Das Ergebnis ist Ausdruck der Resignation großer Teile der irischen Bevölkerung
In Irland haben bei einem Referendum knapp 60 Prozent der Teilnehmenden dem EU-Fiskalpakt zugestimmt. An der in Irland obligatorischen Volksabstimmung bei Verfassungsänderungen haben sich knapp 50 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt. Sämtliche Regierungsparteien, aber auch die großen Oppositionsparteien sind für ein Ja zum Fiskalpakt eingetreten. Insofern war es durchaus ein Erfolg der Fiskalpaktgegner darunter mehrerer irischer Gewerkschaften, dass 40 Prozent dagegen gestimmt haben.
Obwohl schon wochenlang im Umfragen eine Mehrheit für den Fiskalpakt deutlich wurde, blieb das Ergebnis bis zum Abstimmungstag offen. Schließlich war die Anzahl der Unentschiedenen bis zum Schluss groß. Dass gut die Hälfte das Referendum schließlich ignorierten, macht auch deutlich, dass große Teile in einem für sie unlösbaren Dilemma steckten.
Einerseits bedeutet der Europäische Fiskalpakt eine strenge Spardisziplin mit weiteren Kürzungen in den Sozialhaushalten. Andererseits drohten die Politiker, das Land werde die europäische Unterstützung verlieren, wenn es dem Fiskalpakt nicht zustimmt. Die Mehrheit fügte sich ins scheinbar Unvermeidliche und wählten von zwei schlechten Alternativen, diejenige, bei der sie zumindest Unterstützung von Außen erhoffen können. Dass der Mehrheit ein Ja zu weiteren Haushaltskürzungen schwergefallen sein muss, wird mit den Blick auf die politische und soziale Situation auf der Insel deutlich.
Nach fünf Sparprogrammen…
Mittlerweile fünf Sparprogramme führten zur massiven Verarmung von großen Teilen der Bevölkerung. Das zeigte sich an den steigenden Zahlen der Auswanderungen vor allem junger Menschen, die in Irland keine Perspektive für sich mehr sehen.
Damit knüpft Irland an eine Tradition ein, die die politische Klasse auf der Insel eigentlich für überwunden erklärt hatte. Lange Zeit galt Irland als Armenhaus Europas, es gab Hungersnöte und Massenauswanderungen vor allem in die USA. Noch heute können Reisende auf der Insel seit Jahrzehnten verlassene Dörfer als Zeugen des Exodus vergangener Zeiten sehen. Aktueller sind riesige leerstehende Dienstleistungszentren, aber auch Wohnsiedlungen, die mittlerweile wieder verrotten.
Sie künden von der Phase eines massiven Wirtschaftsbooms, in der manche Medien den Begriff des „keltischen Tigers“ prägten. Menschen aus vielen Ländern Osteuropas siedelten sich dort an und sollten die Geschichte des Armenhauses Europas für immer vergessen lassen. Daher war es für viele Menschen neben den sozialen Härten auch eine persönliche Kränkung, als der Wirtschaftsboom zu Ende war und Irland in die Krise schlitterte.
Obwohl die sozialen Folgen für große Teile der Bevölkerung durchaus Parallelen zu Griechenland zulässt, gab es auf der Insel kaum Proteste. Irland-Beobachter berichten von einem Klima der Resignation und des Sich-in-das-Unvermeidliche-schicken. Das Ergebnis des Referendums würde in dieses Erklärungsmuster passen.
Keine Solidarität in Europa
Mit Befriedigung hat nicht nur die irische Regierung, sondern auch die EU-Kommission auf die irische Zustimmung reagiert. Immerhin blieb ihr so die Blamage erspart, bei dem einzigen Referendum über den Fiskalpakt eine Niederlage einzufahren.
Kritiker der Sparpolitik hatten auf eine Ablehnung in Irland gehofft. Damit wäre er nicht gestoppt worden, weil es kein Vetorecht eines Landes gibt. Aber die Kräfte, die sich gegen die immer neuen Spardiktate wehren, hätten damit Auftrieb erhalten. Gerade mit Blick auf Griechenland, wo es die realistische Möglichkeit gibt, dass bei den Neuwahlen am 17. Juni die Kräfte an Boden gewinnen, die mit dem Spardiktaten brechen wollen, wäre ein Nein aus Irland ein wichtiges Signal dafür gewesen, dass sich an vielen Ecken Europas Widerstand rührt und das berühmt-berüchtigte TINA-Denken – „There is no Alternative“ – nicht mehr die Hegemonie innehat.
Allerdings gab es auch in den anderen europäischen Ländern keine wahrnehmbare Unterstützung für die irischen Gegner des Fiskalpaktes. So konnten sich die Politiker, die das Gespenst eines von Europa isolierten Irland bei einer Ablehnung an die Wand malten, durchsetzen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152115
Peter Nowak