Im Rahmen der Kampagne »Legalisierung jetzt!« fordern migrantische Personen und Organisationen die Legalisierung in Deutschland lebender Menschen, die keinen gültigen Aufenthaltsstatus besitzen

Nicht auf dem Papier

Bereits am 25. April hatte die Organisation »Respect«, die migrantische Frauen ohne Aufenthaltsstatus unterstützt und zu den Erstunterzeichnern des offenen Briefs gehört, einen digitalen Aktionstag für die Rechte von ­migrantischen Beschäftigen in der Hausarbeit organisiert. Auf der Web­site der Organisation berichteten in Deutschland lebende und arbeitende Frauen aus verschiedenen Ländern in Form von Text- und Audiobeiträgen über ihre Lebenssituation.

Viele der Beschäftigten, die im Pflegebereich, als Reinigungskräfte oder in der Gastronomie für niedrige Löhne arbeiten, haben keinen legalen Aufenthaltsstatus. Da diese Menschen der ständigen Gefahr ausgesetzt sind, von der Polizei aufgegriffen und abgeschoben zu werden, ist es für sie schwer, öffentlich für ihre Anliegen, wie beispielsweise eine gerechte Entlohnung, einzutreten. Vergangene Woche begann die Kampagne »Legalisierung jetzt!« des gleichnamigen Netzwerks, zu dem sich zahlreiche Migranten­organisationen zusammengeschlossen haben. Zentrale Forderung ist die ….

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Kollegen aus Lampedusa

Die Solidarität mit Flüchtlingen ist in DGB-Gewerkschaften nicht selbstverständlich. Linke Gewerkschafter wollen das ändern.

»Refugees welcome« stand auf ihren T-Shirts und Plakaten. So bekundeten junge Gewerkschaftsmitglieder Anfang Dezember auf dem Jugendforum der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen ihre Meinung. Dass diese auch in den DGB-Gewerkschaften nicht überall geteilt wird, hatten Geflüchtete Anfang Oktober selbst erfahren. »Wir haben die Zentrale des DGB-Landesbezirks Berlin-Brandenburg besetzt, weil wir Solidarität erwarteten. Doch wir wurden geräumt. Zahlreiche unserer Freunde wurden dabei verletzt. Wir saßen stundenlang in Polizeihaft und jetzt erwarten uns Anklagen wegen Hausfriedensbruchs.«

So schilderte ein Mitglied der Besetzergruppe auf einer Veranstaltung in Berlin Anfang Dezember die Erfahrungen mit der DGB-Bürokratie. Diese sei gar nicht träge gewesen, als es darum ging, mit den Vorständen sämtlicher Einzelgewerkschaften den Räumungsbeschluss abzustimmen. Die Forderung der Geflüchteten, den Kontakt mit den Einzelgewerkschaften herzustellen, um sich deren Unterstützung zu versichern, sei angeblich aus organisatorischen Gründen nicht zu erfüllen gewesen. Dass der Geflüchtete aus der Besetzergruppe seine Erfahrungen im großen Saal der Berliner IG Metall vortragen konnte, zeigt allerdings auch, dass nach der Räumung in den DGB-Gewerkschaften die Auseinandersetzungen über die Flüchtlingspolitik zugenommen haben.

In Berlin hatte sich im September auf Initiative des an der Basis arbeitenden Zusammenschlusses »Verdi aktiv« eine Gruppe linker Gewerkschafter für die stärkere Unterstützung der Kämpfe von Geflüchteten eingesetzt. Doch erst nach der Räumung der DGB-Zentrale bekam die Initiative größeren Zuspruch. Die Veranstaltung Anfang Dezember war ihr erster öffentlicher Auftritt.

