8. September 1943. Kaum jemandem in Deutschland wird dieses Datum etwas sagen. An diesem Tag schloss Italien einen Waffenstillstand mit der der Anti-Hitler-Koalition. Für das Naziregime war dies eine besondere Schmach. War das Mussolini-Regime doch Vorbild für die NS-Bewegung und spätestens seit 1935 enger Verbündeter. Dass Italien nun ausscherte, lag an den Machtkämpfen im herrschenden Regime nach den ersten Niederlagen des Bündnisses mit Deutschland. Die deutsche Wehrmacht griff nun direkt in Italien ein, Mussolini wurde nun als Regent eines deutschen Marionetten-Regimes wieder eingesetzt und viele der ehemals verbündeten Soldaten wurden zur Zwangsarbeit verpflichtet. Im Berliner Bezirk Schöneweide erinnert eine Gedenkstätte an die lange wenig bekannte Geschichte der Zwangsarbeit für die deutsche Industrie. Davon profitierten auch Rüstungskonzerne wie Rheinmetall. Deshalb nahmen die antimilitaristische Initiative Rheinmetall Entwaffnen und die Organisation Migrant Strikers Berlin, die Lohnabhängige aus anderen Ländern mobilisiert, den 80. Jahrestag des Beginns der Zwangsarbeit für tausende italienische Soldaten zum Auftakt für ein …
„„Nicht unser Krieg“: Strategien gegen den Siegeszug des Militarismus“ weiterlesenSchlagwort: Migrant Strikers
Breiten sich die französischen Sozialproteste auch in Deutschland aus?
Am Samstag fand in Berlin die erste „Nuit Debout“-Aktion statt
Einige Besucher dachten zunächst an eine Theateraufführung, als sie im am Samstagabend am Mariannenplatz in Berlin-Kreuzberg ca. 90 Menschen sahen, die mit den Armen und Händen Zeichen gaben. Doch schnell stellte sich heraus, dass es sich um keine Kunstperformance, sondern um eine politische Aktion handelte. Es waren vor allem in Berlin lebende Franzosen, die die „Nuit Debout“-Aktionen auch in Deutschland etablieren wollen.
In Frankreich besetzten in den letzten Wochen vor allem junge Menschen Nacht für Nacht die Plätze verschiedener Städte, um gegen eine Arbeitsmarktreform zu protestieren, die zu massiven Einschränkungen für die Rechte der Lohnabhängigen führt. Im Grunde ist es eine französische Version der Agenda 2010 und soll zur weiteren Flexibilisierung des Arbeitsmarktes führen.Die Opposition gegen dieses Gesetz ist sehr groß. Die Gewerkschaftenund Studierendenverbände haben sich ebenso wie verschiedene Jugendorganisationen und selbst Teile der sozialdemokratischen Regierungspartei dagegen ausgesprochen.
Ein Hauch von Aufbruchsstimmung
Die „Nuit Debout“-Aktionen bedeuten nicht nur eine Zuspitzung der Proteste. Es ist dadurch auch eine Aufbruchsstimmung entstanden, die nun auch in Berlin lebende Franzosen mobilisiert hat. Auf der Kundgebung, für die über Facebook geworben [1] wurde, lasen die Teilnehmer eine Erklärung der Protestierenden in Frankreich vor. Mehrere Redner betonten, wie wichtig die „Nuit Debout“-Aktionen aktuell in Frankreich sind („Nuit debout“-Proteste, eine neue Opposition? [2]).
Lange Zeit sah es so aus, als gäbe es eine immer unbeliebtere Regierung und den ultrarechten Front National als scheinbar einzig wahrnehmbare Opposition. Eine linke Opposition hingegen schien kaum noch existent. Das habe sich durch „Nuit Debout“ geändert. „So ist es gelungen, wieder Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit in den öffentlichen Diskurs zu bringen“, berichtete eine Frau. Auch die teilweisen militanten Auseinandersetzungen zwischen Teilen der „Nuit Debout“-Bewegung und der Polizei habe bisher nicht zu einer Spaltung geführt.
