Weg für Dumpinlöhne versperren

EU-Projekt zu Arbeitssituation von Migranten und Lohnbetrug

Berlin ist zu einem  Treffpunkt für viele Arbeitsmigranten aus ganz Europa geworden. Sie erhoffen  in der Metropole sich ein besseres Leben als in ihren Herkunftsländern. Doch oft sind  mit  Überstunden, Arbeitshetze, Dumpinglöhnen und ein schlechten Arbeitsklima konfrontiert. Vor allem Beschäftigte aus Ost- und Südeuropa, die in Berlin arbeiten, beklagen  ihre Arbeitssituation und wenden sich auch zunehmend an Gewerkschaften.   Das ist das Fazit des Abschlussberichts „Sozialdumping durch Subunternehmertum“, der im Rahmen des EU-finanzierten Projekts  Testing EU Citizenship as Labour Citizenship“ erstellt wurde.
Kamila Schöll-Mazurek, die an der Studie mitgearbeitet hat, hebt sie die zentrale  Rolle  hervor, die das System der Scheinselbstständigkeit und es Subunternehmertuns bei der Etablierung schlecht bezahlter Arbeitsplätze spielt.  In der Praxis habe sich gezeigt, dass  es damit Beschäftigten schwer gemacht wird ihre Rechte durchzusetzen. So könnten Beschäftigte mehrmals Prozesse wegen entgangenen Lohn gegen Subunternehmen gewonnen, aber die Kollegen bekamen ihr  Geld nicht, weil die Subunternehmen vorher Insolvenz anmeldeten. Mehrmals wurde der Kampf der rumänischen Bauarbeiter, die bei der Errichtung der Mall of Berlin um große Teile ihres Lohns betrogen worden sind und trotz einer großen Öffentlichkeitskampage und gewonnenen Prozessen bisher leer    ausgingen.

Löhne sind auch bei Insolvenz zu sichern
Jochen Empen vom beim DGB angesiedelten  Projekt „Faire Mobilität“ fordert eine gesetzliche Grundlage für eine transnationale Strafverfolgung. So könnten Unternehmen bei Verstößen gegen die Arbeitsrechte  über die Grenzen hinweg  juristisch zur Verantwortung gezogen werden. Als  einen weiteren Schritt zur Eindämmung von Diskriminierung und Lohnbetrug wird  die Kettenhaftung der Unternehmen genannt. Vor allem in der Bauwirtschaft kann so  verhindert werden, dass Beschäftigte ihren Lohn nicht bekommen, weil die Subunternehmen Pleite gehen. Dann müsste das Generalunternehmen, das die Subunternehmen beauftragt hat, für die entgangenen Löhne haften. In Österreich werden die Unternehmen, die Subunternehmen beauftragen, zudem verpflichtet, Rücklagen zu bilden, damit die Löhne der Beschäftigten auch bei Insolvenz  gesichert sind. In Deutschland  sollten  Betroffenen, Gewerkschaften und Sozialverbände kooperieren, um solche Regelungen auch hierzulande durchzusetzen. Damit würde nicht nur die Verhandlungsmacht der migrantischen  Beschäftigten gestärkt. Alle Lohnabhängigen profitieren davon, wenn der Weg für Dumpinglöhne versperrt wird.
Peter Nowak

Arbeitsrechte nur auf dem Papier

Sozialdumping in Deutschland vor allem durch das System des Subunternehmertums

»Wir fühlten uns wie in einem Arbeitslager. Die Unterkunft war schmutzig. An den Wänden war Schimmel.« Ein polnisches Ehepaar berichtet in dem Dokumentarfilm »Der Fleischalbtraum« über ihre Erfahrungen an einer Arbeitsstelle in der Nähe von Leipzig. Nach einer Zwölf-Stunden-Schicht in der Fleischverarbeitungsfabrik sollten sie noch Überstunden machen, Krankschreiben wurde mit Lohnabzug bestraft, und als ein Beschäftigter kündigte, wurde er verprügelt.

In dem Film von Magdalena Pięta-Stritzke und Michał Talarek, der am Samstag im Roten Rathaus Berlins Deutschlandpremiere hatte, berichten auch weitere Betroffene über Arbeitsbedingungen wie im Frühkapitalismus. Nach der Vorführung wurde der Bericht »Sozialdumping durch Subunternehmertum« vorgestellt. Die vom polnischen Sozialrat im Rahmen des EU-Projektes »Testing EU Citizenship as Labour Citizenship« erstellte Studie macht deutlich, dass den polnischen Beschäftigen Rechte verweigert werden, die sie als EU-Bürger eigentlich besitzen. Auch wenn die Rechtsverstöße nicht immer ein Ausmaß annehmen, wie es im Dokumentarfilm geschildert wird, so sind sie doch für die Betroffenen gravierend. Überstunden, Arbeitshetze, Dumpinglöhne und ein schlechtes Arbeitsklima gehören zu den Klagen.

Kamila Schöll-Mazurek, Politikwissenschaftlerin am Zentrum für Interdisziplinäre Polenstudien der Viadrina-Universität in Frankfurt (Oder), sieht die Gründe für die Diskriminierungen in einen fragmentierten Arbeitsmarkt in Deutschland. Das System der Scheinselbstständigkeit und der Subunternehmen habe bei der Etablierung schlecht bezahlter Arbeitsplätze eine besondere Bedeutung. In der Praxis werde es damit Beschäftigten schwer gemacht, ihre Rechte durchzusetzen, so die Wissenschaftlerin, die an der EU-Studie mitgewirkt hat. So bekamen Kollegen trotz gewonnener Lohnbetrugsprozesse ihr Geld nicht, weil die Subunternehmen Insolvenz anmeldeten. Mehrmals in der Debatte wurde an den Kampf der rumänischen Bauarbeiter erinnert, die bei der Errichtung des Einkaufszentrums »Mall of Berlin« um große Teile ihres Lohns betrogen wurden und trotz Öffentlichkeitskampagnen und gewonnener Prozesse bisher leer ausgingen.

Jochen Empen vom DGB-Projekt »Faire Mobilität« forderte als zentrale Maßnahme, um die Diskriminierung der Beschäftigten zumindest zu minimieren, eine transnationale Strafverfolgung. Diese solle es ermöglichen, Unternehmen bei Verstößen gegen die Arbeitsrechte über die Grenzen hinweg juristisch zur Verantwortung zu ziehen. Als weiteren Schritt zur Eindämmung von Diskriminierung und Lohnbetrug wird die Kettenhaftung der Unternehmen genannt. Vor allem in der Bauwirtschaft könne die verhindern, dass Beschäftigte ihren Lohn nie bekommen, weil die Subunternehmen Pleite gehen. Dann müsste das Generalunternehmen, das die Subunternehmen beauftragt hat, für die entgangenen Löhne haften.

In der anschließenden Diskussion wurde gefordert, dass die Unternehmen verpflichtet werden, Rücklagen zu bilden, damit die Löhne der Beschäftigten gesichert sind. In Österreich sind solche Gesetze bereits in Kraft, in Deutschland hat die Diskussion darüber mit Betroffenen, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen erst begonnen. Doch viel wird auch davon abhängen, ob sich mehr Betroffene gewerkschaftlich organisieren und gegen schlechte Arbeitsbedingungen wehren.

www.neues-deutschland.de/artikel/1017345.arbeitsrechte-nur-auf-dem-papier.htm
Peter Nowak