Solidarität mit Flüchtlingen gefordert

Links

[1]

http://infoportalhellersdorf.blogsport.de/2013/09/09/npd-tour-durch-marzahn-hellersdorf-am-mittwoch/

[2]

http://solidaritaet-statt-rassismus.kritnet.org/

[3]

https://www.facebook.com/DieLetzteMeileLaufenWir

[4]

http://www.taz.de/!123382/

[5]

http://www.taz.de/Brennpunkt-besetzte-Schule-/!123164/

[6]

http://www.taz.de/Besetztes-Fluechtlingshaus-in-Kreuzberg/!123163/

[7]

http://gruene-xhain.de/bezirk/bezirksamt/hans-panhoff.html

[8]

http://refugeestruggle.org

[9]

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/protestmarsch-von-asylbewerbern-in-bayern-fluechtlinge-verschanzen-sich-in-gewerkschaftshaus-1.1761914

[10]

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/nach-frist-der-gewerkschaft-fluechtlinge-wollen-dgb-haus-raeumen-1.1766676

Zweiklassen-System am Gymnasium

Ein Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat den Gegnern der verkürzten Gymnasialausbildung neue Argumente geliefert. Die Richter wiesen die Klage eines 16-jährigen G8-Gymnasiasten aus Frankfurt am Main ab, der mit einem Hauptschulabschluss entlassen wurde und gerichtlich einen Realschulabschluss durchsetzen wollte. Die Richter stellten in der Urteilsbegründung dem Gesetzgeber frei, G8- und G9-Schüler unterschiedlich zu behandeln.

Die stellvertretende Landesvorsitzende der hessischen GEW, Birgit Koch, sieht sich durch das Urteil, das faktisch ein Zweiklassensystem im Gymnasium rechtfertigt, in ihrer ablehnenden Haltung gegen das Abitur nach 12 Schuljahren bestätigt. Ihr Argument »Gute Bildung braucht Zeit« teilen auch die Initiatoren des von Lehrern, Schülern und Bildungsexperten unterzeichneten »Marburger Bildungsaufrufs«. Schüler bräuchten Zeit für ihre persönliche Entwicklung, anstatt durch die Schule gehetzt zu werden, wird darin der verkürzten Gymnasialausbildung eine Absage erteilt. Das G8-Projekt, für das sich die schwarz-gelbe Landesregierung in Wiesbaden seit Jahren einsetzt, wird in den Kontext einer weiteren Ökonomisierung des Bildungswesens gestellt. Diese sieht in Schulen primär Wirtschaftsunternehmen und in Schülern Humankapital. Der Aufruf aus Marburg spricht sich dagegen für eine demokratische Bildung unter Beteiligung aus.

Das Dilemma für die Verteidiger einer anderen Bildungspolitik besteht allerdings darin, dass der derzeitige Schulstress schon ohne das G8 wenig Zeit für Bildungsstreiks und -proteste lässt. Es sei denn, die Situation wird für die Betroffenen so unerträglich, dass sie nicht mehr bereit sind, diese Zustände hinzunehmen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/830411.zweiklassen-system-am-gymnasium.html

Peter Nowak

„Die kamen, haben zugeschlagen und sind wieder heimgefahren.“

Die Kritik am Verhalten der Polizei bei der Verhinderung der Blockupy-Demonstration am 1.6. wird lauter. Doch wer hat die politische Verantwortung?

Nach der Verletzung des Demonstrationsrechtes für tausende Menschen kommt das Land nicht zu Ruhe. Täglich gibt es Proteste in allen Teilen des Landes, bei denen der Sturz der Regierung gefordert wird. Dabei handelt es sich um Szenen aus der Türkei. In Deutschland blieben die Reaktionen auf die ebenfalls am vergangenen Samstag von der Polizei verhinderte Blockupy-Demonstration sehr zurückhaltend. Obwohl fast alle Medien das Vorgehen der Polizei kritisieren und bestreiten, dass vonseiten der Demonstranten Gewalt ausgeübt wurde, gab es keine große gesellschaftliche Diskussion über das Geschehen. Schon am Dienstag spielten die Ereignisse von Frankfurt nur noch eine kleine Rolle in der Medienberichterstattung.


„Der Schwarze Block war bunt“

Dabei mangelte es nicht an aktuellen Meldungen, die als Grundlage für die Berichterstattung hätten diesen können. Täglich werden Augenzeugenberichte aus unterschiedlichen Teilen der gewerkschaftlichen, bürgerrechtlichen und zivilgesellschaftlichen Bewegung veröffentlicht. Die inhaltliche Stoßrichtung gleicht sich.

So heißt es in einem von Wissenschaftlern, Ärzten und Gewerkschaftern unterzeichneten offenen Brief gegen die Ausgrenzung gesellschaftlicher Opposition durch Polizei und Teile der Medien:

„Der ’schwarze‘ Block war bunt. Die ‚Vermummung‘ bestand vor allem aus Sonnenbrillen und Regenschirmen. Der unmittelbare Vorwand der Einkesselung von über 1.000 Personen über insgesamt 9 Stunden war das Abbrennen von 3 bengalischen Feuern.“

Auch über das Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten äußern sich die Verfasser des Offenen Briefes kritisch:

„Vor unseren Augen ist Menschen ohne Vorwarnung, ohne Beteiligung an einer Rangelei o.ä. und ohne, dass eine Gefahrensituation vorgelegen hätte, Pfefferspray aus unmittelbarer Nähe direkt ins Gesicht gesprüht worden (über die Erblindungsrate der Pfefferspray Wirkung wird derzeit diskutiert, Anm. d. A.). Vor unseren Augen sind wehrlose Demonstranten misshandelt worden, indem ihnen bspw. der Kopf nach hinten gezogen und Mund und Nase zugehalten worden ist. Einige brachen daraufhin zusammen. Sie sind nur Dank der Initiative von Teilnehmer der Demonstration versorgt worden. Vor unseren Augen ist Menschen, die an Armen und Beinen zur Personalienfeststellung davon getragen wurden, von den sie tragenden Polizisten in die Seite und in den Unterleib getreten worden.“

Aus dem Kreis der Unterzeichner des Offenen Briefes, die die die Geschehnisse um die Blockupy-Demonstration stundenlang beobachtet und dokumentiert haben, kommt auch die Initiative für eine Onlinepetition.

