den Gesetzgeber zu Reformen gezwungen.

Die Sicherheitsverwahrung darf nicht zu einem „Lebenslänglich durch die Hintertür“ werden, wovor Strafrechtler schon lange warnten. Erst durch die europäische Gesetzgebung aber wurden ihre Einwände ernstgenommen. Das heutige Urteil reiht sich so in ähnliche Entscheidungen zur Sicherheitsverwahrung ein, die Grundrechte auch der Häftlinge schützen und Parlamente dazu zu zwingen, diese Tatsache anzuerkennen, auch wenn sie nicht unbedingt Wählerstimmen bringen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154611
Peter Nowak

Politik und Protest in der Krise

„Denn sie wissen nicht: Was tun?“: Die außerparlamentarische Linke machte sich in Berlin Gedanken über autoritäre Krisenlösungen und die Begrenztheit linker Gegenentwürfe

Die Blockupy-Aktionstage Anfang Juni sorgen vor allem wegen des stundenlangen Polizeikessels weiter für Schlagzeilen. Doch wie steht es mit dem Anliegen der Menschen, die am 1.Juni auf die Straße gegangen sind? Muss man wieder ein Jahr, vielleicht gar die Einweihung des Neubaus der Europäischen Zentralbank in Frankfurt/Main, abwarten, bis man hierzulande wieder über Krisenproteste in Deutschland liest?

Auf einem dreitätigen Kongress konnte man Antworten auf die Frage bekommen, was die Aktivisten zwischen den Groß-Events umtreibt. Organisiert wurde er vom 2006 gegründeten Ums-Ganze-Bündnis, in dem sich elf Gruppen aus Deutschland und Österreich der außerparlamentarischen Linken zusammengeschlossen haben. Das Bündnis war in der Blockupy-Vorbereitung aktiv und hat in einem Auswertungspapier die Verbreiterung der Bewegung in die Alltagskämpfe hinein als schweres, aber nicht unmögliches Ziel benannt.

In vier Podiumsdiskussionen und über 20 Workshops wurde über die „autoritäre Wende des Neoliberalismus“, die Krise im Reproduktionsbereich, über Rechtspopulismus, Gesundheit und Krise debattiert. Sowohl im Titel „Politik in der Krise“ als auch im Untertitel „Denn sie wissen nicht: Was tun?“ drückten sich eine „produktive Ratlosigkeit“ aus, wie es ein Kongressteilnehmer formulierte. In der Krise sind auch viele althergebrachte Protestformen. Dabei wird nicht in Abrede gestellt, dass immer wieder Massen auf die Straße gehen und Aktionen oft auch in kurzer Zeit organisieren. Doch genau so schnell verschwinden die Bewegungen oft wieder. Wie die Akteure Lernprozesse und Erfahrungen, die sie in den Auseinandersetzungen sammeln, verarbeiten, ist so oft schwer oder gar nicht mehr feststellbar. Längerfristige Organisierungsansätze sind oft schwer längere Zeit aufrechtzuhalten.


Sind Theorie und Organisationen überholt?

Diese Problematik drückte sich auch im Untertitel „Denn sie wissen nicht: Was tun?“ aus. Natürlich waren damit auch die Regierungen und politischen Institutionen gemeint, die oft Getriebene in der Krise sind, die genug damit zu tun haben, immer neu auftretende Krisenherde in ihrem Sinne einzuhegen. Das Motto richtet so auch gegen verkürzte linke Vorstellungen von staatlichen Institutionen, die alles im Griff haben. Es richtete sich aber auch gegen manche linke Vorstellungen, dass es nur der richtigen Organisation bedarf, um die eigene Krise zu lösen.

Martin Glassenapp von der Interventionistischen Linken vertrat auf der Podiumsdiskussion mit dem Titel „Neue Kämpfe – neue Subjekte“ die These, dass sich am Beispiel der Aufstände vom arabischen Raum bis nach Brasilien zeige, dass die klassischen linken Vorstellungen von Organisation und linker Theorie überholt seien. Die Publizisten Roger Behrens und Jutta Ditfurth betonten hingegen die Notwendigkeit einer linken Organisierung, die sich nicht kritiklos an jeder gerade entstehenden sozialen Bewegung anbiedert. Behrens warnte davor, Massenbewegungen in aller Welt emanzipatorische Absichten zu unterstellen, ohne deren Ziele genauer zu analysieren.

