Metoo: Kummerkasten von Mittelstandsfrauen oder neues feministisches Kampffeld?

Es handelt sich nicht um ein Mittelschichtsproblem, gerade Frauen mit wenig oder geringem Einkommen sind am stärksten auch von der sexuellen Unterdrückung betroffen

Welchen politischen Stellenwert hat eigentlich gesellschaftliche Liberalität – Feminismus, Antirassismus, LGBTI-Rechte, das gesamte Paket? Wo ist das auf der politischen Skala einzuordnen?“ Diese Frage [1] stellte die Publizistin und Kulturwissenschaftlerin Isolde Charim kürzlich in der Taz. Dort stellt sie fest, dass diese Werte nicht nur von der politischen Rechten, sondern auch von Teilen der Linken infrage gestellt würden.

Von linker Seite sehen sich aber die unterschiedlichen Phänomene, die wir unter gesellschaftlicher Liberalisierung zusammenfassen, auch massiven Angriffen ausgesetzt. Da werden sie als „Feigenblatt“ des neoliberalen Kapitalismus bezeichnet, hinter dem die wahren Ausbeutungsverhältnisse nur umso ungenierter betrieben werden. Als „Herrschaftsideologie einer globalisierten Klasse“. Als Klassenkampf der „neuen Mittelschichten“ gegen „die da unten“. Die Liste ließe sich fortsetzen. Klar ist, dass diese Kritik auch die Antriebsenergie jener ist, die nun #aufstehen wollen.

Isolde Charim

Nun sind unter den Zielen, der von Charim angesprochenen Aufstehen-Bewegung [2] tatsächlich keine explizit feministischen Ziele benannt. Nicht einmal die aktuell vieldiskutierte Abschaffung [3] des Paragraphen 219 , der jede Werbung für Abtreibungen verbietet und die Ärzte, die diese Dienstleistung anbieten, kriminalisiert, wird dort erwähnt. Das ist eine kritikwürdige Leerstelle, ebenso, wenn statt Kampf gegen Rassismus der politisch falsche Begriff Fremdenhass genannt wird.

Sahra Wagenknecht und die Me-Too-Debatte

Schon vor einigen Monaten hat sich die Aufstehen-Initiatorin Sahra Wagenknecht despektierlich über die Me-Too-Kampagne geäußert [4]:

Wenn wirtschaftliche Abhängigkeit ausgenutzt wird, um Frauen oder auch Männer zu belästigen, ist das eine üble Geschichte. Das gibt es mit Sicherheit auch im Bundestag, und dagegen muss mehr getan werden. Etwas anderes ist es, wenn solche Abhängigkeiten nicht existieren. Natürlich werde auch ich mal blöd angebaggert, aber da kann ich doch selbstbewusst Grenzen setzen, und muss mich nicht über Twitter ausweinen. Als Abgeordnete kann man sich wehren. Schlimm ist es, wenn man sich wegen finanzieller Abhängigkeit oder Angst um den Arbeitsplatz nicht wehren kann. Beide Situationen sollte man nicht miteinander vermengen.

Sahra Wagenknecht

Schnell machte in den sozialen Netzwerken die Meldung die Runde, nun habe sich Wagenknecht auch noch gegen feministische Kämpfe positioniert. In der Frankfurter Rundschau wurde ihr gar vorgeworfen [5], sie würde patriarchale Machtstrukturen nicht anerkennen und sei mit ihrer Position nicht weit von der konservativen Publizistin Birgit Kelle, die das Buch „Dann mach doch die Bluse zu“ herausgegeben hat.

Doch diese Kritik wird Wagenknecht nicht gerecht. Es ist nicht anzunehmen, dass sie mit der Formulierung „selbstbewusst Grenzen setzen“, das gemeint hat. Zudem wurde sie direkt nach sexistischer Anmache im Parlament gefragt und darauf hat sie geantwortet. Gleichzeitig hat sie klar erklärt, dass sie hier in einer privilegierten Position ist und auf die verwiesen, die sich wegen finanzieller Abhängigkeiten oder Angst um den Arbeitsplatz nicht so wehren können. Kritisieren könnte man, dass Wagenknecht hier keine konkreten Vorschläge macht, wie sich gerade diese Frauen wehren können. Das könnte beispielsweise die Einrichtungen von Rätinnen und Räten gegen sexistische Diskriminierung nicht nur, aber auch am Arbeitsplatz sein. Sie könnten in größeren Betrieben aber auch auf Stadtteilebene eingerichtet werden, weil ja solche sexistischen Angriffe dort genau so häufig vorkommen.