Die im dem Brief formulierten Beobachtungen decken sich auch mit dem Bericht der Demosanitäter, die von über 100 Verletzten während der Räumung des Kessels sprechen. Auch der Geschäftsführer der zivilgesellschaftlichen Stiftung Ethecon hat in einem persönlichen Bericht über die Ereignisse auf der Demonstration von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei gesprochen. Das Komitee für Grundrechte, das mit zahlreichen Demobeobachtern vor Ort war, kommt zu einem ernüchternden Resultat:
„Auch dieses Jahr kein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit in der Stadt Frankfurt.“

Gewerkschaftlicher Protest

Harald Fiedler, der Vorsitzende des DGB-Rhein-Main, der nicht zur Blockupy-Demonstration aufgerufen hat, äußert sich ebenfalls kritisch zur Polizeistrategie und deutet am Ende der kurzen Erklärung sogar an, dass de DGB eine Teilnahme bei der nächsten Blockupy-Aktion in Erwägung zieht.

Wer das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit, so wie am Wochenende geschehen, einenge, der dürfe sich nicht wundern, dass immer mehr Menschen gegen die Willkür von Banken und Herrschenden und deren Politik aufstehen und bei der nächsten Blockupy Demonstration dabei sind. Der DGB, so Fiedler, werde dies in seinen eigenen Reihen bewerten.

In einer Erklärung von verdi-Hessen wird vor allem die Einschränkung von Presseleuten bei der Demonstration moniert. Der Vorsitzende der hessischen GEW Jochen Nagel berichtet in einem Brief, wie er selber Opfer einer Polizeiattacke wurde und kommt zu dem Fazit.

„Die Polizeiführung wollte damit eine Eskalation provozieren, um diese dann nachträglich als Legitimation für ihre Verhinderung einer legalen Demonstration auf der gerichtlich bestätigten Route benutzen zu können.“

Nach Informationen der Frankfurter Rundschau gibt es selbst bei der Polizei Kritik am Vorgehen gegen die Demonstration. Danach habe ein Mitglied einer Spezialeinheit das Vorgehen seiner Kollegen mit den Worten kommentiert: „Die kamen, haben zugeschlagen und sind wieder heimgefahren.“

In einem Brief an den hessischen Innenminister Boris Rein spricht der Arzt Joachim Dlugosch von einem vorher geplanten Angriff der Polizei. Mittlerweile mehren sich die Stimmen, die die Verantwortung für den Einsatz im hessischen Innenministerium sehen. Dort sei die Polizeistrategie festgelegt und auch jeder Kompromiss mit den Demonstranten verhindert worden. Rücktrittsforderungen kommen bisher nur von den Jusos und der Linkspartei. Die fordert Meinungsfreiheit in Istanbul und Frankfurt/Main.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154400
Peter Nowak

Schockstrategie in Griechenland

In Berlin berichtete die Schulleiterin Alexandra Ioannidou, wie sich die Krise auf das Bildungssystem auswirkt
Auf Einladung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) berichtet eine Athener Schulleiterin in Berlin, wie in der Krise das Bildungssystem in Griechenland zerstört wird.
Nur knapp ein Dutzend Zuhörerkamen am Montagabend ins Büro der Berliner GEW zum Vortrag der Athener Pädagogin Alexandra Ioannidou. Er hätte mehr Aufmerksamkeit verdient. Denn Ioannidou beschrieb sehr anschaulich die Folgen der Troika-Programme für das griechische Bildungssystem.
„Was sich in den letzten Monaten abspielt, könnte durchaus ‚die Chronik eines angekündigten Todes‘ genannt werden“, erklärte die Referentin. Der Anteil der Bildungsausgaben sei in Griechenland in den letzten 3 Jahren von 3 auf 2, 3 % des Bruttosozialprodukts zurückgefallen. Die Folgen sind vor allem für Kinder aus einkommensschwachen Familien erschreckend. Klassenräume, die für maximal 30 Kinder ausgestattet sind, werden mittlerweile von bis zu 40 Schülern belegt. Viele Fächer fallen ganz aus, weil die Lehrer fehlen. In einer besonders armen Gegend im Norden Griechenland mussten während der Wintermonate die Schulen sogar bei Temperaturen unter Null Grad schließen. Weil kein Geld für Heizöl vorhanden war, blieben die Klassenräume ungeheizt. Schüler aus abgelegenen Dörfern haben oft keine Möglichkeit mehr die Schule zu besuchen. Aus Geldmangel haben die Kommunen die Bustransporte abgeschafft. Selbst der Hunger hat wieder in griechischen Schulen Einzug gehalten. Betroffen sind dabei vor allem Bildungseinrichtungen in ärmeren Stadtteilen der griechischen Großstädte.
Die ersten Meldungen über Schüler, die ohne Frühstück zum Unterricht kommen und sogar ohnmächtig werden, hätte die Regierung noch mit dem Kommentar reagiert, dass sei linke Propaganda, erklärt Ioannidou. Doch nachdem sich diese Vorfälle häuften, habe die Regierung einräumen müssen, dass die Angaben den Tatsachen entsprechen. Mittlerweile werde an bestimmten Problemschulen Essen ausgegeben, damit die Schüler den Unterricht folgen können. Vorteile hätten die Menschen, die auf dem Land wohnen. Weil dort Nahrung angebaut wird, sei zumindest der Hunger dort noch unbekannt. Nicht wenige Menschen, die in den Städten ihre Arbeit verloren, sind deshalb mittlerweile wieder auf das Land gezogen. Für die Kinder der Binnenflüchtlinge bedeutet das oft den Schulabbruch. Der habe in den letzten Jahren stark zugenommen. Die hingen meist mit den Auswirkungen der Krise zusammen. Junge Leute ohne Geld und Perspektive verlassen die Schule ohne Abschluss, um als Kellner oder Taxifahrer wenigstens etwas Geld zu verdienen. Andere sehen ihre Zukunft nicht mehr in Griechenland. Viele hoffen in den EU-Ländern, vor allem in Deutschland, auf eine besser bezahlte Arbeit.
Neben der desolaten sozialen Situation macht Ioannidou der rasante Aufstieg der faschistischen Goldenen Morgenröte besonders große Sorgen. Selbst in den Schülerverwaltungen hätten die Neofaschisten, die aus ihrer Begeisterung für Hitler keinen Hehl machen, ihren Einfluss ausgebaut. Viele Lehrer seien verunsichert, wie sie mit der ansteigenden faschistischen Welle unter den Jugendlichen umgehen sollen, betont Ioannidou. Für zusätzliche Unruhe unter den Lehrern sorgt ein Gesetz der Regierung, nachdem alle Beamten suspendiert werden, wenn gegen sie juristische ermittelt wird. Sollte keine Anklage erhoben werden, können sie wieder in ihren Beruf zurück. Doch das kann Jahre dauern. So wurde eine Lehrerin vom Dienst suspendiert, die von einem Mitglied der Neofaschisten angezeigt wurde, weil albanische Kinder Flaggen ihres Heimatlandes im Malunterricht zeichneten.
Ioannidou spricht in Bezug auf die Zerstörung des griechischen Bildungswesens von einem Schockstrategie, mit der die Etablierung von Privatschulen vorangetrieben wird, auf die die wohlhabenden Eltern ihre Kinder schicken würden. Schockstrategie hieß es auch der Bestseller der globalisierungskritischen Publizistin Noami Klein. Dort beschrieb sie am Beispiel von Chile und anderen Ländern, wie ein Katastrophen-Kapitalismus ganze Länder reif für die neoliberale Unterwerfung geschossen hat. Wenn man Ioannidou zuhört, könnte man denken, dass sich dieses Szenario in Griechenland dieser Tage wiederholt, nicht nur im Bildungswesen.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/817125.schockstrategie-in-griechenland.html
Peter Nowak

