Eine lange Suche

VERBRECHEN Vor drei Jahren wurde der Deutschtürke Burak B. ermordet. Vom Mörder fehlt jede Spur. Kundgebung fordert Ermittlungen gegen rechts

„Burak am 5. 4. 2012 in Neukölln ermordet. Wir fordern Aufklärung!“, so lauten die Parolen an der Häuserwand in der Manteuffelstraße, Ecke Oranienstraße. Sie erinnern an den bis heute unaufgeklärten Mord an dem 22-jährigen Burak B., der sich bald zum dritten Mal jährt. „Findet den Mörder!“ lautet auch das Motto einer Kundgebung, die Angehörige und FreundInnen des Toten sowie antirassistische Initiativen am Sonntag um 14 Uhr in der Rudower Straße 51 organisieren.

Dort, gegenüber dem Krankenhaus Neukölln, stand Burak B. am frühen Morgen des 5. April 2012 in einer Gruppe junger Männer, als nach Berichten von AugenzeugInnen ein etwa 40 bis 60 Jahre alter Mann gezielte Schüsse auf die Gruppe abgab. Zwei junge Männer überlebten schwer verletzt, B. starb noch am Tatort an einem Lungendurchschuss. Die Polizei erklärt seitdem, dass sie in alle Richtungen ermittle, aber bisher keine heiße Spur habe. „Die Ermittlungen sollten sich gezielt auf die rechte Szene richten“, fordert Helga Seyb von der Organisation ReachOut, die Opfer rechter und rassistischer Gewalt betreut, gegenüber der taz. AktivistInnen, aber auch Familie und Freunde B.s vermuten eine rassistische Nachahmungstat nach den NSU-Morden. Burak sei ein halbes Jahr nach dem Auffliegen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) getötet worden. Auf Neonazi-Seiten wurde der Mord an B. außerdem bejubelt. Am 17. April soll die Tat in einen größeren politischen Zusammenhang gestellt werden. „Drei Jahre nach dem Mord an Burak und die Konsequenzen aus dem NSU“ heißt das Motto einer Diskussionsveranstaltung im Biergarten Jockel in der Ratiborstraße.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2015%2F04%2F04%2Fa0206&cHash=c056dc0a03ccb112a153ddcafe3ef087

Peter Nowak

Weltweit Sorge um die Gesundheit von Mumia Abu Jamal

Der inhaftierte Journalist Mumia Abu Jamal liegt derzeit auf der Intensivstation eines   Krankenhauses in Pennsylvania. Er wird von der Polizei abgeschirmt, niemand darf zu ihm. Weltweit steigt die Sorge um seine Gesundheit.

„Mumia Abu-Jamal erlitt im SCI Mahanoy Gefängnis einen diabetischen Schock. Er wurde ins Schuylkill Krankenhauses im US-Bundesstaat Pennsylvania gebracht, wo er seitdem auf der Intensivstation liegt“, heißt es im Rundbrief der Mumia-Solidaritätsbewegung, die regelmäßige Kontakte zu Mumias Anwälten und Unterstützern in den USA unterhält. Sie berichten, dass der Journalist im Krankenhaus von Polizisten abgeschirmt wird. Selbst seinen Angehörigen und der Verteidigung werde der Zutritt verwehrt. „Es ist unklar, wie Mumias Gesundheitszustand genau aussieht, aber die Verlegung in ein öffentliches Krankenhaus ist ein sehr ungewöhnlicher Schritt von Seiten der Gefängnisbehörde“, wird in dem Rundbrief kommentiert.
Grund zur Besorgnis ist neben der ernsten Gesundheitslage des Journalisten auch die Tatsache, dass in einem ähnlichen Fall vor nur wenigen Wochen der politische Gefangene Phil Africa im gleichen Bundesstaat für sechs Tage im Haftkrankenhaus isoliert und schließlich für tot erklärt worden war. Bis heute liegen die Todesumstände im Dunkeln. Unter der Überschrift „Gedenken an Phil Africa“ hatte Mumia Abu Jamal am 20. Januar in seiner wöchentlich in der Tageszeitung „Junge Welt“ veröffentlichten Kolumne auf diesen ungeklärten Todesfall aufmerksam gemacht.
Mumia Abu Jamal ist vielen Menschen in aller Welt  bekannt. Als „Stimme der Unterdrückten“ hatte sich der Radiomoderator einen Namen gemacht hat. 1982 wurde der Afroamerikaner in einem Indizienprozess von einer nur aus Weißen besetzen Jury des Mordes an dem Polizisten Daniel Faulkner schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt. Der verantwortliche Richter hatte bereits vor der Urteilsbegründung erklärt, er wolle der Jury helfen „den Nigger zu grillen“. Jahrelange intensive Recherchen von Juristen und  Solidaritätsgruppen sorgten dafür, dass das ursprüngliche Urteil nicht mehr haltbar war. Ein neuer Gerichtsprozess, in dem die gefundenen Beweise vorgelegt werden können, wurde von den US-Behörden jedoch verweigert. Die internationale Solidaritätsbewegung konnte aber erreichen, dass das Todesurteil in eine lebenslängliche Haftstraße umgewandelt wurde. Mumia Abu Jamal konnte daher nach 29 Jahren den Todestrakt mit einer Gefängniszelle tauschen. Doch jetzt machen sich Unterstützer in aller Welt erneut große Sorgen um das Leben des Journalisten.
Auch hinter Gittern, sowohl im Todestrakt als auch in der Gefängniszelle hatte Mumia seine journalistische Arbeit ununterbrochen fortgesetzt und auf Rassismus, Unterdrückung und Repression – in den Gefängnissen wie auch in der Gesellschaft der USA – aufmerksam gemacht. Seine Aktivitäten wurden vielfach gewürdigt. So ist er Ehrenbürger von Paris und Ehrenmitglied von ver.di.

aus: «M» – MENSCHEN – MACHEN – MEDIEN

https://mmm.verdi.de/aktuell-notiert/2015/weltweit-sorge-um-die-gesundheit-von-mumia-abu-jamal

Peter Nowak

Autoritärer Staat und Austerität

Die Reaktionen von Politik und Medien auf den Protesttag zeigen, dass die Angst davor wächst, dass diejenigen, die unter der Austeritätspolitik leiden, öfter in Deutschland ihren Protest ausdrücken könnten

Die Spuren des Blockupy-Aktionstages wurden in Frankfurt/Main schon längst beseitigt. Doch vor allem bei der konservativen Presse und Politik scheint die Tatsache, dass erstmals Menschen aus ganz Europa ihren Protestin in das Land getragen haben, das für die Austeritätspolitik hauptsächlich verantwortlich ist, doch für Beunruhigung gesorgt zu haben. Sie beginnen wohl zu begreifen, dass es mit der Friedhofsruhe hierzulande vorbei sein könnte, wenn die Menschen aus dem EU-Raum dort protestieren, wo die Verantwortlichen sitzen.

Da ist Frankfurt auf jeden Fall in einer Zeit eine gute Adresse, wo sich die Politik vor allem darum sorgt, wie es dem Dax geht und ob der Markt verschreckt wird, aber nicht, ob die Menschen noch ein Dach über den Kopf oder genug zu essen haben. Da wird seit Tagen in deutschen Medien darüber gerätselt, was es mit den Stinkefinger auf sich hat, den der heutige griechische Finanzminister vor Jahren als linker Oppositionspolitiker gezeigt haben soll, als er Deutschland erwähnte. Varoufakis Grundlagentext [1], in dem er sich als Arzt am Krankenbett des Kapitalismus betätigt, um das Umkippen der Gesellschaft in die Barbarei zu verhindern, wird kaum zur Kenntnis genommen, obwohl er viel über seineheutige Politik sagt.

