Stören Meinungsäußerungen den Frieden?

WIDERSTAND Prozess um Antifa-Aktivisten, der Anschlag auf rechte Zeitung lobte, wird neu aufgerollt
BERLIN taz | Darf man einen längst verjährten Anschlag auf die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit loben? Diese Frage wird das Gericht noch länger beschäftigen. Am Dienstag beschloss das Berliner Landgericht, ein diesbezügliches Verfahren noch einmal neu aufzurollen.
Im September 2015 war Bernd Langer, Antifa-Aktivist und Chronist der linken Bewegung, wegen Billigung einer Straftat und Störung des öffentlichen Friedens zu einer Geldstrafe von 500 Euro verurteilt worden (taz berichtete). Er hatte 2014 in einem Interview mit der Tageszeitung Neues Deutschland, das sich um die Geschichte der autonomen Antifabewegung in der BRD drehte, auch einige Bemerkungen zu einen Anschlag auf die Druckere der rechte Wochenzeitung Junge Freiheit aus dem Jahr 1994 gemacht. „Wenn man liest, wie das bei denen reingehauen hat – die konnten ihre Zeitung fast zumachen –, war das eine Superaktion gewesen“, so Langer in dem Interview. Das Verfahren hatte der ehemalige Generalbundesanwalt und langjährige Junge-Freiheit-Autor Alexander von Stahl ins
Rollen gebracht. Auch die sächsische AfD hatte in einer Pressemitteilung das Interview als Beispiel für die Billigung linker Gewalt angeführt. Zunächst sollte Langer eine Strafe von 3.000 Euro zahlen, die das Berliner Amtsgericht im September 2015 auf 500 Euro reduzierte. Dagegen legte Langer Berufung ein. Doch am 12. September wollte das Berliner Landgericht nicht über den Fall urteilen,
weil ihr Informationen zu der Aktion gegen die Junge Freiheit fehlen. Daher beschloss das Gericht, beim nächsten Termin LKA-BeamtInnen aus Thüringen zu laden, die 1994 nach dem Anschlag auf die Junge Freiheit in Weimar ermittelten. Langers Anwalt Sven Richwin hätte sich eine Einstellung des Verfahrens gewünscht, sieht aber die Hinzuziehung von ZeugInnen positiv. „Das Gericht wird sich mit unserer Argumention beschäftigen, dass mein Mandat mit dem Interview den öffentlichen Frieden schon deshalb nicht gestört haben kann, weil schon den meisten LeserInnen des Neuen Deutschland der Anschlag auf die Junge Freiheit nicht bekannt war“, erklärte der
Anwalt gegenüber der taz. Langer fordert weiterhin einen Freispruch. „Es muss nach mehr als zwanzig Jahren möglich sein, ohne Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen über die Aktion zu diskutieren“, betonte er.
aus Taz vom 13.4.2016
Peter Nowak

Kann Respekt vor Staatsbediensteten gesetzlich verordnet werden?

Bei lebendigem Leib – Widerstand gegen Isolationshaft in der Türkei

„Während physische Folter Kennzeichen von Diktaturen ist, charakterisiert Isolationshaft Staaten mit demokratischen und rechtsstaatlichen Verfassungsgrundsätzen. Europäische und lateinamerikanische Länder haben die Praxis der Isolationshaft von der BRD übernommen“, schreibt der Publizist Niels Seibert.

Spanien baute bereits in den 1980er Jahren Isolationsgefängnisse à la Stammheim. Auch dort war die Einführung der Isolationshaft von teilweise heftigem Widerstand der Gefangenen begleitet. In Deutschland führten Gefangene der RAF, aber auch anderer linken Gruppen lange Hungerstreiks gegen die Isolationshaft durch. Daneben gab es außerhalb der Gefängnisse linke Bündnisse, die den Kampf gegen die „Isolationsfolter“ genannten Haftbedingungen führten. Staatliche Stellen begegneten diesen Initiativen mit massiver Repression. Es reichte in den 1970er und 1980er Jahren schon,…

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F-Typ-Zellen sind ein deutscher Repressionsexport

Seit die  türkische Regierung wiederr verstärkt mit Militär und schweren Waffen gegen die Bevölkerung in Kurdistan vorgeht, wächst auch unter Oppositionspolitiker*innen und bei zivilgesellschaftlichen Gruppen in Deutschland die Kritik an denWaffenexporten aus der BRD an das Land am Bosporus. So schreibt die antimilitaristische Initiative Aufschrei: „Die deutsche Bundesregierung genehmigte laut der CAAT-Datenbank zwischen 2001 und
2012 Rüstungsexporte in die Türkei im Wert von fast zwei Milliarden Euro.Deutschland lieferte damit in diesem Zeitraum von allen europäischen Ländern die meisten Kriegswaffen an die Türkei. “ Der Umfang der Waffenlieferungen hat sich seitdem nicht verringert. So wichtig es ist, den deutsch-türkischen Waffenexport zu thematisieren und zu kritisieren,so verwunderlich ist es, dass ein anderer Repressionsexport aus Deutschland in die Türkei kaum mehr erwähnt wird. Dabei können davon auch viele Oppositionelle betroffen sein, wenn sie, was häufig vorkommt, verhaftet werden und manchmal für längere Zeit in den Gefängnissen der Türkei verschwinden. Dann kann es ihnen passieren, dass sie mit einem besonderen deutschen Exportprodukt unfreiwillige Bekanntschaft machen: denIsolationsgefängnissen.
Stammheim am Bosporus
Vor mehr als 15 Jahren war das Thema dieses Isolationshaftexports in kleinerenTeilen der Linken in Deutschland ein  Thema. Es gab zahlreiche Delegationen in die Türkei, an denen auch ehemalige politische Gefangene aus der BRD sowie Jurist*innen teilnahmen. Es war die Zeit,als in der Türkei die so genanntenF-Typ-Zellen gegen den heftigen Widerstand Tausender politischer Gefangener eingeführt wurden. Die offizielle Begründung basierte darauf, dass in den altenGefängnistypen Mafiastrukturen entstanden seien, durch die Leib und Leben der Gefangenen akut gefährdet wären. Die neuen Isolationszellen sollten dagegen Schutz bieten. Die Gefangenen dagegen befürchteten, durch die Isolation mehr als bisher den Foltermethoden der Gefängnisaufsicht zu unterliegen. Der Berliner Rechtsanwalt Volker Gerloff, der vom 14. bis 17. September 2001 an einer Delegationsreise in die Türkei teilnahm,die sich über die F-Typ-Zellen informierte, hatte Gelegenheit, Einblick in das Handbuch der türkischen Gefängniswärter*innen zu nehmen. Dort ist zu lesen: „Terroristen [politische Gefangene] sollen nicht miteinander kommunizieren. Dennwenn ein Terrorist nicht kommuniziert,dann stirbt er wie ein Fisch an Land“. Die sinnliche Wahrnehmung der Häftlingewird auf ein Minimum begrenzt. Diemenschlichen Sinne liegen brach, wodurch eine enorme psychische und physische Belastung erzeugt wird. Genau diese Erfahrungen mussten politische Gefangene aus unterschiedlichen linken Zusammenhängen der BRD bereits in den1970er Jahren machen. Damals einte der Kampf gegen „Isolationsfolter“ weite Teile der breitgefächerten Linken.