Bafögantragstau – oder wie die Krise in Deutschland ankommt

Mit der Agenda 2020 soll der Sozialstaat auf allen Gebieten weiter abgebaut werden

Ende Dezember 2012 hat die Berliner GEW-Vorsitzende Sigrid Baumgardt in einer Pressemitteilung Alarm geschlagen. Weil die Bafög-Anträge von Tausenden Schülern und Studierenden trotz rechtzeitiger Abgabe noch nicht bearbeitet worden sind, sei die Situation der Betroffenen dramatisch. Viele wissen nicht, wie sie die nächste Miete bezahlen sollen. Zudem haben sich viele Betroffene verschuldet. Denn von den Abschlagszahlungen, die nur 80 Prozent des Bafög betragen, kann kaum jemand über die Runden kommen. Die Berliner GEW forderte, dass zumindest diese Abschläge unbürokratisch weiter gewährt werden muss, ohne dass die Betroffenen weitere Anträge steellen müssen.

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Bafög-Stau auflösen

Kurz vor Weihnachten hat die Berliner GEW-Vorsitzende Sigrid Baumgardt in einer Pressemitteilung Alarm geschlagen. Weil die Bafög-Anträge von Tausenden Schülern und Studierenden trotz rechtzeitiger Abgabe noch nicht bearbeitet wurden und die bisher gewährten Vorab-Abschlagszahlungen Ende Dezember auslaufen, sei die Situation der Betroffenen dramatisch.

Es ist völlig richtig, wenn die GEW nun fordert, dass zumindest der Abschlag unbürokratisch über die vier Monate hinaus gewährt werden muss, ohne dass die Betroffenen weitere Anträge stellen müssen. Viele wissen nicht, wie sie die nächste Miete bezahlen sollen. Zudem haben sich viele Betroffene verschuldet. Denn von den Abschlagszahlungen, die nur 80 Prozent des Bafög betragen, kann man kaum über die Runden kommen.

Der Bafög-Stau ist aber keine Frage persönlichen Versagens einzelner Behördenmitarbeiter, sondern die Folge des politisch gewollten Personalabbaus im öffentlichen Dienst, der sich in Zeiten der Schuldenbremse noch verstärken dürfte. Die Folgen sind verstärkter Stress bei den verbliebenden Beschäftigten, der bis zum Burnout führen kann, und eine Verschlechterung der Service-Leistungen, wofür der Bafög-Stau nur ein Beispiel ist. Eine Anfrage der bildungspolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Regina Kittler, ergab, dass allein im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf noch 2700 bis 3000 Anträge auf Schüler-Bafög und etwa 600 aus dem Auslandsförderbereich unbearbeitet sind. Das Bafög-Amt Charlottenburg-Wilmersdorf ist für sieben Bezirke zuständig und seit Oktober geschlossen, um den Abarbeitungsstau zu beheben.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/808847.bafoeg-stau-aufloesen.html
Peter Nowak

Deutschland kann von russischen Bildungserfolgen lernen

Nicht alle wollen in das Lob auf die deutsche Bildungspolitik einstimmen

Die meisten deutschen Bildungspolitkern lobten die beiden Grundschulstudien IGLU und TIMMS, die am Dienstag vorgestellt wurden. Sie sahen diese Studien als Beweis, dass die deutsche Bildungspolitik auf dem richtigen Weg ist. Weniger euphorische Stimmen kamen dagegen kaum durch.

Licht und Schatten

Ausgewogen war die Stellungnahme der Bildungsgewerkschaft GEW:

„Die gute Nachricht: Viertklässler in Deutschland zeigen im internationalen Vergleich überdurchschnittliche Leistungen in Deutsch, Mathematik und Naturwissenschaften. Die schlechte Nachricht: In der Tendenz gehen die Leistungskurven nach unten, die Zahl der Risikoschüler hat gegenüber 2006 zugenommen.“

So die Erklärung der Stellvertretenden GEW-Vorsitzenden Marianne Demmer. Sie kritisierte, dass fast sämtliche Bildungspolitiker die Ergebnisse der Studie schönreden würden. Die gewerkschaftliche Bildungsexpertin bewertete es als Alarmsignal, dass der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit schwachen Leistungen unter Kompetenzstufe III gegenüber 2006 von 13, 2 auf 15,4 Prozent angewachsen ist. Gleichzeitig sei der Anteil der Spitzenleser im letzten Jahr von 10,8 auf 9,5 Prozent in 2011 gesunken.

„Schwarzer Tag für die deutsche Bildungspolitik“

Wesentlich kritischer als die GEW bewertet der Bildungsexperte des Deutschlandfunks Manfred Götzke die Studie und spricht in einem Kommentar gar vom „Schwarzen Tag für die deutsche Bildungspolitik“.