Auch die Studie [2] der DGB-nahen Hans-Böckler-Stiftung über die Folgen der Austeritätspolitik für die Mehrheit der Menschen in Griechenland, die die Kritik des Blockupy-Bündnisses bestätigt, schafftees kaum in die Medien. „Der Austeritätskurs in Griechenland hat die Einkommen der privaten Haushalte in dem Krisenland drastisch einbrechen und die Armut ansteigen lassen“, lautet das Ergebnis.

Doch die Studie wird nicht dazu führen, dass sich Schäuble oder seine Unterstützer von der Austeritätspolitik distanzieren oder sie nur kritisch hinterfragen. Schließlich geht es ihnen um den Wirtschaftsstandort und nicht um Menschen. Distanzieren aber sollen sich jetzt die Organisatoren der Proteste zur EZB-Eröffnung, wenn es nach den Politikern einer ganz großen Koalition von Grünen bis zur Union geht. Sie griffen bei einer Debatte im Bundestag die Protestorganisatoren an. Zudem forderten sie von der Linken wieder einmal eine Distanzierung von Gewalt.

Straßenmilitanz in Kiew bejubelt, in Frankfurt/Main kriminalisiert

Doch als Katja Kipping, eine der Co-Vorsitzende der Linken dieser Aufforderung nachkam [3], war das nur ein Anlass für weitere Distanzierungsaufforderungen. Viel souveräner ging die Linksparteiabgeordnete Heike Hänsel mit denDistanzierungsforderungen um. Sie listete einige der Opfer der Austeritätspolitik auf und kam zu dem Schluss, „dass die Gewalt in erster Linie von der EZB ausgeht, nicht von ihren Kritikern“.

Besonders erbost reagiertendie Medien und viele Politiker als Hänsel daran erinnerte [4], dass militante Kämpfe gegen eine bürgerlich-demokratisch gewählte Regierung auch von Politikern der großen Koalition nicht immer abgelehnt werden. Als im letzten Jahr die Lage in Kiew eskalierte, waren sie des Lobes voll für die dortigen Straßenkämpfer und ihre Gewalt. Sie konnten sich ja sicher sein, dass dort keine Linken aktiv sind. Die Empörung, die Hänsel mit dieser simplen Erklärung, deren Realitätsgehalt niemand bestreiten kann, auslöste, zeigte, dass sie ins Schwarze getroffen hat. Erbost [5] reagierten die konservativen Medien darauf, dass das Blockupy-Bündnis deutlich machte, dass es sicher einzelne militante Aktionen ablehnt, sich aber einer Distanzierung verweigert.

Der deutsche Distanzierungszwang verhindert letztlich inhaltliche Auseinandersetzungen. Das Blockupy-Bündnis fordert diese ein und erteilt allen Spaltungsversuchen in gute und schlechte Demonstranten eine Absage. Sie verweisen darauf, dass sie nicht alle Aktionen billigen, aber die Wut der Menschen über die Folgen einer Politik, die ihnen Lebenschancen nimmt, verstehen können.

In der FAZ hingegen übt man sich nach den Protesten schon mal im Rundumschlag gegen alle, die sich zur EZB-Eröffnung überhaupt kritisch zu Wort melden. In einen Kommentar [6] werden Politiker von Linken und Grünen, aber auch Gewerkschaften heftig angegriffen und sogar ziemlich unverhohlen in die Nähe von Mord und Totschlag gerückt.

„Einem schwärmerischen Neunzehnjährigen mag man die Naivität durchgehen lassen, er habe doch nur demonstrieren wollen, den Wilkens und Genossen aber nicht. Sie wussten genau, was sie taten. Sie nahmen Tote in Kauf. Erst brennen die Streifenwagen, dann die Menschen“, lautet das letzte Kapitel im Kommentar. Es ist eindeutig, dass hier eine kritische Bewegung kriminalisiert werden soll.

„Ihr verbrennt keine Autos, ihr verbrennt den Planeten“

Offensiv hat die bekannte Publizistin und Kapitalismuskritikerin Naomi Klein [7], die in ihrem jüngsten Buch [8] über eine Kooperation zwischen Umweltbewegung und Kapitalismuskritik nachdenkt, den politischen Zusammenhang dargestellt. „Ihr verbrennt keine Autos, ihr verbrennt Planeten“, schrieb sie Institutionen wie der EZB ins Stammbuch. Diese betrieben eine Politik für Reiche, in ihr säßen „die wahren Randalierer“.

Damit hat auch Klein den weitgehend tabuisierten Zusammenhang hergestellt zwischen der hilflosen Gewalt der Opfer jener mächtigen Gewalt, die vielfältiger Weisein das Leben von Millionen eingreift. Es waren vor allem die Regelverletzungen bei den Protesten in Frankfurt/Main, die das Thema in die Medien brachte. Das erkannte auch der hochrangige Syriza-Politiker Giorgos Chondros [9], der an den Protesten teilnahm und von den Medien auch gefragt wurde, ob er die rund um die EZB brennenden Autos okay finde. Die Taz zitiert seine Antwort [10]: „Ja“, sagt Chondros. „Das ist gut für Medien. Was anderes wollen die ja nicht.“

Am Tag des Blockupy-Beitrags stieg der Dax einmal nicht und die Wirtschaftsredaktion des Deutschlandfunks sprach davon, dass die Märkte beunruhigt seien. Zwei Tage später steigt der Dax wieder, die Märkte sind wieder zufrieden und die griechische Regierung wird von der Bundesregierung und den von ihr abhängigen Institutionen unter Druck gesetzt, das Land wieder unter ihr Kuratel zu stellen, also die Politik umzusetzen, die in Griechenland abgewählt wurde.

Obwohl die Dokumentation Troika – Macht ohneKontrolle [11] nachgewiesen hat, dass bei der Etablierung dieser Strukturen zahlreiche Gesetze und Bestimmungen verletzt wurden, wird gegen die dafür Verantwortlichen, an erster Stelle Wolfgang Schäuble, nicht gerichtlich ermittelt. FAZ und Co. klagen nicht darüber, dass diese Gesetzesbrecher noch im Amt sind. Zwei Tage nach den Protesten kündigt das Bundesinnenministerium den Aufbau einer weiteren Anti-Terror-Einheit an. Hier wurden wieder einmal lange in den Schubladen liegende Pläne rausgeholt, um den Weg in den autoritären Staat, der zur Austeritätspolitik passt, auch hier voranzutreiben.

http://www.heise.de/tp/news/Autoritaerer-Staat-und-Austeritaet-2581962.html

Peter Nowak

Links:

[1]

http://www.woz.ch/-5a79

[2]

http://www.boeckler.de/cps/rde/xchg/hbs/hs.xsl/52614_53364.htm

[3]

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/blockupy-im-bundestag-die-linke-und-die-randale-in-frankfurt-a-1024472.html

[4]

https://twitter.com/HeikeHaensel/status/578155299640631298

[5]

http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/blockupy/blockupy-distanziert-sich-nicht-von-gewalt-13492647.html

[6]

http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/blockupy/linke-krawalle-in-frankfurt-nur-noch-blinder-hass-13491675.html

[7]

http://www.naomiklein.org/main

[8]

http://thischangeseverything.org/

[9]

http://www.deutschlandfunk.de/griechenland-wir-erleben-eine-soziale-katastrophe.694.de.html?dram%3Aarticle_id=282670

[10]

http://www.taz.de/!156687/

„Solidarität hilft siegen“

ARBEITSKAMPF Die Auseinandersetzung mit BMW vor 30 Jahren sieht der damalige Betriebsrat Rainer Knirsch auch als Übung für heute

taz: Herr Knirsch, Mitte der achtziger Jahre standen Sie als BMW-Betriebsrat im Mittelpunkt heftiger Auseinandersetzungen, die jetzt in dem Buch „Macht und Recht im Betrieb“ dokumentiert sind. Warum wollte das BMW-Management Sie und Ihre beiden Betriebsratskollegen loswerden?