aus.  Sonderausgabe der Roten Hilfe zum Tag des politischen Gefangenen 2016

http://rotehilfegreifswald.blogsport.de/images/Beilage18316.pdf
Peter Nowak

Leben im Belagerungszustand?

Schon wird diskutiert, ob islamistische Anschläge bald zu unserem Alltag gehören. Das würde allerdings auch das Ende von Datenschutz und Liberalisierungsbemühungen in der Innenpolitik bedeuten

Nur wenige Wochen liegen zwischen den islamistischen Anschlägen in Paris und Brüssel. Aber die öffentliche Aufnahme scheint sich zu verändern. Die Sondersendungen und Brennpunkte zu den Anschlägen in Brüssel waren im Vergleich zu Paris zurückgefahren. Man war sichtlich bemüht, eine Unterbrechung des Alltags gar nicht erst zuzulassen. Ob das an der im Vergleich zu Paris geringeren Opferzahlen lag? Oder wollte man kurz vor Ostern keine Einbrüche im Feiertagsgeschäft riskieren?

Wenn der Terror in den Alltag einzieht

Möglich wäre auch eine Gewöhnung, die nach einem perfiden Mechanismus funktioniert. Ein islamistischer Anschlag ist nur dann eine größere Aufmerksamkeit wert, wenn er mehr Opfer als der vorherige Anschlag verursachte oder das Objekt der Aktion besonders spektakulär  ist. Das würde wiederum die Islamisten herausfordern, Anschläge mit noch mehr Opfern zu inszenieren. Schließlich kommt es ihnen auf den öffentlichen Effekt an.

Die Frage der Gewöhnung an den islamistischen Terror stand dann auch im Fokus mehrerer Zeitungsbeiträge. In der linksliberalen Taz[1] stellte Jagoda Marinic die Frage:

Allmählich zieht der Terror ein in das alltägliche Leben Europas. Kann man sich daran gewöhnen? Und ist das vielleicht sogar gut?

Im Text beschreibt die Autorin, dass das einzig Gute in diesem Horrorszenario darin bestehe, nicht schon vor den Anschlägen an Angst zu sterben.

Das Ereignis ist der allmähliche Einzug des Terrors in das alltägliche Leben Europas zwischen den Terrorakten. Ein Prozess, der allen gegenteiligen Bekundungen zum Trotz, die Kampfzonen ausweitet: das Publizieren, das schöne Leben, das freie Bewegen, kurzum: das öffentliche Leben.

Regelmäßige Angriffe auf das Leben, das Europa lebenswert macht, bis alle Bürger vergiftet sind. Das ist der Plan. Kumulative Traumatisierung. Keine Zeiten mehr, in denen wir uns sicher genug fühlen können, um zu vergessen. Ein Anschlag, ein Trauma reiht sich an das andere.

Das Gute an der Regelmäßigkeit: Man entwickelt eine Strategie im Umgang damit. Das Schlechte daran: Die Überlebensstrategie ist meist nicht die beste Lebensstrategie. Und wenn wir irgendwann nicht mehr wissen, wie sich das Leben vorher angefühlt hat, dann wird es auch immer schwieriger, dieses Leben wiederherzustellen.

Während Marinic im Text viele Argumente aufzählt, warum eine Gewöhnung an den Terror eine Kapitulation vor den Islamisten wäre, reagiert ein Kommentator des rechtskonservativen Bielefelder Westfalenblattes ganz anders[2]: „Ja, weil uns nichts anderes übrig bleibt“, heißt es dort.

Warum konservativen Kreisen eine Gewöhnung an den alltäglichen Terror leichter als Liberalen fällt, ist nicht schwer zu erklären. Eine Gesellschaft, die im Alltag mit dem Terror konfrontiert ist, muss sich von Datenschutz und ganz vielen anderen Bestimmungen und Regelungen verabschieden, für die sich Liberale seit vielen Jahren stark gemacht haben.

Wo ständig und überall ein Anschlag befürchtet werden muss, stehen Sicherheitserwägungen an erster Stelle. Da wird schnell selber zum Sicherheitsrisiko, wer da noch auf dem Recht auf die eigenen Daten besteht. Erinnerungen an die 1970er Jahre werden bemüht[3], als linke Guerillagruppen aktiv waren.

Allerdings können die islamistischen Anschläge eher mit der Terrorkampagne von Faschisten beispielsweise in Italien verglichen werden, die wahllos Menschen vor einer Bank oder einen Bahnhof im Bologna tötete. Diese Anschläge werden oft mit einer Geheimdienststrategie der Spannung in Verbindung gebracht, mit der eine Regierungsbeteiligung der italienischen Kommunsten verhindert werden sollte. Dabei ist bis heute nicht restlos geklärt, was hierbei auf Fakten beruht und was in die Richtung von Verschwörungstheorien tendiert.