Ein gutes Beispiel dafür hat in den letzten Tagen der langjährige Attac-Aktivist und Bewegungstourist Pedram Shahyar geliefert, der nach dem Sturz des gewählten Präsidenten Mursi in Ägypten von der permanenten Revolution schwärmte, ohne sich die Frage zu stellen, wieso ein Großteil dieser Bewegung den Militärputsch gegen einen gewählten Präsidenten bejubelt, obwohl die Generäle in der Vergangenheit für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich waren. Jutta Ditfurth betonte in ihrem Beitrag, dass die alte Parole „aus der Geschichte lernen“ weiterhin eine Grundbedingung für eine linke Bewegung sei, von den kurzlebendigen sozialen Bewegungen von den Sozialforen bis zu Occupy, aber negiert werde.

Auf dem Abschlusspodium war man sich bei den griechischen Gruppen Alpha Kappa sowie Plan C einig in der Ablehnung eines autoritären Krisenkapitalismus und verkürzter linker Krisentheorien, zur Formulierung konkreter Protestziele kam es allerdings nicht.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/15459
Peter Nowak

Befriedet die Justiz den Konflikt in der Türkei?


Ein Istanbuler Verwaltungsgericht hatte schon im Juni die umstrittenen Baumaßnahmen des Gezi-Parks gestoppt

Wie schon länger in türkischen Medien berichtet worden war, hatte ein Istanbuler Verwaltungsgericht bereits im Juni entschieden, dass die umstrittenen Baumaßnahmen des Gezi-Parks im Zentrum der türkischen Metropole gestoppt werden müssen. Die islamisch-konservative Regierung wollte dort den Nachbau einer historischen Kaserne mit Einkaufsszentren, Geschäftsräumen und Wohnungen errichten.

Das Gericht sei dem Antrag der Istanbuler Architektenkammer gefolgt. Eine Begründung für den Stopp des Bauvorhabens lautete, die Bewohner seien über das Bauvorhaben nicht ausreichend informiert worden.

Das Bauvorhaben am Gezi-Park führte zu einer landesweiten Protestbewegung, die sich zu einen Aufstand gegen die Regierung Erdogan ausweiteten, die mit massiver Polizeirepression reagierte und die Bewegung damit in die Defensive brachte. Allerdings gab es auch in den vergangenen Tagen weitere Proteste, als ein Polizist, der für den Tod eines Demonstranten verantwortlich gemacht wird, freigelassen wurde.

Zudem drohte der Konflikt in den letzten Tagen auch auf die kurdischen Gebiete überzugreifen, nachdem dort ein junger Mann erschossen wurde, der sich an Protesten gegen die Einrichtung eines Militärstützpunktes beteiligte. Die kurdische Nationalbewegung hatte sich an den Demonstrationen am Taksim-Platz von Anfang beteiligt, dabei aber auch die Befürchtung geäußert, dass sich dort Kräfte artikulieren können, die Friedensverhandlungen der kurdischen PKK mit der Erdogan-Regierung ablehnen. Nach dem Tod des Jugendlichen demonstrierten erstmals auch Bewohner der Westtürkei gegen die Repression im kurdischen Teil des Landes, die sich mit der Niederschlagung der Demonstrationen rund um den Taksim-Platz vergleichen lassen, bisher aber nur eine kleine Minderheit in Istanbul interessierte.

Das Gerichtsurteil könnte die Ausweitung der Bewegung stoppen. Damit hätte die Justiz wie oft in Konflikten mit großer gesellschaftlicher Auswirkung auch in Deutschland die Funktion einer Einhegung. Den Menschen, denen es lediglich um den Erhalt des Parks gegangen ist, kann so signalisiert werden, dass die Gewaltenteilung funktioniert. Die Regierung hatte im Vorfeld angekündigt, das Urteil des Gerichts zu akzeptieren. Das ist keineswegs selbstverständlich. Schließlich hat die Erdogan-Regierung in anderen Belangen schon mehrere Gerichtsentscheidungen ignoriert. Das hätte der Protestbewegung sicherlich einen neuen Schub geben.

Doch schlaue Berater haben den autoritären Ministerpräsidenten sicher klargemacht, dass er sich jetzt mit Verweis auf das Urteil von dem Projekt verabschieden kann, ohne der Protestbewegung nachgegeben zu haben. Auf diese Weise haben sich auch in Deutschland die Regierenden ohne großen Gesichtsverlust von gesellschaftlich schwerdurchsetzbaren Projekten verabschieden können. Als Beispiel sei der Stopp der heftig umstrittenen Volkszählung im ersten Anlauf 1983 durch das Bundesverfassungsgericht genannt.

Kann die Protestbewegung von dem Urteil profitieren?