Rainer Knirsch: Weil wir unser Amt als Betriebsräte ernst nahmen: für höheres Urlaubsgeld, für Lohngruppenerhöhungen, gegen Krankheitskündigungen. Eine Rationalisierungsstudie haben wir abgelehnt und damit etwa 50 Arbeitsplätze gesichert. Wir waren Gewerkschafter, die auch als Betriebsräte ihr Recht auf Organisierung der Belegschaft und auf Teilnahme an Streiks ausübten.

Was hat Sie motiviert, den Kampf gegen die Entlassung über drei Jahre zu führen?

Unsere gewerkschaftliche Einstellung lautet: Wir wollen „Recht, Gerechtigkeit und Demokratie, die nicht am Werkstor endet!“ Die IG-Metall-Schulung für Betriebsräte haben wir umgesetzt, in der gewarnt wird vor Korrumpierbarkeit und Verrat an den abhängig Beschäftigten. Außerdem waren wir verbunden mit den Beschäftigten im Betrieb und unterstützt durch ein Solidaritätskomitee von zuletzt über 2.000 Menschen.

Welche Rolle spielte dieses Solidaritätskomitee bei Ihrem Erfolg, der Wiedereinstellung?

Es schuf Öffentlichkeit, verbreitete die Informationen an Medien, Einzelpersonen und die Leute im Werk. Es organisierte politische und finanzielle Solidarität außerhalb des Betriebes. Das war maßgeblich für unseren Erfolg.

Was ist nach 30 Jahren an Ihrem Fall noch interessant?

Das „Union Busting“ der achtziger Jahre war der Anfang: Die systematische Bekämpfung von uns aktiven Gewerkschaftern durch insgesamt 20 kettenartige Kündigungen; durch Inszenierung einer hetzerischen Betriebsversammlung zur Amtsenthebung, zuletzt durch Einsatz einer Detektei und Rufmord über Presse und Rundfunk. Ähnliche Methoden der Arbeitgeber erleben wir heute ständig, etwa gegen Betriebsräte bei Neupack oder Enercon.

Gibt es Parallelen zu dem Solidaritätskomitee, das die Entlassung der Kassiererin Emmely wegen angeblich nicht abgerechneter Kassenbons erfolgreich bekämpfte?

Auch diese Solidaritätsarbeit war beispielhaft, gerade für die Kollegin, die bestraft wurde, weil sie bis zuletzt an den Streiks ihrer Gewerkschaft teilgenommen hatte: Solidarität hilft siegen!

Rainer Knirsch

69, begann 1975 als Montagearbeiter im BMW-Motorradwerk und war seit 1978 Betriebsrat, von 1994 bis 2002 Betriebsratsvorsitzender. Heute ist er ehrenamtlicher Bildungsreferent der IG Metall.

Der „Fall BMW-Berlin“

Das Buch „Macht und Recht im Betrieb. Der Fall BMW-Berlin“ ist eine Dokumentation einer dreijährigen Auseinandersetzung um die Kündigung von drei unliebsamen IG-Metall-Betriebsräten des BMW-Motorradwerks in Spandau. Von 1984 bis 1987 kämpften die drei gegen ihre Entlassung – bis sie vor Gericht siegten und wieder eingestellt werden mussten.

Das im Verlag Die Buchmacherei erschienene Buch stellt den Fall auch als ein frühes Beispiel des „Union Busting“ vor, also der systematischen Bekämpfung, Unterdrückung und Sabotage von Arbeitnehmervertretungen. Heute am Montag präsentiert es Rainer Knirsch, einer der drei damaligen Betriebsräte, um 19 Uhr im Café Commune, Reichenbergerstr. 157.

INTERVIEW PETER NOWAK

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2015%2F03%2F16%2Fa0142&cHash=e0bc5fe5af503aba9b09251b3fcc0198

»Für alle Weggesperrten existentiell«

Wolfgang Lettow ist presserechtlich verantwortlicher Redakteur der linken Publikation Gefangeneninfo, die sich mit politischen Strafgefangenen solidarisiert. Die Justizvollzugsanstalt (JVA) Ratingen erteilte ihm kürzlich Besuchsverbot bei dem inhaftierten linken Anwalt Ahmet Düzgün Yüksel.

Warum wollten Sie Herrn Yüksel im Gefängnis besuchen?

Wir haben gemeinsam seit Ende der neunziger Jahre Öffentlichkeit gegen die drakonischen Haftbedingungen in der Türkei, aber auch hier in der Bundesrepublik hergestellt.

Warum ist Herr Yüksel inhaftiert?

Wegen seiner anwaltlichen Tätigkeit für politische Gefangene in der Türkei musste Yüksel das Land verlassen. 2007 wurde er in der Bundesrepublik wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach dem Paragraphen 129b verhaftet. Er war in Stuttgart-Stammheim eingesperrt und wurde in dem dortigen Prozessbunker zu fünf Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Nach seiner Haftstrafe war er der Residenzpflicht unterworfen und durfte sich nur in einem bestimmten Bezirk aufhalten. Er entzog sich dem, wurde in Griechenland verhaftet und im Mai 2014 ausgeliefert.

Und was ist der Grund für Ihr Besuchsverbot?

Die Anstaltsleitung teilte mir erst nach sechs Wochen detailliert mit, warum ich vom Besuch ausgeschlossen bin. Ich habe in meiner Funktion als Redakteur Informationen zum Hungerstreik des in der JVA Ratingen inhaftierten albanischen Gefangenen Admir Baro im Gefangeneninfo veröffentlicht. Die Informationen teilte mir übrigens Herr Yüksel in einem von der JVA kontrollierten Brief Ende des Jahres mit. Ich bin also abgestraft worden, weil ich über die Aktion eines Gefangenen berichtet habe. Das Ganze soll laut JVA nicht der Wahrheit entsprechen und den Gefangenen in seiner »aufrührerischen Haltung« bestärken.

Wehren Sie sich juristisch gegen das Besuchsverbot?

Yüksels Anwalt hat dagegen Beschwerde eingelegt. Generell sind Briefe und Besuche für Gefangene die einzige Möglichkeit, nach draußen zu kommunizieren. Zeitungen und der Bezug anderer Medien werden reglementiert und kontrolliert. Internetzugang gibt es zum Beispiel für keinen der 60 000 Gefangenen. Jährlich bringen sich mindestens 100 Gefangene um, weil sie die Bedingungen nicht ertragen können. Es ist daher für alle Weggesperrten existentiell, dass ihre minimalen Rechte wie Post und Besuche garantiert werden.

http://jungle-world.com/artikel/2015/11/51595.html

Interview:  Peter Nowak

Verschlepptes Verfahren

Prozess gegen einen Polizisten wegen beschädigter Kamera lässt auf sich warten

Wird die Beschädigung einer Kamera eins Videojournalisten des Erfurter Medienkollektivs Filmpiraten bei den Blockupy-Protesten 2013 noch ein gerichtliches Nachspiel haben? »Obwohl die polizeilichen Ermittlungen seit Oktober 2014 abgeschlossen sind und der Polizist, der die Kamera beschädigt hat, namentlich bekannt ist, ist noch immer kein Prozesstermin festgesetzt worden«, kritisiert Jan Smendek von den Filmpiraten. Er tritt als Besitzer der beschädigten Kamera als Nebenkläger auf.

Die Filmpiraten hatten eine Videoszene ins Internet gestellt, auf der zu sehen ist, wie in einem Polizeikessel ein Polizist das Mikrophon der Kamera abbricht und an sich nimmt. Nachdem diese Aufnahme in zahlreichen Dokumentationen über die Blockupy-Aktionen Eingang gefunden hat, begann die Polizei mit den Ermittlungen – und wurde bei der Sichtung ihrer eigenen Videos fündig. Die Abteilung V6-Amtsdelikte beim Polizeipräsidium Frankfurt am Main konnte einen sächsischen Bereitschaftspolizisten als Urheber der Beschädigung feststellen. Nun liegen die Akten bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft.