Bei den islamistischen Anschlägen hingegen wäre die Strategie der Spannung erreicht, wenn in europäischen Ländern der Kulturkampf erwidert wird und man sich so auf das Terrain der Islamisten begibt. Da sich in vielen Ländern konservative Kulturkämpfer schon mal warmlaufen und in den USA mit Trump sogar einer von ihnen Präsident werden könnte, ist es nicht so unwahrscheinlich, dass die Kriegserklärung der Islamisten gerne angenommen wird. Dann wäre die angebliche Gewöhnung an den Terror auch ein Einschwören auf den Sicherheitsstaat und den Krieg.

Modell Israel – die Zukunft Europas?

Seit den Anschlägen von Paris wird häufiger Israel als mögliches Modell für ein zukünftiges Europa angeführt. Tatsächlich ist das kleine Land seit Jahren mit Terrorattacken nicht nur aus der islamistischen Ecke konfrontiert. Der Publizist Alex Feuerherdt  rät[4], Israel auch deshalb zum Modell zu nehmen, weil sich die Gesellschaft trotz der ständigen Attacken ein öffentliches Leben und auch eine gewisse Liberalität bewahrt habe. Feuerherdt schreibt:

Doch aus Israel lässt man sich in Europa nur äußerst ungern etwas sagen. Dabei lohnt sich der Blick dorthin, auch in Bezug auf die Frage, wie man im jüdischen Staat mit dem Terror umgeht. Man weiß dort, dass er sich nicht besiegen lassen wird, weshalb es in erster Linie darum geht, die Probleme und Schwierigkeiten, die sich aus ihm ergeben, zu meistern und mit ihnen zu leben. Und das heißt nicht zuletzt, so viel Sicherheit wie möglich zu gewährleisten, ohne die Freizügigkeit allzu sehr einzuschränken und ohne die Bürgerrechte zu verstümmeln.

Tatsächlich funktioniert in Israel die bürgerliche Gesellschaft trotz der Terrorattacken noch. Allerdings sind die Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen groß und wären, auf Europa angewandt, ein Paradigmenwechsel in der Sicherheitspolitik.

Die Reaktionen von Politikern fast aller Parteien auf die Anschläge gehen in diese Richtung. Pläne, die schon vor Jahren entwickelt wurden, aber wegen heftigen Widerstand nicht durchgesetzt werden konnte, wurden schon wenige Stunden nach den Anschlag wieder aus den Schubladen geholt. Vor allem die Vernetzung der europäischen Datenbanken steht auf der Tagesordnung der Sicherheitspolitiker. Die Pläne sind schon mehrere Jahre alt und nun wird ein günstiger Zeitrpunkt abgewartet.

Brüssel und das Versagen des autoritären Sicherheitsstaates

Dabei zeigt gerade das Beispiel Brüssel, wie alle Konzepte des starken Staates versagen. Die Stadt und ihre Stadtteile mit mehrheitlich moslemischer Bevölkerung standen nach den Pariser Anschlägen im Fokus des öffentlichen Interesses und der polizeilichen Ermittlungen. Für mehrere Tage war in den letzten Monaten das öffentliche Leben in Belgien wegen Terrorwarnungen lahmgelegt.

Dass die Anschläge trotzdem nicht verhindert werden konnten, zeigt das Versagen des autoritären Sicherheitsstaates, wie ihn der rechtskonservative belgische Innenminister vertritt. Dieses Versagen böte die Chance, den Fokus in dieser Debatte zu verändern. Das Narrativ von den islamistischen Anschlägen, die von außen in die europäischen Metropolen getragen werden, ist offensichtlich mangelhaft, vielleicht sogar falsch. Der Philosoph Alain Badiou will den islamischen Terror weniger mit alten Schriften und Ereignissen im Nahen und Fernen Osten, sondern mit der kapitalistischen Krise verkoppeln[5].Nach den Anschlägen von Paris erklärte[6] er:

Der 13. November 2015 hat seine Ursachen in der neoliberalen Entfesselung des Kapitalismus, die den Kapitalismus wieder das hat werden lassen, was er seinem innersten Wesen nach ist: eine Potenz der verheerenden totalen Destrukturierung von Gesellschaften und Menschen.

Badiou richtet den Blick auf die Stadtteile, in denen die Menschen lebten, die zu islamistischen Attentäter wurden. Das waren eben nicht Staaten des Nahen Ostens, sondern französische und belgische Vorstädte. Dieser Ansatz hat viele Momente der Wahrheit für sich. Statt einer Koranexegese sollte man vielleicht darüber nachdenken, wie die Krise der kapitalistischen Verwertung Schneisen der Verwüstung bei den Menschen hinterlässt.

Einige finden ihre politische Heimat in extrem rechten Gruppen, andere bei islamistischen Rackets. Gerade das Beispiel Belgien zeigt wieder einmal, dass es hierbei nicht um Religion und den Koran geht. Einige der Täter waren als Kriminelle bekannt, nicht aber als radikale Moslems.

