In der vergangenen Woche machte der Leiter der Stadtbibliotheken des Berliner Bezirks Tempelhof-Schöneberg, Boryano Rickum, öffentlich, dass es in der nach der 1943 als Widerstandskämpferin gegen den NS, Eva-Maria Buch, benannten Zentralbibliothek des Bezirks zu Zerstörungen mehrerer Bücher von antifaschistischen Autorinnen und Autoren gekommen war. Sie waren zerschnitten in einem Gefäß auf der Toilette der Bibliothek aufgefunden worden. Betroffen von der Zerstörungswut war u.a. …
„Bücherzerstörung mit rechtem Hintergrund“ weiterlesenSchlagwort: Wolfgang Wippermann
Pegida bekämpfen, aber die Kernforderungen übernehmen
Viele Politiker, die sich jetzt so wortreich von Pegida distanzieren, können deren Forderungen und Anliegen durchaus nachvollziehen
Rassistische und neonazistische Internetkommentare, teilweise mit Klarnamen und Fotos, sind nun wahrlich keine neue Entdeckung. Seit Monaten wird öffentlich diskutiert, ob man diese Hassbotschaften löschen, strafrechtlich verfolgen oder ignorieren soll. Doch seit letztem Dienstag wird darüber republikweit diskutiert. „Bild [1] stellt die Hetzer an den Pranger“, lautete das Motto. Dabei werden aufmerksame Beobachter nicht vergessen haben, dass das Blatt auch schon Thilo Sarrazin ein Forum bot, der natürlich niemals in den Sprachduktus verfallen würde, den Bild hier dokumentiert hat.
Doch im Kern teilt Sarrazin mit den Internethetzern die Überzeugung, dass sich „Deutschland abschafft“. Und der Bild-Boulevard wird auch früher oder später wieder solchen Positionen ein Forum bieten. Doch den plumpen Internethetzern sei dank, nun können sich die intellektuellen Rechten wieder vom braunen Narrensaum abgrenzen. Auch Pegida bläst zum ersten Jahrestag der Wind ins Gesicht.
Eine ganz große Koalition von der Linken bis zur CSU werfen Pegida vor, nun endlich die Grenzen überschritten zu haben. Während dabei vor allem Dresden in die Schlagzeilen geriet, wurden die Hetzparolen [2], die auf der Kundgebung und Demonstration des Berliner Pegida-Ablegers Bärgida [3] am letzten Montag verbreitet wurden, kaum beachtet.
Waren es in vergangener Woche in Dresden einige für Merkel und Gabriel vorgesehene Galgen, so sorgten am Pegida-Jahrestag die Ausfälle des Autors Akif Pirinçci [4] für Empörung. Der Pegida-Begründer Bachmann und musste sich schließlich entschuldigen und bedauern, dass Akif Pirinçci überhaupt eingeladen wurde.
Akif Pirinçci vom umstrittenen Erfolgsautor zum rechten Hetzer
Innerhalb weniger Stunden kündigte die Verlagsgruppe Random House die Verträge mit dem Autor und stoppte die Auslieferung seiner Bücher. Auch das Blog [5] von Pirinçci ist seit gestern offline. Der Webmaster hat in einem Offenen Brief [6] dem Autor die Zusammenarbeit aufgekündigt. Dabei ist er wenigstens so ehrlich zuzugeben, dass er die Bücher von Pirinçci, in denen dieser die angebliche „Verschwulung Deutschlands“ anprangerte und gegen Feministinnen, Linke und Migranten hetzte, bisher interessant fand.
Denn Pirinçci galt bisher mitnichten als Kryptonazi, sondern als umstrittener rechter Autor, um deren Auftritt diverse Gruppierungen rechts von der Union geradezu wetteiferten. Erst zwei Tage vor der Rede, die ihn nun republikweit zum Outsider machte, war Pirinçci Gast der rechtskonservativen Jungen Freiheit auf der Buchmesse und wurde von dem Publikum bejubelt. Ein Faz-Kommentator beschrieb [7], wie die intellektuelle Rechte noch am Wochenende die Ausfälle von Pirinçci goutierte:
Pegida-Versteher in allen Medien
In der aktuellen Jungen Freiheit [8] kann der akademische Pegida-Versteher [9] Werner Patzelt [10] noch einmal verkünden, dass die Mehrheit der Pegida-Teilnehmer über „grundständige bis mittlere Bildung verfügen“ und wohl mehrheitlich erwerbstätig seien. Schon deshalb können sie keine Ultrarechten oder gar Neonazis sein.
