An der SPD wird die GroKo nicht scheitern

Die SPD wird wieder mitregieren, wenn es die Merkel-Gegner in der Union nicht verhindern

Verantwortung für Deutschland, das ist das Leitmotiv der SPD seit über 100 Jahren. Die Floskel wurde beim gestern zu Ende gegangenen SPD-Parteitag wieder strapaziert. Dabei ging es doch nur darum, dass der alte und neue SPD-Vorsitzende Schulz nun plötzlich das Gegenteil von dem verkündete, was er noch nach dem letzten Parteitag erklärte.

„Wir beenden die Kooperation mit der Merkel-Union und gehen in die Opposition“ – für diese Ankündigung bekam Schulz damals viel Lob von großen Teilen seiner Partei und Anerkennung von den Medien. Manche Beobachter hatten den Eindruck, dass diese Ankündigung, in die Opposition zu gehen, von vielen in der SPD als Befreiung aufgenommen wurde, die sogar das desaströse Wahlergebnis erträglich machte.

Das zeigte die Reaktion im Willi Brandt-Haus. Die Anwesenden applaudierten und man hatte nicht den Eindruck, man stehe einer Partei gegenüber, die gerade noch mal ihr schon schlechtes Wahlergebnis der letzten Bundestagswahl unterboten hatte. Da fühlten sich manche an die Wochen erinnert, nachdem Schulz von seinen Vorgänger Gabriel zum Kanzlerkandidaten ernannt wurde.

Die Phrase vom Schulz-Zug, der nie abfuhr

Damals wurde die Phrase vom Schulz-Zug geboren, der nie abfuhr. Was tatsächlich geschehen ist: Einige Tausend junge Menschen sind in die SPD eingetreten, die wenig bis nichts mit der alten SPD-Tradition zu tun hatten. Selbst ein langjähriger Unterstützer der gewaltfrei-anarchistischen Zeitschrift Graswurzelrevolution gehörte dazu.

Nur war es schon ein Irrtum zu glauben, dass sie wegen Schulz und nicht trotz Schulz in die SPD eingetreten waren, weil sie darin ein Signal gegen den Rechtsruck im Zeichen von Trump und AFD erblickten. Andere treten deswegen bei den Linken und manche auch bei den Grünen ein. Sie jubelten dann Schulz zu, weil sie glauben wollen, er sei in der realexistierenden SPD der Hoffnungsträger.

Der hatte sich aber schnell entzaubert und spätestens nach der Veröffentlichung der Spiegel-Reportage über Schulz und das SPD-Wahlkampfteam wurde klar, wie stark der Parteiapparat nur auf öffentliche und veröffentlichte Meinung reagierte, wie er jeder Umfrage entgegenfieberte und später immer mehr davor zitterte und wie Schulz von diesem Apparat an der kurzen Leine geführt wurde.

Das war sicher für manche eine gute Lektion in Sachen real existierender Demokratie. Denn dass die Reportage des im Wahlkampfteam eingebetteten Journalisten eine gewisse Aufmerksamkeit bekam, lag nicht daran, dass diese Art der Wahlkampfführung so ungewöhnlich war, sondern dass sie in dem Text so gut auf den Punkt gebracht wurde. Wenn Schulz ein Hoffnungsträger für irgendjemand war, so ist das längst vorbei.

Wenn er auf dem SPD-Parteitag wieder gewählt wurde, dann nur deshalb, weil niemand bereit war, die Partei in der aktuellen Situation zu übernehmen.

Nun auch noch Verantwortung für Europa

Seine Berater aus dem Apparat haben wohl Schulz geraten, sich wieder auf ein Gebiet zu besinnen, auf dem er sich auskennen müsste. Als langjähriger EU-Bürokrat, der auch schon mal dem italienischen Rechtspopulisten Berlusconi Paroli geboten hat, war Schulz schließlich in Deutschland bekannt.

Seine Berater vom Parteiapparat haben es wohl nicht für opportun gehalten, im Wahlkampf zu stark dieses Thema zu strapazieren. Die EU ist schließlich zurzeit auch in Deutschland nicht so populär, dass sie Stimmen bringt. Nun, wenn es gilt, die SPD wieder in Regierungsverantwortung zu bringen und von anderen Festlegungen abzubringen, muss nun die Partei nicht nur wie seit 100 Jahren für Deutschland, sondern gleich für Europa Verantwortung übernehmen.

