Antifa hat sich als Bewegung erschöpft

Mit der ALB erklärt eine der ehemals wichtigsten Gruppen der linken Szene Berlins ihre Auflösung

»Hiermit geben wir bekannt, dass sich im August 2014 die Antifaschistische Linke Berlin [ALB] aufgelöst hat.« Angesichts der Entwicklung der vergangenen Jahre scheint dieser Schritt, der am Dienstag bekannt gegeben wurde, indes konsequent. Zwar billigen Freunde und Gegner der ALB zu, in den vergangenen zehn Jahren einigen Einfluss in der außerparlamentarischen Linken in Berlin und darüber hinaus gehabt zu haben. Doch seit vier Jahren gingen die Aktivitäten der Gruppe immer weiter zurück. Viele Mitglieder sahen die Zukunft eher im bundesweiten linksradikalen Bündnis Interventionistische Linke (IL), was den Auflösungsprozess weiter verstärkte.

Die ALB ging 2003 aus der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB) hervor, die sich damals spaltete. In dem Jahrzehnt ihres Bestehens versucht die ALB, linksradikale Politik und soziale Proteste zu verbinden. Noch 2009 bezeichnete der Berliner Verfassungsschutz die ALB als »tonangebend in der Berliner Antifaszene«. Die ALB war Mitorganisatorin der jährlichen Revolutionären 1. Mai-Demonstration in Berlin und jahrelang mit einem eigenen Block bei der Gedenkdemonstration für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht vertreten. Zu den erfolgreichsten Aktionen, an denen die ALB beteiligt war, gehörten die Blockaden der Neonaziaufmärsche zum Jahrestag der alliierten Bombardierung Dresdens. Doch die Übertragung solcher Aktionen auf soziale Proteste ist trotz verschiedener Versuche nicht gelungen, was bei der ALB zu Perspektivdiskussionen und Resignation führte. »Bezüglich der eigentlich wichtigen Frage, wie zukünftig nachhaltige und wirksame soziale Kämpfe auch lokal und im Alltag organisiert werden können, haben wir keine gemeinsamen Antworten finden können«, heißt es in dem Auflösungspapier.

Während ein Teil der Mitglieder die Aktionsformen der Antifabewegung der 90er Jahren für die aktuelle Situation für veraltet hielt, warnten andere davor, dass die Gruppe durch eine zu große Annäherung an die Linkspartei das linksradikale Profil verlieren könnte. Die Auflösung war denn auch nicht die Folge eines großen Streits, sondern vieler zäher Debatten »um den richtigen und falschen Begriff vom Kapitalismus, um die Ausrichtung der Aktionen, um die Politik gegen die Festung Europa und gegen Neonazis, um die Farbe der Regenjacke, um die Notwendigkeit linksradikaler Aktionsformen und ihre Vermittelbarkeit«, schreibt die Gruppe.

Michael Prütz von der im vergangenen Jahr gegründeten Neuen Antikapitalistischen Organisation (NAO) bedauert gegenüber »nd« die Auflösung der ALB, weil sie eine wichtige Rolle in der außerparlamentarischen Linken gespielt habe. Auch Vertreter anderer linksradikaler Gruppe äußerten sich im Netz zu der Auflösung. Die Antifaschistische Revolutionäre Aktion (ARAB), mit der die ALB die Demonstration zum 1. Mai organisierte, verabschiedet ihre »große Schwester« unsentimental: Zuletzt sei das Verhältnis eher zerrüttet gewesen, dennoch hinterlasse die ALB eine große Lücke. Die Gruppe Libertad erklärte über Twitter: »Liebe ALB, wir werden euch vermissen, insb. in der IL, die auch uns oft (jetzt erst recht!) zu wenig revolutionär und antagonistisch ist.«

»Uns fehlt die Sprache, mit der es uns gelingt, soziale Proteste gesellschaftlich wirkungsmächtig zu machen«, erklärt ein Mitglied des kommunistischen »Ums Ganze«-Bündnisses. Im Gegensatz zur ALB habe man aber früher erkannt, dass sich die Mittel der Antifabewegung erschöpft haben.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/945279.antifa-hat-sich-als-bewegung-erschoepft.html

Peter Nowak

Schlecht beraten

»Gewerkschaften und Studierende: Passt das überhaupt zusammen? Wir meinen schon.« Diese Überzeugung der Freiburger DGB-Hochschulgruppe ist noch im Internet zu finden. Doch mittlerweile muss man sich die Frage stellen, ob eine emanzipatorische studentische Politik und der DGB-Apparat zusammenpassen. Denn der DGB-Südbaden hat die Campusgruppe aufgelöst, nachdem diese ein Sprecherduo gewählt hatte, ohne den zuständigen DGB-Sekretär Jan Wieczorek um Erlaubnis zu bitten. Zudem hatte die gewerkschaftlich orientierten Studierenden nach Angaben eines Gruppenmitglieds beschlossen, dass der DGB-Sekretär nicht mehr Rederecht als andere in der Gruppe haben soll.
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Der Konflikt kündigte sich an, als Wieczorek einen von der Campusgruppe vorbereiteten Flyer, der in satirischer Form die prekären Beschäftigungsverhältnisse an der Uni aufspießte, ablehnte, weil er »in dieser Form dem DGB schadet«. Nähere Begründungen erhielt die Unigruppe nach Angaben eines Mitglieds nicht.

In einem Gespräch mit dem Freiburger Radio Dreyeckland verteidigte der DGB-Vorsitzende Südbaden-Hochrhein Jürgen Höffin die Auflösung vehement. Er sieht auch nachträglich keinen Raum für ein von den Studierenden vorgeschlagenes klärendes Gespräch. Auch einen Offenen Brief der Gruppe wollte er nicht beantworten. Schließlich habe er einzelnen Mitgliedern den Standpunkt des DGB klar vermittelt. Die Campusgruppe habe sich mit der eigenmächtigen Wahl ihrer Sprecher nicht an die Grundsätze des DGB gehalten, die im übrigen auch für Erwerbslosen- und Seniorengruppen des DGB gelten. Es könne schließlich nicht angehen, dass jedes studentische DGB-Mitglied eine Gruppe unter diesem Label gründe.

Ob der DGB-Apparat gut beraten ist, die wenigen überzeugten Gewerkschafter an den Hochschulen abzuwürgen? Studierende, die sich am Campus für den DGB einsetzen, sind eine absolute Minderheit. Dabei wäre angesichts der prekären Arbeitsbedingungen dort eine kämpferische Gewerkschaftspolitik notwendig. Wäre es nicht eine gute Gelegenheit, die auch im DGB diskutierten Grundsätze von Selbstermächtigung und Basisdemokratie einfach umzusetzen?
http://www.neues-deutschland.de/artikel/233706.schlecht-beraten.html
Peter Nowak