Eine Mitarbeiterin der Pressestelle der Behörde erklärte gegenüber »nd«, dass noch nicht entschieden ist, ob es zu einer Anklage kommt oder ob das Verfahren eingestellt wird. Auch der Termin der Entscheidung sei noch offen. Nicht ungewöhnlich sei es, dass der Zeitraum zwischen dem Abschluss der polizeilichen Ermittlungen und der Entscheidung über die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens länger dauert.

Ruth Schmidt von der Berliner Vorbereitungsgruppe für die Blockupy-Aktionen am kommenden Mittwoch äußert gegenüber »nd« ebenfalls Unverständnis über die lange Dauer der Ermittlungen gegen den Polizisten: »Es wäre ein klares Signal an die Polizei auch im Hinblick auf die kommenden Blockupy-Aktionen gewesen, wenn es zu einer Anklage gegen den namentlich bekannten Polizisten gekommen wäre. Dann würde deutlich, dass ungesetzliches Handeln auch juristische Konsequenzen hat.« Die lange Dauer des Verfahrens könne aber das gegenteilige Signal haben. Obwohl der Verantwortliche durch die Ermittlungen der Polizei bekannt ist, kommt die gerichtliche Aufarbeitung nicht voran.

»Das Verfahren darf nicht weiter verschleppt werden«, betont auch Jan Smendek. Für ihn hat das lange Prozedere auch finanzielle Nachteile. Nach der Beschädigung der Kamera sind die Filmpiraten auf den Kosten sitzen geblieben. »Wir waren zeitweilig in unserer Arbeit sehr eingeschränkt«, betonte Smendek. Das Videokollektiv hatte im Internet via Crowdfunding im Internet Spenden für eine neue Kamera gesammelt. Erst wenn das gerichtliche Verfahren abgeschlossen ist, kann Smendek eine Klage auf Schadenersatz gegen die Polizei stellen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/964521.verschlepptes-verfahren.html

Peter Nowak

Teurer Kampf ums Urheberrecht

Das alternative Videokollektiv Filmpiratinnen und Filmpiraten e.V. aus Erfurt muss sich derzeit gegen eine Klage der FPÖ vor dem Handelsgericht in Wien wehren. Die rechte Partei verletzte das Urheberrecht der Erfurter Journalisten und überzieht sie nun im Gegenzug mit einem Prozess, dessen Kosten bereits das Aus für das Filmkollektiv bedeuten könnten.

Fast ein Jahrzehnt berichten die Videojournalisten über Antifademonstrationen, Flüchtlingsproteste oder Solidaritätsaktionen beispielsweise während des Einzelhandelsstreiks. Zunächst konzentrierte sich ihre Medienarbeit auf Thüringen. Mittlerweile sind die kritischen Journalisten europaweit mit der Kamera unterwegs. So berichteten sie auch über das Verfahren gegen den Jenaer Antifaschisten Josef S. in Wien. Die österreichische Justiz hatte den Studenten schweren Landfriedensbruch bei Protesten gegen den jährlichen Akademikerball in 2013 vorgeworfen. Dazu lädt die rechtspopulistische FPÖ alljährlich Ende Januar Politiker der rechten Szene Europas ein. Wegen der monatelangen Untersuchungshaft trotz unklarer Beweislage sprachen Menschenrechtsorganisationen von Kriminalisierung des Antifaschisten. Der Jenaer Oberbürgermeister Albrecht Schröder (SPD) verlieh S. im vergangenen Jahr einen Preis für Zivilcourage.
Die FPÖ stellte Ausschnitte eines Videoberichts der Filmpiraten über den Prozess gegen Josef S. und die Preisverleihung auf ihren Kanal FPÖ-TV. „Sie haben die Aufnahmen in einen neuen Kontext gesetzt und gleichzeitig gegen die Creative Commons-Lizenz verstoßen, die nicht-kommerzielle Nutzung und Weitergabe unter gleichen Bedingungen voraussetzt“, erklärte der Videojournalist Jan Smendek. Daher hatte der Verein die FPÖ wegen der Urheberrechtsverletzung abgemahnt. Daraufhin verklagte die FPÖ die Filmpiraten beim Wiener Handelsgericht wegen Behinderung der Meinungsfreiheit und falscher Anschuldigungen. Gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) erklärte ein FPÖ-Sprecher: „Wir fordern in unserer Klage gegen die ‚Filmpiraten‘ weder Geld noch Sonstiges, sondern lediglich die gerichtliche Feststellung, dass die von den ‚Filmpiraten‘ behaupteten Ansprüche gegen die FPÖ nicht zu Recht bestehen“.
Mittlerweile wurde bekannt, dass die FPÖ auch in Österreich ihre Kritiker häufiger mit solchen Klagen überzieht. Betroffen davon sind die „Initiative Heimat ohne Hass“, die Zeitschrift „Linkswende“ und der österreichischen Kriminalbeamte und Datenforensiker Uwe Sailer, der sich gegen die FPÖ engagiert. Die aufgrund der österreichischen Parteienfinanzierung sehr solvente Partei versucht, ihre Kritiker mit den Klagen finanziell unter Druck zu setzen, kritisiert ein Autor der „Linkswende“. Für die Filmpiraten geht es dabei um ihre Existenz. Der Streitwert liegt bei 35000 Euro. „Bis jetzt sind schon über 5.000 Euro an Anwaltskosten entstanden, die wir im Vorfeld aufbringen mussten“, erklärt Smendek. Die Auseinandersetzung kann sich noch über Monate hinziehen und teuer werden. Ein vom Wiener Handelsgericht vorgeschlagener Vergleich, bei dem beide Seiten ihre Klagen zurückziehen, ist für Smendek nicht annehmbar. „Die FPÖ könnte dann weiter unser Urheberrecht verletzen und wir würden auf einen Teil der Gerichtskosten sitzen bleiben“, begründet der Journalist die Ablehnung. So wird es wohl in einigen Monaten zum Prozess kommen.

Unter dem Motto „Sei unser Held – FPÖ kostet Nerven und Geld“ wird auf der Homepage www.filmpiraten.org zu einer Spendenkampagne aufgerufen. SPENDENKONTO Filmpiratinnen e.V.
IBAN: DE56430609676027819400
BIC: GENODEM1GLS GLS Bank.

aus: «M» – MENSCHEN – MACHEN – MEDIEN

https://mmm.verdi.de/aktuell-notiert/2015/teurer-kampf-ums-urheberrecht

Peter Nowak

Shopping-Schande

Maulkorb für den FAU-Protest gegen die „Mall of Shame“

Seit Ende November unterstützt die Basisgewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) rumänische Bauarbeiter, die über eine Leiharbeitsfirma beim Bau des Einkaufszentrums Mall of Berlin beschäftigt waren und um einen Großteil ihres Lohns geprellt wurden. Bei Kundgebungen wurde von den ehemaligen Beschäftigten immer wieder auch auf die Verantwortung des ehemaligen Generalunternehmens der Mall of Berlin, die Firma Fettchenhauer Controlling & Logistic, hingewiesen. Das versucht deren Inhaber Andreas Fettchenhauer jetzt, juristisch zu verhindern. In einer einstweiligen Verfügung, die der FAU Mitte Januar zuging, wurde der Gewerkschaft die Aussage verboten, sie befinde sich mit Andreas Fettchenhauer in einem Arbeitskampf. Ebenfalls untersagt wurde ihr die Behauptung, Fettchenhauer habe im Zusammenhang mit dem Arbeitskonflikt „eine große negative Öffentlichkeit“ erhalten. Auch dass die Firma Fettchenhauer für „massive Schwarzarbeit“ und die „Nichtabführung von Beiträgen an die Versicherungsträger“ verantwortlich sei, darf die FAU nicht mehr behaupten. Bei einer Zuwiderhandlung droht der Gewerkschaft ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro und den verantwortlichen Sekretären eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten.

