Satirisch gegen Sarrazin in Erfurt

»Zwangssterilisation für Erwerbslose und MigrantInnen« forderten am 5. April Demonstranten vor dem Erfurter Jobcenter. Nach wenigen Minuten formieren sich Gegner dieser Forderung. Nach einiger Verwirrung wurde den Passanten klar, dass sich die Aktion gegen den Auftritt des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin in Erfurt richtet. Sarrazin will am 9. Mai in der Alten Oper aus seinem Buch »Deutschland schafft sich ab« lesen. Doch gegen den Auftritt wächst der Protest in der Thüringer Landeshauptstadt. Mehr als 200 Einzelpersonen und Organisationen fordern die Absage der Lesung. »Die weite Verbreitung rassistischer, biologistischer und sozialchauvinistischer Einstellungen in der Gesellschaft zeigen, wie wichtig es ist, entschieden gegen all deren Erscheinungsformen vorzugehen«, heißt es in der Begründung. Sarrazin trage »entschieden zur Stärkung und Verbreitung rechter und rassistischer Thesen in der Mitte der Gesellschaft« bei.
Sollte die Lesung stattfinden, will das Bündnis zu einer Protestkundgebung vor der Alten Oper aufrufen. Mit dabei sein wird auch die in Erfurt neu gegründete »Sarrazinjugend«, die mit der Aktion vor dem Jobcenter erstmals an die Öffentlichkeit getreten ist. Schon im vergangenen Herbst hatte im Berliner Stadtteil Neukölln eine Sarrazinjugend für Aufmerksamkeit gesorgt.
https://sarrazinabsagen. wordpress.com/
http://www.neues-deutschland.de/artikel/223735.bewegungsmelder.html
Peter Nowak

Sind E-Mails privat oder politisch?

Die taz gewinnt Rechtsstreit gegen Verfasser in erster Instanz
Die »tageszeitung« (taz) darf weiterhin gegen den Willen eines
Burschenschafters relevante Auszüge aus dessen E-Mail-Verkehr veröffentlichen. Das entschied das Landgericht Braunschweig vor einigen Wochen in erster Instanz. Rudolf Sch.,der als Alter Herr weiterhin mit der Arbeit der ultrarechten »Karlsruher Burschenschaft Tuiskonia« verbunden ist, wollte der Zeitung per Einstweiliger Verfügung verbieten lassen, aus seinen E-Mails zu zitieren. Er sehe sich durch die Veröffentlichung in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt, argumentierte er. Zumal aus den Mails deutlich hervorgehe, dass sie nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen seien. Bei dem Schriftwechsel ging es tatsächlich jedoch nicht um persönliche Dinge, sondern um eminent politische Fragen. Mehrere Burschenschafter vom rechten Flügel, darunter der Kläger, beratschlagten per Mail über Möglichkeiten,im Dachverband »Deutsche Burschenschaften« die Macht an sich reißen zu und den in ihren Augen zu liberalen Vorstand zu entmachten. Dabei wurde auch nicht mit politischen Aussagen gespart, wie sie in diesen Kreisen üblich sind.

Öffentliches Interesse hat vorrang
»Durch die von den Siegermächten eingesetzten Medien-Macher (…) und durch den von den 68ern erfolgten Umdeutungsversuch aller traditionellen Werte soll gerade beim deutschen Volk erreicht werden, dass es statt natürlichem Stolz und Nationalbewusstsein (…) Schuld- und Scham-Gefühle entwickelt«, heißt es beispielsweise in typisch rechter Geschichtssicht. Für die taz liegt hier der Grund, die Mails auch gegen den Willen der Verfasser zu veröffentlichen: »Gerade der exklusive Verschwörungsgehalt, mit dem bewusst eine Übernahme des Verbands durch rechte Gruppen geplant wurde, unterstreicht die Relevanz,« erklärte taz-Redakteur Martin Kaul. Das Landgericht Braunschweig folgte nach einer mündlichen Verhandlung dieser Auffassung. Es bestehe ein öffentliches Interesse daran, über den Vorgang zu berichten. Weil der Kläger hinreichend anonymisiert wurde, sei er nicht in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt worden.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Hat der Spruch Bestand,
kann er nach Meinung von Juristen auch Auswirkungen auf ähnliche
Fälle bei anderen Medien haben. Damit würden die Rechte von
Journalisten gestärkt. Bisher war die Rechtslage in solchen Fällen uneindeutig.
Journalistische Rechte würden gestärktSo erlaubte das Landgericht Hamburg 2008 dem »Spiegel«, aus EMails des NPD-Vorsitzenden Udo Voigt zu zitieren. In Berlin wurde dagegen
kürzlich der »Bild«-Zeitung untersagt, aus E-Mails auf einem geklauten
Laptop des früheren brandenburgischen Innenministers Rainer Speer zu zitieren, die allerdings eindeutig dessen Privatsphäre betrafen.
http://medien-kunst-industrie.bb.verdi.de/sprachrohr/#ausgaben-2011
Peter Nowak
aus Sprachrohr 5/11