Eine andere Frage lautet, ob die Protestbewegung in der Türkei langfristig von der Entscheidung des Gerichts profitiert. Natürlich feiern sie die Entscheidung spontan als großen Erfolg ihrer Kämpfe und kündigen an, ihren Protest fortsetzen zu wollen. Doch von der Frage, ob dieses Vorhaben gelingt, wird letztlich abhängen, ob man von einem Erfolg sprechen kann.

Zudem stellt sich die Frage, warum das Urteil erst nach fast einen Monat zur Kenntnis genommen wurde. Dabei ist es bereits vor dem Höhepunkt der Proteste gefallen, als das Gelände noch besetzt war. Damals hätte man es als großen Erfolg feiern können. Nachdem Erdogan den Sieg über die Demonstranten ausgerufen hat und sein Vize antisemitische Verschwörungstheorien über den Ursprung der Proteste verbreitet, könnte das Urteil eher als Befriedung, die die Niederlage erträglicher macht, aufgenommen werden.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154580
Peter Nowak

Erinnerung an die Folterhölle


Berliner Antifaschisten planen Gedenkort im ehemaligen KZ Sonnenburg

Das KZ Sonnenburg wurde 1933 zum Inbegriff des NS-Terrors gegen politische Gegner. Heute ist das Lager im polnischen Słonsk weitgehend vergessen. Berliner Antifaschisten wollen dort einen Erinnerungsort einrichten. Sie stellten das Projekt am Mittwochabend in Berlin vor.

Der KPD-Politiker Rudolf Bernstein veröffentlichte 1934 in der Prager »Arbeiter Illustrierten Zeitung« den Artikel »Folterhölle Sonnenburg«. Der spätere Direktors des Staatlichen Filmarchivs der DDR war wie Tausende Nazigegner nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 verhaftet worden. Weil in Berlin nicht genügend Unterkünfte für die vielen Gefangenen vorhanden waren, nahmen die Nazis das Zuchthaus Sonnenburg wieder in Betrieb, das wenige Jahre zuvor von der preußischen Regierung wegen katastrophaler hygienischer Verhältnisse geschlossen worden war.

Doch die bis zu 1000 Häftlinge, in ihrer großen Mehrheit Kommunisten aus Berlin und Umgebung, die dort ab April 1933 einsaßen, hatten nicht nur unter Enge und schlechtem Essen zu leiden. Sie waren auch Demütigungen und Folter der brutalen SA-Wachmannschaften ausgesetzt.

Das Lager wurde im April 1934 geschlossen, aber mit Beginn des Zweiten Weltkrieges erneut eröffnet. Dorthin wurden Nazigegner aus allen von der Wehrmacht besetzten Ländern gebracht. In der Nacht vom 30. auf den 31. Januar 1945 wurden auf dem KZ-Gelände von der Gestapo über 800 Gefangene erschossen. Opfer dieses größten Massakers in der Endphase des NS-Regimes waren Angehörige einer kommunistischen Widerstandsgruppe sowie Gefangene aus Frankreich und Luxemburg. Die Täter wurden in Deutschland nie verurteilt.

Für Hans Coppi von der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) ist Sonnenburg in Deutschland heute weitgehend vergessen, weil es keine Lagergemeinschaft ehemaliger Insassen gibt. In einer Arbeitsgruppe der VVN-BdA, die sich für den Erinnerungsort an das Konzentrationslager einsetzt, arbeitet auch Kamil Majchrzak von der polnischen Edition der Zeitschrift »Le Monde Diplomatique« mit. Er betont gegenüber »nd« die politische Bedeutung des geplanten Gedenkortes. »In Zeiten der Rechtsentwicklung in verschiedenen europäischen Ländern soll dort daran erinnern werden, dass Widerstandskämpfer aus allen europäischen Ländern die Welt vom Nationalsozialismus befreiten.«

Die VVN-BdA hat eine Datenbank mit über 500 Namen von Häftlingen der »Folterhölle« zusammengestellt. Dabei konnte sie sich auf Vorarbeiten des polnischen Historikers und Leiters der lokalen Kommission zur Erforschung der deutschen Verbrechen in Polen, Przemysław Mnichowski, stützen. »Leider existiert nach wie vor keine vollständige Namensliste der auf dem Friedhof der Kriegsgefangenen verscharrten Opfer des Zuchthause«, erklärt Frieder Böhne vom Arbeitskreis der VVN-BdA.

Am 12. und 13. September soll in Słonsk auf einer Tagung über die Gestaltung des Gedenkortes mit Teilnehmern aus Polen, Deutschland, Luxemburg, Norwegen, Belgien beraten werden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/826522.erinnerung-an-die-folterhoelle.html

Peter Nowak