Wie Demmer bewertet auch er als Alarmsignal, dass der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit schwachen Leistungen unter Kompetenzstufe III gegenüber 2006 wieder angewachsen ist. Anders als alle die Bildungspolitiker, die nach der Studienveröffentlichung das Selbstlob über die so erfolgreiche deutsche Bildungspolitik gar nicht laut genug formulieren konnten, hält es Götzke auch nicht für naturgegeben, dass 15 Prozent der Viertklässler nicht richtig lesen können, wenn sie die Grundschule verlassen, weswegen der Anteil der Analphabeten in Deutschland weiter auf hohem Niveau ist.

Die russische Bildungspolitik hat gezeigt, dass solche Daten durchaus veränderbar sind. Vor zehn Jahren haben dort auch 20 Prozent der Kinder die Grundschule verlassen, ohne richtig lesen zu können. Heute liegt der Anteil bei acht Prozent und Russland ist IGLU-Spitzenreiter.

Götzke erinnert auch daran, dass die Studie das bürgerliche Bildungsmonopol in Deutschland erneut bestätigt hat. Kinder aus bildungsnahen Familien sind Kindern aus bildungsfernem Milieu in Mathematik und Lesekompetenz fast ein Jahr voraus. Selbst wenn Arbeiterkinder gute Noten haben, bekommen sie oft keine Gymnasialempfehlung. Kinder eines Arztes oder eines Rechtsanwaltes haben eine dreimal so große Chance, eine Gymnasialempfehlung zu bekommen, wie die Kinder von Handwerkern. In den 70er Jahren hatte es sich eine Reformpädagogik zum Ziel gesetz , mit Gesamt- und Kollegschulen das bürgerliche Bildungsprivileg abzubauen. Diese Bemühungen wurden schnell zurechtgestutzt und abgebogen.

Der Bildungsforscher Wilfried Bos vom Institut für Schulentwicklungsforschung an der Dortmunder Universität relativiert den hochgelobten Fortschritt bei der Bildung von in Deutschland lebenden Kindern mit Migrationshintergrund. Obwohl Migrantenkinder in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt hätten, ist der Leistungsvorsprung der Kinder aus Familien ohne Migrationshintergrund weiterhin erheblich, betont Bos.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/153351
Peter Nowak

„Berlin spürt die Folgen der Krise“

Doro Zinke ist Vorsitzende des DGB, Bezirk Berlin-Brandenburg. Der Gewerktschaftsbund ruft am 14. November um 14 Uhr auf dem Pariser Platz unter dem Motto „Nein zur sozialen Spaltung Europas“ zu einer Solidaritätskundgebung mit den Generalstreik auf, zu dem an diesen Tag Gewerkschaften in Italien, Spanien, Portugal, Malta, Zypern und Griechenland gegen die europäische Krisenpolitik aufrufen. Auf dieser Kundgebung spricht auch eine Vertreterin des Griechenlandsolidaritätskomitees, in dem zahlreiche linke Gruppen vertreten sind. Das Bündnis organisiert eine Demonstration, die im Anschluss an die DGB-Kundgebung um 16:30 auf dem Pariser Platz unter dem Motto „Gemeinsam gegen die Krise kämpfen“ beginnt.

Der DGB ruft am heutige Mittwoch zu einer Solidaritätskundgebung für die von der Eurokrise gebeutelten EU-Länder auf. Warum?

taz: Frau Zinke, was sind die konkreten Forderungen des DGB-Berlin-Brandenburg?
Doro Zinke: Die EU konzentriert sich einseitig auf die Ökonomie, die Europäische Union braucht aber auch ein soziales Gesicht: dazu gehören Beschäftigungsprogramme für Jugendliche genauso wie eine intensive Bekämpfung des Lohndumping europaweit und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Damit können auch öffentliche Dienstleistungen bezahlt werden, die ein Stück Lebensqualität sichern helfen.

In dem Aufruf wird auch vor der Einschränkung von Gewerkschaftsrechten gewarnt. Gibt es dafür Beispiele und gibt es die auch in Deutschland?
In Spanien und Griechenland werden die Gewerkschaftsrechte eingeschränkt und in Großbritannien der Gang zum Arbeitsgericht für Beschäftigte erschwert. Die Einführung des Niedriglohnsektors in Deutschland drückt auf die Löhne und damit auf die Tarifpolitik der Gewerkschaften. Das ist eine subtile Form von Einschränkung, die sich natürlich auch in Berlin auswirkt.

Hat der sich in den letzten Jahren in Deutschland massiv entwickelnde Niedriglohnsektor nicht mit zur Krise in Europa beigetragen?
Der Niedriglohnsektor führt zur Lohndrückerei. Wer jahrzehntelang für wenig Geld schuften musste, kann kaum etwas zusätzlich für die Rente ansparen. So wird Altersarmut programmiert. Leben am Rande des Existenzminimums verletzt die Menschenwürde! Wenn ich die Aufstockung meines Lohnes durch Steuergeld benötige, zeigt das das Dilemma auf: wir Steuerzahler subventionieren Jobs und Geringverdienern wird das Gefühl vermittelt, ihre Arbeitskraft sei nichts oder nur wenig wert.


Wie stark ist bei den DGB-Mitgliedern das Bewusstsein einer Notwendigkeit der Solidarität mit Streiks in anderen EU-Ländern?

Der DGB hat acht Mitglieder: die Einzelgewerkschaften. Deren Mitglieder haben in vielen Fragen fast genau so unterschiedliche Bewusstseinslagen wie der Rest der Bevölkerung. Die meisten Menschen in Deutschland können sich gar nicht vorstellen, was die Politik der Troika in Griechenland bedeutet: dass Tarifverträge außer Kraft gesetzt werden, der Arbeitgeber einseitig Lohnkürzungen vornehmen darf, kein Geld mehr da ist für Milch für die Kinder, Renten halbiert wurden. Und dass alle diese Schweinereien an der Verschuldung des Landes nichts ändern, sondern das Land immer stärker an den Rand des Abgrunds treibt.

