Wird der Volksverhetzungsparagraph zum Papiertiger?

Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lässt Rechte jubeln und wirft viele Fragen au

Das Urteil[1] des Bundesverfassungsgerichts ist schon über einen Monat alt, aber erst Anfang August kam die Pressemitteilung[2] dazu. Erstmals werden hier klare Kriterien genannt, die bei einer Verurteilungen wegen Verharmlosung des NS-Völkermords erfüllt sein müssen.

Gleich zu Anfang der Pressemitteilung Nr. 66/2018 heißt es:

Eine Verurteilung nach § 130 Abs. 3 StGB wegen Billigung, Leugnung oder Verharmlosung bestimmter unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangener Verbrechen kommt in allen Varianten – und damit auch in der Form des Verharmlosens – nur bei Äußerungen in Betracht, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu gefährden.

Bundesverfassungsgericht[3]

Das Gericht hatte über die Klage eines Mannes zu entscheiden, der auf seiner Internetseite und seinen You-Tube-Account rechte Propaganda gegen die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht veröffentlichte. Dort werden den Ausstellungsverantwortlichen Fälschungen und Manipulationen sowie Volksverhetzung und den alliierten Siegermächten „Lügenpropaganda“ vorgeworfen.

Historische Wahrheiten würden verfolgt und bestraft, wird vorgebracht, Menschen seien freiwillig mit der SS in Lager gegangen. Holocaust-Überlebenden wird vorgeworfen, mit Vorträgen über die Massenvernichtung Geld zu verdienen und es wird die These vertreten, dass Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und Zeugen in den Gerichtsprozessen zu dessen Aufarbeitung gelogen hätten.

Es ist also das übliche Programm der extremen Rechten, das hier veröffentlicht wurde. Der Mann war wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Urteil wurde in der Folgeinstanz bestätigt. Eine Revision blieb erfolglos. Doch mit der Verfassungsbeschwerde hatte der Mann jetzt Erfolg. Das Gericht sah durch die Bestrafung die Meinungsfreiheit verletzt und führte aus:

Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, gehört zum freiheitlichen Staat. Der Schutz vor einer „Vergiftung des geistigen Klimas“ ist ebenso wenig ein Eingriffsgrund wie der Schutz der Bevölkerung vor einer Kränkung ihres Rechtsbewusstseins durch totalitäre Ideologien oder eine offenkundig falsche Interpretation der Geschichte. Eine Verharmlosung des Nationalsozialismus als Ideologie oder eine anstößige Geschichtsinterpretation dieser Zeit allein begründen eine Strafbarkeit nicht.

Bundesverfassungsgericht[4]

Schutzrecht für den Staat oder die Opfer des Holocaust

Nun ist es erst einmal positiv zu bewerten, dass das Gericht klargestellt hat, dass das Strafrecht kein Instrument von Kammerjägern ist. Es taugt also nichts, gegen Vergiftungen des geistigen Klimas vorzugehen. Es wäre wünschenswert, wenn solche Begriffe in der Juristerei überhaupt nicht auftauchen würden.

Tatsächlich ist es auch durchaus problematisch, wenn geschichtliche Fakten zum Gegenstand von Strafprozessen werden. Wenn jemand behauptet, die Oktoberrevolution sei das Werk von Aliens, würde niemand auf die Idee kommen, einen solchen Schwachsinn durch eine Klage noch aufzuwerten. Auch die Neuschwabenlandverschwörung[5], nach der sich Hitler und einige seiner engsten Kumpane nach 1945 in die Antarktis flüchten konnten, beschäftigt eher die Lachmuskeln als die Justiz.

Es hat schon einen Grund, warum das bei der Holocaustleugnung und -relativierung anders ist. Hier wird nicht einfach ein historischer Fakt geleugnet. Es ist ein Angriff auf alle Juden und daher ist die Bestrafung der Holocaustleugnung vor allem ein Schutzrecht für die noch immer vom eliminatorischen Antisemitismus betroffenen Menschen.

Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um säkulare oder islamistische Rechte handelt, um nur die Hauptgruppen der Holocaustrelativierer zu nennen. Angriffe auf Menschen, die Gedenkarbeit für die Opfer des NS machen, sind ebenfalls Angriffe auf eine Erinnerungskultur. Es ist ein großes Manko des Urteils, dass dieser Aspekt überhaupt nicht erwähnt wird. Mit dem Kriterium der „Gefährdung des öffentlichen Friedens“ bleibt das Gericht wieder einmal auf den Staat und seine Institutionen konzentriert.

Holocaustleugnung ist demnach nur dann strafbar, wenn dadurch der öffentliche Friede und damit die Interessen des Staats tangiert sind. Die Jüdinnen und Juden und die Antifaschisten, die im Visier derer stehen, die den Holocaust leugnen, werden gar nicht erwähnt. Warum ist nach Meinung des Gerichts der öffentliche Friede nicht dann gefährdet, wenn Juden nicht mehr in Deutschland leben wollen, vielleicht auch wegen solcher Urteile?

Wenn nun nach der Entscheidung viele Menschen auf die Straße gingen, weil sie es für unerträglich halten, dass ein Gericht so viel über die verletzte Meinungsfreiheit eines Rechten in dem Urteil schreibt und mit keinen Wort auf die Menschen eingeht, die sich durch seine Meinung vielleicht in Gefahr sehen, wäre dann der öffentliche Frieden gestört? Und was wären die Folgen?

„Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen darf nicht sanktioniert werden.“ Das ist eine wichtige Ansage an alle Staatsapparate, die bekanntlich vor 30 Jahren Jugendliche zu Haftstrafen verurteilt, wenn sie angeblich RAF-Symbole an Hauswände malten. Doch es ist infam, von Jüdinnen und Juden und NS-Gegnern zu verlangen, sie sollen sich mit „der beunruhigenden Meinung“ derer abfinden, die sie vernichten wollen.

„Die verschwiegene Sensation“

Von daher ist diese gerichtliche Entscheidung ein Sieg für die Rechten, die es auch begeistert aufnehmen. Auf der rechten Webseite PI-News bewertet Akif Pirinçci das Urteil als „verschwiegene Sensation“[6] und prophezeit, dass die Entscheidung dafür sorgen könne, „dass das Äußerungsdelikt der Volksverhetzung nach § 130 Strafgesetzbuch (StGB) sich in einen Papiertiger, wenn nicht sogar in ein Schmusekätzchen verwandelt“.

Pirinçci, jahrelang ein Schriftsteller mit völlig unpolitischen Themen, hatte vor einigen Jahren sein rechtes Coming Out und trat auf verschiedenen rechten Veranstaltungen als Redner auf. Dadurch ist er selber von Klagen wegen Beleidigung und Volksverhetzung betroffen. So hätte er natürlich auch ein persönliches Interesse, dass sich die Gesetzgebung in dieser Frage ändert.

Vergleich zum Nicht-Verbot der NPD

Überraschend ist die Entscheidung nicht. Das Urteil hat deutliche Parallelen zur Begründung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die NPD nicht zu verbieten (vgl. NPD – zu unbedeutend für ein Verbot?[7]). Da wurde zum Kriterium, dass die Partei aktuell zu klein und unbedeutend ist, um den Staat und seine Verfassung zu gefährden oder gar aus den Angeln zu heben.

Auch hier orientiert sich das Gericht nur an staatlichen Apparaten. Wenn in einigen Kommunen, in denen die NPD einen gewissen Einfluss hat, wie beispielsweise in Jameln in Mecklenburg-Vorpommern, deren Gegner bedroht werden[8], ist das nicht gerichtsrelevant.

Diese Fixierung auf den Staat statt auf die Opfer ist auch hier das eigentlich Kritikwürdige. Aber diese Staatslogik reiht sich ein in die Politikerreden nach rassistischen Anschlägen. Auch dann wurde in der Regel und in erster Linie betont, dass es sich um einen Anschlag auf Deutschland handelt und nicht um einen Anschlag auf eine konkrete Person.