Angelo Lucifero im Fadenkreuz von VS-Nazis

Am 14. Mai 2001 fand anlässlich zahlreicher Skandale, in die der Verfassungsschutz (VS) Thüringen verwickelt war, eine kleine Kundgebung mit Straßentheater vor dem VS-Gebäude in der Haarbergstraße statt. Initiator war Angelo Lucifero, hauptamtlicher Gewerkschafter, Antifaschist und damals Zielscheibe einer mit VS-Geldern finanzierten Nazi-Kampagne. Sein Fall verdient verstärkte Beachtung, nachdem die zweifelhafte Rolle des thüringischen Verfassungsschutzes unter Helmut Roewer im Zusammenhang mit dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in der Öffentlichkeit Thema geworden ist.
Der Spiegel schrieb am 11.9.2000: „Angelo Lucifero, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) in Thüringen, soll Opfer einer gemeinsamen Intrige von Neonazi Thomas Dienel und dem Landesverfassungsschutz geworden sein. Im Herbst 1997, behauptet Dienel, habe das Landesamt eine Flugblattkampagne der rechten Szene gegen Lucifero finanziell unterstützt. Auf den Blättern war ein fingierter Aufruf aus der Antifa-Szene zu lesen, der den Anti-Nazi-Aktivisten Lucifero der Zusammenarbeit mit dem Rechtsradikalen bezichtigte.“ Auf einem zweiten gefälschten Flugblatt beschwerten sich anonyme HBV-Mitglieder über den Missbrauch ihrer Beiträge durch Lucifero. Daraufhin erstattete dieser Anzeige gegen „Dienel und unbekannt“.
Für seine Dienste für die Behörde hat der Neonazi Dienel bis 1998 vom thüringischen Verfassungsschutz rund 2205000 Mark kassiert. Seine Spitzeltätigkeit wurde im Juni 2000 bekannt. Daraufhin wurde Helmut Roewer in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Stellt sich doch die Frage: Nutzte der VS die von ihm finanzierten Neonazistrukturen, um den engagierten Gewerkschafter und Antifaschisten Lucifero zu diskreditieren, der Rechten aller Couleur, aber auch der Kapitalseite ein Dorn im Auge war?
Die Kampagne gegen Lucifero wurde jahrelang fortgesetzt. 2007 hatten seine Feinde ihr Ziel erreicht. Als Lucifero sich auf einer Erwerbslosendemonstration gegen eine Gruppe von angreifenden Neonazis mit einer Pistole verteidigte, ließ ihn auch Ver.di fallen. Seitdem hat er sich zurückgezogen. „Heute soll man ihn möglichst in Ruhe lassen“, hieß es kürzlich im ND. Das Agieren der thüringischen VS-Nazis gegen einen linken Gewerkschafter dürfte kein Einzelfall sein. Das durch die NSU-Affäre entstandene Interesse sollte genutzt werden, um den Fall öffentlich bekannter zu machen.
http://www.sozonline.de/
Peter Nowak
aus Sozialistische Zeitung (SoZ) März 2012

Führe in Frieden

Zwei Gerichtsurteile aus den vergangenen Wochen bringen NS-Opfer um ihr Recht auf Entschädigungen. Die Vergangenheit der europäischen Führungsmacht Deutschland soll endgültig zu den Akten gelegt werden.

»Europa lernt Deutsch. Deutschland setzt sich durch.« Diese Zeilen prangen auf zahlreichen Werbetafeln, mit denen sich die Welt am Sonntag als Stimme einer selbstbewussten Nation anpreist. Der auf den Tafeln abgebildete Artikel berichtet vom EU-Gipfel vergangenen Herbst in Brüssel, bei dem das deutsche Sparmodell zum europäischen Weg erklärt wurde. Seitdem lassen sich immer mehr deutsche Politiker mit Parolen vernehmen – erinnert sei etwa an Volker Kauders (CDU) »Jetzt wird in Europa Deutsch gesprochen« –, mit denen sie die deutsche Führungsrolle in Europa rühmen.

Man hat sich an diese deutsche Machtposition in Europa gewöhnt. Selbst Warnungen, dass die Bundesrepublik ihren gewonnenen Einfluss nutzen möchte, um einen Schlussstrich unter ihre NS-Vergangenheit zu ziehen, erzeugen bei vielen nur mehr ein Gähnen. Dabei ist man der Umsetzung dieses Vorhabens, mit dem sich Deutschland endlich seinen Rechtsfrieden in Bezug auf die Naziverbrechen schaffen möchte, in den vergangenen Wochen sehr nah gekommen. »Deutschland setzt sich durch« hätte daher auch die Überschrift zu einem Artikel über die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) lauten können, die weitere Entschädigungsklagen von Opfern deutscher Kriegsverbrechen unmöglich macht (siehe auch Jungle World 05/12).

Geklagt hatten in dem Prozess mehrere Opfergruppen: italienische Zivilisten und Soldaten, die nach Deutschland verschleppt worden waren und als Zwangsarbeiter schuften mussten, sowie Überlebende und Angehörige von Opfern deutscher Kriegsmassaker, sowohl aus Italien wie aus Griechenland. Einer dieser Mordaktionen, durchgeführt am 10. Juni 1944 von der SS, fielen im griechischen Ort Distomo 200 Bewohner zum Opfer. Noch heute versammeln sich die noch lebenden Mörder von Distomo jährlich zu Kameradschaftstreffen, auf denen sie Erinnerungen austauschen. Die Familien von Distomo haben bisher keinerlei Wiedergutmachung erhalten. Und dabei wird es nach dem Urteil von Den Haag auch bleiben.

Dabei hatten zuvor griechische und italienische Gerichte die Ansprüche von Betroffenen für rechtmäßig erklärt. Deutsche Kultureinrichtungen in Griechenland und Italien waren bereits mit einer Zwangshypothek belegt worden, um aus dem Erlös die Entschädigungen zu finanzieren. Mit dem Urteil des IGH ist dies nun hinfällig. Der »AK Distomo«, der sich seit Jahren für die Entschädigung der Opfer und ihrer Angehörigen einsetzt, spricht von einem »sehr traurigen Tag«, haben doch »die Ideologie des Stärkeren und die Norm der Mächtigen über die Anerkennung des Unrechts gegenüber den einzelnen Machtlosen obsiegt«. Die Initiative bewertet die Entscheidung vor dem Hintergrund der gegenwärtigen politischen Situation. »Der Gerichtshof hat sich der Macht Deutschlands und der Staatsräson gebeugt und die Grundlagen der Nürnberger Prozesse faktisch beseitigt«, schreibt der Arbeitskreis.

Die meisten deutschen Kommentatoren hoben angesichts des Urteils hingegen hervor, dass mit der Entscheidung »Rechtssicherheit« hergestellt und die Staatsimmunität gestärkt worden sei. Hinter dieser scheinbar sachlichen, vordergründig rechtspolitischen Beurteilung verbergen sich die Ignoranz gegenüber den Opfern deutscher Verbrechen und eine Identifizierung mit der deutschen Staatsräson. Der Kommentator der FAZ, Reinhard Müller, stellte gar Täter und Opfer deutscher Verbrechen gewissermaßen auf eine Stufe. Ob es »ein schwarzer Tag für die Menschenrechte sei«, wenn Deutschland nun nicht »für ausländische Opfer nationalsozialistischer Untaten zahlen« müsse, fragte er und gab zur Antwort: »Ita­lien und Griechenland können letztlich froh sein, dass der Internationale Gerichtshof Deutschland Recht gab – und insgeheim sind sie es wohl auch.« Schließlich hätte sonst auch »Berlins alter Verbündeter Italien« mit einer Klagewelle rechnen können.