Der Fokuswechsel könnte auch Hinweise auf eine Bekämpfung des Islamismus geben. Dann wäre es tatsächlich die wichtigste Aufgabe, in den betroffenen Stadtteilen, Strukturen aufzubauen, die eine emanzipatorische Lösung möglich machen.  Das wäre auch eine Alternative zum Akzeptieren des alltäglichen Terrors.

http://www.heise.de/tp/artikel/47/47795/1.html

Peter Nowak

Anhang

Links

[1]

http://www.taz.de/!5286625

[2]

http://www.westfalen-blatt.de/Ueberregional/Meinung/2311061-Kommentar-zur-Terrorgefahr-Muessen-wir-uns-an-den-Terror-gewoehnen-Ja

[3]

http://www.watson.ch/International/Wissen/165667908-Wir-sollten-uns-an-den-Terror-gew%C3%B6hnen–aber-das-k%C3%B6nnen-wir-nicht

[4]

http://www.achgut.com/artikel/wie_israel_mit_dem_terror_umgeht

[5]

http://www.taz.de/!5254955/

[6]

http://www.uisio.com/alain-badiou-on-terrorism-and-global-capitalism

Wie Snowden zum russischen Agenten gestempelt werden soll

Der verschärfte Ton gegen Snowden zeigt, dass sich der Kalte Krieg zwischen den USA, Teilen der EU und Russland verschärft

Die Auseinandersetzung zwischen Pro-Atlantikern und der Prorussland-Fraktion wird in Deutschland schärfer. Das zeigte sich schon in der Überschrift eines langen Artikels, der am vergangenen Freitag in der FAZ zu finden war: „Russlands geheimer Feldzug gegen den Westen“[1]. Das klingt tatsächlich so, als wären wir wieder in den Zeiten des tiefsten Kalten Krieges der 50er Jahre.

Natürlich wurden dort einige Tatsachen über die bestimmt nicht besonders progressive russische Europapolitik erwähnt, die in den letzten Wochen in vielen Medien Erwähnung fanden. Dazu gehört die zumindest partielle Unterstützung und Förderung rechter Bewegungen in Europa durch Russland. Das ist Teil der russischen Interessenpolitik unter Putin. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass diese Bewegungen nicht von Russland geschaffen wurden, sondern sie sind in den jeweiligen Ländern entstanden. Zudem gibt es natürlich auch von den westlichen Staaten Unterstützung für rechte Bewegungen, wenn es ihren Interessen nützt. Das zeigte sich am Beispiel der Ukraine ebenso wie beim Zerfallsprozess von Jugoslawien in den 1990er Jahren.

Was aber beim FAZ-Artikel besonders auffällt, ist die Verknüpfung der Kritik an der russischen Politik mit dem NSA-Skandal. Der war in der letzten Zeit etwas in den Hintergrund des Interesses geraten. Dabei wird am kommenden Donnerstag in Berlin der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages[2] tagen und Außenminister Steinmeiner befragen. Das Gremium war vor fast zwei Jahren eingesetzt worden, weil Edward Snowden, der ehemalige Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes NSA, große Mengen interner Daten öffentlich gemacht und damit den Skandal ausgelöst hat. Dabei verhehlt die FAZ ihre Intention gar nicht, vor der erneuten NSA-Debatte neue Akzente setzen zu wollen.

Moskau war nicht Snowdens erste Wahl

Dass der russische Geheimdienst unter dem Schirm dieser öffentlichen Aufregung in Europa und eben auch in Deutschland höchst aktiv ist, dass seine Mitarbeiter nicht nur lauschen, sondern erhebliche Energie auf Propagandaarbeit verwenden, blieb derweil weitestgehend im Verborgenen. Erst allmählich, da die Aufregung über den sogenannten NSA-Skandal sich ein wenig legt, rückt Moskau mehr ins Visier. Und auch die Rolle Edward Snowdens, der schließlich nach einer abenteuerlichen Flucht über Hongkong vor knapp drei Jahren in der russischen Hauptstadt gelandet war. Dort lebt er seither. Es gibt seit langem Vermutungen, dass der russische Geheimdienst seinen Nutzen aus Snowden zieht. In deutschen Sicherheitskreisen gilt es inzwischen sogar als sicher, dass der ehemalige NSA-Mann vom russischen Geheimdienst wie ein Mitarbeiter geführt wird.FAZ

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Nun gibt es allerdings genügend Belege, dass Snowden durchaus nicht von Anfang an die Absicht hatte, in Russland ins Exil zu gehen. Sehr klar wurde in dem Film Citizenfour[3], dass sich der Whistleblower in verschiedenen anderen Ländern um Aufnahme bemühte (Snowden allein zu Haus im Flughafen?[4]). Doch diese Versuche scheiterten. Einige der von ihm favorisierten Länder lehnten ab. Ecuador und Venezuela waren bereit, Snowden aufzunehmen. Doch da stellte sich die Frage, wie er dorthin reisen sollte.

Als es für ihn immer schwieriger wurde, in Hongkong zu bleiben, entschied er sich, nach Moskau zu fliegen und musste dort für einige Zeit im Flughafen leben, nachdem die USA ihm den Pass entzogen hatte. Als es keinen anderen Ausweg mehr gab, nahm er das russische Asylangebot an (Snowden: Letzte Ausfahrt Russland[5]). Aber auch danach signalisiert er mehrmals, dass er weiter nach einem anderen Aufnahmeland suche. Die Angst, dass die US-Dienste auf dem Transitweg zugreifen könnten, hatte eine reale Grundlage. Im Juli 2013 wurde das Flugzeug des Präsidenten von Bolivien, Morales, zur Landung gezwungen (Morales durfte nach intensiven Verhandlungen weiter nach Bolivien zurückfliegen[6]). Zuvor waren ihm von verschiedenen europäischen Staaten die Überflugrechte verweigert worden, weil es Gerüchte gab, er schmuggle Snowden in der Maschine nach Bolivien. Der Vorfall war unter den Politikern Lateinamerikas als Warnung begriffen worden, auf keinen Fall Snowden dort Asyl zu gewähren.