Der NSU-Prozess und das Urteil waren doch noch ein deutliches Zeichen für die Ignoranz der Justiz gegenüber den Opfern des NS-Terrors[9]. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts setzt diese Ignoranz gegenüber den Opfern fort.

Peter Nowak

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http://www.heise.de/-4132245
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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/06/rk20180622_1bvr208315.html;jsessionid=EBD704AC7162CA2003BA2614B7048733.1_cid394
[2] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2018/bvg18-066.html
[3] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2018/bvg18-066.html
[4] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2018/bvg18-066.html
[5] http://de.verschwoerungstheorien.wikia.com/wiki/Neuschwabenland
[6] http://www.pi-news.net/2018/08/akif-pirincci-die-verschwiegene-sensation/
[7] https://www.heise.de/tp/news/NPD-zu-unbedeutend-fuer-ein-Verbot-3128531.html
[8] https://www.focus.de/politik/videos/rechtsextremismus-und-fremdenfeindlichkeit-zu-besuch-im-nazidorf-jamel-nur-eine-familie-kaempft-hier-tapfer-gegen-rassismus_id_6367489.html
[9] http://www.nsu-tribunal.de

Auf Rechtsaußenkurs

Berliner AfD-Vorstandsmitglieder positionieren sich einschlägig in einem auf der Homepage des Landesverbandes veröffentlichten Text.

„Mehrere staatliche Ebenen unterhalten eine paramilitärische Einheit namens Antifa, die zur Unterdrückung von Grundrechten in Stellung gebracht wird.“  Diese Behauptung ist in den Kreisen der extremen Rechten durchaus  verbreitet.  Seit wenigen Tagen steht sie auch auf der Homepage der Berliner „Alternative für Deutschland“ (AfD). Unter dem Titel „Grundrechte im Belagerungszustand“ haben die beiden Berliner AfD-Vorstandsmitglieder Ronald Gläser und  Harald Laatsch  einen Text verfasst,  der nicht nur in der Charakterisierung der Antifa Gedankengut  von Rechtsaußen aufnimmt. Die Meinungsfreiheit sei  in Deutschland in Gefahr, heißt es in dem Artikel. In fünf Punkten wollen die Autoren diese These begründen.

In Punkt zwei wird die Ausgrenzung kritischer Journalistinnen und Journalisten angeführt und als  Beispiel der Autor Akif Pirincci genannt.  Weil der Buchhandel nach Pirinccis Hetzrede gegen Geflüchtete und andere Minderheiten zum Pegida-Jahrestag am 19. Oktober in Dresden dessen Bücher nicht mehr ausliefern will, schreibt das Berliner AfD-Duo, dass an dem Autor „eine virtuelle Bücherverbrennung“  initiiert werde. Von Pirinccis Dresdner Rede, die in dem Bedauern gipfelte, dass es in Deutschland keine Konzentrationslager mehr gibt, haben sich  selbst  einige  Pegida-Initiatoren im Nachhinein distanziert. In dem Text der Berliner AfD-Vorständler findet sich allerdings kein kritisches Wort zu Pirinccis Auftritt.

In Punkt fünf kommen Gläser und Laatsch schließlich zu dem Schluss, dass  Protest gegen rechte Veranstaltungen eigentlich verboten gehöre. „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Wort ‘Gegendemonstration‘ den Verfassungsbruch bereits beinhaltet. Der Grundgesetzartikel 8 Abs. 1 lautet: ‘Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln’“, heißt es in dem Text.  Ronald Gläser, einer der beiden Autoren des Textes,  ist  langjähriger Mitarbeiter der  Wochenzeitung „ Jungen Freiheit“ und anderer rechter  Publikationen wie der Zeitschrift „eigentümlich frei“.