Der Pressesekretär der Berliner FAU, Stefan Kuhnt, sieht in der einstweiligen Verfügung einen Angriff auf die Gewerkschaftsfreiheit. Die FAU Berlin musste inzwischen mehrere Texte auf ihrer Homepage ändern. „Einstweilige Verfügungen sind ein gängiges Mittel gegen Gewerkschaften“, erklärt die FAU-Sekretärin Nina Matzek. Die FAU  hat  rechtliche Schritte dagegen eingeleitet,  die allerdings mit zusätzlichen Kosten verbunden sind, die die Gewerkschaft lieber in den Arbeitskampf investieren würde. Im Falle eines Widerspruchs könnte sie auf das kritische Pressecho zur Mall of Berlin ebenso wie auf die aktuelle Rechtslage hinweisen. „Die rechtliche Situation sieht vor, dass die Auftraggeber für die ausstehenden Löhne haften, wenn ein Subunternehmer nicht bezahlt“, erklärt Kuhnt.

Um den Lohn betrogen

Mit der einstweiligen Verfügung reagiert Fettchenhauer nun darauf, dass nicht nur der Subunternehmer, sondern auch seine Firma im Dezember durchaus in der Medienöffentlichkeit stand. Zahlreiche Zeitungen berichteten über den Arbeitskampf, auch im Deutschlandfunk gab es zwei Beiträge. Die Mall of Berlin ist ein Einkaufszentrum für die gehobenen Ansprüche in der Nähe des Potsdamer Platzes. Anfang Dezember begann eine Gruppe von acht rumänischen Bauarbeitern, unterstützt von der FAU, vor dem Eingang der Mall ihren Protest. Die Rumänen hatten auf der Baustelle der Mall gearbeitet und waren um einen Teil ihres Lohnes betrogen worden. Insgesamt 3000 Euro wurden ihnen vorenthalten. Die für den Bau der Mall of Berlin zuständigen Unternehmen schoben sich die Verantwortung für die nicht bezahlten Löhne wechselseitig zu. Die Firma Fettchenhauer Controlling & Logistic, die der Generalunternehmer auf der Baustelle war und mittlerweile Insolvenz angemeldet hat, verwies auf die Subunternehmen Metatec-Fundus GmbH & Co. KG aus Berlin sowie openmallmaster GmbH aus Frankfurt/Main. Beide Unternehmen lassen Presseanfragen unbeantwortet

Nachdem der Kampf um die vorenthaltenen Löhne auch die Öffentlichkeit erreicht hatte, fragten mehrere Zeitungen, wo denn der DGB in dem Konflikt bleibe. Tatsächlich hatten die Bauarbeiter sich Ende Oktober zunächst an den DGB-Berlin Brandenburg gewandt und nach Unterstützung gefragt. Das im dortigen Gewerkschaftshaus angesiedelte „Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte“ nahm Kontakt mit den Unternehmen auf und schrieb Geltendmachungen. Außer Abschlagszahlungen, die nur einen Bruchteil des vorenthaltenen Lohnes ausmachten, konnten die Bauarbeiter auf diesem Weg allerdings nichts erreichen. Sie hatten weder Arbeitsverträge noch Gewerbescheine – das macht die Durchsetzung ihrer Ansprüche schwierig. Einige nahmen die Abschlagszahlungen und unterzeichneten zudem eine vom Unternehmen vorbereitete Erklärung, nach der sie auf weitere rechtliche Schritte verzichten sollten. Andere beharrten darauf, ihren vollen Lohn zu erhalten und wollten weiter gehen.

Eine politische Kampagne hatte der DGB jedoch nicht geplant. Erst nachdem sich die verbliebenen Bauarbeiter an die FAU wandten, begann die wochenlange Öffentlichkeitsarbeit, die nun mit der einstweiligen Verfügung beantwortet wird. Die FAU betont, dass sie die Kollegen weiterhin im Kampf um die vorenthaltenen Löhne unterstützen wird, u.a. durch Klagen gegen die Subunternehmen vor dem Arbeitsgericht. Zudem erinnert die FAU mit gezielten Aktionen immer wieder an die Verantwortung des Generalunternehmens Fettchenhauer. Dafür bekamen sie jetzt Unterstützung von unerwarteter Seite.

„Ein Generalunternehmen haftet gegenüber Arbeiterinnen und Arbeitern nachgeordneter Unternehmer und Subunternehmer, wenn diese ihren Arbeitgeberverpflichtungen nicht nachkommen“, stellt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von Ministerin Andrea Nahles (SPD) fest. So geht es aus einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Bundestagsabgeordneten Azize Tank (parteilos, für DIE LINKE) hervor. Die Sprecherin für Soziale Menschenrechte hatte nach der aktuellen Rechtslage gefragt. „Nach Paragraf 14 Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) haftet ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, wie ein Bürge“, heißt es in der Antwort des Ministeriums. Damit referiert das Ministerium die seit 2002 geltende Rechtslage. Angesichts der Insolvenz des Generalunternehmens Fettchenhauer ist es trotzdem schwierig, die Forderungen durchzusetzen. Die FAU führt zunächst Klage gegen die Subunternehmen, behält sich aber auch eine Klage gegen den Generalunternehmer vor. Fettchenhauer arbeitet nach der Pleite seines vormaligen Unternehmens nun unter dem Firmennamen Fettchenhauer Construction weiter. Interessanterweise pflegt er auch zu dem Investor der Mall of Berlin, Harald Huth, weiterhin geschäftliche Beziehungen – Huth hatte nach Bekanntwerden des Skandals in der Berliner Zeitung vom 11.12. 2014 behauptet, dass die Geschäftsbeziehungen zu Fettchenhauer beendet worden seien.  „So wollen wir nicht mehr weiter- machen. Die Zusammenarbeit ist im Nachhinein sicher ein Fehler gewesen“, wird Huth in dem Blatt zitiert.

Die FAU braucht für die Fortführung des Arbeitskampfs Unterstützung und Spenden. Spenden können für den Arbeitskampf können auf folgendes Konto  überwiesen werden

Konto-Inh.: Allgemeines Syndikat Berlin
IBAN: DE45 1605 0000 3703 0017 11
BIC: WELA DE D1 PMB
Verwendungszweck: Spende

aus:

express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit 2/2015

http://www.labournet.de/express/

Peter Nowak

Streit um Flüchtlingspolitik in Thüringen

Flüchtlingsproteste in Dresden und Erfurt. AfD und CDU machen Druck auf die linke Regierung

Erst versuchten Pegida-Anhänger das am vergangenen Samstag nach einer bundesweiten antirassistischen Demonstration in Dresden errichtete Refugee-Camp [1] anzugreifen [2]. Dann kam die Polizei und räumte das Camp. Reporter von der Zeit [3] brachten den Zusammenhang gut auf den Punkt:

Damit verschwindet ein nur kurz sichtbares Zeichen der Solidarität mit Geflüchteten, das Aktivisten als Antwort auf Pegida und staatliche Asylpolitik aufgebaut haben.

Die sächsische Landesregierung hat damit signalisiert, dass sie umsetzen kann, was Pegida nur fordert. Allen verbalen Abgrenzungsbemühungen zum Trotz ist man sich einig, dass Geflüchtete in Dresdens guter Stube nicht geduldet werden.

Auch die rot-rot-grüne Landesregierung gerät in der Flüchtlingsfrage von verschiedenen Seiten unter Druck. Die Landkreise Sonneberg, Greiz und der Wartburgkreis wollen beim Landesverwaltungsamt erreichen, dass sie vorübergehend keine Flüchtlinge mehr aufnehmen müssen [4]. Dahinter steckt der Versuch der abgewählten CDU, die Versuche der neuen Landesregierung, die Flüchtlingspolitik zu humanisieren, zu torpedieren.