Im Anschluss an die DGB-Kundgebung plant ein linkes Bündnis eine Solidaritätsdemonstration. Gibt es Kontakte zu beiden Aktionen?
Ein Vertreter des Griechenland-Solidaritäts-Komitees wird auf der DGB-Kundgebung sprechen und eine Gewerkschaftskollegin auf der Abschlusskundgebung der Solidaritäts-Demonstration.

Soll die Kundgebung der Beginn weiterer Solidaritätsaktionen mit den KollegInnen in anderen europäischen Ländern sein?
Das können wir jetzt noch nicht sagen. Es hängt davon ab, was unsere internationalen Organisationen von uns erwarten und die deutschen Gewerkschaften für realistisch halten.
Interview: Peter Nowak

Schlecht beraten

»Gewerkschaften und Studierende: Passt das überhaupt zusammen? Wir meinen schon.« Diese Überzeugung der Freiburger DGB-Hochschulgruppe ist noch im Internet zu finden. Doch mittlerweile muss man sich die Frage stellen, ob eine emanzipatorische studentische Politik und der DGB-Apparat zusammenpassen. Denn der DGB-Südbaden hat die Campusgruppe aufgelöst, nachdem diese ein Sprecherduo gewählt hatte, ohne den zuständigen DGB-Sekretär Jan Wieczorek um Erlaubnis zu bitten. Zudem hatte die gewerkschaftlich orientierten Studierenden nach Angaben eines Gruppenmitglieds beschlossen, dass der DGB-Sekretär nicht mehr Rederecht als andere in der Gruppe haben soll.
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Der Konflikt kündigte sich an, als Wieczorek einen von der Campusgruppe vorbereiteten Flyer, der in satirischer Form die prekären Beschäftigungsverhältnisse an der Uni aufspießte, ablehnte, weil er »in dieser Form dem DGB schadet«. Nähere Begründungen erhielt die Unigruppe nach Angaben eines Mitglieds nicht.

In einem Gespräch mit dem Freiburger Radio Dreyeckland verteidigte der DGB-Vorsitzende Südbaden-Hochrhein Jürgen Höffin die Auflösung vehement. Er sieht auch nachträglich keinen Raum für ein von den Studierenden vorgeschlagenes klärendes Gespräch. Auch einen Offenen Brief der Gruppe wollte er nicht beantworten. Schließlich habe er einzelnen Mitgliedern den Standpunkt des DGB klar vermittelt. Die Campusgruppe habe sich mit der eigenmächtigen Wahl ihrer Sprecher nicht an die Grundsätze des DGB gehalten, die im übrigen auch für Erwerbslosen- und Seniorengruppen des DGB gelten. Es könne schließlich nicht angehen, dass jedes studentische DGB-Mitglied eine Gruppe unter diesem Label gründe.

Ob der DGB-Apparat gut beraten ist, die wenigen überzeugten Gewerkschafter an den Hochschulen abzuwürgen? Studierende, die sich am Campus für den DGB einsetzen, sind eine absolute Minderheit. Dabei wäre angesichts der prekären Arbeitsbedingungen dort eine kämpferische Gewerkschaftspolitik notwendig. Wäre es nicht eine gute Gelegenheit, die auch im DGB diskutierten Grundsätze von Selbstermächtigung und Basisdemokratie einfach umzusetzen?
http://www.neues-deutschland.de/artikel/233706.schlecht-beraten.html
Peter Nowak

Fiskalpakt – tickende Zeitbombe für Europa?

Auch in Deutschland wächst der Widerstand gegen den Sparkurs der Regierung

So hat im Vorfeld des 1.Mai der DGB die Kritik an dem Fiskalpakt verschärft, der in vielen europäischen Ländern schon lange für Widerstand sorgte. Soziale Initiativen und Gewerkschaften kritisierten dabei häufig den inaktiven DGB, der sich bisher kaum mit Protest an der EU-Politik profiliert hat. Zumindest verbal haben sich die Gewerkschaften in den letzten Wochen stärker von Merkels Europakurs in der Wirtschaftspolitik distanziert. Unter dem Motto „Den Fiskalpakt stoppen“ mobilisiert die verdi-Jugend nun gegen den Pakt:

„Damit würde nicht nur das Recht, den eigenen Haushalt zu gestalten, massiv eingeschränkt und teilweise auf die EU-Kommission übertragen. Er würde zusätzlich den Druck erhöhen, mehr Sozialabbau durchzusetzen, Löhne im öffentlichen Sektor zu senken und öffentliche Investitionen zurückzufahren.“

Auch der verdi-Vorsitzende Frank Bsirske nennt den Pakt undemokratisch und bezeichnet ihn als „tickende Zeitbombe“ für Europa. Ob den starken Worten, an denen es von DGB-Funktionären um den 1.Mai herum bekanntlich nie mangelt, Taten folgen, wird sich zeigen. Unter dem Titel „Europa neu begründen“ hat Bsirske gemeinsam mit Wissenschaftlern einen Aufruf verfasst. Andere Gewerkschafter wollen es nicht bei papierenen Protest belassen und mobilisieren zu den Blockuppy-Protesten Mitte Mai in Frankfurt/Main.

Soziale Frage auch auf Demo in Kreuzberg im Zentrum

Auch am 1.Mai stand der Widerstand gegen das EU-Spardiktat in Berlin im Zentrum verschiedener Bündnisse. Auch auf der Demonstration, die um 18 Uhr in Kreuzberg startete, stand das Thema sozialer Proteste im Mittelpunkt. Schon rein optisch entsprach sie nicht dem Bild vom autonomen „schwarzen Block“, das in vielen Medien vorherrscht. Der Großteil der über 20.000 Teilnehmenden war eher sommerlich und bunt gekleidet.

Erstmals nahm auch ein Block der verdi-Jugend an der Demonstration teil, die mit ihrer Route in die Mitte Berlins den Ruf loswerden wollte, nur auf den Kreuzberger Kiez fixiert zu sein. Die Veranstalter werteten die große Teilnehmerzahl und die wachsende Beteiligung sozialer Initiativen und gewerkschaftlicher Gruppen als Erfolg einer zunehmenden Abwendung von autonomer Szenepolitik. Auch die schon ritualisierte Debatte um Steinwürfe hat an Bedeutung verloren. Deswegen gibt es auch wenig Verständnis für die Beschädigung einer leeren Polizeikabine vor dem Jüdischen Museum, dem wohl ungeeignetsten Ort, um in Berlin gegen die Polizeipräsenz zu protestieren.

