Tee und andere Drogen

Vor Kriminalisierung wird gewarnt.

Die Null-Toleranz-Politik gegenüber Drogen und Stoffen, die man dafür hält, hat eine lange Tradition. Oft gibt es politische Gründe.

1777 wurde in Preußen Tee zur Droge erklärt und verboten. Das Getränk wurde damals gerade bekannt und der Staat wollte mit dem Verbot verhindern, dass die Leute viele Stunden untätig bei einem Glas Tee herumsitzen statt zu arbeiten. Der Berliner Historiker Jan-Henrik Friedrichs erzählte diese Anekdote um zu verdeutlichen, dass gesellschaftliche und politische Gründe bei der Frage maßgeblich sind, welche Drogen wann illegal sind. Er war Teilnehmer einer Diskussionsveranstaltung beim Verein Helle Panke, in der es unter dem Titel »Mach meinen Görli nicht an« um den Umgang mit aktuellen Drogen geht.

Der Görlitzer Park in Kreuzberg ist seit Monaten in der Diskussion. Seit 31. März gilt dort die Null-Toleranz-Regel. Selbst kleinste Mengen Cannabis können zu einer Anzeige führen. Die Kritik an dieser Maßnahme, mit der sich Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) als Law-and-Order-Mann profilieren will, ist groß. Der Jurist Wolfgang Neskovic bezeichnete die Null-Toleranz-Linie als unvereinbar mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts.

Auch auf der Podiumsdiskussion wollte die Politik von Henkel niemand verteidigen. »Kriminalisierung der Drogennutzer und -verkäufer ist keine Lösung für gesellschaftliche Probleme«, sagte der Vorsitzende der Berliner Linkspartei, Klaus Lederer. Während in mehreren Bundesstaaten der USA, aber auch in Portugal von der Politik erkannt worden sei, dass der Krieg gegen die Drogen gescheitert ist und die Entkriminalisierung an Zustimmung gewinnt, setzten Berlins Konservative weiter auf alte, gescheiterte Konzepte, so Lederer. Dabei sei der Görlitzer Park für Henkel eine lange gesuchte Gelegenheit, mit der liberalen Drogenpolitik der letzten Jahre zu brechen.

Auch Astrid Leicht von der Organisation Fixpunkt, die Drogenkonsumenten berät und unterstützt, lehnte eine Kriminalisierung entschieden ab. Sie warnte allerdings auch vor einer Romantisierung der Drogenverkäuferszene. Dort herrsche Kapitalismus pur. Regulierung sei im Interesse der Konsumenten dringend notwendig.

Katharina Oguntoye vom Interkulturellen Netzwerk Joliba beschäftigte sich mit der Frage, warum der Drogenhandel im Görlitzer Park auf ein derart starkes mediales Interesse stößt, obwohl es in Berlin viele andere Orte gibt, in denen solche Stoffe ebenfalls verkauft werden. Sie sieht eine Aversion gegen Menschen aus Afrika als einen Grund. Joliba hat mehrere Monate den Kontakt mit den Drogenverkäufern gesucht. Postkarten wurden gedruckt und verteilt. »Wir haben gesehen, dass es hier nicht um eine anonyme Masse, sondern um Menschen mit ihren ganz persönlichen Schicksalen geht.« Viele würden gerne eine legale Arbeit verrichten, wenn sie die Möglichkeit hätten.

Manche im Publikum brachten den Hang zur null Toleranz gegenüber Drogen mit dem Wandel der Bevölkerungsstruktur in Kreuzberg in Verbindung. Der gut verdienende Mittelstand wolle weder einkommensarme Menschen noch Drogenkonsumenten in seiner Nähe dulden.

Kreuzberger Stadtteilinitiativen protestieren regelmäßig gegen die Kriminalisierung von Flüchtlingen. »Nicht die Drogen, sondern Vertreibung und Rassismus sind das Problem«, sagen sie.

Neues Deutschland Berlin-Ausgabe vom Donnerstag, 30. April 2015, Seite 12

Peter Nowak