„Auf den Pegida-Veranstaltungen wurden, so weit ich sehe, von den Rednern keine Forderungen vorgebracht, die unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung widersprechen. Auch in den 19 Positionen von Pegida kann ich nichts erkennen, was sich nicht mit freiheitlicher Demokratie vereinbaren ließe“, verkündete Patzelt noch in einer Zeit, als selbst in der Union massive Kritik an den Abendlandrettern begonnen hatte.
Als nun nach der Demo zum Jahrestag die Kritik an Pegida zunahm und auch die Leipziger Volkszeitung [11] rassistische Thesen auf der Kundgebung ausmachte, kam auch der unvermeidliche Werner Patzelt in dem Blatt zu Wort. Allerdings korrigierte er dort nicht etwa seine Einschätzung über Pegida, sondern lieferte unter dem Titel – „Was in der Asylkrise jetzt getan werden muss“ – Thesen zur Integrationspolitik.
Dabei lässt er keinen Zweifel daran, dass einige seiner Thesen den meisten Pegida-Teilnehmern gut gefallen würden. So warnt er gleich am Beginn davor, dass die Einwanderungspolitik der Bundesregierung in eine Sackgasse geraten könnte. Danach kommt ein Katalog von Maßnahmen, um Deutschland abzuschotten. So soll festgestellt werden, dass Deutschland nicht verpflichtet ist, „jeden asylbegehrenden Menschen zur Durchführung einer Prüfung auf Bleiberecht ins Land zu lassen“.
Ein Lob auf Ungarn darf bei Patzelt auch nicht fehlen, wen Patzelt fordert, dass Deutschland „die Grenzstaaten der EU beim Versuch, ihre Aussagen gegen selbstermächtigte Zuwanderung zu schützen“, unterstützen möge. Zudem regt Patzelt eine Debatte darüber an, „wieweit aus einem ‚deutschen Volk‘ eine Bevölkerung Mitteleuropas auf deutschen Staatsgebiet“ werden soll.
Manche Pegida-Redner würden da wohl deutlichere Begriffe wählen, doch im Grunde greift Patzelt in seinen Thesen viele Anliegen von Pegida etwas moderater verpackt auf. Doch auch viele der Politiker, die sich jetzt so wortreich von Pegida distanzieren, können deren Forderungen und Anliegen durchaus nachvollziehen. Wenn Unionspolitiker in Offenen Briefen ein schnelles Ende der Willkommenskultur und eine verstärkte Grenzsicherung fordern, wenn der langjährige Magdeburger SPD-Oberbürgermeister Lutz Trümper [12] aus der SPD austritt, weil die nach seinen Geschmack nicht genug gegen Flüchtlinge unternehme oder wenn FDP-Landespolitiker vor ungeordneter Migration warnen, kann Pegida sich bestätigt sehen.
Auch die immer neuen Vorschläge zur Abschottung aus der CSU und Teilen der CDU machen deutlich, wie gut eine Abgrenzung von Pegida und die Übernahme von deren Kernforderungen harmonieren können. Auch die Sonderlager für Balkanflüchtlinge sind wieder in der Diskussion. Viele der möglichen Insassen wären Roma, eine im NS verfolgte Bevölkerungsgruppe.
Es war der emeritierte Historiker Wolfgang Wippermann [13], der schon vor einigen Wochen darauf aufmerksam machte, dass in der Weimarer Republik solche Sonderlager für Ostjuden eingerichtet wurden und damals auch offen Konzentrationslager genannt wurden. Nach den Erfahrungen mit dem NS wird niemand bei politischem Verstand mehr von Konzentrationslagern reden.
Pirinçci hatte sich in Dresden vor allem mit der Textpassage um Kopf und Kragen geredet, in der er Konzentrationslager erwähnte. Hätte er dagegen von Sonderlagern gesprochen, in denen Menschen vorrübergehend konzentriert werden, hätte ihm wohl kaum jemand widersprochen, denn genau die werden von zahlreichen Politikern dringend gefordert.
Peter Nowak
http://www.heise.de/tp/news/Pegida-bekaempfen-aber-die-Kernforderungen-uebernehmen-2851694.html
Links:
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]
[9]
[10]
[11]
[12]
[13]
Spätsommer des Deutschen Rassismus
Wiederholt sich zurzeit die Geschichte des deutschen Rassismus von vor 25 Jahren noch einmal als Farce?
Täglich gibt es neue Meldungen über Angriffe auf Einrichtungen, die für die Aufnahme von Geflüchteten vorgesehen sind. Gestern kamen die Meldungen aus dem brandenburgischen Nauen [1]. Derweil überschlagen sich die Medien mit Meldungen über die Schande von Heidenau [2]. Der Bürgermeister sieht aber vor allem den Ruf des Ortes beschädigt. Er beklagt [3] nun, dass der Ort fortan mit dem Ruf leben muss, eine Neonazi-Hochburg zu sein.