Auch die Thüringer AfD, die zum rechten Flügel der Partei zählt, macht Druck [5] in der Flüchtlingsfrage und geißelt den Winterabschiebestopp für Flüchtlinge aus 25 Ländern als rechtswidrig [6]. Notfalls müssten die Geflüchteten wieder zurück in die Erstaufnahmeeinrichtung geschickt werden, forderte die Präsidentin des Landkreistages, die Greizer Landrätin Martina Schweinsburg (CDU): „Das ist genau das, was wir nicht wollen.“

Ein solches Konzept wäre hart an der Grenze zu einer Abschiebeeinrichtung, konterte der Thüringische Migrationsminister Dieter Lauinger von den Grünen. Schließlich hatte sich die rot-rot-grüne Landesregierung eine Verbesserung der Situation der Flüchtlinge auf die Fahnen geschrieben. Der bis zum 31. März terminierte Abschiebestopp für Geflüchtete wurde von Flüchtlingsinitiativen als ersten Schritt begrüßt.

Doch sie erwarten weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Geflüchteten im Land und setzen auf die Zivilgesellschaft. Die hat sich bereits vor einigen Wochen für ein Bleiberecht der Romafamilie Memedowich in Erfurt eingesetzt [7]. Es gab erste Erfolge, weil die Härtefallkommission sich ebenfalls für ein Bleiberecht der Familie ausgesprochen hat. Nun liegt der Fall bei der Erfurter Ausländerbehörde, die in einer Petition [8] aufgefordert wird, die Familie nicht auseinanderzureißen.

Am 4. März will ein zivilgesellschaftliches Bündnis ebenfalls in Erfurt die Abschiebung von Frau C. und ihren beiden schulpflichtigen Kindern aus Erfurt nach Tschechien verhindern [9]. Sie waren 2014 aus Kambodscha geflohen und haben in Deutschland Asyl beantragt. Weil sie in Tschechien zum ersten Mal das Gebiet der Europäischen Union betreten haben, ist nach der Dublin III Verordnung dieses Land für das Asylverfahren zuständig.

Diese Flüchtlinge fallen auch nicht unter den Winterabschiebestopp der Thüringischen Landesregierung. Doch die Familie hat Angst vor einem Leben in Tschechien. „Ich möchte, dass meine Kinder hier zur Schule gehen können und ich will selbst die deutsche Sprache lernen und hier Arbeit finden“, erklärt Frau C. Auch Alexandra Hoffmann fordert ein Bleiberecht für die Familie. „Eine Abschiebung ist ein gewaltsamer Eingriff in das Leben von Menschen“, erklärt sie gegenüber Telepolis.

Bereits am 24. Februar musste die Abschiebung der Mutter und ihrer beiden Kinder abgebrochen werden, weil 150 Menschen den Eingang zur Flüchtlingsunterkunft in Erfurt blockierten, in der die Familie untergebracht ist. Die Freude bei der Familie und ihren Unterstützern war groß, als der zuständige Einsatzleiter der Polizei erklärte, dass die Abschiebung angesichts der Proteste [10] abgebrochen wird. Für den 4. März ist der zweite Abschiebeversuch angekündigt.

Einen Tag läuft die sechsmonatige Frist ab, nach der sich aufgrund des Dublin III Verfahrens Deutschland um das Asylverfahren der Familie kümmern müsste. „Für uns ist es selbstverständlich, dass wir auch am 04. März ab 21 Uhr auf einer Kundgebung vor der Unterkunft in der Stauffenbergallee 25 gegen die Abschiebung unserer Freundinnen und Freunde protestieren werden“, erklärt Alexandra Hoffmann gegenüber Telepolis. Sie sieht auch die Landesregierung in der Verantwortung. „Es wird sich zeigen, ob in Thüringen eine Mutter mit ihren Kindern mit Polizeigewalt abgeschoben wird.“

Peter Nowak

http://www.heise.de/tp/news/Streit-um-Fluechtlingspolitik-in-Thueringen-2566427.html

Links:

[1]

https://refugeestruggledresden.wordpress.com/

[2]

http://www.heise.de/tp/artikel/44/44293/1.html

[3]

http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2015/03/03/dresden-raeumung-des-refugee-struggle-camps-nach-angriffen-von-pegida_18783

[4]

http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/politik/detail/-/specific/Thueringer-Landkreise-rebellieren-gegen-Asylplaene-der-Regierung-264034811

[5]

http://afd-thueringen.de/2015/03/obrigkeitsstaatliches-gehabe-afd-kritisiert-lauingers-erstaufnahmeplaene/

[6]

http://www.welt.de/regionales/thueringen/article137782585/Winterabschiebestopp-rechtswidrig.html

[7]

http://www.alle-bleiben.info/pm-kundgebung-vor-auslaenderbehoerde-in-erfurt/

[8]

https://www.openpetition.de/petition/online/reissen-sie-familie-memedovich-nicht-auseinander-dauerhaftes-bleiberecht-fuer-die-ganze-familie

[9]

http://breakdeportation.blogsport.de/2015/02/24/kinder-geben-anstoss-fuer-erfolgreiche-blockade-gegen-abschiebung-in-erfurt/

[10]

http://www.mdr.de/thueringen/mitte-west-thueringen/spontandemo-gegen-abschiebung-erfurt100.html

Filmpiraten durch FPÖ-Klage in ihrer Existenz bedroht

Verdeckte Kameras legalisiert

»Glaubt ihr, es macht Spaß, Drogen zu verkaufen?«

Wie eine Debatte um den Görlitzer Park abrupt ihr Ende fand

Eine Anwohnerversammlung zur Situation im Görlitzer Park lief am Donnerstagabend aus dem Ruder, als Protestierende per Abstimmung aus dem Saal geworfen werden sollten.

Die Debatte um den Görlitzer Park lässt die Wogen erst recht in Kreuzberg hochschlagen. Das wurde am Donnerstagabend deutlich, als das Bezirksparlament Kreuzberg-Friedrichshain zu einer Einwohnerversammlung zu diesem Thema in das Jugendzentrum Chip geladen hatte. Ca. 280 Stadtteilbewohner waren gekommen. Alle waren sich einig, dass die Zustände rund um den Park nicht optimal sind. Doch worauf soll der Fokus liegen? Darüber stritten sich die Teilnehmer teilweise sehr lautstark. So berichteten zahlreiche Flüchtlinge, die in Kreuzberg leben, über ständige Polizeischikanen. Ein junger Mann aus Afrika brach in Tränen aus, als er über seine mit großen Strapazen verbundene Flucht erzählte. »Glaubt ihr, es macht mir Spaß Drogen zu verkaufen? Aber was soll ich machen, wenn ich meine Familie in Afrika versorgen muss und nicht arbeiten darf?«

Auch viele Anwohner vermittelten, wie empört sie über die starke Polizeipräsenz im Park sind. Andere Einwohner begründeten, warum sie der Drogenhandel vor allem auf den Wegen störe, an denen sich Kinder aufhielten. Dabei betonten allerdings viele der besorgten Eltern, dass sie sich nicht gegen die Flüchtlinge wenden.

Einige machten konkrete Vorschläge. So regte ein Mann an, im Görlitzer Park Areale zu errichten, in denen der Verkauf von Drogen möglich ist und andere, in denen ein Drogenhandel tabu sein soll. Dieser Vorschlag fand bei vielen Menschen Zustimmung, nicht aber beim ebenfalls anwesenden Staatssekretär des Berliner Innensenats Bernd Krömer (CDU). Er markierte auf der Versammlung den konservativen Hardliner und geißelte schwere Kriminalität im Görlitzer Park, die rigoros unterbunden werden müsse. Seine Ausführungen waren von Protesten vieler Teilnehmer begleitet. Öl ins Feuer goss auch die grüne Kreuzberger Bürgermeisterin Monika Herrmann, als sie den Kritikern vorwarf, gar nicht in Kreuzberg zu wohnen. »Ich bin 1981 hier hergezogen und soll hier jetzt den Mund halten«, rief ein Mann. Als eine Moderatorin über den Vorschlag abstimmen lassen wollte, dass die Kritiker von Krömer und Herrmann polizeilich aus dem Saal geräumt werden sollen, war die Empörung auch bei manchem Mitglied der Grünen groß. »Ich überlege, ob ich noch in dieser Partei bleibe«, rief ein empörter älterer Mann, bevor er den Saal verließ. Obwohl sich die Wogen wieder geglättet hatten und viele Teilnehmer die Diskussion fortsetzen wollten, bestand die Moderatorin auf dem Abbruch der Debatte.