Zugleich machte Müller deutlich, was nicht nur für ihn die Quintessenz des Urteils ist: »Rechtlich sind demnach alle Staaten gleich, keiner darf über den anderen zu Gericht sitzen« – ein Sinnspruch, der von Rechten unterschiedlicher Couleur bereits gegen die Nürnberger Prozesse vorgebracht wurde und nun zu einer Lehre des Völkerrechts gemacht wird. Doch bei dieser Lesart wird unterschlagen, dass Recht nichts Feststehendes ist, sondern das Ergebnis von Kräfteverhältnissen. Und diese spiegeln sich in dem Urteil gut wider: Deutschland hat sich vor dem IGH in derselben Weise durchgesetzt, wie es gerade in Europa den Ton angibt.

Mit der Abwehr der Entschädigungszahlungen erscheint Deutschland als später Sieger, der sich in Zynismus gegenüber den NS-Opfern üben kann. Für deren Ansprüche sei heutzutage »kein Raum mehr«, weiß denn auch Müller, »denn der Frieden, der heute in Europa herrscht (…) und der auch nicht durch chronische Nazi-Vergleiche gefährdet ist, wird nicht zuletzt durch den jetzt bestätigten Grundsatz gesichert: die Immunität der (Rechts-)Staaten«. In einer Zeit, in der die deutsche Regierung Griechenland mit Sparkommissaren und Sonderkonten droht, ist es offensichtlich für NS-Opfer zu spät, Forderungen zu stellen.

Dies bestätigt sich auch im Fall der noch lebenden »Ghettorentner«. Dabei handelt es sich um Über­lebende der Shoa, die in den Ghettos des besetzten Europa für Hungerlöhne schuften mussten. Für die meisten von ihnen führte der Weg vom Ghetto direkt in die Vernichtungslager. Die wenigen Überlebenden müssen seit Jahren um eine Rente kämpfen. Für die deutschen Rentenversicherer war es ein Leichtes, ihre Ansprüche zu verschleppen, müssen die Betroffenen dem »Ghettorentengesetz« von 2002 zufolge doch den Nachweis antreten, dass sie »aus eigenem Willensentschluss« und »gegen Entgelt« im Ghetto gearbeitet hatten. Ansonsten fällt ihr Fall in den gesondert zu behandelnden Bereich der Zwangsarbeit, für den die Rentenkassen nicht zuständig sind. Der Antrag musste zudem bis Mitte 2003 gestellt werden, um rückwirkend Ansprüche ab Juli 1997 geltend zu machen. In keinem anderen Entschädigungsbereich gab es eine so hohe Ablehnungsquote: Über 90 Prozent der Anträge wurden von den Rententrägern zurückgewiesen.

So war es auch im Fall zweier in Israel lebender Frauen, deren Antrag zunächst abgelehnt worden war. Erst ihrem Überprüfungsantrag von 2009 wurde stattgegeben. Letztlich klagten sie gegen die Rentenversicherer, weil ihnen Zahlungen vorenthalten worden waren. Da ihr Antrag – so die Argumentation der Versicherer – zunächst abgelehnt wurde, gelte das Jahr 2009 als Antragsdatum und die Renten seien nur rückwirkend bis 2005 zu zahlen. Das Bundessozialgericht in Kassel gab den Rentenkassen in der vergangenen Woche recht. Denn es stellte fest, dass auch für »Ghettorentner« das deutsche Sozialrecht – und damit die gesetzliche Nachzahlungsgrenze von vier Kalenderjahren – zu gelten habe.

Betroffen von dem Urteil sind 22 000 noch lebende NS-Opfer, deren Erstantrag zunächst abgelehnt wurde. Bis zu einer halben Milliarde Euro sparen die Versicherer dadurch. Greg Schneider von der Claims Conference, die sich für die mate­rielle Entschädigungen von Juden einsetzt, appellierte infolge des Urteils an die deutsche Politik, die letzte Möglichkeit zu nutzen, den hochbetagten Überlebenden ein Mindestmaß an Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Es ist zu befürchten, dass dies nicht geschehen wird. Deutschland hat mit der Vergangenheit abgeschlossen und blickt als europäische Führungsmacht in die Zukunft.
http://jungle-world.com/artikel/2012/07/44877.html
Peter Nowak

Nazis raus oder doch nicht

Am gestrigen Jahrestag der Bombardierung Dresdens wurde mit unterschiedlichen Motivationen demonstriert

„Am Hauptbahnhof stehen noch rund zwanzig Neonazis und warten auf ihren Zug. Zwanzig Neonazis am Dresdner Hauptbahnhof – das ist hier kein ungewöhnliches Bild. Die taz beendet den Live-Ticker und sagt: Gute Nacht. Dresden ist wieder so nazifrei wie vorher“, mit diesem ironischen Statement beendete die Tageszeitung ihren Liveticker zum rechten Aufmarsch und den Gegenaktionen am 13. Februar 2012 in Dresden. Seit Jahrzehnten haben rechte Gruppen aus Deutschland und aus benachbarten Ländern versucht, den Jahrestag der Bombardierung der Stadt zu ihrem zentralen Aktionstag zu machen. Anfangs mit Erfolg, doch in den letzten Jahren wurden sie durch antifaschistische Gegenaktionen immer mehr gestört. Dabei hatte das Bündnis „Dresden-Nazifrei“, das sich auf Blockaden des rechten Aufmarsches konzentrierte, neue Bündnispartner gewonnen.

In diesem Jahr war der rechte Aufmarsch mit nach Polizeiangaben 1600 Teilnehmern wesentlich kleiner als in den vergangenen Jahren. Als die Route wegen der Protestaktionen und Blockaden von der Polizei verkürzt wurde, lehnte sich ein Teil der nationalistischen Kameradschaften dagegen auf. Es dauerte einige Zeit, bis der Aufmarsch schließlich zum Ausgangspunkt zurückkehrte. Nach Angaben eines Sprechers des Bündnisses Dresden-Nazifrei haben sich ca. 5000 Menschen an den Protesten gegen Rechts beteiligt.

Menschenkette für oder gegen was?