Die Polizei nutzte die Beschädigungen, um die Demonstrationen aufzulösen. Es ist auch dem besonnenen Verhalten der Demonstrationsorganisatoren und nicht nur der von Innensenator Frank Henkel gelobten Polizeitaktik geschuldet, dass es im Anschluss nicht zu großen Straßenschlachten gekommen ist. Ein Großteil der 138 Festgenommen dürfte, wie in den Vorjahren, eher durch das vom Bezirk gesponserste Kreuzberger Maifest alkoholisiert, als durch die Demonstration politisiert worden sein.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151912
Peter Nowak

Quasi soziale Selektion

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat unlängst die schlechten Karriere- und Verdienstmöglichkeiten im Wissenschaftsbetrieb kritisiert. »Wir brauchen eine Reform der Karrierewege und eine Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen«, erklärte der Hochschulexperte der GEW Andreas Keller bei einer Anhörung im Bundestag. Die Kritik ist berechtigt. In der vielzitierten Wissensgesellschaft sind junge Akademiker zunehmend damit konfrontiert, sich von einem schlecht oder gar nicht bezahlten Projekt zum Nächsten zu hangeln und auf eine Festanstellung zu hoffen. Andererseits gibt es durchaus Beispiele, dass auch ohne offizielle Weihen Wissenschaft möglich ist. Bundesweit existieren selbstverwaltete Institute. Doch auch für diese gilt: In der Regel wird un- oder unterbezahlt gearbeitet wird. Wer auf ein regelmäßiges Einkommen angewiesen ist, wird sich daher eher selten in diesen Strukturen etablieren. Übrig bleiben die Wissenschaftler, die anderweitige Möglichkeiten haben, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Das wiederum führt zu einer quasi sozialen Selektion. So besteht gerade in alternativen Wissenschaftsstrukturen das Dilemma, dass Akademiker aus dem Arbeitermilieu nicht besonders häufig zu finden sind, weil sie sich die unbezahlte Arbeit nicht leisten können. Auch in linken Wissenschaftskreisen wäre es daher wichtig, sich die Bedeutung des gewerkschaftlichen Engagements in Erinnerung zu rufen. Während es vor einigen Jahrzehnten Studierendengruppen gab, die auf die Bezeichnung »gewerkschaftliche Orientierung« bestanden, sehen es heute sogar manche linken Wissenschaftsarbeiter als karriereschädigend an, sich zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen an eine Gewerkschaft wenden.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/223907.quasi-soziale-selektion.html
Peter Nowak

Hände weg vom Streikrecht !

Wirtschaft & Soziales Linke müssen die kämpferischen Teile des DGB und die Spartengewerkschaften unterstützen

Ende Februar 2012: Kaum war Joachim Gauck von einer ganz großen Koalition für das Bundespräsidentenamt vorgeschlagen worden, wurde in allen Medien über seinen Freiheitsbegriff debattiert. Kaum jemand wies jedoch darauf hin, dass just in diesen Tagen ein Frankfurter Gericht den Ausstand der Gewerkschaft der Fluglotsen (GdF) am Frankfurter Flughafen mit juristischen Mitteln unterdrückte. Erst wurde ein Solidaritätsstreik der Towerfluglotsen, zu dem die GdF aufgerufen hatte, verboten, dann der Streik der Fluglotsen selber.
Damit wurde wieder einmal deutlich, dass in Deutschland das Streikrecht Richterrecht ist. Weil im Grundgesetz lediglich die Koalitionsfreiheit, nicht aber ein Streikrecht erwähnt wird, kann jeder Richter ziemlich frei auslegen, wann ein Ausstand verhältnismäßig ist und wann nicht. Dies machen sich die Arbeitgeberverbände zunutze, indem sie bestrebt sind, über die Rechtmäßigkeit eines Streiks von jenen juristischen Kammern entscheiden zu lassen, die als besonders unternehmensfreundlich gelten.
Obwohl das Streikverbot am Frankfurter Flughafen deutlich machte, dass die gegenwärtige Rechtslage im Zweifel immer im Sinne der Unternehmerseite ausgelegt wird, wurde zeitgleich von Konzernverbänden, Medien und PolitikerInnen für eine Verschärfung des Streikrechts getrommelt. An dieser Kampagne beteiligten sich auch führende VertreterInnen der DGB-Gewerkschaften. Das erscheint auf den ersten Blick paradox, lässt sich aber einfach erklären: Die DGB-Gewerkschaften bekommen mit Branchen- und Spartengewerkschaften in vielen Bereichen eine ernsthafte Konkurrenz.
»Was die GdF fordert, ist eine völlig inakzeptable Erhöhung der Gehälter. Darauf können wir nicht eingehen, weil es gegenüber den anderen 20.000 Beschäftigten nicht vertretbar ist«, erklärte der Fraport-Arbeitsdirektor und langjährige ÖTV-Gewerkschaftsfunktionär Herbert Mai. Fast wortgleich argumentierte ver.di-Sekretär Gerold Schaub. Er warf der GdF vor, mit ihren Tariforderungen den Betriebsfrieden zu gefährden. Auch die Betriebsratsvorsitzende Claudia Amier machte sich im Gespräch mit der Financial Times Sorgen um das Unternehmen: »Eine kleine Gruppe von Beschäftigten nutzt ihre Monopolstellung aus, um Entgelte zu erzielen, die weit über jedes Maß hinausgehen und völlig unverhältnismäßig sind.«
Damit wird ein reales Problem angesprochen. Wenn sich die kampfstarken Teile der Belegschaft selbstständig machen und nur noch für ihre Interessen streiken, könnten die Teile der Belegschaft, die nicht die Möglichkeit haben, durch einen Ausstand die Produktion lahmzulegen, das Nachsehen haben. Es wird die Herausforderung einer linken Gewerkschaftspolitik sein, eine solche Verallgemeinerung von Kämpfen trotz der zunehmend unübersichtlichen Arbeitsverhältnisse und des restriktiven deutschen Streikrechts umzusetzen.
Der völlig falsche Weg ist es aber, wenn DGB-FunktionärInnen mit Verweis auf die Spartengewerkschaften einer Verschärfung des Streikrechts und der Ausgrenzung ungeliebter KollegInnen das Wort reden. Der Berliner Basisgewerkschaftler Willi Hajek, der im letzten Jahr das »Komitee für Gewerkschaftsfreiheit« mitgegründet hat und im Umfeld des 1. Mai 2011 von Repressionen bedrohte GewerkschafterInnen aus Italien, Frankreich, Polen und Spanien nach Berlin eingeladen hatte, sieht denn auch in der Haltung der DGB-FunktionärInnen den Versuch, das Monopol bei der Vertretung der Arbeitnehmerinteressen zu behalten. Da wird dann notfalls beim Gesetzgeber Unterstützung gesucht.
Dabei haben es sich die DGB-Gewerkschaften in der Regel selber zuzuschreiben, wenn sich in einer Branche Spartengewerkschaften bilden, erklärt Hajek mit Verweis auf die Situation am Frankfurter Flughafen. Die Flughafengesellschaft sei seit Jahren »ein Musterbeispiel für die Kungelei und den Filz zwischen Leitung, Betriebsrat und Gewerkschaften, die an die Zustände bei VW erinnern«. Aus diesem Milieu entspringt sowohl ein Peter Hartz als auch ein Herbert Mal.
Aber es gibt natürlich auch in den DGB-Gewerkschaften, vor allem an der Basis und im Mittelbau, andere Kräfte. Eine linke Antwort auf die Versuche, das Streikrecht zu verschärfen, hieße daher, sowohl diese kämpferischen Teile der DGB-Gewerkschaften als auch die Sparten- und Branchengewerkschaften zu unterstützen und Kooperationsmöglichkeiten auszuloten. Deutlich müsste werden, dass nicht kampfbereite Belegschaften, sondern das repressive deutsche Streikrecht das Problem ist.
Ein positives Beispiel ist der Wiesbadener Appell, der von BasisgewerkschafterInnen aus dem hessischen ver.di-Bezirk initiiert worden ist. Die Initiative ist von der ver.di-Gewerkschaftsbürokratie gedeckelt worden. Jetzt haben die InitiatorInnen den Aufruf ins Netz gestellt. (1) Auch Teile der politischen Linken, die bisher mit gewerkschaftlichen Kämpfen wenig zu tun hatten, solidarisierten sich mit den Flughafen-Beschäftigten. Dazu gehört das Berliner Bündnis, das zum europäischen antikapitalistischen Aktionstag am 31. März nach Frankfurt/Main mobilisiert. In einer Erklärung wird darauf hingewiesen, dass in mehreren europäischen Ländern Basisgewerkschaften zu dem Aktionstag aufrufen.