aus:

http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/auf-rechtsau-enkurs

Peter Nowak

Die bisher politisch heimatlose Rechte in Deutschland formiert sich

Die Herbstoffensive der AfD, der rechte zivile Ungehorsam, aber auch die zunehmende rechte Gewalt zeigen, dass rechts der Union einiges in Bewegung gekommen ist

Ca. 5000 Demonstranten hat die AFD am 7.11. in Berlin unter dem Motto „Asyl braucht Grenzen“[1] auf die Straße auf die Straße gebracht. Es gab Gegenproteste und kleinere Rangeleien[2] (AfD-Demo: Erfurter Verhältnisse in Berlin[3]).

Nun könnte man sagen, dass die rechte Demo ein Flop war. Schließlich wurde dafür bundesweit geworben und noch vor einer Woche hatte die AFD selber mit der doppelten Zahl der Teilnehmer gerechnet. Allerdings war es die größte rechtspopulistische Demonstration seit Jahren in Berlin, weil es dort Pegida und seinen Ablegern bisher nie gelungen ist, über die rechte Szene hinaus zu mobilisieren. Allerdings war es im vergangenen Jahr „Nein zum Heim“-Kampagnen gelungen, in Stadtteilen auch scheinbar unpolitische Anwohner mit einzubinden.

Die neue Rolle der AFD als rechtspopulistische Partei

Was sich am Samstag allerdings zeigte, ist die neue Rolle der AfD als rechtspopulistische Partei, die versucht, die diversen bisher eher auseinanderstrebenden Teile des rechten Spektrums unter einfachen Losungen zu vereinen.

In Berlin waren AFD-Plakate mit der Losung „Wir sind das Pack“ zu sehen. Das letzte Wort war durchgestrichen und durch „Volk“ ersetzt. Diese Losung hatte nach der Pegida-Schelte von Sigmar Gabriel und Heiko Maas bei verschiedenen Pegida-Aufmärschen die Runde gemacht. Dass diese Parole nun zum AFD-Motto wurde, macht deutlich, dass die AfD nun zur Pegida-Partei geworden ist.

Dass die Grenze zwischen Rechtspopulismus und extremer Rechte fließend sind, zeigt ein Blick auf die Homepage der Berliner AfD[4]. Unter dem Titel „Grundrechte im Belagerungszustand“[5] findet sich dort ein Text, der auch auf der Homepage der NPD stehen könnte. In ihm werden sämtliche rechten Mythen als Tatsachen aufgetischt.

So wird die Antifa „als paramilitärische Einheit“ bezeichnet, „die zur Unterdrückung von Grundrechten in Stellung gebracht wird“ und dafür angeblich noch Aufwandsentschädigung bekommt. Ausdrücklich solidarisieren sich die Autoren des AfD-Beitrags, darunter der langjährige Junge-Freiheit-Autor Ronald Gläser, mit Akif Pirincci, der wegen seiner Hetze gegen Geflüchtete und andere Minderheiten vor zwei Wochen in Dresden sogar von manchen Teilnehmern der Pegida-Demonstration ausgepfiffen wurde.

Wegen seiner Äußerung zu Konzentrationslagern in Deutschland bekam er auch von seinen bisherigen Verlagen Ärger. In dem AfD-Beitrag wird mit keiner Silbe ein Wort der Kritik am Pirincci-Auftritt geäußert. Er wird vielmehr zum Opfer von vermeintlichen Gutmenschen stilisiert. Am Ende wird noch jeder antifaschistischen Gegendemonstration die Legitimität abgesprochen, weil nach Meinung der Autoren „das Wort Gegendemonstrant den Verfassungsbruch bereits beinhaltet“.

Nicht nur in Berlin, auch bundesweit hat sich die AfD sich zu einer Partei entwickelt, die in etwa dem Front National in Frankreich gleicht. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sich diese Ausrichtung auch in der europäischen Kooperation niederschlägt. Damit ist nun Realität, was Beobachter der rechten Szene immer als Worst-Case-Szenario bezeichneten, eine Partei rechts der Union, die auch Wahlen gewinnen kann. Über ihre mittelfristige Perspektive ist damit noch wenig gesagt.