Betroffen sind in der patriarchalen Gesellschaft davon vor allem aber nicht nur Frauen. Wir haben bei der Me-Too-Debatte auch erfahren, dass auch Männer in bestimmten Branchen von Frauen unter Druck gesetzt werden. Auch für sie sollten diese Räte natürlich offen sein. Vorbild könnten die Gleichstellungsbeauftragen sein, die es seit den 1980er Jahren in vielen Verwaltungen und auch in größeren Betrieben gab.

Vom digitalen Kummerkasten zu Räten

Das wäre eine Weiterentwicklung der Me-Too-Bewegung, die vielerorts sehr viel gelobt, aber wenig kritisiert wurde. Dabei müsste es ein Allgemeinplatz sein, dass Kritik der Motor einer Bewegung und fehlende Kritik mittelfristig Stillstand heißt. In der Interviewpassage konnte man Wagenknechts despektierliche Äußerung, sich nicht ausweinen zu müssen, als eine solche Kritik verstehen.

Tatsächlich trägt dieser Ausdruck wenig dazu bei, dass die Betroffenen, die mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit gegangen sind, einige Schritte weitergehen. Denn tatsächlich wäre eine Me-Too-Bewegung als digitaler Kummerkasten kein Instrument der Gegenmacht. Es ist auch deutlich, dass die im Neoliberalismus zum Dogma erhobene Individualisierung hier voll reinschlägt. Es ist eben offensichtlich, dass alle Betroffene als Einzelne reden, dann sicher unterstützt werden, aber ein kollektiver Prozess nicht stattfindet, wie er sich noch vor Jahrzehnten in Streiks gegen Niedriglöhne für Frauen beispielsweise bei Pierburg [6] ausdrückte.

Da hilft es auch nicht, wenn von Behshid Najafi von einer Selbstorganisation migrantischer Frauen [7] nun nach Me Two, Me Three und Me Four gefordert [8] wird. Die zur Begründung genannte Mehrfachbetroffenheit von unterschiedlichen Unterdrückungsformen bei migrantischen Frauen ist vorhanden, aber sie nur in eigenen Erzählungen nebeneinanderzustellen, trägt nicht dazu bei, die Vereinzelung zu überwinden und zu gemeinsamen Kämpfen zu kommen.


Frauen mit wenig Einkommen am meisten betroffen

Es darf eben nicht dabei stehen bleiben, sich nur die unterschiedlichen Geschichten von Unterdrückungserfahrungen zu erzählen, es kommt darauf an, diese Unterdrückungen abzuschaffen. Da wird auch sehr schnell deutlich, dass es sich nicht um ein Mittelschichtsproblem handelt. Im Gegenteil, gerade Frauen mit wenig oder geringem Einkommen, sind am stärksten auch von der sexuellen Unterdrückung betroffen. Um da was zu ändern, müssen eben auch gesellschaftliche Strukturen in Frage gestellt werden.

Einige Beispiele dazu wurden auf einer Tagung der Berliner Mietergemeinschaft [9] zum Thema Bauen, Bauen, Bauen – sozial und kommunal [10] genannt, die hier dokumentiert [11] ist. Dort ging es auch um die unterschiedlichen Folgen der Wohnungsnot. Dora Zimmermann vom Verein Wildwasser [12] befasste sich mit den Auswirkungen für Mädchen und Frauen. So seien junge Frauen gezwungen, mit Brüdern unter einem Dach zu leben, die deren Leben überwachen und reglementieren wollen. Frauen falle es auch wegen der Wohnungsnot viel schwerer, sich von gewalttätigen Männern zu trennen. Das ist nur eines von vielen Beispielen, wie sexuelle Unterdrückung mit anderen Ausbeutungsmechanismen zusammenfällt. Das legt nahe, dass es auch nur gemeinsam bekämpft werden kann. Und es stellt sich dann die Frage, ob Me Too es schafft, vom digitalen Kummerkasten zu einer Plattform der Organisierung zu werden.

URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/-4153174
https://www.heise.de/tp/features/Metoo-Kummerkasten-von-Mittelstandsfrauen-oder-neues-feministisches-Kampffeld-4153174.html

Peter Nowak

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.taz.de/Archiv-Suche/!5528111&s=&SuchRahmen=Print/
[2] https://www.aufstehen.de/
[3] https://www.sexuelle-selbstbestimmung.de/10127/gute-argumente-fuer-eine-streichung-von-%c2%a7-219a-stgb-fakten-statt-ideologie/
[4] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/parteien/id_83083940/sahra-wagenknecht-im-interview-die-spd-schafft-sich-ab-.html
[5] http://www.fr.de/politik/meinung/kommentare/metoo-die-ignoranz-der-frauen-a-1431518
[6] http://www.labournet.de/politik/gw/geschichte/wilder-streik-das-ist-revolution-der-streik-der-arbeiterinnen-bei-pierburg-in-neuss-1973
[7] https://agisra.org/index.php?de_home
[8] http://www.taz.de/Archiv-Suche/!5527564
[9] https://www.bmgev.de
[10] https://www.bmgev.de/politik/bauen-bauen-bauen.html
[11] http://zweischritte.berlin/post/175450818498/bauen-bauen-bauen
[12] http://www.wildwasser-berlin.de/

Betriebsarbeit für die Revolution

Ein Film über eine Gruppe linker Gewerkschafter bei Opel Bochum ist nicht nur historisch interessant

»Angefangen hatte es damit, dass sich vor etwa drei Jahren der Religionslehrer Wolfang Schaumberg und der Volksschullehrer Klaus Schmidt bei den Opel-Werken als Hilfsarbeiter verdingten.« Am Anfang des Dokumentarfilms über die Gruppe oppositioneller Gewerkschafter (GoG) in Bochum wird dieses Zitat aus der wirtschaftsnahen Wochenzeitung »Die Zeit« vom 24.8.1973 eingeblendet. Gleich danach sitzt Wolfgang Schaumberg im Jahr 2018 in einem Klassenraum vor einer Tafel und erzählt, wie er und viele Genoss*innen mit ihrer Betriebsarbeit vor mehr als 45 Jahren die Weltrevolution vorantreiben wollten, berichtet, wie die jungen Linken Kontakte mit kommunistischen Genoss*innen aus Deutschland und Spanien knüpften, die bei Opel arbeiteten. Im Anschluss ist Willi Hajek zu sehen, der als Jugendlicher vom Pariser Mai beeindruckt war und den Geist der Revolte als GoG-Mitglied in die Bochumer Fabrik tragen wollte. Robert Schlosser erinnert sich schließlich, wie er als Jungarbeiter zu der Gruppe stieß, weil die – anders als die IG-Metall-Gewerkschafter – nicht auf Sozialpartnerschaft setzten, sondern bereit waren, sich mit Bossen und Meistern anzulegen.

Das kam damals nicht nur bei den jungen Kolleg*innen an. 1975 bekam die GoG bei den Betriebsratswahlen über 5000 Stimmen und erhielt damit knapp ein Drittel der Sitze. Das war auch eine Quittung für den alten Betriebsrat, der mit dem Management gekungelt hatte. Die IG Metall war auf die linke Konkurrenz nicht gut zu sprechen. Mehrere GoG-Mitglieder wurden ausgeschlossen, einige erst nach vielen Jahren wieder in die Gewerkschaft aufgenommen.

Die Gruppe, die sich seit 1972 jede Woche getroffen hatte, hielt auch nach der Schließung von Opel im Jahr 2014 Kontakt und begann, über einen Film nachzudenken, der von den vielen Kämpfen der Belegschaft erzählt. Die linke Videoplattform labournet.tv, die Filme über die globalen Arbeitskämpfe veröffentlicht, wurde schließlich mit der Umsetzung beauftragt.