Peter Nowak ist freier Journalist in Berlin mit
Schwerpunkt außerparlamentarische Bewegungen.

Anmerkung:
1) politischer-streik.de
http://www.akweb.de/
analyse & kritik. Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 570 / 16.3.2012

Handlungskompetenz statt Rendite

 Zoff im DGB um die Schließung zweier Bildungszentren

Die DGB-Bildungszentren in Hamburg-Sasel und Starnberg schließen endgültig. 41 Stellen sollen wegfallen, der Betriebsrat ist sauer – der DGB-Vorsitzende »nicht zuständig«.

 Der Sensenmann trägt Brille und hat ein DGB-Symbol auf seinem schwarzen Umhang. Er ziert eine Todesanzeige des Förderkreises Sasel e.V., in der es heißt: »Der DGB schließt die Bildungszentren Sasel und Starnberg«. Schon als die Pläne zur Aufgabe dieser beiden Bildungsstätten bekannt wurden, regte sich schnell in sämtlichen Gewerkschaften Widerspruch. Innerhalb weniger Wochen unterschrieben mehr als 4000 Gewerkschafter eine Erklärung für den Erhalt dieser Einrichtungen.

Nachdem der Interessenausgleich zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der Geschäftsführung des DGB Bildungswerks am 17. Juni in Berlin endgültig scheiterte, ist die Enttäuschung bei Hans Mielke vom Förderkreis Sasel groß. »Eineinhalb Jahre habe ich mich für den Erhalt des Bildungswerkes eingesetzt. Jetzt stehe ich vor einer schwarzen Mauer«, erklärt er gegenüber ND. Im Dezember hatte Mielke noch in einen offenen Brief an den DGB-Bundesvorstand und die Vorsitzenden der Mitgliedsgewerkschaften appelliert, die Bildungswerke zu erhalten. »Dabei war die Schließung dort schon längst beschlossene Sache«, resümiert Mielke bitter.

»Der DGB Bundesvorstand in Person von Michael Sommer hat sich auf alle Schreiben, die wir geschickt haben, immer mit der Erklärung aus der Affäre gezogen, er sei nicht zuständig«, erklärt die Gesamtbetriebsrätin des Bildungswerks Ingrid Gohr-Anders. Sie bestätigt, dass die Betriebsräte in Sasel und Starnberg in der letzten Woche zu Anhörungen zu Kündigungen geladen wurden, denen sie widersprochen hatten. 41 Stellen im Servicebereich sollen wegfallen. Doch den Kritikern des Schließungsbeschlusses geht es auch um den Erhalt eines Stücks Arbeiterkultur. »Das Ziel gewerkschaftlicher Bildung ist nicht die Erwirtschaftung von Renditen, sondern die Vermittlung von Handlungskompetenz«, schreibt Gohr-Anders in der Gewerkschaftszeitung »Mitbestimmung«. Sie ist überzeugt, dass der »Lernort gewerkschaftliche Bildungseinrichtung« nicht durch Hotels ersetzt werden könne. Die Bildungsarbeit solle in den eigenen Häusern fortgesetzt werden, statt mit ihrer Zerschlagung Entwicklungspotenziale des Bildungswerks zu gefährden.