Peter Nowak

Mit Klagen schlagen

Die rechtspopulistische FPÖ überzieht ihre Gegner mit einer Klagewelle. Mittlerweile ist auch ein antifaschistisches Medienprojekt aus Erfurt betroffen.

Antifaschistische Medienschaffende kennen das Problem. Rechte benutzen Texte, Fotos oder Videos ohne Erlaubnis und instrumentalisieren diese für ihre Propaganda. In der Regel genügt eine Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung, um solche Aneignungsversuche von rechts zu beenden. Das dachte auch das Erfurter Kollektiv der Filmpiraten, das seit mehr als zehn Jahren Videos von antifaschistischen Aktionen und sozialen Protesten ins Netz stellt. Anfangs konzentrierte sich das Medienprojekt, für das alle Beteiligten unentgeltlich arbeiten, auf Thüringen. In den vergangenen Jahren hat es seinen Tätigkeitsbereich ausgeweitet. So berichteten die Filmpiraten auch über das Verfahren gegen den Jenaer Antifaschisten Josef S. in Wien. Die österreichische Justiz hatte dem Studenten unter anderem schweren Landfriedensbruch bei Protesten gegen den Akademikerball im Jahr 2013 vorgeworfen. Zu dieser Veranstaltung lädt die rechtspopulistische FPÖ alljährlich Ende Januar Politiker der rechten Szene Europas ein.

Weil Josef S. trotz unklarer Beweislage monatelang in Untersuchungshaft saß, sprachen Menschenrechtsorganisationen von einer Kriminalisierung des Antifaschismus (Jungle World 31/14). Der Jenaer Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) verlieh S. im vorigen Jahr einen Preis für Zivilcourage. Die FPÖ zeigte Ausschnitte eines Videoberichts der Filmpiraten über den Prozess gegen Josef S. und die Preisverleihung auf ihrem Kanal FPÖ-TV. »Sie haben die Aufnahmen in einen neuen Kontext gesetzt und gleichzeitig gegen die CC-Lizenz verstoßen, die nichtkommerzielle Nutzung und Weitergabe unter gleichen Bedingungen voraussetzt«, berichtet der Videojournalist Jan Smendek vom Verein der Filmpiraten im Gespräch mit der Jungle World. Daher waren die linken Medienjournalisten sich auch sicher, dass die FPÖ das Video nach einer Abmahnung von ihrer Homepage entfernen würde.

Doch die FPÖ reagierte mit einer juristischen Strategie, die für die Filmpiraten existenzbedrohend werden könnte. Die rechtspopulistische Partei verklagte den Verein vor dem Wiener Handelsgericht.

»Sie werfen uns vor, falsche Behauptungen aufzustellen und damit die Meinungsfreiheit der FPÖ zu behindern. In der Anklage berufen sie sich auf die freie Meinungsäußerung in Artikel 10 der europäischen Menschenrechtskonvention«, erklärt Smendek. Dass die FPÖ mit dem Versuch, die Abmahnung wegen einer Urheberrechtsverletzung in eine Verletzung der Meinungsfreiheit umzudeuten, juristischen Erfolg haben wird, ist unwahrscheinlich. Doch die mit dem Verfahren verbundenen Kosten belasten die Filmpiraten bereits jetzt.

Der Streitwert beträgt 35 000 Euro. Zusätzlich werden den Filmpiraten 2 698,13 Euro in Rechnung gestellt. In der Klage wird der Verein aufgefordert, innerhalb einer Frist Stellung zu nehmen. »Bis jetzt sind schon über 5 000 Euro an Anwaltskosten entstanden, die wir im Vorfeld aufbringen müssen«, so Smendek. Zumindest diese Kosten sind bereits durch eine Solidaritätskampagne gedeckt.

Mittlerweile ist auch bekannt geworden, dass die FPÖ ihre Kritiker in Österreich mit einer Klagewelle überzieht. Unter der Überschrift »Linksaktivisten klagen über FPÖ-Klagen« berichtete der Wiener Kurier im Januar über eine Pressekonferenz, auf der mehrere antifaschistische Organisationen darüber berichteten, wie ihre Existenz durch juristische Manöver der FPÖ gefährdet wird. Dort informierte die Initiative »Heimat ohne Hass«, die rechtsextreme Aktivitäten in sozialen Netzwerken dokumentiert, über eine Urheberrechtsklage der Polizeigewerkschaft AUF, die der FPÖ nahesteht, wegen der Veröffentlichung eines Fotos, das einen Personalvertreter zeigt, der bei der Räumung der »Pizzeria Anarchia« in Privatkleidung, mit Pistole und Eisernem Kreuz aufgetreten war. Der Streitwert, der für die antifaschistische Initiative existenzbedrohend sei, betrage 33 400 Euro.

Auch der ehemalige Kriminalbeamte und Datenforensiker Uwe Sailer geriet wegen seiner deutlich geäußerten Ablehnung der FPÖ ins Visier der rechten Partei. So heißt es auf der Internetplattform Linkswende: »Seit 2008 wird der fleißige Nazi-Aufdecker und Kenner der rechten Szene, Uwe Sailer, gezielt von der FPÖ verleumdet. Er soll mittels Klagen in den finanziellen Ruin getrieben werden.« Die Freiheitlichen hätten gegen Sailer mehr als 70 Anzeigen unter anderem wegen Amtsmissbrauchs und Urheberrechtsverletzungen gestellt. Alle Verfahren seien letztlich eingestellt und Sailer entlastet worden. Doch auf einem Teil der Verfahrenskosten blieb er sitzen. In einem Interview mit Linkswende sagte Sailer: »Die FPÖ bringt etwa eine Urheberrechtsklage mit einem Streitwert von 1 600 Euro ein. Kurz vor der Verhandlung zieht sie die Klage zurück und man bleibt als Beschuldigter trotzdem auf 400 Euro für Gericht und Anwalt sitzen.«

Ein Autor der Internetplattform kritisiert: »Die durch die österreichische Parteienfinanzierung solvente Partei versucht ihre Kritiker mit den Klagen finanziell unter Druck zu setzen.« Nun versucht die FPÖ mit ihrer Klage gegen die »Filmpiraten«, diese Methode auch über Österreich hinaus auszuweiten.

Wie bei den österreichischen FPÖ-Gegnern ist auch in diesem Fall ein Projekt betroffen, das seit seiner Gründung eng mit antifaschistischem Engagement verbunden ist. Initiiert wurde das Medienprojekt Filmpiraten von jungen Linken aus dem Umfeld des besetzten Hauses auf dem ehemaligen Unternehmensgelände von Topf & Söhne in Erfurt. Der Industriebetrieb baute die Krematorien in verschiedenen Konzentrationslagern auch im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Die Bewohner und Unterstützer des im April 2009 geräumten Gebäudes haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Geschichte von Topf & Söhne bekannt und in Erfurt ein Gedenkort eingerichtet wurde (Jungle World 17/09). Zu den bekanntesten Videoarbeiten der Filmpiraten gehört der Film »Topfgang« von 2005, der einen Rundgang über das damals noch besetzte Gelände von Topf & Söhne dokumentiert. Neben der historischen Aufarbeitung von NS-Verbrechen gehörte bei den Hausbewohnern und ihren Unterstützern auch die Kritik am Nationalismus insbesondere in seiner deutschen Ausprägung zu den Schwerpunkten. Berühmt sind die Demons­tratio­nen, die über mehrere Jahre für den Vorabend des 3. Oktober in Erfurt organisiert wurden. Die Medienarbeit der Filmpiraten begann 2004 denn auch mit einer kurzen Dokumentation der antinationalen Demonstration. Damit sie ihre Arbeit fortsetzen können, rufen sie auf ihrer Homepage unter dem Motto »Sei unser Held – FPÖ kostet Nerven und Geld« zu Spenden auf. Ende Februar soll der Prozess in Wien beginnen, berichtete der MDR.

http://jungle-world.com/artikel/2015/08/51477.html

Peter Nowak

Geld als Druckmittel

Wegen eines Rechtsstreits mit der FPÖ steht ein Erfurter Filmkollektiv vor dem Aus

Die Freiheitliche Partei Österreichs nutzt unrechtmäßig Videomaterial von Erfurter Aktivisten – und verklagt sie auch noch auf 35 000 Euro. Doch sie wollen nicht aufgeben.