Schon vor zwei Jahrzehnten sahen die Bürgermeister von Rostock, Mölln, Hoyerswerda und Mannheim-Schönau den Ruf „ihrer“ Städte und nicht die angegriffenen Menschen als das Hauptopfer rechter Angriffe. Diese Namen markierten vor zwei Jahrzehnten die Spur des damaligen deutschen Nachwende-Rassismus. Vielen waren sie schon längst entfallen.
Doch in den letzten Jahren haben antirassistische Initiativen in vielen dieser Orte an die Jahrestage der Anschläge und pogromartigen Auseinandersetzungen gedacht und den Kampf für einen „Gedenkort“ aufgenommen. Noch vor zwei oder drei Jahren hätten es sicher auch die meisten der daran beteiligten Aktivisten als unverantwortliche Panikmache abgelehnt, die Verhältnisse der frühen 90er Jahre einfach auf die Jetzt-Zeit zu übertragen. Doch ist diese Einschätzung im Spätsommer des deutschen Rassismus fast einen Jahr nach dem Beginn der Pegida-Aktionen noch haltbar?
Ist Merkels Besuch in Heidenau Antirassismus?
Einen Unterschied zwischen damals und heute gibt es auf jeden Fall. Kanzlerin Merkel hat angekündigt, die angegriffene Flüchtlingsunterkunft in Heidenau zu besuchen [4] und wird dafür von der Grünen-Vorsitzenden Simone Peters gelobt. Tatsächlich hatte Helmut Kohl immer abgelehnt, die Stätten der rassistischen Auseinandersetzungen zu besuchen. Doch das bedeutet zunächst einmal nur, dass Kohl an diesen Punkt keinem Sinn für Symbolpolitik hatte.
Dass er Symbolpolitik generell ablehnte, lässt sich nicht sagen. Schließlich hat er 1985 sehr wohl Sinn für deutsche Symbolpolitik gezeigt , als er den damaligen US-Präsidenten Reagan zu einem Besuch auf einen Kriegsgräberfriedhof in Bitburg einlud, auf dem neben NS-Opfer auch SS-Angehörige begraben [5] sind. Kohl und seine Berater waren sich aber sehr wohl bewusst, dass der Besuch einer von Rechten angegriffenen Flüchtlingsunterkunft keine Symbolpolitik in deutschem Interesse möglich macht.
Das könnte heute anders sein und hier müsste auch eine Antwort auf die Frage ansetzen, ob und was sich jenseits der rechten Angriffe hierzulande geändert hat. Da ist in erster Linie das Interesse von führenden Industriekreisen zu nennen, einen Teil der Geflüchteten als nützlich für die deutsche Wirtschaft zu betrachten. Damit sind dann die gut ausgebildeten Menschen gemeint, die in einer alternden Gesellschaft, wo der Arbeitskräftemangel keine Zukunftsvision mehr ist, eine wichtige Rolle spielen können.
Eine generelle Ablehnung jeglicher Einwanderung wirkt sich schon in naher Zukunft negativ auf den Standort Deutschland aus. Dass ist allen Wirtschaftsanalysten klar und es stellt sich die Frage, ob nicht hierin auch die schnelle Implosion der AfD zu begreifen ist. Ideologisch hätten sich manche Protagonisten vom wirtschaftsliberalen und vom nationalkonservativen Flügel schon zusammenraufen können, und AFD-Analysten wie Sebastian Friedrich haben aufgezeigt [6], dass sie es in der Vergangenheit auch taten.
Doch die Interessen der deutschen Wirtschaft und eine nationalkonservative Abschottungspolitik harmonieren nicht zusammen. So zeigte sich auch hier einmal mehr das Primat der Ökonomie und in diesem Fall hatte es sogar begrenzt zivilisatorische Wirkungen. Das bezieht sich nicht nur auf das Zurechtstutzen der AfD. Man braucht nur einige der sehr differenzierten Artikel in der FAZ zu Konflikten in einer Suhler Unterkunft für Geflüchtete lesen, wo als Hauptproblem ein überbelegtes Heim und nicht die vermeintlichen ethnischen, religiösen und kulturellen Differenzen der Menschen, die dort zwangsweise leben müssen, angesprochen werden.