Daher ist es schlicht falsch, wenn die FAZ jetzt den Eindruck erweckt, es wäre für Snowden von Anfang klar gewesen, in Moskau zu bleiben. Bei den unbewiesenen Spekulationen tut sich nach FAZ-Angaben besonders der CDU-Politiker Patrick Sensburg hervor:

Er frage sich, wieso Snowden nach Hongkong gereist sei und dort „intensiven“ Kontakt zur russischen Botschaft aufgenommen habe. Sensburg geht sogar weiter und vermutet, dass Moskau schon Jahre vor dessen Flucht an Snowden herangetreten sei. „Möglicherweise hat der russische Auslandsgeheimdienst bereits in Genf Kontakt zu Snowden aufgenommen. In die Schweiz war Snowden schon im Jahr 2007 entsandt worden.FAZ

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Damit wird ihm aber explizit eine geheimdienstliche Tätigkeit unterstellt, die in den USA strafrechtlich schwerer wiegt als die ihm bisher vorgeworfenen Delikte. So kann man die Versuche, Snowden in die Nähe einer Agententätigkeit für Russland zu rücken, auch als Versuch der Kriminalisierung sehen. Noch vor einigen Monaten haben zivilgesellschaftliche Gruppen gefordert, dass Snowden in Deutschland Asyl bekommt. Schon damals wurde davor gewarnt, weil es für ihn kein sicherer Ort ist. Die aktuellen Versuche, ihn als Agenten hinzustellen, zeigen, wie berechtigt diese Warnungen waren.

Opfer des neuen Kalten Krieges

Der verschärfte Ton gegen Snowden zeigt, dass sich der Kalte Krieg zwischen den USA, Teilen der EU und Russland verschärft. In solchen Situationen werden klare Feindbilder gebraucht und Menschen, die zwischen den Stühlen sitzen, haben es da besonders schwer.

Snowden bekam in Deutschland viel Verständnis von Kreisen, die sich für eine Lockerung des Verhältnisses zu den USA aussprechen. Die Pro-Atlantiker haben sein Agieren schon immer kritischer gesehen. Dass sich jetzt zwischen beiden Gruppen die Fronten verhärten, zeigt sich auch am Umgang mit Snowden. Da wird er für die einen schon fast zum Verräter.

Dabei könnte der Vorwurf, dass er als Preis für das Asyl in Russland bestimmte Vereinbarungen machen muss, zutreffen. Das könnte auch der Grund sein, warum in dem von Snowden präsentierten Material keine Dokumente zu finden sind, in denen es um China, Russland und Nordkorea geht. Diese Art von Interessenpolitik wäre naheliegend und auch der anderen Seite nicht fremd. Schließlich wurden beim Sturm auf die Zentralen der DDR-Geheimdienste auch vorher alle Dokumente abtransportiert[7], die die USA oder die BRD betreffen.

http://www.heise.de/tp/artikel/47/47681/1.html

Peter Nowak

Ziel der EU-Politik ist Flüchtlingsabwehr

„Wir MieterInnen aus der Rigaer Straße lassen uns nicht spalten“

Ca. 120 Menschen haben sich am Samstagnachmittag in der Rigaer Straße an einer Kundgebung für einen solidarischen Kiez beteiligt. Vorbereitet wurde sie von Bewohner/innen aus ehemals besetzten Häusern, aber auch von MieterInnen aus der Nachbarschaft. Mehrere RednerInnen wandten sich gegen die ständigen Polizeikontrollen im Gefahrengebiet Rigaer Straße, aber auch gegen die Vertreibung einkommensschwacher Menschen durch den Bau von teuren Eigentumswohnungen.  Ein Mitarbeiter des Kinderladens  „Rock ’n’ Roll Zwerge e. V.“  monierte, dass durch die Polizeikontrollen sowohl Kinder, Eltern  aber auch Angestellte betroffen sind. Bereits anfang Februar hatten sich die Angestellten des Kinderladens in einer Pressemitteilung über das Verhalten der Polizei beklagt.
Nach einem Elternabend hätten noch einige MItarbeiterInnen gemeinsam mit den Eltern vor der Tür des Kinderladens gestanden, als ein Mannschaftswagen de Polizei anhielt und  die Ausweise forderte. Anschließend wurden alle Anwesenden wurden trotz Beschwerde und dem Hinweis, dass man sich vor dem Arbeitsplatz befinde, penibel durchsucht.  „Etwa eine halbe Stunde wurde in unsere Taschen geschaut, Personalien aufgenommen und überprüft, ob wir nicht vielleicht einen offenen Haftbefehl hätten“, beschrieben die Betroffenen das Prozedere.  Mittlerweile haben viele BewohnerInnen der Rigaer Straße und der angrenzenden  Straßen ähnliche Erlebnisse mit der Polizei gemacht.  Zum Austausch und zu möglicher juristischer und  politischer Gegenwahr gab es in den letzten Wochen bereits zwei Nachbarschaftstreffen, an denen sich jeweils 150 bis 200 Bewohner der Umgebung beteiligt hatten.

Kein Bock auf Henkels Gefahrengebiet

Darunter befinden sich Menschen, die in den ehemaligen besetzten Häusern in der Rigaer Str. und Liebigstraße leben und heute MieterInnen sind. Denn bis auf einige Wohnungen im Seitenflügel und Hinterhaus der Rigaer Straße 94 gibt es auch dort keine Besetzungen mehr. Doch auf die Versammlungen kommen auch MieterInnen unterschiedlichen Alters. Es sind Ältere, die bereits seit Jahrzehnten in der Straße wohnen und es sind auch MieterInnen, die erst kürzlich in die Gegend gezogen sind. Es war Konsens, dass man sich gegen die Gefahrenzone gemeinsam wehren will, weil man auch gemeinsam betroffen ist.
Hier bestätigt sich, was die Bezirksgruppe Friedrichshain der Berliner MieterGemeinschaft e.V. vor einigen Wochen in einer Stellungnahme zum Gefahrengebiet rund um die Rigaer Straße erklärt hat:

„Die Leidtragenden dieses außergewöhnlichen Spektakels sind die AnwohnerInnen Friedrichshains. In fadenscheinig begründeten und rechtsstaatlich fragwürdigen „Gefahrengebieten“ – wegen „Anstieg der linksextremistischen Gewalt“ – werden Bürgerrechte ausgehebelt und ganze Nachbarschaften durch die Polizei in Angst und Schrecken versetzt. Ob auf dem Weg zum Supermarkt, zur Arbeit oder zur Kneipe – AnwohnerInnen und ihre Gäste werden wahllos von der Polizei kontrolliert, teils mehrfach am Tage. Häufig dürfen sie sich nicht ohne polizeiliche Begleitung frei in ihrem eigenen Viertel bewegen. Hausprojekte und Mietshäuser wurden wiederholt ohne richterlichen Beschluss durchsucht und teilweise sogar Wohnungen von der Polizei aufgebrochen.“

„Lernt Eure NachbarInnen kennen“

Neben dem Kampf gegen die Gefahrengebiete ist der Widerstand gegen die Verdrängung von Menschen mit geringen Einkommen ein zentrales Anliegen der Bewohner/innen.  In den letzten Monaten mussten mehrere kleinere Läden schließen, weil sie die Miete nicht mehr zahlen konnten. Ein Ladenbesitzer verübte nach der Kündigung  Selbstmord. Gleichzeitig entstehen rund um die Rigaer Straße Eigentumswohnungen für Menschen mit höheren Einkommen. Einige Mieter/innen haben in einer Erklärung dazu aufgerufen, die kulturellen Unterschiede  beiseite zu legen und gemeinsam gegen die Verdrängung zu kämpfen.
„Auch für uns  in der Rigaer Straße gilt, lernt Eure NachbarInnen kennen. Geht mit offenen Augen durch Eure Nachbarschaft und markiert, wo einkommensarme  Menschen verdrängt werden. Organisiert Stadtteilspaziergänge, die die Orte der Verdrängung bekannt und den Betroffenen Mut macht, sich zu wehren“, hieß es in dem Schreiben. Es scheint so, dass die Politiker mit ihren Gefahrenzonen mit dazu beitragen, dass sich die NachbarInnen kennenlernen und gemeinsam wehren.

MieterEcho online 07.03.2016

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/rigaer-str.html

Peter Nowak

Peter Nowak

Ausbeutung hinter Gittern

Peter Nowak über Millionengewinne aus Knastarbeit und den neuen Häftlingsstreik in Hessen

Am 1. März haben Gefangene der Justizvollzugsanstalt (JVA) Butzbach ihren Hunger- und Bummelstreik wieder aufgenommen. In einem Brief an die Linksfraktion im hessischen Landtag betonte Jörg Rößner, dass sie sich nicht als Gefängnisinsassen, sondern »inhaftierte Gewerkschafter« verstehen. Rößner ist der Butzbacher Sprecher der bundesweiten Gefangenengewerkschaft. Sie war im Frühjahr 2014 in der JVA Tegel gegründet worden. Mittlerweile zählt sie 800 Mitglieder in ca. zwölf Gefängnissen bundesweit. Die zentralen Forderungen sind ein Mindestlohn für Beschäftigte im Gefängnis sowie ihre Einbeziehung in die Rentenversicherung. In Butzbach waren dafür bereits im Herbst 2015 Gefangene in einen kombinierten Hunger- und Bummelstreik getreten. Sie forderten auch direkte Verhandlungen mit den politisch Verantwortlichen im grün-schwarz regierten Hessen. Mitte Dezember setzten sie ihre Aktion aus. Weil die Politiker nicht reagierten, wurde der Protest nun wieder aufgenommen.

In einer Petition, die von 128 der knapp 300 Gefangenen in Butzbach unterzeichnet wurde, bekräftigen sie ihre gewerkschaftlichen Forderungen. Neben dem Mindestlohn und der Einbeziehung in die Sozialversicherung streiten sie auch für die Aufhebung der Arbeitspflicht im Gefängnis und die grundgesetzlich geschützte Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit hinter Gittern. Die hessische Landesregierung lehnt diese Forderungen jedoch ebenso wie Politiker anderer Bundesländer ab und erklärt, es gäbe keine regulären Arbeitsverhältnisse im Gefängnis. Außerdem wird von Seiten der Politik oft bestritten, dass aus der Arbeit im Knast Gewinne erzielt werden.

Doch dieses Argument will die Gefangenengewerkschaft mit der Veröffentlichung der Jahresbilanz 2015 der JVA Butzbach entkräften. Demnach betrug der Gewinn allein in der Gefängnisschlosserei im letzten Jahr fast drei Millionen Euro, geht aus dem »nd« vorliegenden Dokument hervor. In der Werkstatt sind acht Gefangene mit der Herstellung von Hängematten für hessische Spielplätze beschäftigt.

Oliver Rast, Sprecher der Gefangenengewerkschaft, rechnet nicht mit einer schnellen Einigung. »Die Kollegen hinter Gittern stellen sich auf eine längere Auseinandersetzung ein und werden ihre Aktion nicht so schnell beenden.« Die Aktion könnte sich sogar ausweiten, kündigt er an. So werde in der JVA Kassel »sehr interessiert« beobachtet, was in Butzbach geschieht. Unterstützung kommt auch von außen. »Es ist im besten Interesse aller Lohnarbeitenden, die gegenseitige Konkurrenz zu minimieren«, erklärte Gregor Zattler vom »Netzwerk für die Rechte gefangener Arbeiterinnen und Arbeiter« gegenüber »nd«. Das Netzwerk hat sich im Herbst 2015 gegründet.

Endlose Ermittlungen

Linke Gruppen fordern ein Ende der Strafverfahren wegen einer militanten Aktion, die vor 20 Jahren schief ging

Der Anschlag auf den geplanten Abschiebeknast ging schief. Drei militante Linksradikale tauchten unter. 20 Jahre später ermittelt die Polizei noch immer und bestellt einstige Freunde immer wieder ein.