Fast ein Jahrzehnt berichten die Videojournalisten der Erfurter »Filmpiraten« über Antifademonstrationen, Flüchtlingsproteste oder Einzelhandelsstreiks. Zunächst konzentrierte sich das Videokollektiv auf außerparlamentarische Aktivitäten in Thüringen. Mittlerweile sind die kritischen Journalisten europaweit mit der Kamera vor Ort, wenn Menschen auf die Straße gehen.

Auch die Proteste gegen den Wiener Akademikerball im Jahr 2013 und das Verfahren gegen den Antifaschisten Josef S. aus Jena hielten sie im Bild fest und veröffentlichten zwei Filme auf der Videoplattform Youtube. Dem deutschen Studenten wurde in Österreich schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen. Trotz unklarer Beweislage saß er monatelang in Untersuchungshaft, was von Menschenrechtsorganisationen als Kriminalisierung kritisiert wurde. Der Jenaer Oberbürgermeister Albrecht Schröder (SPD) verlieh S. im vergangenen Jahr einen Preis für Zivilcourage.

Die FPÖ, die alljährlich zu dem Akademikerball einlädt, stellte Ausschnitte der Videos über den Prozess und die Preisverleihung gegen Josef S. auf ihren Kanal FPÖ-TV – ohne die Filmpiraten zu fragen. »Sie haben die Aufnahmen in einen neuen Kontext gesetzt und gleichzeitig gegen die Creative Commons-Lizenz verstoßen, die nicht-kommerzielle Nutzung und Weitergabe unter gleichen Bedingungen voraussetzt«, erklärt Jan Smendek von den »Filmpiraten« gegenüber »nd«. Sie haben der FPÖ daher durch ihre Anwältin eine Unterlassungsaufforderung mit Abmahnung geschickt.

Als Reaktion reichte die FPÖ ihrerseits beim Wiener Handelsgericht eine Klage gegen den Verein ein – wegen Behinderung der Meinungsfreiheit und falscher Anschuldigungen. Gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk erklärte ein Sprecher: »Wir fordern in unserer Klage weder Geld noch sonstiges, sondern lediglich die gerichtliche Feststellung, dass die von den Filmpiraten behaupteten Ansprüche gegen die FPÖ nicht zu Recht bestehen.«

Die rechte Partei überzieht auch andere Kritiker mit Klagen. In Österreich sind davon die »Initiative Heimat ohne Hass«, die Zeitschrift »Linkswende« und der Datenforensiker Uwe Sailer betroffen, der sich seit Jahren gegen die FPÖ engagiert. Die solvente Partei versucht damit, ihre Kritiker finanziell unter Druck zu setzen, kritisiert ein Autor der »Linkswende«.

Die Filmpiraten sind durch die Klage in ihrer Existenz bedroht, auch wenn sie wenig Aussicht auf Erfolg hat. Grund ist die Höhe des Streitwerts. Der wurde von der FPÖ auf 35 000 Euro festgelegt und das macht die Geschichte für die Filmpiraten so unangenehm. Denn anhand des Streitwerts werden die Anwaltskosten bemessen. »Bis jetzt sind schon über 5000 Euro an Anwaltskosten entstanden, die wir im Vorfeld aufbringen müssen«, erklärt Smendek. Zudem gehen ihre Anwälte davon aus, dass die FPÖ über mehrere Instanzen klagen könnte, so dass die Kosten schnell mehrere zehntausend Euro übersteigen würden. Zu viel für den kleinen Verein, der seine Projekte ehrenamtlich verwirklicht. Unter dem Motto »Sei unser Held – FPÖ kostet Nerven und Geld« rufen die Videoaktivisten nun zu Spenden auf.

Peter Nowak

Verführt vom FBI

Ein junger Umweltaktivist saß zehn Jahre in Haft – für Terrorpläne des Geheimdienstes

Erst hat das FBI eine Terrorgruppe selbst geschaffen und dann die Mitglieder hoch verknackt. Das wurde nun bewiesen und Eric McDavid, der von einer FBI-Agentin angestiftet wurde, kam vor einigen Tagen frei.

Fast zehn Jahre war Eric McDavid inhaftiert. 2008 war er wegen Beteiligung an einer »ökoterroristischen Verschwörung« zu einer Freiheitsstrafe von 19 Jahren und 7 Monaten verurteilt worden. Er soll Attentate gegen Handymasten, Forschungseinrichtungen und Staudämme geplant haben. McDavid gehörte zu einer in den USA aktiven ökonarchistischen Szene, die auch militant gegen solche Einrichtungen vorgeht. Doch Bomben hatte der heute 37-Jährige nie gelegt. Seine Verurteilung basierte im Wesentlichen auf Briefen, die er mit seiner damaligen Freundin über Anschlagspläne gewechselt hatte.

Diese Freundin arbeitete in Wirklichkeit für den FBI und bekam für ihren Job 65 000 Dollar. Ohne die damals 17-jährige Frau, die im Anarcholook in der US-Szene auftauchte, hätte es die ökoanarchistische Gruppe um McDavid nie gegeben. Sie führte die drei weit voneinander entfernt lebenden Männer zusammen, sie drängte zu Aktionen. Eric McDavid, der sich in sie verliebt hatte, machte sie klar, dass erst die revolutionären Aufgaben erfüllt werden müssten, bevor eine romantische Beziehung infrage komme. Dazu ist es nie gekommen. Nachdem die FBI-Agentin Materialien zum Bombenbau geliefert hatte, ließ sie das Trio auffliegen.

Für die jungen Aktivisten war es ein doppelter Schock. Eine angebliche Genossin entpuppte sich als FBI-Agentin, die alle ihre Schritte mit dem Geheimdienst abgestimmt hatte. Zudem drohten ihnen langjährige Haftstrafen. Unter diesen Druck bekannten sich zwei der Angeklagten schuldig und belasteten McDavid, der ein Schuldgeständnis ablehnte, schwer. Nach dessen Verurteilung forderte eine kleine linke Szene in den USA weiter seine Freilassung.

Dass er nach knapp der Hälfte der Strafzeit frei kam, hat er einer Freundin zu verdanken. Jenny Esquivel erreichte die Freigabe der zurückgehaltenen FBI-Dokumente. Darunter befanden sich die Liebesbriefe, die sich die FBI-Agentin und McDavid schrieben. Während des Verfahrens hatte das FBI die Existenz dieser Briefe bestritten und damit entlastendes Beweismaterial zurückgehalten. Nach der Veröffentlichung wurde deutlich, wie das FBI die angebliche Terrorgruppe erst geschaffen und idealistische junge Leute, die sich gegen Ungerechtigkeiten einsetzen wollten, damit kriminalisiert hat.

Nach McDavids Freilassung schrieb Esquivel in einem Offenen Brief: »Wir dürfen nicht vergessen, dass Erics Fall nur einer von vielen ist. Hunderte Menschen, darunter eine Menge von Muslime sitzen aus religiösen und politischen Gründen im Gefängnis.« Tatsächlich wurden in der letzten Zeit immer wieder Fälle von Menschen aus der islamistischen Szene bekannt, die sich in Internetforen mit scheinbar Gleichgesinnten austauschten, die ihnen Tipps zum Bombenbau und für Anschlagsziele gaben und sich später als FBI-Agenten erwiesen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/959050.verfuehrt-vom-fbi.html

Peter Nowak

Peter Nowak