Daneben hatte ein Bürgerbündnis am Nachmittag eine Menschenkette organisiert, an der sich ca. 13.000 Einwohner aus Dresden beteiligten. In diesem Jahr stand anders als in den Vorjahren die Menschenkette und nicht die Blockaden des antifaschistischen Bündnisses im Mittelpunkt des Medieninteresses. Dabei blieb die Motivation der Teilnehmer diffus. Einige wollten damit gegen den rechten Aufmarsch, andere gegen Gewalt und für Toleranz und wieder andere gegen die Bombardierung Dresdens ein Zeichen setzen.

Der Deutschlandfunk meldete in der Überschrift, dass es den Teilnehmern der Menschenkette vorrangig um die Ehrung der Bombenopfer ginge. Aber wahrscheinlich war bei vielen die Motivation für die Beteiligung an den Demonstrationen der Schutz der Stadt, wobei unter dem Unheil von außen Unterschiedlichstes verstanden wurde, alliierte Bombenangriffe, Nazis oder Antifaschisten. „Wir wollen die Stadt in Schutz nehmen“, erklärte Falk Richter, einer der Organisatoren der Menschenkette. Irgendwie gehören die Rechten, ganz als Menschen versteht sich, auch mit zur großen Schutzgemeinschaft, meint Richter:

„All diejenigen, die rufen, Nazis raus, die bitte ich, doch mal kurz inne zu halten und zu überlegen, ob es nicht besser heißen müsste – Sie entschuldigen, wenn ich es so deutlich sage: Nazis rein. Ein Nazi als Nazi ist in unserer Gesellschaft natürlich unerwünscht, aber insofern er unser Mitmensch und unser Mitbürger ist, müssen wir alles tun, um ihn in die Gesellschaft zu integrieren.“

„Wat solln die Nazis raus aus Deutschland, wat hät denn des für a Sinn – die Nazis könne doch net nau, denn hier gehöre se hin“, haben die Goldenen Zitronen schon vor Jahren getextet.

Linke Gruppen aus Dresden haben auch in diesem Jahr gegen eine Haltung protestiert, die am 13.Februar in erster Line die Stadt Dresden vor dem „Bösen, das von außen kommt“, schützen will. Dass sie damit nicht mehr ganz so isoliert sind, zeigte sich an den 1.500 Menschen, die am gestrigen Nachmittag am „Mahngang Täterspuren“ teilnahmen, der zu den Stätten von NS-Terror und Verfolgung in Dresden führte, unter anderem zur Villa des Dresdner NS-Gauleiters Martin Mutschmann, die als Gestapohauptquartier diente.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151426
Peter Nowak

Ein rechter Aufmarsch weniger?

Während sich bei den alljährlichen rechten Aufmärschen zum Jahrestag der Dresden-Bombardierung Mobilisierungsprobleme abzeichnen, gibt es in Dessau rechtsoffene Bürgerdemonstrationen gegen „Ausländergewalt“

Wie in den letzten Jahren mobilisieren auch in diesem Jahr zivilgesellschaftliche und antifaschistische Bündnisse gegen eine Demonstration ultrarechter Kräfte, die in Dresden am Jahrestag der alliierten Bombardierungen am 13. Februar 1945 aufmarschieren wollen. Jahrelang war es ein zentrales Aktionsziel der Rechten, nicht nur am Jahrestag, sondern auch am Wochenende davor oder danach auf die Straße zu gehen. In den letzten Jahren hatten sich daran zunehmend auch Teilnehmer vor allem aus dem osteuropäischen Ausland beteiligt.

In diesem Jahr mehren sich die Hinweise, dass die rechte Demonstration am 18. Februar ausfällt. In rechten Kreisen wird nur noch für den Gedenkmarsch am 13. Februar geworben. Auch auf der Homepage des sächsischen Landesverbandes der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland , deren Vorsitzender in den letzten Jahren für die Anmeldung der Großdemonstration zuständig war, findet sich kein Hinweis mehr auf den 18. Februar.

Keine verfrühten Siegesmeldungen

Während Dresdner Antifagruppen von der baldigen offiziellenAbsage der rechten Demonstration am 18.Februar ausgehen und Mobilisierungsschwierigkeiten nach den erfolgreichen Blockaden der letzten beiden Jahre und interne Zerwürfnisse als Grund nennen, äußert sich das Bündnis Dresden Nazifrei vorsichtiger: „Wir erwarten, dass am 18. Februar deutlich weniger Nazis nach Dresden kommen als in den letzten Jahren. Damit erhöhen sich unsere Chancen, den Naziaufmarsch ein drittes Mal zu blockieren und endgültig Schach-Matt zu setzen. Allerdings beobachten wir auch, dass sich ihrerseits mehr Aktivitäten auf den 13. Februar konzentrieren. Klar ist, mit ihrer Doppelstrategie wollen die Nazis erreichen, wenigstens an einem Tag relativ ungestört marschieren zu können.“

Auch Aktivisten aus Berlin warnen vor einer Demobilisierung bei den Antifaaktivitäten. Bisher wurde die Demonstrationsanmeldung für den 18. Februar nicht zurückgezogen. Sollten sich die Informationen bestätigten, dass die Anmeldung nur noch pro forma aufrechterhalten wird, um die Gegenaktionen ins Leere laufen zu lassen, wird der 13.Februar für die Rechten in diesem Jahr wieder den zentralen Stellenwert bekommen. Zudem haben sie Ausweichorte gefunden, seit der Aufmarsch in Dresden durch die Blockaden behindert wurde. So mobilisieren sie seit einigen Jahren zum Jahrestag der alliierten Bombardierung nach Magdeburg.

Dessauer Verhältnisse

Dass die Rechten auch jenseits der Gedenktage mobilisierungsfähig sind, zeigte sich erst in den letzten Tagen in Dessau. Nachdem ein aus Afrika stammender Mann bei einem Streit einen in der Dessauer Region bekannten Fußballspieler mit dem Messer verletzt hatte, kam es vor einigen Tagen zu einer Spontandemonstration von bekannten Rechten und aufgepeitschten Bürgern.

Obwohl der verletzte Spieler und sein Fußballverein gegen eine Instrumentalisierung des Vorfalls für rassistische Propaganda Stellung nahm, kam es am 21. Januar erneut zu einer nach rechts offenen Bürgerdemonstration. Die schwachen antifaschistischen Gruppen haben sich mit einen eher pessimistischen Statement zu Wort gemeldet.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151276
Peter Nowak

Ein Zeichen gegen den rechten Terror

Initiative erinnert mit Veranstaltungen und Demo an zwei Mordopfer russischer Neonazis

Mit einer Kundgebung vor der russischen Botschaft soll am Donnerstag um 14 Uhr an die russische Journalistin Anastasija Baburowa und den Menschenrechtsanwalt Stanislaw Markelow erinnert werden. Beide wurden vor genaGEDENKEN u drei Jahren, am 19. Januar 2009, in Moskau auf offener Straße von einem russischen Neonazi erschossen. Wegen ihres antifaschistischen Engagements waren sie schon länger im Visier der Rechten.

