Obrigkeitsstaat in Hessen

»Kannst du Dir vorstellen, dass an Deiner Schule nicht Teamgeist und Kollegialität sondern Günstlingswirtschaft, Hofschranzen- und Denunziantentum zu Organisationsmaximen erhoben werden?« Diese erstaunliche Frage findet sich in einem Flugblatt, das die hessische GEW zurzeit verteilt. Er ist Teil ihrer Kampagne »Wir wollen keine Kaiser-Wilhelm-Schule«, mit der die Gewerkschaft gegen ein von CDU/FDP-Landesregierung geplantes Schulgesetz mobilisiert. Der GEW-Landesvorsitzende Jochen Nagel kritisiert den mit der Ausrichtung der Schulen an betriebswirtschaftlichen Kriterien verbundenen Demokratieabbau. »Pädagogische Kriterien sollen weiter entwertet und demokratische, kooperative Strukturen verdrängt werden«, moniert der Gewerkschafter. Nach dem Entwurf soll die Macht der Schulleiter gestärkt werden. Begriffe wie kooperative Arbeitsweise, psychologisches Einfühlungsvermögen oder pädagogische Freiheit fehlen hingegen in dem Entwurf.

Es wäre aber zu einfach, in dem Vorhaben der hessischen Landesregierung nur die Handschrift einer CDU zu sehen, die sich von Alfred Dregger bis zu Roland Koch stets als Bollwerk gegen eine Demokratisierung der Schule begriffen hat. Viel interessanter ist die Verbindung von betriebswirtschaftlicher Ausrichtung und obrigkeitsstaatlichen Strukturen. Da kann noch so oft betont werden, dass flache Hierarchien für den modernen Kapitalismus von Vorteil seien. Wo es um die Durchsetzung von Kapitalverwertung geht, kommen demokratische Prozesse ins Hintertreffen. Das zeigt sich bei der Privatisierung von öffentlichem Eigentum ebenso wie in der Zurichtung von Schulen und Hochschulen für Wirtschaftsinteressen. Es ist erfreulich, dass dieser Zusammenhang in der GEW-Kampagne hergestellt wird. Es muss sich zeigen, ob sie genügend Kraft dafür besitzt, die Regierungspläne zu behindern.

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Peter Nowak