Den Einwand kann der Sprecher des Bildungswerkes Thomas Schulz nicht nachvollziehen. »Am Standort Hamburg wird das Bildungswerk aus einem gepachteten Haus am Stadtrand Hamburg-Sasel in das zentral gelegene DGB-Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof umziehen«, sagt er. Allerdings gibt es noch keinen Termin. Schulz betont, dass ein Erhalt der beiden Häuser angesichts der veränderten Nachfrage im Bildungsbereich und fälligen Millioneninvestitionen für das Bildungswerk schwer tragbar gewesen wäre. Im Gespräch mit ND bedauert er die Blockadehaltung des Betriebsrates. Für ihn als alten, erfahrenen Gewerkschafter sei es unbegreiflich, wie der Betriebsrat sich genau jenen gesetzlichen Möglichkeiten verweigere, für sich die Gewerkschaften jahrzehntelang eingesetzt haben, um betriebliche Veränderungen möglichst so zu gestalten, dass niemand in die Arbeitslosigkeit entlassen werden muss. Andere Gewerkschafter weisen darauf hin, dass das Ziel vieler Arbeitskämpfe die Verhinderung und nicht die sozialverträgliche Umsetzung von Kündigungen war und ist. Daran wolle man auch festhalten, wenn der Kontrahent der DGB ist.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/201034.handlungskompetenz-statt-rendite.html

Peter Nowak

Obrigkeitsstaat in Hessen

»Kannst du Dir vorstellen, dass an Deiner Schule nicht Teamgeist und Kollegialität sondern Günstlingswirtschaft, Hofschranzen- und Denunziantentum zu Organisationsmaximen erhoben werden?« Diese erstaunliche Frage findet sich in einem Flugblatt, das die hessische GEW zurzeit verteilt. Er ist Teil ihrer Kampagne »Wir wollen keine Kaiser-Wilhelm-Schule«, mit der die Gewerkschaft gegen ein von CDU/FDP-Landesregierung geplantes Schulgesetz mobilisiert. Der GEW-Landesvorsitzende Jochen Nagel kritisiert den mit der Ausrichtung der Schulen an betriebswirtschaftlichen Kriterien verbundenen Demokratieabbau. »Pädagogische Kriterien sollen weiter entwertet und demokratische, kooperative Strukturen verdrängt werden«, moniert der Gewerkschafter. Nach dem Entwurf soll die Macht der Schulleiter gestärkt werden. Begriffe wie kooperative Arbeitsweise, psychologisches Einfühlungsvermögen oder pädagogische Freiheit fehlen hingegen in dem Entwurf.

Es wäre aber zu einfach, in dem Vorhaben der hessischen Landesregierung nur die Handschrift einer CDU zu sehen, die sich von Alfred Dregger bis zu Roland Koch stets als Bollwerk gegen eine Demokratisierung der Schule begriffen hat. Viel interessanter ist die Verbindung von betriebswirtschaftlicher Ausrichtung und obrigkeitsstaatlichen Strukturen. Da kann noch so oft betont werden, dass flache Hierarchien für den modernen Kapitalismus von Vorteil seien. Wo es um die Durchsetzung von Kapitalverwertung geht, kommen demokratische Prozesse ins Hintertreffen. Das zeigt sich bei der Privatisierung von öffentlichem Eigentum ebenso wie in der Zurichtung von Schulen und Hochschulen für Wirtschaftsinteressen. Es ist erfreulich, dass dieser Zusammenhang in der GEW-Kampagne hergestellt wird. Es muss sich zeigen, ob sie genügend Kraft dafür besitzt, die Regierungspläne zu behindern.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/198540.obrigkeitsstaat-in-hessen.html

Peter Nowak

Häuserkampf im DGB

»Hände weg von unseren Häusern«, dieses Motto stammt nicht von von Räumung bedrohten Hausbesetzern, sondern von Gewerkschaftern, die sich gegen die drohende Schließung von zwei DGB-Bildungsstätten wehren. Es geht um die Bildungshäuser Sasel am Rande von Hamburg und um Niederpöcking am Starnberger See in Bayern. Die Geschäftsführung des DGB-Bildungswerks und die Verantwortlichen im Bundesvorstand des Dachverbands begründen die Schließung mit der angespannten finanziellen Lage und den Mitgliederrückgängen der Gewerkschaften. Künftig soll für die Bildungsarbeit verstärkt auf gemietete Tagungshotels zurückgegriffen werden.

 Dagegen macht ein Förderkreis zum Erhalt der DGB-Bildungsstätten mobil, in dem sich viele Gewerkschaftsmitglieder engagieren. Auch der Hamburger DGB-Vorsitzende Uwe Grund gehört zu den mehr als 3600 Unterzeichnern eines Aufrufs zum Erhalt der Bildungsstätten. Dafür wurde schon mehrmals vor DGB-Zentralen demonstriert. »Ich bin entmutigt, DGB nicht besser als die Bosse«, hieß eine handschriftliche Parole, die die Stimmung auf einer Demonstration in Hamburg ausdrückte. Die Kritiker sehen in der beabsichtigten Schließung die Traditionen der Arbeiterkultur bedroht. »Gewerkschaftliche Bildungsarbeit im Hotel mag vordergründig billiger sein. Doch kann sie die Ausstrahlung und die besondere kollegiale Atmosphäre nicht ersetzen.«

Schlechter Arbeitgeber

Nach Angaben der Wochenzeitschrift »Focus« sollen durch die Schließung 60 Arbeitsverhältnisse vor allem im gastronomischen Bereich wegfallen. Schon drei Arbeitsgerichte seien mit Klagen befasst. Sehr zur Schadenfreude des unternehmerfreundlichen »Handelsblatt«, das süffisant kommentierte: »Der Deutsche Gewerkschaftsbund mahnt gerne Versäumnisse in den Unternehmen an, gilt selber aber als schlechter Arbeitgeber.« Auf eine Anfrage von Mag Wompel vom Onlineportal Labournet erklärte der Referatsleiter Gastgewerbe bei der zuständigen Gewerkschaft NGG Guido Zeitler: »Beim DGB Bildungswerk existiert kein Sozialplan, der betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2014 ausschließt. Tarifvertraglich ist ein solcher Ausschluss von Kündigungen weder beim DGB noch beim DGB Bildungswerk geregelt.« Auch der NGG-Hauptvorstand warnt in seiner Stellungnahme vor den Folgen einer Schließung der Bildungsstätten: »Dabei geht es nicht nur um die 60 Arbeitsplätze, die direkt wegfallen würden, sondern auch um eine Situation, die von privaten Anbietern genutzt wird und den Interessen der gewerkschaftlichen Bildung nicht dienen kann.«

http://www.neues-deutschland.de/artikel/198001.haeuserkampf-im-dgb.html

Peter Nowak