Wie üblich, wenn im hiesigen Politikersprech dieses Wort genutzt wird, ist damit die von Deutschland dominierte EU gemeint. Schulz und die Sozialdemokraten wollen nun dazu beitragen, dass die Hegemonie, die durch Schäubles Austeritätskurs brüchig geworden war, wieder zu festigen. Dabei geht es natürlich nicht darum, dass nun in Europa eine keynisiastische Politik gemacht werden soll.

Vielmehr orientiert sich die SPD am französischen Präsidenten Macron, einen erklärten Wirtschaftsliberalen, der im letzten Jahr von den Grünen und der Taz zum Hoffnungsträger ausgerufen wurde. Auch die SPD will nun von Macrons Wahlerfolg in Frankreich profitieren und Schulz will damit rechtfertigen, wieder in eine große Koalition einzutreten.

Dabei kann er sich sogar auf Griechenlands Premierminister Tsipras berufen, der Schulz davor warnte, aus Gründen der politischen Reinheit in die Opposition zu gehen.

Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass der Vorsitzende einer Partei, der als linke Alternative mit dafür sorgte, dass die sozialdemokratische Schwesternpartei in der Versenkung verschwand, eine SPD darum bittet, Regierungsverantwortung zu übernehmen, die mit dafür gesorgt hat, dass im Jahr 2015 die Daumenschrauben gegen die Syriza-Regierung vor der Kapitulation angezogen wurde. Schulz und auch sein Vorgänger Gabriel haben sich damals eindeutig gegen die damals noch linke griechische Regierung gestellt.


Zusammenbruch der europäischen Sozialdemokratie

Aber Tsipras und seine Syriza sind mittlerweile der rechten Sozialdemokratie in Europa so ähnlich, dass sei auch wie diese bei den nächsten Wahlen ebenso abgestraft werden könnten. In einer Taz-Reportage dazu heißt es:

Die Sozialdemokratie in Europa ist nicht mehr nur im Krisenmodus, sie nähert sich mancherorts dem Zusammenbruch. Nicht nur in den Niederlanden, auch in Frankreich und Griechenland wurden die altehrwürdigen Parteien pulverisiert. Die Symptome sind überall ähnlich: Die Aufsteigergeneration hat die Verbindungen zu ihrer Herkunft gekappt.

Wo es ärmlich und ungemütlich zugeht, im Mannheimer Norden, den Vororten von Rotterdam oder den Randbezirken von Wien, laufen frühere Stammwähler zu den Rechtspopulisten über. Die Parteiapparate schauen hilflos zu. Die Abgehängten und das Dienstleistungsproletariat setzen nicht mehr auf die saturierten Sozialdemokraten. Und die erfolgreichen, jungen Globalisierungsgewinner finden Sozialdemokratie voll 20. Jahrhundert.“

Taz

Nicht vom europäischen Abwärtstrend betroffen sind die portugiesischen und britischen Sozialdemokraten. Beide haben sich in den letzten Jahren zu moderaten Linkspositionen durchgerungen und die Austeritätspolitik etwas modifiziert, in Portugal mit Unterstützung der Linksopposition. In Großbritannien ist noch klar, ob die Labour Party den linkspopulistischen Kurs ihres aktuellen Vorsitzenden Corbyn beibehalten kann und wird.

Manche linken Sozialdemokraten sehen in ihm genau einen Hoffnungsträger wie vorher in Bernie Sanders und auch vor einigen Jahren Tsipras. Die Namen wechseln, aber sie waren bisher nie erfolgreich, und die SPD hat daran wie bei Tsipras aktiv mitgearbeitet.

Die SPD wird diese Tradition fortsetzen, ob als Teil der Regierung oder als loyale Opposition. Die durch die unterschiedliche Position bedingte Rhetorik sollte darüber nicht hinwegtäuschen. Darum ist es für die Politik letztlich irrelevant, ob die SPD Teil einer Regierung ist.

In Fragen der Inneren Sicherheit, der Flüchtlingsabwehr, der Innenpolitik wird sie da weitermachen, wo die alte Regierung aufgehört hat. Schließlich amtieren die Minister sogar noch. Und die Gegner der großen Koalition, die wie der linksliberale Publizist Jakob Augstein die SPD ebenfalls aus gesamtdeutscher Verantwortung auffordern, in der Opposition zu bleiben, werden am Ende keine Rolle spielen.