Noch ist die Bewegung in Frankreich am Wachsen. Große Aktionen sollen dort Ende April und Anfang Mai stattfinden. Für den 6. und 7 Mai sind in Frankreich zentrale Aktionen geplant [3], und am 15. Mai wird sogar zu einem globalen Aktionstag [4] in Solidarität mit den Aktionen in Frankreich mobilisiert. Noch ist noch abzusehen, wann und wie schnell die neue soziale Bewegung ihre größte Ausdehnung erreicht hat und dann wieder an Kraft und Einfluss verliert.
Dass bisher auch die Spaltungsversuche nach den militanten Auseinandersetzungen der Bewegung keinen Abbruch getan haben, zeigt, dass sie vielleicht doch nicht ganz so kurzlebig ist. Es muss sich zeigen, ob sich auch weiter Lohnabhängige daran beteiligen und ob es gar zu Streiks kommt. Aber früher oder später wird auch „Nuit Debout“ ihren Zenit überschritten haben.
Beginn einer sozialen Bewegung?
Das muss aber nicht bedeuten, dass sie dann ganz von der Bildfläche verschwindet. In Spanien, wo die Bewegung der Empörten für einige Monate politisches Aufsehen erregte, haben sich nach dem Ende der Platzbesetzungen viele Aktivisten verstärkt der Organisierung am Arbeitsplatz gewidmet. Das zeigte sich auch bei den Solidaritätsstrukturen in Berlin. Aus der Bewegung der Empörten entstanden Initiativen, die sich mit ihrer eigenen Arbeitssituation in Berlin beschäftigten. So entstanden Organisationen wie die Migrant Strikers [5], wo sich italienische Arbeitsmigranten tummeln, und das Oficina Precaria [6], wo Beschäftigte aus Spanien organisiert sind.
Sie wären ohne die M31-Bewegung und ihre Unterstützer nicht entstanden. Sie haben mit der Thematisierung ihrer konkreten Arbeitsverhältnisse in Deutschland den Schritt von der Unterstützung von Aktionen in ihren Heimatländern zur Selbstorganisierung in Deutschland gemacht. Eine wichtige Aktion war dabei ein Spaziergang [7] durch das prekäre migrantische Berlin am 1. März. Im Rahmen eines internationalen Aktionstages [8] gegen ein Europa der Grenzen und der Prekarität gingen in europäischen Städten Arbeitsmigranten gemeinsam mit anderen prekär Beschäftigten auf die Straße. In Berlin wurden unter anderem die besonders ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse im Gastronomiesektor thematisiert, wo viele italienische Arbeitsmigranten beschäftigt sind. Die spanischen Kolleginnen und Kollegen thematisierten die besonderen Verhältnisse im Pflegebereich, weil dort Menschen mit spanischen Hintergrund beschäftigt sind.
Es wäre möglich, dass nun auch die französischen Expats in Berlin und anderen Städten, die sich bisher oft politisch noch nicht betätigt hatten, durch ihre Solidarisierung mit den Protesten in Frankreich motiviert werden, ihre hiesigen Arbeits- und Lebensverhältnisse zu politisieren.
http://www.heise.de/tp/news/Breiten-sich-die-franzoesischen-Sozialproteste-auch-in-Deutschland-aus-3176917.html
Peter Nowak
Links:
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]
Zu Besuch bei Ausbeutern
PROTEST: Spaziergang der „Migrant Strikers“ gegen ausbeuterische Arbeit
Tarifvertrag für die rund 6.000 studentischen Beschäftigten an Berlins Hochschulen. Vor dem Jobcenter in der Charlottenstraße
dem Ablauf des Spaziergangs zufrieden. „Wir haben unterschiedliche prekär beschäftigte KollegInnen erreicht.“ Dazu gehören die Beschäftigten des Botanischen Gartens an der FU Berlin. Sie wehren sich gegen das geplante Outsourcing und haben ebenfalls am Spaziergang teilgenommen. Dennoch will Erwin vom der Berliner Blockupy-Plattform, die in den letzten Jahren einige Krisenproteste
organisiert hat, erst von einen Erfolg reden, wenn der Kampf gegen die Ausbeutung von migrantischen ArbeiterInnen auch über den 1. März hinaus fortgesetzt wird.