Die Sache ist lange her. In dieser Woche soll eine Frau vor dem Generalbundesanwalt in Berlin zu einer Aktion aussagen, die vor 20 Jahren passierte. In der Nacht vom 10. zum 11. April 1995 versuchte eine autonome Gruppe, die sich das K.O.M.I.T.E.E. nannte, aus Protest gegen die deutsche Asylpolitik das im Bau befindliche Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau zu sprengen. Bei den Vorbereitungen wurden sie von einer Polizeistreife entdeckt, konnten fliehen, mussten aber das Auto mit Sprengstoff und Dokumenten zurücklassen. Drei Männer tauchten unter. Seitdem fahndet das Bundeskriminalamt (BKA) nach ihnen und ermittelt in ihrem damaligen Freundes- und Bekanntenkreis.

Die Frau, die am 24. Februar befragt werden soll, war bereits mehrfach von der Polizei als Zeugin geladen und nicht erschienen. Auch vor dem Generalbundesanwalt will sie die Aussage verweigern. Anders als die Polizei kann die Behörde allerdings Zwangsgelder und Beugehaft verhängen. Die Berliner Rechtsanwältin Regina Götz bezweifelt, dass die Vorladung eine rechtsstaatliche Grundlage hat. Ermittelt wird nach Paragraf 30 des Strafgesetzbuches wegen der »Verabredung zu einem Verbrechen«. Dieses Delikt hat eine Verjährungsfrist von 40 Jahren, während schwerwiegendere Straftaten bereits nach der Hälfte der Zeit verjährt sind. »Es ist grundgesetzwidrig, dass die Vorbereitung eines Verbrechens verjährt ist, während nach dem viel weniger konkreten Delikt der Verabredung zu einem Verbrechen weiter ermittelt werden kann«, moniert Götz. Sie will den Paragrafen deshalb vom Bundesverfassungsgericht prüfen lassen.

Das wäre auch für Bernhard Heidbreder wichtig. Er ist einer der drei Verdächtigen, die 1995 untergetaucht sind. Würde der Paragraf gekippt, könnten sie wieder legal in Deutschland leben. 2014 war Heidbreder vom BKA in Venezuela aufgespürt und durch örtliche Spezialkräfte festgenommen worden. Er hatte die letzten Jahre in der Stadt Mérida in einer Druckerei gearbeitet. Obwohl der Oberste Gerichtshof Venezuelas entschied, dass Heidbreder nicht an Deutschland ausgeliefert werden kann, ist dieser bis heute inhaftiert.

Unterstützer in Deutschland fordern die sofortige Freilassung. »Gegen Bernhard Heidbreder wird in Venezuela kein Strafverfahren mehr geführt, die Vorwürfe wegen der Einreise und Einbürgerung mit gefälschten Ausweispapieren wurden bereits Ende Oktober 2014 von einem Gericht in Mérida fallen gelassen«, erklärt ein Mitglied des Solidaritätskomitees »Dageblieben«. Für die andauernde Haft gebe es daher keine Rechtfertigung. Um der in Berlin vorgeladenen Zeugin den Rücken zu stärken, ruft das Solibündnis zeitgleich zum angesetzten Termin am Mittwoch zu einer Kundgebung vor dem Polizeipräsidium am Platz der Luftbrücke auf. Es fordert die Einstellung der Verfahren, und dass nach so vielen Jahren das frühere soziale Umfeld der drei Geflüchteten in Ruhe gelassen wird.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1002783.endlose-ermittlungen.html

Peter Nowak

„XXXXXX“ sei dein Name

ARBEITSKAMPF Ein Restaurant erwirkt eine einstweilige Verfügung gegen die Freie Arbeiterunion (FAU)
„XXXXXX verweigert weiterhin die Bezahlung eines ehemaligen Mitarbeiters“, heißt es auf der Homepage der Basisgewerkschaft Freie Arbeiterunion (FAU) zum Arbeitskonflikt mit einem deutsch-französischen Restaurant am Hackeschen Markt. Seit Samstag ist der Name
des Restaurants durch das X ersetzt. Der Grund ist eine einstweilige Verfügung, die das Berliner Arbeitsgericht auf Antrag des Restaurants gegen die FAU erließ. Danach ist es ihr untersagt, den Namen der Gaststätte in ihren Publikationen, Flugblättern oder Internetauftritten
zu nennen. Auch Artikel oder Internetbeiträge, in denen das Restaurant mit dem Arbeitskonflikt in Verbindung gebracht wird, muss die Gewerkschaft unterlassen. Sollte sie sich nicht daran halten, muss sie ein Zwangsgeld von 25.000 Euro zahlen. Ersatzweise wird dem zuständigen FAU-Sekretär eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht. „Das ist ein klarer Angriff auf die Gewerkschaftsfreiheit, wie
wir ihn nicht das erste Mal erleben“, erklärte FAU-Sekretär Markus Wiese gegenüber der taz. Man werde allerdings weiterhin die Interessen des betroffenen Kollegen vertreten. Ein ehemaliger Beschäftigter des Restaurants hatte sich 2015 an die FAU gewandt. Ihm seien Urlaubsgeld und ausstehende Löhne in Höhe von etwa 1.000 Euro nicht bezahlt worden. Nachdem Gespräche mit den RestaurantbesitzerInnen zu keiner Einigung führten, begann die FAU mit Protesten. Zudem wurde eine Klage vor dem Arbeitsgericht
eingereicht, um die Auszahlung juristisch durchzusetzen, über die noch nicht entschieden wurde. Die FAU will auch weiterhin nicht nur auf den Rechtsweg setzen. Am vergangenen Samstag mobilisierte sie innerhalb eines Tages etwa 30 TeilnehmerInnen zu einer Kundgebung vor dem Restaurant.

Taz vom 16.2.2016

Peter Nowak

Abschiebung mit Links

Wie die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen ihren Beitrag zur „Verabschiedungskultur“ leistet.