»Ich bin Flüchtling und Verdi-Mitglied«, sagte auch der zweite Redner der Veranstaltung. Asuquo Udo ist in Nigeria geboren und hat jahrelang in Libyen den Lebensunterhalt für sich und seine Familie verdient. »Der Nato-Krieg hat mich zur Flucht gezwungen«, fügt er hinzu. Über Italien kam er nach Hamburg, wo er sich in der Flüchtlingsselbstorganisation »Lampedusa Hamburg« engagierte. »Wir haben deutlich gemacht, dass wir Teil der Gesellschaft sind«, so Udo. Daher waren er und seine Mitstreiter erfreut, dass der Hamburger Verdi-Sekretär Peter Bremme den Flüchtlingen die Mitgliedschaft auch gegen den Widerstand des Verdi-Vorstands anbot. Auf der Website von »Lampedusa-Hamburg« ist neben den Mitgliedern der Beruf vermerkt, den sie vor der Flucht ausgeübt haben. Für Udo ist das sehr wichtig. »Es zeigte uns nicht als hilfsbedürftige Flüchtlinge, sondern als Kollegen.«

Für die Initiatoren der Berliner Veranstaltung hat die Forderung nach einer Gewerkschaftsmitgliedschaft von Geflüchteten eine antirassistische Komponente. Anna Basten vom Arbeitskreis »Undokumentierte Arbeit«, der Menschen ohne Papiere bei der Durchsetzung ihrer Arbeitsrechte unterstützt, sagt, dass Anträge für den Verdi-Bundeskongress im nächsten Jahr vorbereitet werden, die eine Gewerkschaft von Geflüchteten fordern. Wie die Gewerkschaftsvorstände reagieren werden, ist nicht absehbar. Der Berliner Veranstaltung blieben sie fern. Roland Tremper vom Berliner Verdi-Vorstand hatte zugesagt, nachdem der Termin eigens seinem Kalender angepasst worden war, kam aber trotzdem nicht.

Vielleicht diskutieren manche Verdi-Mitglieder ohnehin lieber über andere Dinge, wenn es um Migration geht. Im Verdi-Bildungszentrum Haus Brannenburg wird ein Seminar mit dem Titel »Der europäische Traum zwischen Migration, Integration und Wertekonsens« angeboten. Der Ankündigung zufolge soll über »Zuwanderungsformen, die Akzeptanzprobleme sowie soziale und kulturelle Verwerfungen« diskutiert werden.

http://jungle-world.com/artikel/2014/50/51080.html

Peter Nowak

»Mit der Räumung nicht einverstanden«

Eine Woche lang hielten Flüchtlinge die Zentrale des DGB Berlin-Brandenburg in Berlin-Schöneberg besetzt. Nach dem Ablauf eines Ultimatums erstattete die Gewerkschaft in der vergangenen Woche Anzeige wegen Hausfriedensbruchs gegen die etwa 20 Besetzer und ließ das Gebäude von der Polizei räumen. Dabei wurden zwei Flüchtlinge verletzt. Anna Basten arbeitet im Arbeitskreis »Undokumentiertes Arbeiten« bei Verdi, der Lohnabhängige unabhängig vom Aufenthaltsstatus berät. Sie hat mit der Jungle World gesprochen und gibt im Interview nur ihre persönliche Meinung wieder.

Small Talk von Peter Nowak

Verlieren undokumentiert arbeitende Menschen angesichts der Räumung nicht das Vertrauen in die Gewerkschaften und in Ihren Arbeitskreis?

Das fragen wir uns auch. Zurzeit haben wir hier noch keine Antwort, wie sich die Räumung auf unsere Arbeit auswirkt.

Sehen Sie in dem Geschehen generell einen Rückschlag für die flüchtlingspolitische Arbeit der Gewerkschaften?

Auf jeden Fall. Wir sind mit der Räumung überhaupt nicht einverstanden und waren auch nicht in die Entscheidung eingeweiht. Einige Mitglieder unseres Arbeitskreises haben die Flüchtlinge besucht und standen mit einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des DGB in Kontakt. Es gab aber keine offizielle Kontaktaufnahme des DGB-Vorstands mit uns.