»24 Stunden ohne uns«
Prekär Beschäftigte und Migranten sollen für einen Tag in ganz Europa streiken – noch bleibt es beim Appell
Gegen das europäische Grenzregime und prekäre Arbeitsverhältnisse sind am 1. März in zahlreichen europäischen Ländern Kundgebungen und Demonstrationen, aber auch Diskussions- und Filmveranstaltungen geplant. Zu Arbeitsniederlegungen dürfte es aber kaum kommen, obwohl der Aktionstag als »europäischer MigrantInnenstreik« beworben. »Wir wollen über das Konzept des sozialen Streiks reden, das vor allem für Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen interessant ist, die nicht einfach die Arbeit niederlegen können«, erläutert Luca von der Gruppe »Migrant Strikers«, in der sich in Berlin lebende Arbeitsmigranten aus Italien koordinieren, das Motto gegenüber »nd«. Sie wollen an Aktionen in ihrer Heimat anknüpfen, wo vor sechs Jahren der 1. März zum ersten Mal unter dem Motto »24 Stunden ohne uns« stand.
Bei einem sozialen Streik sollen Erwerbslose, Mieter, aber auch Verbraucher in Arbeitskämpfe einbezogen werden. Das soll den Druck erhöhen, den Beschäftigte im prekären Sektor allein in der Regel nicht haben. Die Aktionen wollten auf die große Bedeutung von Arbeitsmigranten aufmerksam machen, die besonders diskriminiert sind und von großen Gewerkschaften weitgehend ignoriert werden.
Beschlossen wurde der Aktionstag bei einem Treffen im polnischen Poznan im Oktober 2015, an dem Basisgewerkschaften und Gruppen der außerparlamentarischen Linken aus mehreren europäischen Ländern teilgenommen hatten. Aus Deutschland waren Aktivisten des Blockupy-Bündnisses vertreten.
Der Aktionstag am 1. März ist die erste gemeinsame Aktion in Europa. In Polen ruft die Basisgewerkschaft Inicjatywa Pracownicza (IP) dazu auf, vor Leiharbeitsfirmen gegen die prekären Arbeitsbedingungen zu protestieren. Weitere Aktionen sind in Italien, Holland, Italien, Spanien, Österreich und Frankreich geplant. Damit ist die Zahl der beteiligten Länder größer als vor sechs Jahren. Zudem sind die Aufrufe kämpferischer: Ging es 2010 vor allem um Lobbyarbeit für migrantische Beschäftigte, stehen in diesen Jahr der Widerstand gegen das Grenzregime und die Organisierung der Beschäftigten in prekären Arbeitsverhältnissen im Mittelpunkt. »Wir sehen es schon als Erfolg, dass es uns gelungen ist, in mehreren europäischen Ländern Aktionen zu initiieren«, erklärte Luca für den Vorbereitungskreis in Berlin. Schließlich seien die beteiligten Gruppen klein und hätten keine Parteien und Gewerkschaftsapparate im Rücken.
Am 1. März ist ein »Spaziergang« durch das Berlin der prekären migrantischen Arbeit geplant, der am Nachmittag an der »Mall of Berlin« beginnen soll. Das Einkaufszentrum ist zum Symbol für die Ausbeutung ausländischer Arbeitskräfte geworden – aber auch für Widerstand. Seit mehr als einem Jahr kämpfen rumänische Bauarbeiter vor Gericht und mit politischen Aktionen um den Lohn, der ihnen vorenthalten wird. Der »Spaziergang« soll weiter an Jobcentern, einer Leiharbeitsfirma und Gastronomieeinrichtungen vorbei führen. Ähnliches ist in Frankfurt am Main und Hamburg geplant.
Das Bündnis sucht auch Kontakt zum DGB. »Von uns werden sicherlich Kollegen am 1. März dabei sein«, sagt der Koordinator des Projekts »Faire Mobilität« beim DGB, Dominique John, gegenüber »nd«. Schließlich habe man bereits mit einigen beteiligten Gruppen bei Aktionen gegen Lohndumping in der Baubranche und im Schlachtergewerbe gut kooperiert. Die Selbstorganisation spanischer und italienischer Arbeitsmigranten in Deutschland sieht John als »ermutigende Entwicklung«.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/1003029.stunden-ohne-uns.html
Peter Nowak