Bisher haben sich alle Parteien rechts der Union selber zerlegt, von der NPD über die Republikaner bis hin zur Schill-Partei. Die aktuellen Bruchlinien in der AfD-Führungsspitze verlaufen vermeintlich zwischen dem ultrarechten Björn Höcke aus Thüringen und dem aktuellen Vorstand. Dabei dürfte es aber weniger um inhaltliche Differenzen als um die Fragen von Macht, Posten und Einfluss gehe. Doch die AfD könnte einen Trumpf gegenüber den anderen gescheiterten Rechtsformationen haben. Sie agiert in einer Zeit, wo rechte Aktivitäten der unterschiedlichen Art im Ansteigen sind.

Ziviler Ungehorsam von Rechts

Längst wurde dabei auch von AFD-Politikern die Ebene der Kundgebungen und Demonstrationen verlassen. Es werden Zugänge zu Flüchtlingsheimen und Grenzübergänge blockiert. So planen rechte Gruppen am 8.November die Blockade eines Grenzübergangs zu Österreich[6]. Solche Aktionen schaffen auch eine rechte Kultur und vielleicht sogar Subkultur, die sich über die gemeinsamen Aktionen definiert und zusammen schweißt.

Und dann gibt es da noch die Zunahme rechte Gewalt gegen Geflüchtete, die auf dem Bundestreffen aller Mitgliedsorganisationen des Verbandes der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt[7] am ersten Novemberwochenende konstatiert wurde. Mit deutlichen Worten beschreiben sie in einer Presseerklärung[8] die Situation:

„Als spezialisierte Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt stellen wir ein alarmierendes Ausmaß rassistischer Angriffe insbesondere gegen geflüchtete Personen fest. Die Anzahl hat in den meisten Bundesländern bereits nach Ende des dritten Quartals diejenige aus 2014 bei Weitem überschritten“, heißt es in der Erklärung. Verwiesen wird darauf, dass dabei zunehmend potentiell tödliche Waffen wie Sprengstoffe und Brandsätze eingesetzt werden. Die rechte Gewalt richtet sich gegen Geflüchtete, aber auch gegen solidarische Menschen und kritische Journalisten.

Wenn auch Normalbürger rechte Parolen brüllen

Dabei wird als besondere Gefahr beschrieben, dass auch Menschen, die nicht in Neonazikreisen aktiv sind, heute Parolen rufen, die früher den Neonazis zugeschrieben wurden: „Rassistische Positionen werden zunehmend auf verschiedenen Ebenen aggressiv geäußert und durch körperliche Gewalt umgesetzt. Immer öfter auch von Personen, die sich nicht der rechten Szene zuordnen.“

„Viele Geflüchtete haben den Eindruck, das ganze Dorf will, dass ihr Haus brennt“, berichtet eine Sprecherin des Dachverbandes der Opferperspektiven. Hier muss auch auf die Rolle von Parteien wie AfD erwähnt werden. Indem sie der bisher zersplitterten und auch gesellschaftlich marginalisierten Rechten eine Stimme gibt, machen sie solche rechten Parolen gesellschaftsfähig.

Wenn beispielsweise die oben genannten Thesen über angeblich staatlich finanzierte Antifaschisten nicht mehr nur von der NPD und ihren Umfeld vertreten werden, sondern auf einer AfD-Homepage stehen, bekommen sie eine gesellschaftliche Bedeutung. Wenn dann dort zur Solidarität mit Akif Pirincci aufgerufen wird, werden auch seine rassistischen Tiraden in den Bereich des Sagbaren gehoben. Dann trauen sich Menschen, ihre angeblich unterdrückte Meinung zu äußern, die sie bisher zurück gehalten haben. In diesem Sinne kann auch die AFD dazu beitragen, dass rechte Gewalt zunimmt, ohne selber dazu aufzurufen.