Markelow hatte als Anwalt Opfer rassistischer Gewalt vertreten. In den letzten Monaten vor seiner Ermordung verteidigte er die Rechte von Tschetschenen, die Opfer von rechtem Terror, aber auch von Polizeigewalt geworden waren. Die für die linksliberale Zeitung Nowaja Gaseta schreibende Journalistin Anastasija Baburowa zog sich wegen ihrer Artikel über die rechte Szene Russlands ebenfalls den Zorn der Neonazis zu.

Im Vorfeld des Jahrestags der rechten Morde hat die Berliner Gruppe „19. Januar“ eine Veranstaltungsreihe auf die Beine gestellt. Unterstützt wird sie von der Naturfreundejugend und der Rosa-Luxemburg-Stiftung. „Wir sind eine kleine Gruppe von Menschen, die ein Zeichen gegen den rechten Terror, den Nationalismus und die Kriminalisierung von AntifaschistInnen setzen wollen“, erklärte eine Aktivistin der Gruppe „19. Januar“ gegenüber der taz.

Mit einer Informationsveranstaltung über die russische Neonazi-Szene am 19. Januar um 19 Uhr im Büro der Naturfreundejugend in der Neuköllner Weichselstraße 13 endet die Reihe. Dort werden mit der Journalistin Nadeschda Prusenkowa von der Nowaja Gaseta und Aleksander Chernykh Freunde der Ermordeten und ExpertInnen für nationalistische Tendenzen in Russland referieren. Kritisch werden sie sich dabei auch mit der russischen Opposition gegen Putin befassen, die aktuell für Schlagzeilen sorgt. Auch in den Reihen der Oppositionellen sind NationalistInnen wie der durch Erklärungen gegen kaukasische MigrantInnen bekannt gewordene Blogger Aleksei Nawalny prominent vertreten.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2012%2F01%2
F18%2Fa0156&cHash=a751f830d3
Peter Nowak

Eine Rechte neuen Typs

Islam und Einwanderer stehen im Fadenkreuz der Extremisten
In Europa entsteht eine neue Form des Rechtsextremismus. Der Publizist Bernhard Schmid analysiert deren Entstehung und Ausprägung.

Der Terrorakt von Anders Behring Breivik im August in Norwegen sorgte weltweit für Entsetzen. Doch anders als die deutschen Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) bezog sich der selbst ernannte »Kreuzritter für Europa« nicht auf Hitler und die Nazis. In den nach seinem Terrorakt bekannt gewordenen Schriften nimmt er westliche Werte für sich in Anspruch und verteidigt den Staat Israel. Damit gehört Breivik zu einer Strömung in der extremen Rechten, die in verschiedenen europäischen Ländern an Einfluss gewonnen hat. Der in Frankreich lebende Jurist und Journalist Bernhard Schmid hat jetzt in einem in der »edition assamblage« erschienenen Buch einen informativen Überblick über diese neueste Rechte auf westeuropäischer Ebene geliefert.

Als gemeinsamen Nenner für die Strömung nennt Schmid die zu Hauptfeinden erkorenen muslimischen Einwanderer und den Islam generell. Darüber hinaus seien die Gruppierungen jedoch sehr unterschiedlich. Die österreichische FPÖ, der belgische Vlaams Belang und die französische Front National kommen aus der nazistischen Tradition und haben bei ihrer Neuausrichtung Mühe, ihren Antisemitismus zu verbergen. Auch Breivik schrieb in seinem Manifest: »Es ist unnötig zu sagen, dass ich zwar ein Unterstützer Israels und aller patriotischen Juden bin, zugleich aber die Ansicht vertrete, dass die antieuropäische Holocaust-Religion dekonstruktiv wirkt.«

Zu den politischen Vorbildern Breiviks gehört die English Defence League (EDL), die Schmid als »rechtsextreme Bewegung neuen Typs« beschreibt. Die aus der Hooliganbewegung entstandene EDL macht als schlagende Verbindung dieser neuen Rechten in von Migranten bewohnten Stadtvierteln Jagd auf Araber. Dagegen geben sich die Schweizer Volkspartei (SVP) und die holländische Partei für die Freiheit seriöser. Schließlich unterstützen sie in ihren Ländern die Regierung.

In einem Kapitel untersucht Schmid auch die verschiedenen Gruppierungen, die in Deutschland bisher ohne großen Erfolg versuchen, als prowestliche Rechte zu reüssieren. Ein wichtiger Grundlagentext dieser Strömung ist die von der italienischen Journalistin Oriana Fallaci verfasste Brandschrift »Die Wut und der Stolz«. Das Buch, in dem die Autorin Drohungen gegen Migranten in Italien ausstößt, löste in mehreren Ländern Anzeigen aus.

Mitte Dezember erschoss ein Mann, der als Faschist und Sympathisant der neuen rechten Strömung galt, in Florenz zwei Migranten aus Senegal und verletzte weitere schwer. Mit seinem Buch leistet Schmid wichtige Aufklärungsarbeit, um solche Attentate zu verhindern.

»Distanzieren, leugnen, drohen: Die europäische Rechte nach Oslo«, Bernhard Schmid, edition assamblage 2011, 120 Seiten, 12,80 Euro

http://www.neues-deutschland.de/artikel/214823.eine-rechte-neuen-typs.html
Peter Nowak

Keine Weihnachtsruhe für Neonazis


IN BIELEFELD GEHEN AM 24. DEZEMBER TAUSENDE GEGEN EINEN NEONAZIAUFMARSCH AUF DIE STRASSE. AN SILVESTER AUCH?