Schon vor den letzten Koalitionen mit der Union haben Linke in der SPD gegen die Groko mobilisiert. Damals war gab es sogar rechnerisch eine Mehrheit links von der Union. Doch jedesmal haben die Groko-Gegner Niederlagen erlitten. Das wird jetzt, wo es eine strukturell rechte Mehrheit im Parlament gibt, nicht anders sein.

Sogar die Jungsozialisten sind keineswegs so klar gegen eine Groko, wie es suggeriert wird. In der Wochenzeitung Kontext wurde über Jungsozialisten in Baden Württemberg berichtet, die auch bei der FDP anheuern könnten.

Und die Jusos im Südwesten sehen sich an der Spitze der Bewegung. Sie wollen den Landesverband wieder zum Motor der Bundespartei machen. So wie er das einst schon war in den Siebziger Jahren, als der legendär gewordene „Tübinger Kreis“ Furore machte als linker Talentschuppen und Ideenwerkstatt der 68er. Gefolgt von Erhard Eppler und seinem Aufbruch zu einer neuen Orientierung der SPD in der Umwelt- und Friedenspolitik. Diesmal aber geht es dem Nachwuchs nicht um progressive Inhalte, sondern darum, das Erbe der Schröder-Ära mit ihrer Annäherung an neoliberale Denke vor kritischer Rückschau zu bewahren. Sie wolle keine „endlosen Debatten“ über die Vergangenheit führen, sagte Bernickel auf dem Landesparteitag am vergangenen Samstag in Donaueschingen. Vielleicht doch in der falschen Partei? Jedenfalls verlangt die Betriebswirtin, Studienrichtung Finanzdienstleistungen, nach einer „ganzheitlichen Erzählung“.

Johanna Henkel-Waidhofer, Kontext

Wenn die Groko scheitert, dann an der Union

Solche Detailberichte sagen mehr über die Situation der angeblichen SPD-Linken als markige Worte des aktuellen Juso-Vorsitzenden. Die SPD wird in die Regierung gehen, eine Groko kann nur an Kräften in der Union scheitern, die die Merkel-Ära beenden und Neuwahlen wollen. Merkel und ihr Umfeld hat genau deshalb kein Interesse an diesen Neuwahlen.

Die Diskussion um die Verlängerung des Nachzugsstops von syrischen Migranten, der demnächst ausläuft, könnte dabei eine wichtige Rolle spielen. Die Union hat schon deutlich gemacht, dass sie auch mit den Stimmen der AfD eine weitere Verlängerung durchsetzen würde. Schon haben in der letzten Woche einige Unionspolitiker davon geredet, dass Abschiebungen nach Syrien wieder möglich werden sollen.

Das hat die AfD im Wahlkampf auch immer gesagt und schon einen Antrag im Parlament eingebracht. Hier könnten Gemeinsamkeiten einer Nach-Merkel-Ära ausgelotet werden.

Für die SPD könnte das ein Ansporn sein, mit der Union schnell zu einem Ergebnis zu kommen. Sie könnte damit der Union signalisieren, dass sie nicht auf die Stimmen der AfD angewiesen ist, um Migranten abzuwehren, genau so wie beim Sozialabbau und der Abbau von Datenschutz. Die SPD wird also noch gebraucht.

Peter Nowak

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[1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/spd-und-grosse-koalition-angela-merkels-bettvorleger-kolumne-a-1180483.html
[2] http://www.graswurzel.net/
[3] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/martin-schulz-on-the-road-mit-dem-spd-kanzlerkandidaten-spiegel-titelgeschichte-a-1170992.html
[4] https://www.zdf.de/nachrichten/heute/signale-von-macron-und-tsipras-euro-partner-draengen-spd-zur-groko-100.html
[5] https://www.zdf.de/nachrichten/heute/signale-von-macron-und-tsipras-euro-partner-draengen-spd-zur-groko-100.html
[6] http://www.taz.de/!5464728/
[7] http://www.taz.de/!5464728/
[8] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/spd-und-grosse-koalition-angela-merkels-bettvorleger-kolumne-a-1180483.html
[9] https://www.kontextwochenzeitung.de/politik/347/junge-rechte-rote-4729.html
[10] https://www.kontextwochenzeitung.de/politik/347/junge-rechte-rote-4729.html
[11] https://afd.saarland/afd-bundestagsfraktion/2017/11/antrag-der-afd-bundestagsfraktion-rueckfuehrung-syrischer-fluechtlinge-einleiten

Warten auf den neuen Berlusconi

Links

[1]

http://www.matteorenzi.it/

[2]

http://www.partitodemocratico.it

[3]

http://www.tagesschau.de/multimedia/audio/audio118254.html

[4]

http://brf.be/nachrichten/presseschau/712129/

[5]

http://www.fiom.cgil.it/

[6]

http://fiomcarrozzeriamirafiori.jimdo.com/

Bye, bye Berlusconi?