Vor zwei Jahrzehnten wären in der FAZ ganz andere Töne zu lesen gewesen. Das ist keine antirassistische Aktion, sondern schlicht der Tatsache geschuldet, dass das deutsche Standortinteresse und die plumpe Ausländer-Raus-Rhetorik in Widerspruch geraten sind. In diesem Kontext kann Merkel in Heidenau noch einmal verdeutlichen, dass Deutschland solche Übergriffe nicht dulden wird.
Ob dann wie im berühmten Antifasommer 2000 auch juristisch gegen einige derjenigen, die sich besonders penetrant gegen Geflüchtete on- oder offline positionierten vorgegangen wird, ist noch offen. Es ist allerdings durchaus denkbar, wenn der rechte Rand die Ansage nicht ernst nimmt, dass das deutsche Standortinteresse auch mal gegen sie durchgesetzt wird. Till Schweiger hat ja schon mal recht populistisch den Vorschlag gemacht, ganz eifrige Rassisten mal für eine Nacht einzusperren und sie dann mit der Auflage zu entlassen, sich nicht mehr in der Nähe neuralgischer Orte aufzuhalten.
Aber selbst wenn es nicht bei reiner Symbolpolitik bleibt und der neuen deutschen Erweckungsbewegung die staatlichen Instrumente gezeigt werden, darf das nicht mit Antirassismus verwechselt werden.
Die guten und die schlechten Migranten
Das hat Merkel bei einem anderen Symbolbesuch gestern in Duisburg-Marxloh [7], einem als Problemviertel bezeichneten Stadtteil, deutlich gemacht. Einerseits forderte sie Menschen mit Migrationshintergrund auf, sich verstärkt um politische Stellen und auch bei der Polizei zu bewerben. Hier übt sie sich also in deutscher Standortpflege und wird auch manchen besonders konservativen CDU-Wähler einiges abfordern, die sich noch nicht daran gewöhnen können, dass ein Polizist in Deutschland Ali Demirel heißen kann.
Dabei ist klar, dass nur ein kleiner Teil der „Menschen mit Migrationshintergrund“ dazu rechtlich überhaupt in der Lage sind. Merkel hat auch keineswegs in Duisburg signalisiert, dass sie die gesetzlichen Grundlagen schaffen will, um diese Rechte ausweiten. Vielmehr hat sie angekündigt, die Menschen, die keine Hilfe benötigen, schneller abzuschieben. Damit werden Menschen, die aus den unterschiedlichen Gründen nach Deutschland migrieren, weil sie sich hier ein besseres Leben als in ihrer Heimat erhoffen, erneut aufgeteilt.
Die Menschen, die Gefahr für Leib und Leben nachweisen können, haben hier vielleicht eine Chance. Wer nur Armut und Hoffnungslosigkeit entliehen möchte, hat diese Hilfe nicht verdient und muss wieder gehen. Dass es statt um Hilfe um Rechte gehen müsste, die Menschen, die hier ihr eigenes Leben aufbauen wollen, unterstützen, kommt für Merkel und ihr Klientel gar nicht in Betracht. Daher gehören zu Merkels Konzept Abschiebelager in den unterschiedlichen Formen.
Die Abschiebelager für Menschen aus dem Westbalkan, die von der CSU vor einigen Wochen in die Diskussion gebracht wurden, sind hier mit einbegriffen. Es war der Historiker Wolfgang Wippermann, der in einem geschichtlichen Beitrag [8] daran erinnerte, dass solche Abschiebelager in der Weimarer Republik schon einmal gebaut wurden, um unerwünschte Jüdinnen und Juden aus Osteuropa dort zu konzentrieren. Daher wurden diese Einrichtungen damals völlig unbefangen Konzentrationslager genannt.
Nach dem NS werden diese Begrifflichkeiten nur noch vom rechten Rand verwendet. Hier wird auch die Hauptdifferenz zwischen der sogenannten politischen Mitte und den extremen Rechten deutlich. Letzere haben auch heute kein Problem damit, Geflüchtete und politische Gegner in Konzentrationslager zu wünschen. Erstere sprechen von Abschiebecamps und überlegen auch, die Grenzen wieder zu schließen, um unerwünschte Fremde abzuwehren.
Schließlich verfügte der damalige preußische SPD-Innenminister Wolfgang Heine am 1. November 1919 die Landesgrenzen zu schließen, um die Einwanderung von sogenannten Ostjuden zu verhindern. Solche Töne würde man heute selbst im extrem rechten Lager nur noch von einer Minderheit hören. Wenn es um Roma vom Balkan geht, ist die Forderung nach separaten Abschiebezentren durchaus auch im Spätsommer 2015 in Deutschland noch gesellschaftsfähig.
http://www.heise.de/tp/news/Spaetsommer-des-Deutschen-Rassismus-2790674.html
Peter Nowak
Links:
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]