Klares Zeichen gegen Rechtsextremismus: Damit hatte selbst das Bündnis gegen rechts, zu dem sich Parteien, Gewerkschaften und Kirchen in Nordrhein-Westfalen zusammengeschlossen haben, nicht gerechnet. Am 24. Dezember gingen 6.500 Menschen gegen einen Neonaziaufmarsch in der Universitätsstadt Bielefeld auf die Straße. Unter dem Aufruf „Bielefeld stellt sich quer“ wollten sie 68 Neonazis blockieren, die zum linksgerichteten Bielefelder Arbeiterjugendzentrum AJZ marschieren wollten. Das AZL gilt als Zentrum von Punkkultur und linker Szene Ostwestfalens. „Straftätern die Räume nehmen – AJZ schließen“, lautete das Motto einer Nazidemo schon am 6. August. Im Anschluss an einen Aufmarsch in Bad Nenndorf wollten Rechtsextremisten auch noch in Bielefeld Präsenz zeigen. Wegen Blockadeaktionen scheiterten sie. Die Polizei hatte den rechten Marsch aus Sicherheitsgründen kurz nach der Ankunft der Neonazis am Hauptbahnhof abgebrochen. Die rechten Organisatoren kündigten an, Weihnachten und Silvester wiederzukommen. Ob dies an Silvester so sein wird, ist unklar.
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=in&dig=2011%2F12%2F27%2Fa0031&cHash=d61eb0c091
Peter Nowak

Keine Weihnachtsruhe für Neonazis


In Bielefeld gingen am 24. Dezember Tausende gegen einen Neonaziaufmarsch auf die Straße

n wir ausgerechnet am 24. Dezember überhaupt Menschen gegen einen Neonaziaufmarsch mobilisieren können? Diese Frage stellten sich Antifaschisten in NRW, nachdem bekannt geworden war, dass ausgerechnet an diesem Tag ein rechter Aufmarsch in Bielefeld angekündigt war. Schon am frühen Nachmittag konnten die Nazigegner die Frage bejahen.

Nach Angaben der Polizei waren ca. 6.500 Menschen auf der Straße, die gegen den Aufmarsch von 68 Neonazis protestierten. In dieser Einschätzung waren sich Nazigegner und Polizei einig. Allerdings legen die Rechten ihre Aktion wie auf Altermedia als Erfolg aus: „Weit mehr Aufmerksamkeit als erhofft erregte die knapp einstündige „Heiligabend-Demo“ in Bielefeld.“

Die große Mehrheit der Antifaschisten traf sich am Bielefelder Arbeiterjugendzentrum, das seit mehr als drei Jahrzehnten als Zentrum von Punkkultur und linker Szene Ostwestfalens gilt.

Jahrelang war es Konservativen aller Couleur ein Dorn im Auge. Dazu gehörte die Regionalzeitung Westfalenblatt, das auch wegen ihrer betont konservativen Ausrichtung den Beinamen Bayernkurier des Nordens trägt. Aber auch ein Bielefelder Bürgergemeinschaft machte schon vor zwei Jahrzehnten mit der Forderung nach Streichung jeglicher Zuschüsse an das AJZ erfolgreich Wahlkampf. Es war alsbald an einer Bürgerkoalition mit der CDU und der FDP beteiligt, die tatsächlich alle finanziellen Zuwendungen für das AJZ strich. Manche Aktivisten sehen das im Nachhinein gar nicht so negativ, denn bald zeigte sich, das linke Zentrum konnte sich durch verschiedene kulturelle Aktivitäten selber finanzieren und war damit umso unabhängiger von allen Anforderungen der Politik.

Und Silvester das Gleiche noch mal?

Dass diverse ultrarechte Gruppierungen den Kampf gegen das linke Zentrum auf ihre Fahnen geschrieben haben, ist nicht verwunderlich. Schließlich hatten schon Mitte der 80er Jahre führende Neonazigruppen ihr Zentrum in unmittelbarer Nähe zum AJZ, das auch Ausgangspunkt vieler antifaschistischer Gegenaktionen war. Auch aktuell wird die Rechte von Ostwestfalen durch Antifagruppen genau beobachtet.

„Straftätern die Räume nehmen – AJZ schließen“, lautete das Motto der Nazidemo schon am 6. August. Im Anschluss an einen rechten Aufmarsch in Bad Nenndorf wollten sie auch noch in Bielefeld Präsenz zeigen. Wegen Blockadeaktionen von Antifaschisten war der Versuch nicht erfolgreich. Damals kündigten die rechten Organisatoren bereits an, dass sie zu Weihnachten und Silvester wiederkommen würden. Zunächst wurden diese Sprüche als leere Drohungen behandelt, mit der das wegen der Blockade frustrierte rechte Klientel bei Laune gehalten werden sollte. Deshalb staunten auch viele Antifaschisten, als sich vor einigen Wochen herausstellte, dass es die Rechten mit ihren weihnachtlichen Besuch in Ostwestfalen ernst meinten.

Zufrieden zeigte sich ein Sprecher der Antifaschisten mit der kurzfristigen Mobilisierung. Man habe ein „deutliches Zeichen gegen rechts“ gesetzt, meinte er. Schließlich ist es in der stark universitär geprägten Bielefelder Politszene nicht selbstverständlich, am 24. Dezember Menschen auf die Straße zu bringen. Ob die Aktivisten alsbald erneut ihre Mobilisierungsfähigkeit unter widrigen Bedingungen unter Beweis stellen müssen, ist noch nicht sicher. Denn noch ist unklar, ob die Rechten auch den zweiten Teil ihrer Drohung wahrmachen und auch zu Silvester noch einmal Bielefeld besuchen wollen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151108
Peter Nowak

Linke haben Alibis für Ausschreitungen in Polen

PROTEST Berliner Antifa bestreitet Gewalttaten in Warschau. Mittlerweile wurden alle freigelassen

Polens Rechte schäumt. Nachdem sich am vergangenen Samstag auch zahlreiche aus Berlin angereiste AntifaschistInnen an den Protesten gegen einen Aufmarsch rechtsnationaler und neonazistischer Kräfte zum polnischen Unabhängigkeitstag in Warschau beteiligten, werden sie für Ausschreitungen am Rande des Aufmarschs verantwortlich gemacht. Die BerlinerInnen weisen diese Vorwürfe zurück und haben auch ein starkes Alibi: Während der Auseinandersetzungen befand sich ein großer Teil von ihnen in Polizeigewahrsam.