Links

[1]

http://www.byebyeberlusconi.de

[2]

http://www.tagesspiegel.de/politik/kritik-an-deutscher-krisenpolitik-berlusconi-droht-mit-euro-austritt-italiens/7723920.html

[3]

http://www.welt.de/politik/ausland/article106406519/Berlusconi-fordert-Euro-Austritt-Deutschlands.html

[4]

http://www.ilpopolodellaliberta.it/

[5]

http://www.handelsblatt.com/politik/international/kommentar-berlusconi-handelt-unverantwortlich/8862870.html

[6]

http://www.repubblica.it/politica/2010/10/26/news/archivia_casa-8458185/

[7]

http://derstandard.at/1379291335942/Berlusconi-koennte-in-Estland-fuer-EU-Parlament-kandidieren

[8]

http://www.beppegrillo.it

[9]

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/europaheute/2148926

Berlusconi am Ende?

Ob die Schlappe für Italiens Rechte bei den Kommunalwahlen zum schnellen Sturz Berlusconis führt, ist aber weiterhin offen

Zum Test für die italienische Rechtsregierung hatte der italienische Ministerpräsident Berlusconi die Kommunalwahl erklärt, deren zweite Runde am 30. Mai zu Ende gegangen ist. Die Rechtsregierung hat den Test ganz eindeutig nicht bestanden, wie schon kurz nach der Schließung der Wahllokale deutlich wurde. Der schon bei der ersten Runde der Kommunalwahlen am 15. und 16. Mai deutlich gewordene Trend hat sich fortgesetzt.

Die Parteien der Rechtsregierung wurden abgestraft. Das wurde besonders an den Wahlergebnissen in Mailand und Neapel deutlich. Diese beiden Städte waren schon vor den Wahlen zu Symbolen für die Stimmung in der politischen Bevölkerung erklärt worden. In beiden Städten haben die Kandidaten der Rechtskoalition deutlich verloren. In Neapel bleibt der Kandidat der Mitte an der Macht.

Besonders schmerzlich dürfte für Berlusconi die Niederlage in seiner Heimatstadt und langjährigen Hochburg Mailand sein. Dort war der Ministerpräsident selber als Listenführer seiner Partei aufgetreten. Nachdem sich bei der ersten Runde der Kommunalwahlen die Niederlage für die Rechte abgezeichnet hat, versuchten Berlusconi und sein Umfeld die Niederlage mit einer Zuflucht zu extrem rechter Rhetorik noch abzuwenden. Bei einem Sieg der Linken würde Mailand rote Fahnen schwenkenden Zigeunern und Muslimen überlassen, verfiel Berlusconi in einen Duktus, die man eigentlich nur noch bei der äußersten Rechten erwartet hatte. Das Ergebnis, ein Erfolg des Linkskandidaten zeigte, dass ein solcher rassistischer Brachialwahlkampf nicht zum Erfolg führt.

Keine Aufbruchsstimmung bei den Berlusconi-Gegnern

 Die geringe Wahlbeteiligung machte aber auch deutlich, dass bei aller Ablehnung von Berlusconi von einer Aufbruchsstimmung seiner Gegner nicht die Rede sein kann. Das liegt auch daran, dass mehrere Mitte-Linksregierungen, die im vergangenen Jahrzehnt die Berlusconi-Ära unterbrochen hatten, keinen grundlegenden Politikwechsel einleiten konnten. Zudem konnte sich die Opposition bisher weder auf gemeinsame Ziele noch Kandidaturen einigen.

Daher bleibt abzuwarten, ob bei aller Berlusconi-Dämmerung die Zeit des Rechtsaußenpolitikers schon endgültig abgelaufen ist. Sicher ist allerdings, dass Berlusconi nicht mehr auf die schweigende Mehrheit in Italien zählen kann. Wie schnell seine Ära zu Ende geht, wird auch von der Positionierung der rassistischen Lega Nord abhängen, die in den letzten Monaten nach seinem Zerwürfnis mit Fini zu dessen engsten Bündnispartner gehörte. Sie konnte von dieser Liaison aber nicht mehr profitieren und schon gibt es dort Stimmen, von Berlusconi abzurücken.