Von Peter Nowak

„Wir alle wissen auch, wie viele Menschen hier in Deutschland verschleppt, gefoltert, ermordet und verbrannt wurden. Ihr habt versucht, uns zu vernichten. Allein deswegen haben wir hier auf Deutschland Anspruch. In der NS-Zeit habt ihr uns in ganz Europa, darüber hinaus und auch im Balkan gejagt, um uns umzubringen. Allein deswegen haben wir ein Recht darauf, hier zu sein.“

Diese deutlichen Worte richtete die in Thüringen lebende Roma-Aktivistin Mena in einem offenen Brief an deutsche Politiker. Namentlich angesprochen sind in dem Schreiben Bodo Ramelow und  Dieter Lauinger. Aus der Perspektive vieler Roma in Thüringen sind der erste Ministerpräsident der Linkspartei und sein grüner Justizminister dafür verantwortlich, dass sie und ihre Freunde mitten in der Nacht ohne Ankündigung von der Polizei aus dem Schlaf gerissen und in die Balkanländer abgeschoben werden. Dass sich die Abschiebungen im rot-rot-grünen Thüringen nicht von denen im CSU-regierten Bayern unterscheiden, wird durch zahlreiche Augenzeugenberichte der letzten Wochen deutlich. Über die Abschiebung mehrerer Roma-Familien am 16. Dezember des vergangenen Jahres in Erfurt heißt es:

„Die Betroffenen erwachten in der besagten Nacht dadurch, dass Polizisten plötzlich in ihrem Zimmer neben dem Bett standen und das Licht anschalteten. Sie hatten vorher weder geklingelt noch angeklopft. Den Menschen wurde außerdem das Telefon abgenommen, als sie Andere benachrichtigen wollten. Damit wurde ihnen auch der Kontakt zu Anwälten verwehrt.“

Auch in einer Unterkunft am Juri-Gagarin-Ring in Erfurt wurde in der besagten Nacht eine Familie abgeschoben, die bei der Selbstorganisierung „Roma Thüringen“ aktiv war. Der Vater der verschleppten Familie berichtet, dass eine Beamtin der Erfurter Ausländerbehörde bei der Abschiebung anwesend war. Sie ignorierte ein ärztliches Attest, dass die Aussetzung  der  Maßnahme empfahl, da ein Kind der Familie krank war und die Abschiebung gesundheitliche Risiken berge. Nach ihrer Ankunft in Serbien musste die gesamte sechsköpfige Familie in einem Zimmer leben.

Dokumentiert wurden die Abschiebemethoden, weil die betroffenen Roma selbst aktiv geworden waren und von einer kleinen Gruppe Thüringer Antirassisten unterstützt werden, die zu Abschiebungen auch dann nicht schweigen, wenn sie von einem Ministerpräsidenten der Linkspartei verantwortet werden. „Ihr wirkt so harmlos, wenn ihr über uns redet, sagt ‚Willkommen‘ und seid dabei so gewalttätig“, charakterisiert Mena in ihrem offenen Brief die rot-rot-grünen Abschiebepolitiker. Als kürzlich Sahra Wagenknecht für Geflüchtete, die sich nicht benehmen, das Gastrecht verwirkt sah, gab es in der Linkspartei noch Protest. Die Abschiebungen von Roma aus Thüringen hingegen werden ignoriert. Schließlich sehen alle Parteiflügel in der Regierung Ramelow eine Bewährungsprobe für das Ankommen der Linken in der bürgerlichen Demokratie. Diese Kür will man sich von einigen Roma und ihren Unterstützern nicht vermiesen lassen.

http://www.konkret-magazin.de/aktuelles/aus-aktuellem-anlass/aus-aktuellem-anlass-beitrag/items/abschiebung-mit-links.html

Peter Nowak

Konkret-Online:

11.02.2016

Gefahrengebiet reloaded

Turbulente Versammlung zur Rigaer 94

Kiez diskutiert über Einsätze der Polizei und Identität.
Die Stimmung kochte zeitweise ziemlich hoch. Rund 120 Anwohner hatten sich im Jugendwiderstandsmuseum in der Rigaer Straße 9 versammelt. Ein Großteil kam aus ehemals besetzten Häusern, aber auch langjährige Nachbarn waren der Einladung gefolgt. Der Anlass für das Treffen an diesem Dienstagabend waren die Polizeieinsätze der letzten Wochen in Friedrichshain. Am 11. Januar hatte ein Großaufgebot der Polizei unter anderem Räume der Rigaer 94 durchsucht. Das Treffen sollte aber auch für die Verbesserung der Kommunikation zwischen den Bewohnern dienen.

Gleich am Anfang erklärte eine Frau, man wolle nicht nur Solidaritätsbekundungen austauschen, sondern hoffe auf Kritik. »Wir wissen, dass unser Verhalten manchmal nervig ist, wenn wir Plätze vor unseren Häusern nutzen, feiern und laute Musik hören«, sagte sie. Statt die Polizei zu rufen, sollte man solche Punkte doch direkt ansprechen, forderte die Frau. Ein Nachbar erklärte dagegen, er hätte sich die Polizei gewünscht, als seine siebenjährige Tochter zwischen die Fronten geriet, als Linke einen Mann attackierten. Dieser soll ein T-Shirt der auch bei Rechten beliebten Modemarke Thor Steinar getragen haben. »Da ist eine Aktion wohl gründlich schief gelaufen«, erwiderte der Bewohner eines der alternativen Hausprojekte.

Als gemeinsames Interesse zwischen den unterschiedlichen Nachbarn wurde der Kampf gegen Gentrifizierung in die Diskussion gebracht. »Dass es in der Rigaer Straße noch nicht wie in Prenzlauer Berg aussieht und es hier noch bezahlbare Wohnungen gibt, liegt an den bunten Häusern. Sie sind eine reale Gentrifizierungsbremse«, meinte eine ältere Mieterin. Sie betonte, dass alle Beteiligten die unterschiedlichen kulturellen Vorlieben zurück und das politische Interesse in den Mittelpunkt stellen sollten. Bereits am 14. Februar soll das nächste Nachbarschaftstreffen erneut im Jugendwiderstandsmuseum stattfinden.

Peter Nowak

Deutscher Außenminister besucht zwei „Kopf ab-Diktaturen“