Der entstandene Film zeigt die alltägliche Kleinarbeit linker Gewerkschafter*innen, die für ein langfristiges Engagement entscheidend war. Dazu gehört der Kampf um den Bildungsurlaub, der es den Beschäftigten ermöglichte, den Betrieb eine Woche zu verlassen und sich mit anderen Themen zu beschäftigen. Manche lernten dort Texte von Marx kennen. Noch heute schwärmen Gründungsmitglieder der GoG von der Euphorie der ersten Jahre, als sie durch die ganze Republik fuhren und über ihre Erfolge bei Opel Bochum berichteten.

Doch nach 1975 ging in der BRD-Linken das Interesse an Betriebsarbeit zurück. Im linken Milieu kündigte sich der Abschied vom Proletariat an. Auch einige der GoG-Mitbegründer verließen die Fabrik und setzten ihr Studium fort.

Doch die Gruppe hatte sich mittlerweile stabilisiert und sorgte dafür, dass Opel ein rebellischer Betrieb blieb. 2004 machte das Werk mit einem siebentägigen wilden Streik gegen Entlassungspläne noch einmal bundesweit Schlagzeilen. Beschäftigte, die den Betrieb und die Autobahn lahmlegen – solche Bilder kannte man von Arbeitskämpfen in Frankreich, aber nicht in der BRD. Hier ging die Saat auf, die die GoG gesät hatte.

Und doch entschied sich in einer Urabstimmung schließlich eine große Mehrheit der Belegschaft dafür, den Streik zu beenden, gerade in dem Augenblick, als er Wirkung zeigte. Noch heute sind damalige Aktivist*innen enttäuscht. Der Rückgang des Betriebsaktivismus machte sich auch in Stimmverlusten für die GoG bei den Betriebsratswahlen bemerkbar. Daher war es für Gewerkschafter wie Wolfgang Schaumberg nicht verwunderlich, dass bei der Abwicklung von Opel Bochum ein mit 2004 vergleichbarer Widerstand ausblieb. Im Dezember 2014 ging es nur noch um Abfindungen und Auffanggesellschaften – mehr nicht.

Spätestens seit aus Opel GM geworden war und die einzelnen Standorte gegeneinander ausgespielt wurden, war den GoG-Aktivist*innen klar, dass linker Gewerkschaftsarbeit, wie sie sie vorangetrieben hatten, eine Niederlage drohte. Im Film wird gezeigt, wie die linken Opelaner*innen dieser kapitalistischen Konkurrenzlogik Arbeiter*innensolidarität entgegensetzen wollten. Sie fuhren in den 1990er Jahren an Opelstandorte in anderen Ländern wie Polen oder Spanien, um eine gemeinsame Front gegen die Kapitalstrategie zu bilden. Damit sind sie jedoch gescheitert, wie die Beteiligten heute resümieren. Die Kapitallogik der Konkurrenz hat sich durchgesetzt. Die Bedingungen für linke Gewerkschaftsarbeit, die sich entschieden gegen Standortlogik stellt, wurden schlechter.

Dennoch ist der Film kein Abgesang auf gescheiterte Hoffnungen. Mehrere Kolleg*innen betonen, dass ihre Erfahrungen auch heute noch aktuell sind, bei Amazon oder im Kampf gegen Leiharbeit in der Metallbranche: »Ein konsequenter betrieblicher Verteidigungskampf erfordert noch immer eine gut begründete Kapitalismuskritik, die Entlarvung falscher Argumente und illusorischer Hoffnungen«, betont Schaumberg.