Bereits die erste Berlusconi-Regierung wurde durch die Lega-Nord gestürzt. Gerade die momentane Schwäche der Lega Nord könnte dem Ministerpräsidenten jetzt aber einen Zeitgewinn bescheren. Wer bei Neuwahlen um den Wiedereinzug ins Parlament fürchten muss, ist nicht so schnell bereit, das alte Parlament aufzulösen. Da auch die Mitte-Links-Opposition auf schnelle Neuwahlen noch gar nicht vorbereitet ist, obwohl sie diese immer wieder fordert, könnte die Berlusconi-Dämmerung noch einige Zeit andauern.
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/149921

Peter Nowak

Trotz des Sieges geht der Niedergang des Berlusconismus weiter

Zwei Stimmen haben am Ende den italienischen Ministerpräsidenten Berlusconi im Amt gehalten, die Rede ist von Stimmenkauf
Bei der heutigen Abstimmung sprachen Berlusconi in der Abgeordnetenkammer in Rom 311 Parlamentarier das Misstrauen aus, 314 votierten für ihn. Vor der Abstimmung im Abgeordnetenhaus hatte Berlusconi im Senat selbst die Vertrauensfrage gestellt und diese erwartungsgemäß gewonnen. 162 Senatoren sprachen ihm das Vertrauen aus, 135 stimmten dagegen.

Damit hat sich im innerrechen Machtkampf zwischen dem Populisten Berlusconi und dem Postfaschisten Fini der Ministerpräsident vorerst durchgesetzt. Doch damit ist die Krise des Berluconismus keinesfalls beendet. Schon werfen ihm Kritiker vor, dass der Politiker seinen Abstimmungserfolg nur durch Stimmenkauf erzielen konnte. Auch die italienische Justiz hat Vorermittlungen in dieser Sache aufgenommen.

Wie angespannt die Situation in Italien ist, zeigte sich am Dienstag im und außerhalb des Parlaments. Während auf der Straße Berlusconi-Gegner mit der Polizei aneinander gerieten, musste die Sitzung im Parlament kurzzeitig unterbrochen werden, weil sich Abgeordnete im Parlament eine Schlägerei lieferten. Auslöser des Konflikts war die Erklärung der Abgeordneten Catia Polidori dem Fini-Lager den Rücken zu kehren und für Berlusconi zu stimmen. Auch zwei Abgeordnete der liberalkonservativen Antikorruptionspartei, die sich in den letzten Jahren besonders gegen Berlusconi profiliert hatte, setzten sich in den letzten Tagen für die Regierung ein. Weil beide in finanziellen Schwierigkeiten steckten, machen Mutmaßungen über Stimmenkauf die Runde.

Mit der Abstimmung hat Berlusconi eine Atempause gewonnen. Doch bei jeder wichtigen Parlamentsentscheidung werden die unklaren Mehrheitsverhältnisse im Parlament eine Rolle spielen.

Nicht alle mit Ausgang unzufrieden

Angesichts der angespannten wirtschaftlichen Situation Italiens hat die innenpolitische Situation auch Interesse bei Europas Nachbarländern gefunden. Vor allem bei den Eliten dürften viele über den Abstimmungserfolg des wirtschaftsfreundlichen Ministerpräsidenten zufrieden sein. Auch bei der italienischen Opposition dürften manche froh sein, dass Neuwahlen erst einmal vertagt wurden. Sie konnte trotz der vielen Skandale und der Krise des Berlusconismus davon nicht profitieren.

Fraglich ist, ob sich Fini von der Niederlage erholt oder ob seine neugegründete Bewegung wieder zerfällt. Schließlich hat sich am Dienstag gezeigt, dass das Berlusconi-Lager noch längst nicht aufgegeben hat. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist eine neue Protestbewegung, die sich vor allem an Italiens Universitäten gegen die Bildungsreform der Regierung gebildet hat. Ob die vollmundigen Erklärungen einiger ihrer Aktivisten, dass in Italien der Teufel los ist, wenn Berlusconi im Amt bleibt, allerdings mehr als Worte sind, muss sich vor der Weihnachtspause erst noch zeigen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/148935

Peter Nowak