Es gibt gewerkschaftsinterne Kritik am DGB-Vorstand. Können solche Diskussionen noch etwas bewirken, wenn derart drastisch vorgegangen wurde?

Die Diskussionen müssen für eine Positionierung der Gewerkschaften in der Flüchtlingsfrage genutzt werden. Dabei müsste die Gewerkschaftsmitgliedschaft von Geflüchteten unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus in den Mittelpunkt gerückt werden. Schließlich wurden im vergangenen Jahr bereits 300 Flüchtlinge bei Verdi aufgenommen.

In der Vergangenheit wurde die Mitgliedschaft von Flüchtlingen unabhängig vom Aufenthaltsstatus meist mit Verweis auf die Satzung abgeblockt. Scheitern solche Forderungen weiterhin an gewerkschaftlichen Satzungsfragen?

http://jungle-world.com/artikel/2014/41/50701.html

Interview: Peter Nowak

»Wir spüren Gegenwind«

Im Sommer nahm der Landesbezirk Hamburg der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi 300 Flüchtlinge als Mitglieder auf. Ein Gutachten der Verdi-Bundesverwaltung kam kürzlich jedoch zu dem Ergebnis, dass eine Mitgliedschaft von Flüchtlingen ohne Aufenthaltspapiere gegen die Satzung verstoße. Markus Kip vom »Arbeitskreis undokumentiertes Arbeiten« bei Verdi gehört zu den Initiatoren eines Aufrufs für eine Mitgliedschaft unabhängig vom Aufenthaltsstatus.

Wie hat Ihr Arbeitskreis im Sommer auf die Aufnahme der Flüchtlinge reagiert?

Wir sahen die Aufnahme als einen mutigen Schritt, die Gewerkschaft an ein Thema heranzuführen, dem bislang innerhalb der Organisation zu wenig Beachtung geschenkt wurde.

Welche Reaktionen gab es nun auf den Aufruf, den Ihr Arbeitskreis veröffentlicht hat?

Wir haben eine unerwartet große Resonanz erfahren. Viele Unterstützer drückten in ihren E-Mails ihre Empörung darüber aus, dass es offensichtlich keine Selbstverständlichkeit ist, dass sich Gewerkschaften auf die Seite der Entrechteten und prekär Beschäftigten stellen. Andere drückten Besorgnis aus, dass der in den vergangenen Jahren von Verdi praktizierten Solidarität mit undokumentierten Migranten die Grundlage entzogen werden könnte.

Gab es keine Kritik?

Inzwischen spüren wir auch Gegenwind. Einige können nicht verstehen, dass es reale Zugangsschwierigkeiten für Migranten mit prekärem Aufenthaltsstatus zu gewerkschaftlicher Organisation und Unterstützung gibt. Andere finden unser Vorgehen zu polarisierend

Was sagen Sie zu dem Argument, dass die Satzung der Gewerkschaft die Mitgliedschaft von Geflüchteten nicht vorsieht?

Ob diese Auslegung der Satzung in der Frage der Mitgliedschaft von Flüchtlingen beziehungsweise von Personen ohne Arbeitserlaubnis die richtige oder einzig mögliche ist, muss noch geprüft werden. In jedem Fall zeichnet sie sich durch falsche Annahmen aus.

Fordern Sie eine Satzungsänderung?

Das wird zu überlegen sein. Nun ist uns eine Diskussion zum gewerkschaftlichen Selbstverständnis wichtig angesichts der Tatsache, dass viele Lohnabhängige aus den unterschiedlichsten Gründen und auf den unterschiedlichsten Wegen in dieses Land gekommen sind. Entscheidend für uns als Initiatoren des Aufrufs ist, dass Lohnabhängige sich bei Verdi gewerkschaftlich organisieren können, um ihren Arbeitsrechten unabhängig vom Aufenthaltsstatus Geltung zu verschaffen.

http://jungle-world.com/artikel/2014/01/49075.html

Interview: Peter Nowak