Unmittelbar nach ihrer Ankunft sei es auf dem Weg zu den geplanten Blockaden erst zu verbalen, dann zu körperlichen Auseinandersetzungen mit einer Gruppe polnischer Neonazis gekommen, berichtet ein Antifaschist, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Unmittelbar danach wurden wir jedoch durch ein Großaufgebot der Warschauer Polizei auf der Höhe des Cafe Nowy wspanialy Swiat zuerst eingekesselt und später festgenommen“, so der Augenzeuge weiter. Diese Version wurde auch von zahlreichen PressevertreterInnen, die die Festnahme der rund 60 AntifaschistInnen beobachteten, bestätigt. Etwa 40 weitere AktivistInnen seien am frühen Nachmittag von der Polizei festgenommen worden, als sie sich vor der Verfolgung durch polnische Neonazis in einen Hinterhof flüchteten. Mittlerweile wurden alle Festgenommenen aus Deutschland freigelassen und haben Polen wieder verlassen. Nach Angaben eines Warschauer Rechtsanwalts hat die polnische Justiz Prozesstermine in Warschau anberaumt, bei denen die Betroffenen jedoch nicht selbst erscheinen müssen. Noch am Samstag hatte ein Sprecher der polnischen Justiz angekündigt, die festgenommenen AntifaschistInnen nach dem Hooligan-Paragrafen anklagen zu wollen.

Sammelklage erwogen

Auch die AntifaschistInnen diskutieren über juristische Maßnahmen. Bis zum Freitag wollen sie entscheiden, ob sie eine Sammelklage gegen die Festnahmen einreichen. Zudem wollen einige der Festgenommenen Anzeige wegen Körperverletzung stellen. Betroffen ist davon auch ein in Berlin lebender Antifaschist mit dänischer Staatsangehörigkeit. Er gibt an, von der Polizei geschlagen worden zu sein, nachdem er sich bei der Durchsuchung geweigert habe, sein T-Shirt auszuziehen. Die Betroffenen haben auch gegenüber einem Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Warschau diese Vorfälle geschildert.

In Polen besteht offenbar weiterhin erhöhter Informationsbedarf über die antifaschistische Bewegung in Deutschland. Gleich drei polnische Zeitungen hätten am Montag angerufen, die nach den Ereignissen von Samstag auf der Suche nach Informationen über die Berliner Antifa sind, berichtete ein Aktivist.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2011%2F11%2F15%2Fa0134&cHash=f12652e483

Peter N0wak

Deutscher Satan in Warschau

Die versuchte Beteiligung deutscher Antifaschisten an einer Demo gegen Rechte in Warschau sorgt für innenpolitische Turbulenzen

In der polnischen Innenpolitik sorgt noch immer eine Antifa-Demonstration für Schlagzeilen, die von einen breiten linken Bündnis veranstaltet worden war. Es wollte damit einen Aufmarsch von Rechtsnationalisten sowie offenen Neonazis und Antisemiten verhindern, die zum Nationalfeiertag am 11. November in Warschau Flagge zeigen wollte. Nach dem Vorbild des antifaschistischen Bündnisses in Dresden sollte auch in Warschau den Rechten mit Blockaden der Weg versperrt werden.

Deshalb wurde auch in Deutschland wie in anderen europäischen Ländern zur Teilnahme an den Protesten mobilisiert. Linke Aktivisten aus Polen hatten in den vergangenen Wochen über das rechte Milieu in Polen berichtet. Schon seit Tagen empörten sich klerikale und rechtsnationalistische Gruppierungen über die deutsche Unterstützung und sparten nicht mit historischen Reminiszenzen.

Nachdem am Samstag unter den knapp 2.000 Gegendemonstranten, die den 7.000 Rechten entgegen traten, auch Menschen aus verschiedenen europäischen Nachbarländern zu finden waren, verschärfte sich der Ton in Polen. So erklärte der rechtsnationale Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski: „Am polnischen Unabhängigkeitstag prügelten Deutsche Polen allein dafür, dass sie nationale Symbole trugen.“ Dann legte er noch nach: „Ich denke, dass ein ähnlicher Menschentyp einst den Apparat schuf, der es Hitler erlaubte, seine entsetzlichen Verbrechen zu begehen.“ Ein polnischer Kardinal sah am Samstag auf Seiten der Antifaschisten sogar den deutschen Satan am Werk.

Kaczynski und seine Anhänger beschuldigen sie, für die Sachschäden in der polnischen Innenstadt am Samstag verantwortlich zu sein. In Augenzeugenberichten von den Ereignissen werden allerdings rechte Hooligans für die Ausschreitungen in der Warschauer Innenstadt verantwortlich gemacht.

Vor der Demo festgenommen

Die meisten aus Deutschland angereisten Antifaschisten haben jedenfalls ein gutes Alibi. Als die Auseinandersetzungen in Warschau tobten, saßen sie schon längst im Knast. Gegenüber Telepolis schildert ein Beteiligter den Ablauf. Unmittelbar nach ihrer Ankunft sei es auf dem Weg zu den geplanten Blockaden erst zu verbalen und dann zu körperlichen Auseinandersetzungen mit einer Gruppe polnischer Neonazis gekommen.

„Nach dem Eintreffen der Polizei wurde die Nazigruppe festgenommen. Unmittelbar danach wurden wir jedoch durch ein Großaufgebot der Warschauer Polizei auf der Höhe des Cafe Nowy wspanialy Swiat zuerst eingekesselt und später festgenommen“, berichtet der Augenzeuge. Diese Version wurde mittlerweile auch von zahlreichen Pressevertretern, die die Festnahmen beobachteten, bestätigt. Die polnische Justiz hat mittlerweile alle festgenommenen Antifaschisten wieder freigelassen. Die letzten sind am Montagmorgen in Deutschland angekommen. Noch am Samstag erklärte ein Sprecher der Polizei, die Festgenommen würden nach dem Hooligan-Paragraphen angeklagt. Eine längere Untersuchungshaft wurde befürchtet. Die Betroffenen wollen eine Sammelklage gegen ihre Festnahme einreichen und überlegen weitere juristische Schritte. Schließlich sind die Ereignisse vom Wochenende in Warschau für manche Linke ein Déjà-vu-Erlebnis. Schon 2006 wurden bei einer Demonstration gegen eine rechte Demonstration in Warschau, die sich gegen die dortige Schwulen- und Lesbenparade richtete (Und die Rache folgt sogleich), mehrere Linke aus Deutschland festgenommen. Einige saßen mehrere Wochen in Untersuchungshaft.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150838

   Peter Nowak

Trittbrettfahrer

NPD & Co. versuchen, in der Occupy-Bewegung mitzumischen.