Zur Fertigstellung benötigt der Film noch Geld, unter anderem für die Lizenzgebühren. Bis zum 25. August sollen per Crowdfunding 4000 Euro gesammelt werden.

www.startnext.com/gog

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1097548.arbeitskampf-betriebsarbeit-fuer-die-revolution.html

Peter Nowak

»Open End statt Opel-Ende«

– Crowdfunding für Film über Opel-Betriebsgruppe GoG gestartet

Viel ist in den letzten Monaten über den gesellschaftlichen Aufbruch vor 50 Jahren diskutiert worden. Selten wird erwähnt, dass nicht nur SchülerInnen, Jugendliche und Studierende um 1968 aufgestanden sind. Auch in den Fabriken wuchs der Widerstand. Diesen proletarischen Aufbruch widmet sich Bärbel Schönafinger von labournet.tv mit ihren Dokumentarfilm über die Geschichte der Gruppe oppositioneller Gewerkschaftler (GoG) aus Opel. Gleich am Anfang wir ein Zitat aus der wirtschaftsnahen Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 24.8.1973 über den Beginn der GoG einblendet: „Angefangen hatte es damit, dass sich vor etwa drei Jahren der Religionslehrer Wolfang Schaumberg und der Volksschullehrer Klaus Schmidt bei den Opel-Werken als Hilfsarbeiter verdingten“. Gleich danach sitzt Wolfgang Schaumburg 2018 in einem Klassenraum vor einer Tafel und berichtet, wie er und viele GenossInnen mit ihrer Betriebsarbeit die Weltrevolution voranzutreiben wollten. Er spricht über den Kontakt mit kommunistischen GenossInnen aus Deutschland und Spanien. Im Anschluss berichteten Willi Hajek und Robert Schlosser von ihrer Motivation, den Aufbruch von 68 in die Betriebe zu tragen. 1975 bekam die GoG bei den Betriebsrätewahlen über 5000 Stimmen und 12 Sitze im Betriebsrat. Das war auch eine Quittung für den alten Betriebsrat, der mit dem Management gekungelt hat. Noch heute schwärmen mehrere Gründungsmitglieder der GoG über die Euphorie der ersten Jahre, als sie durch die ganze Republik fuhren und über ihre Erfolge bei Opel Bochum berichteten. Doch nach 1975 setzte die Mühe der Ebenen ein. Die Zahl der UnterstützerInnen im und außerhalb des Betriebs ging zurück. Einige der AktivistInnen verließen die Fabrik und setzten ihr Studium fort. Doch viele blieben und ihnen gelang es, Opel Bochum zu einem rebellischen Betrieb zu machen. Es begann der Kampf um den Bildungsurlaub, mit dem die Beschäftigten eine Woche den Betrieb verlassen und sich mit anderen Themen beschäftigen konnten. Auch dem Thema „Gesundheit am Arbeitsplatz“ widmete sich die GoG bereits in den 1980er Jahren. Einen großen Stellenwert nehmen im Film die Versuche der GoG ein, der kapitalistischen Konkurrenz eine ArbeiterInnensolidarität entgegenzusetzen. Mittlerweile war aus Opel GM geworden und die einzelne Standorte sollten gegeneinander ausgespielt werden. GoG-KollegInnen fuhren in den 1990er Jahren nach Polen, Spanien und in andere Länder in der Hoffnung, eine gemeinsame Front der Arbeiter Innen gegen die Kapitalstrategie bilden zu können. Damit sind sie gescheitert, wie die Beteiligten heute mit etwas Wehmut resümieren. 2004 machte Opel Bochum mit einem sieben tägigen wilden Streik gegen Entlassungspläne Schlagzeilen. Hier ging auch die Saat auf, die GoG mit ihrer jahrelangen Arbeit im Betrieb gesät hat. Doch als eine große Mehrheit in der Belegschaft den Streik mit einer Urabstimmung gerade in dem Augenblick beendete, als er Wirkung zeigte, macht einige der AktivistInnen noch heute traurig. Der Rückgang des Betriebsaktivismus machte sich auch bei den Stimmenrückgängen für die GoG bei den Betriebsratswahlen bemerkbar. Vor allem die junge Generation fehlte. Umso wichtiger ist der Film über die GoG, in dem die Beteiligten ein Stück Geschichte des proletarischen 68 vermitteln. Um den Film fertigzustellen, wird noch Geld gebraucht, unter Anderem für Lizenzgebühren. Bis zum 25. August läuft eine Crowdfunding-Kampagne von labournet.tv und GoG. Bis dahin sollen 4000 Euro gesammelt werden.

Peter Nowak

Wer für den Film spenden will, findet hier weitere Infos:
https://www.startnext.com/gog/

aus: express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit

http://www.labournet.de/express/

Wird der Volksverhetzungsparagraph zum Papiertiger?

Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lässt Rechte jubeln und wirft viele Fragen au

Das Urteil[1] des Bundesverfassungsgerichts ist schon über einen Monat alt, aber erst Anfang August kam die Pressemitteilung[2] dazu. Erstmals werden hier klare Kriterien genannt, die bei einer Verurteilungen wegen Verharmlosung des NS-Völkermords erfüllt sein müssen.

Gleich zu Anfang der Pressemitteilung Nr. 66/2018 heißt es:

Eine Verurteilung nach § 130 Abs. 3 StGB wegen Billigung, Leugnung oder Verharmlosung bestimmter unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangener Verbrechen kommt in allen Varianten – und damit auch in der Form des Verharmlosens – nur bei Äußerungen in Betracht, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu gefährden.

Bundesverfassungsgericht[3]

Das Gericht hatte über die Klage eines Mannes zu entscheiden, der auf seiner Internetseite und seinen You-Tube-Account rechte Propaganda gegen die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht veröffentlichte. Dort werden den Ausstellungsverantwortlichen Fälschungen und Manipulationen sowie Volksverhetzung und den alliierten Siegermächten „Lügenpropaganda“ vorgeworfen.

Historische Wahrheiten würden verfolgt und bestraft, wird vorgebracht, Menschen seien freiwillig mit der SS in Lager gegangen. Holocaust-Überlebenden wird vorgeworfen, mit Vorträgen über die Massenvernichtung Geld zu verdienen und es wird die These vertreten, dass Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und Zeugen in den Gerichtsprozessen zu dessen Aufarbeitung gelogen hätten.

Es ist also das übliche Programm der extremen Rechten, das hier veröffentlicht wurde. Der Mann war wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Urteil wurde in der Folgeinstanz bestätigt. Eine Revision blieb erfolglos. Doch mit der Verfassungsbeschwerde hatte der Mann jetzt Erfolg. Das Gericht sah durch die Bestrafung die Meinungsfreiheit verletzt und führte aus:

Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, gehört zum freiheitlichen Staat. Der Schutz vor einer „Vergiftung des geistigen Klimas“ ist ebenso wenig ein Eingriffsgrund wie der Schutz der Bevölkerung vor einer Kränkung ihres Rechtsbewusstseins durch totalitäre Ideologien oder eine offenkundig falsche Interpretation der Geschichte. Eine Verharmlosung des Nationalsozialismus als Ideologie oder eine anstößige Geschichtsinterpretation dieser Zeit allein begründen eine Strafbarkeit nicht.

Bundesverfassungsgericht[4]

Schutzrecht für den Staat oder die Opfer des Holocaust

Nun ist es erst einmal positiv zu bewerten, dass das Gericht klargestellt hat, dass das Strafrecht kein Instrument von Kammerjägern ist. Es taugt also nichts, gegen Vergiftungen des geistigen Klimas vorzugehen. Es wäre wünschenswert, wenn solche Begriffe in der Juristerei überhaupt nicht auftauchen würden.

Tatsächlich ist es auch durchaus problematisch, wenn geschichtliche Fakten zum Gegenstand von Strafprozessen werden. Wenn jemand behauptet, die Oktoberrevolution sei das Werk von Aliens, würde niemand auf die Idee kommen, einen solchen Schwachsinn durch eine Klage noch aufzuwerten. Auch die Neuschwabenlandverschwörung[5], nach der sich Hitler und einige seiner engsten Kumpane nach 1945 in die Antarktis flüchten konnten, beschäftigt eher die Lachmuskeln als die Justiz.

Es hat schon einen Grund, warum das bei der Holocaustleugnung und -relativierung anders ist. Hier wird nicht einfach ein historischer Fakt geleugnet. Es ist ein Angriff auf alle Juden und daher ist die Bestrafung der Holocaustleugnung vor allem ein Schutzrecht für die noch immer vom eliminatorischen Antisemitismus betroffenen Menschen.

Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um säkulare oder islamistische Rechte handelt, um nur die Hauptgruppen der Holocaustrelativierer zu nennen. Angriffe auf Menschen, die Gedenkarbeit für die Opfer des NS machen, sind ebenfalls Angriffe auf eine Erinnerungskultur. Es ist ein großes Manko des Urteils, dass dieser Aspekt überhaupt nicht erwähnt wird. Mit dem Kriterium der „Gefährdung des öffentlichen Friedens“ bleibt das Gericht wieder einmal auf den Staat und seine Institutionen konzentriert.

Holocaustleugnung ist demnach nur dann strafbar, wenn dadurch der öffentliche Friede und damit die Interessen des Staats tangiert sind. Die Jüdinnen und Juden und die Antifaschisten, die im Visier derer stehen, die den Holocaust leugnen, werden gar nicht erwähnt. Warum ist nach Meinung des Gerichts der öffentliche Friede nicht dann gefährdet, wenn Juden nicht mehr in Deutschland leben wollen, vielleicht auch wegen solcher Urteile?

Wenn nun nach der Entscheidung viele Menschen auf die Straße gingen, weil sie es für unerträglich halten, dass ein Gericht so viel über die verletzte Meinungsfreiheit eines Rechten in dem Urteil schreibt und mit keinen Wort auf die Menschen eingeht, die sich durch seine Meinung vielleicht in Gefahr sehen, wäre dann der öffentliche Frieden gestört? Und was wären die Folgen?

„Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen darf nicht sanktioniert werden.“ Das ist eine wichtige Ansage an alle Staatsapparate, die bekanntlich vor 30 Jahren Jugendliche zu Haftstrafen verurteilt, wenn sie angeblich RAF-Symbole an Hauswände malten. Doch es ist infam, von Jüdinnen und Juden und NS-Gegnern zu verlangen, sie sollen sich mit „der beunruhigenden Meinung“ derer abfinden, die sie vernichten wollen.

„Die verschwiegene Sensation“

Von daher ist diese gerichtliche Entscheidung ein Sieg für die Rechten, die es auch begeistert aufnehmen. Auf der rechten Webseite PI-News bewertet Akif Pirinçci das Urteil als „verschwiegene Sensation“[6] und prophezeit, dass die Entscheidung dafür sorgen könne, „dass das Äußerungsdelikt der Volksverhetzung nach § 130 Strafgesetzbuch (StGB) sich in einen Papiertiger, wenn nicht sogar in ein Schmusekätzchen verwandelt“.

Pirinçci, jahrelang ein Schriftsteller mit völlig unpolitischen Themen, hatte vor einigen Jahren sein rechtes Coming Out und trat auf verschiedenen rechten Veranstaltungen als Redner auf. Dadurch ist er selber von Klagen wegen Beleidigung und Volksverhetzung betroffen. So hätte er natürlich auch ein persönliches Interesse, dass sich die Gesetzgebung in dieser Frage ändert.

Vergleich zum Nicht-Verbot der NPD

Überraschend ist die Entscheidung nicht. Das Urteil hat deutliche Parallelen zur Begründung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die NPD nicht zu verbieten (vgl. NPD – zu unbedeutend für ein Verbot?[7]). Da wurde zum Kriterium, dass die Partei aktuell zu klein und unbedeutend ist, um den Staat und seine Verfassung zu gefährden oder gar aus den Angeln zu heben.

Auch hier orientiert sich das Gericht nur an staatlichen Apparaten. Wenn in einigen Kommunen, in denen die NPD einen gewissen Einfluss hat, wie beispielsweise in Jameln in Mecklenburg-Vorpommern, deren Gegner bedroht werden[8], ist das nicht gerichtsrelevant.

Diese Fixierung auf den Staat statt auf die Opfer ist auch hier das eigentlich Kritikwürdige. Aber diese Staatslogik reiht sich ein in die Politikerreden nach rassistischen Anschlägen. Auch dann wurde in der Regel und in erster Linie betont, dass es sich um einen Anschlag auf Deutschland handelt und nicht um einen Anschlag auf eine konkrete Person.

Der NSU-Prozess und das Urteil waren doch noch ein deutliches Zeichen für die Ignoranz der Justiz gegenüber den Opfern des NS-Terrors[9]. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts setzt diese Ignoranz gegenüber den Opfern fort.