Allerdings zeigen die Herbstoffensive der AFD sowie der zivile Ungehorsam und die Gewalt von rechts eines auf: Die Zeiten sind vorbei, als rechts von der Union nur politische Splittergruppen existierten. Was viele Beobachter befürchten hatten, könnte Realität werden, nämlich dass sich der Teil der Bevölkerung, bei dem in Untersuchungen[9] seit Jahren ein mehr oder weniger geschlossenes rechtes Weltbild prognostiziert wurde, auch in Deutschland politisch artikulieren könnte. Dabei sind die Angebote über die verschiedenen Pegida-Ableger, der AfD, den Aktionen des zivilen Ungehorsams von Rechts bis zu offener Gewalt groß und oft nicht klar voneinander abzugrenzen. Damit würde auch in Deutschland wie in vielen anderen Ländern Ost- und Westeuropas die extreme Rechte an Bedeutung gewinnen.

Selbst liberale Medien vor unkritischer Darstellung rechter Positionen nicht gefeit

Dass selbst Medien, die sich in der Flüchtlingsdebatte der letzten Wochen sehr klar gegen rechte Positionen abgegrenzt haben, diese Differenzierungsfähigkeit verlieren, wenn es um das Ausland geht, zeigt sich an der Taz vom Wochenende. Dort wird für den Themenschwerpunkt „Was bleibt von der Revolution?“[10] der ukrainische Nationalist Volodymyr Nebir, der für die patriotische ukrainische Presse schon länger zum Helden stilisiert[11] wird, interviewt. In dem kurzen Interview betont er gleich mehrmals, wie wichtig der Patriotismus für ihn ist. Er vergisst auch nicht zu erwähnen, dass die Sowjetunion schon immer sein Feind war und bereits sein Großvater als Rebell gegen die Rote Armee gekämpft hat.

Die Frage, ob dieser vielleicht auf Seiten der antisemitischen, zeitweise mit Hitler-Deutschland verbündeten Bandera-Rebellen aktiv war, findet man in dem Interview nicht. Kritische Fragen sind nicht vorgesehen. Der gesamte Themenschwerpunkt ist insgesamt eine Würdigung verschiedener gesellschaftlicher Umbrüche, die als Revolutionen bezeichnet werden. Auf diese Weise wird selbst in der linksliberalen Taz mit Nebir ein Mann hochgelobt, dessen Positionen auf jeder Pegida-Demo viel Applaus bekommen würden, wenn sie es nicht aus taktischen Gründen gerade eher mit Putin halten.

http://www.heise.de/tp/artikel/46/46503/2.html

Anhang

Links

[1]

http://www.alternativefuer.de/demo/

[2]

https://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2015/11/AfD-Demo-Berlin-Gegendemonstration.html

[3]

http://www.heise.de/tp/artikel/46/46500/

[4]

http://www.afd-berlin.de/

[5]

http://www.afd-berlin.de/2015/11/grundrechte-im-belagerungszustand/

[6]

https://www.facebook.com/wirhelfenbeimgrenzbau/?fref=nf

[7]

http://www.opferperspektive.de/aktuelles/bundesweiter-zusammenschluss-von-beratungsstellen-fuer-betroffene-rechter-rassistischer-und-antisemitischer-gewalt-gegruendet

[8]

http://www.opferperspektive.de/aktuelles/alarmierendes-ausmass-rassistischer-gewalt-fehlender-schutz-taeter-opfer-umkehr-und-zahlreiche-rassismuserfahrungen-belasten-die-betroffenen

[9]

http://www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf_12/mitte-im-umbruch_www.pdf

[10]

http://www.taz.de/!p4662/

[11]

http://www.kyivpost.com/content/kyiv-post-plus/ukraines-heroes-40-year-old-map-helps-cyborg-save-comrades-392341.html

Pegida bekämpfen, aber die Kernforderungen übernehmen