„Occupy-Demo erfolgreich okkupiert“, stellte die NPD Frankfurt zufrieden auf ihrer Homepage fest. Die Partei hatte zu einen Aktionstag gegen den Euro aufgerufen und dabei die Demonstration der Occupy-Bewegung genutzt, die aus Protest gegen das Finanzsystem im Bankenviertel der Mainmetropole campt.

„Da rechte Aktivisten heutzutage aber nicht mehr so aussehen, wie es sich linke Musterdemokraten“ für gewöhnlich vorstellen, konnten sich die NPD-Leute unbemerkt unters Volk mischen und eine ansehnliche Anzahl ihrer Flugblätter unbehelligt streuen“, schreibt  die Frankfurter NPD  auf ihrer Homepage. Die war allerdings Ende Oktober einige Tage nicht online. Der Occupy-Bewegung nahestehende Internetaktivisten hatten mehrere rechte Seiten  gehackt, auf denen unter dem Motto „Okkupiert Occupy“ dazu aufgerufen wurde, in die neue Protestbewegung mit rechten Inhalten zu intervenieren.

Nicht nur die NPD versucht, in der neuen Bewegung  mitzumischen.  Auch ein „Aktionsbündnis Direkte Demokratie“ organisierte eine Kundgebung vor dem Camp. Das Bündnis agiert gegen die EU und die „Neue Weltordnung“, grenzt sich allerdings von allen Parteien ab.

Aktiv im Protestcamp waren zumindest in der Anfangszeit auch Aktivisten der Zeitgeist-Bewegung, die Politik und Ideologie grundsätzlich ablehnt. Kritiker werfen den Zeitgeistlern vor, verschwörungstheoretische und strukturell antisemitische Tendenzen in ihren  Filmen zu fördern. Die Leipziger Bankenkritiker distanzierten sich schon Mitte Oktober von mehreren rechten Internetseiten, die den Eindruck erwecken wollten, die Proteste würden von ihnen maßgeblich initiiert.

http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/trittbrettfahrer-0

Peter Nowak

Modischer Schick für die Szene

Neuer „Thor-Steinar“-Laden in Berlin – zivilgesellschaftliches Bündnis plant Protestkundgebung.

Am  morgigen Freitag soll in der Berliner Allee in Berlin-Weißensee ein Klamottenladen mit dem  Namen „Tønsberg“ eröffnet werden. Betreiber ist die Skytec GmbH, die  als Betreiber der in der rechten Szene beliebte Modemarke „Thor Steinar“ bekannt wurde. Sie hat mittlerweile ihre Stammkunden per Postwurfsendung über die Neueröffnung informiert. Doch schon vor einigen Tagen wurden Nachbarn auf den Laden aufmerksam. Der Van, aus dem Waren in den Laden transportiert worden waren, wurde bereits zuvor vor anderen „Thor-Steinar“-Läden gesichtet.

In Weißensee musste bereits 2005 der rechte Szeneladen „Nordic Thunder“ nach jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen und politischen  Protesten schließen. Bereits zur Eröffnung des neuen Geschäfts plant ein zivilgesellschaftliches Bündnis am Freitagvormittag eine Protestkundgebung vor den Räumlichkeiten.

Annika Eckel von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (mbr) erklärte gegenüber bnr.de, man biete den Vermietern Beratung an, wenn sie aus dem Vertrag mit den Betreibern des rechten Ladens aussteigen wollten. Da es noch keinen Kontakt gibt, ist Eckel aber der Wortlaut des Vertrages nicht bekannt. Davon hängen die juristischen Chancen einer schnellen Kündigung ab.

http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/modischer-schick-fuer-die-szene

Peter Nowak

Rechte Klamotten am Jüdischen Friedhof

PROTEST In Weißensee eröffnet heute ein Thor-Steinar-Laden. Antifa und Linke rufen zur Demo

Berliner AntifaschistInnen mussten heute wieder einmal früh aufstehen: Für 9 Uhr hat ein Bündnis, in dem neben Antifagruppen auch die Linkspartei und die Grünen vertreten sind, zu einer Kundgebung in die Berliner Allee 11 in Weißensee. Dort soll vormittags ein Bekleidungsladen mit dem Namen „Tønsberg“ eröffnen. Betreiber ist die Skytec GmbH, die die in der rechten Szene beliebte Modemarke Thor Steinar betreut. Der Standort befindet sich in der Nähe des Jüdischen Friedhofs Weißensee, des größten Deutschlands.

Erst wenige Tage vor der Eröffnung sei man durch Zufall auf die geplante Neueröffnung aufmerksam geworden, erklärte Martin Sonnenburg von der Antifaschistischen Initiative Nord-Ost, die gemeinsam mit North East Antifa (NEA) seit Jahren im Kiez aktiv ist, gegenüber der taz. „Das Autokennzeichen eines Vans, aus dem Waren in den Laden transportiert wurden, war aus anderen Thor-Steinar-Läden bekannt.“ Mittlerweile wurden die Bestandskunden von Thor-Steinar per Postwurfsendung von der Skytec GmbH über die Neueröffnung informiert.

In Weißensee gab es bereits eine Auseinandersetzung um den rechten Szeneladen „Nordic Thunder“, der 2005 schließen musste. Im vergangenen Jahr musste auch ein Thor-Steinar-Laden im Bezirk Mitte nach langen juristischen Auseinandersetzungen und vielfältigen zivilgesellschaftlichen Protesten die Räume verlassen. Ein Thor-Steinar-Laden in Friedrichshain darf nach einem Gerichtsbeschluss unter neuem Namen bis 2015 bleiben. In Weißensee hofft die Antifa auf ein schnelles Ende des Ladens. Deswegen wurde kurzfristig zur Kundgebung aufgerufen. Annika Eckel von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (mbr) erklärte, man werde dem Eigentümer des Hauses Beratung anbieten, wenn er aus dem Vertrag mit dem rechten Laden aussteigen wolle. Da es noch keinen Kontakt zum Vermieter gebe, ist Eckel auch der Wortlaut des Vertrags noch nicht bekannt. Von dem hängt ab, ob eine vorzeitige Kündigung juristisch möglich ist.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2011%2F10%2F28%2Fa0155&cHash=9831f12b2d

Peter Nowak