Peter Nowak

URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/-4132245
https://www.heise.de/tp/features/Wird-der-Volksverhetzungsparagraph-zum-Papiertiger-4132245.html

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/06/rk20180622_1bvr208315.html;jsessionid=EBD704AC7162CA2003BA2614B7048733.1_cid394
[2] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2018/bvg18-066.html
[3] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2018/bvg18-066.html
[4] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2018/bvg18-066.html
[5] http://de.verschwoerungstheorien.wikia.com/wiki/Neuschwabenland
[6] http://www.pi-news.net/2018/08/akif-pirincci-die-verschwiegene-sensation/
[7] https://www.heise.de/tp/news/NPD-zu-unbedeutend-fuer-ein-Verbot-3128531.html
[8] https://www.focus.de/politik/videos/rechtsextremismus-und-fremdenfeindlichkeit-zu-besuch-im-nazidorf-jamel-nur-eine-familie-kaempft-hier-tapfer-gegen-rassismus_id_6367489.html
[9] http://www.nsu-tribunal.de

Wenn „nicht-authentisches Verhalten“ zur Sperrung führt

Vor den Zwischenwahlen in den USA sorgt die Verschwörungstheorie über die Wahlbeeinflussung für neue Sperrungen von Facebookseiten. Betroffen sind auch erklärte Trump-Gegner

Vor den Zwischenwahlen in den USA sorgt die Verschwörungstheorie über die Wahlbeeinflussung für neue Sperrungen von Facebookseiten. Betroffen sind auch erklärte Trump-Gegner

Das Onlinenetzwerk Facebook hat in den USA 32 Facebook-Seiten und vermeintliche Fake-Konten gelöscht, die angeblich aus dem Ausland gesteuert wurden. Sie hätten sich durch „koordiniertes nicht-authentisches Verhalten“ von normalen Nutzern unterschieden und verdächtig gemacht, begründet[1] Facebook die Sperrung. Konkret wurde den Verantwortlichen, der am vergangenen Dienstag gesperrten Seiten „Irreführung von anderen“ vorgeworfen. Ein „solches Verhalten“ sei ebenso wie nicht-authentisches Verhalten auf Facebook nicht erlaubt.

Die populärsten der gelöschten Facebook-Seiten – „Aztlan Warriors“, „Black Elevation“, „Mindful Being“ und „Resisters“ – hätten bis zu 290 000 Follower gehabt, erklärt Facebook in einer Stellungnahme. Zwischen April 2017 und Juni 2018 hätten sie demnach etwa 150 Anzeigen für rund 11.000 Dollar in dem Netzwerk geschaltet.

Facebook ordnet diese Accounts und Seiten explizit nicht der „Trollfabrik“ genannten Internet Research Agency in Russland zu. Die „Fake-Seiten“ wiesen aber Ähnlichkeiten mit Techniken und Infrastrukturen auf, die laut Facebook bei Einflusskampagnen vor der Wahl 2016 von jener IRA genutzt worden seien. Die jetzt gesperrten Konten hätten noch entschiedener versucht, ihre wahre Identität zu verschleiern.


Antifaschistische und liberale Proteste im Visier von Facebook

Das Vorgehen der Behörden gegen vermeintliche ausländische Einflussnahme richtet sich auch gegen „liberale und antifaschistische Aktivisten[2]. So wurde über die gelöschte Gruppe „Resisters“ eine Antifakundgebung administriert[3], die sich gegen eine rechte Demonstration[4] zum Jahrestag des rechten Marsches in Charlottesville richtete.

In der Stadt in den USA war 2017 eine Gegendemonstrantin von einem in die Menge rasenden Autofahrer getötet worden. Auch das Facebook-Event zu „No Unite The Right 2 DC“ wurde entfernt[5]. Die Aktivisten sind empört[6] darüber, dass mit der Löschaktion nun der Eindruck entstehen könne, der für den 12. August geplante Protest sei vom Kreml gesteuert. Andrew Batcher vom Antifa-Bündnis „Shut it down“ erklärte[7] gegenüber verschiedenen Zeitungen in den USA, die Facebook-Eventseite sei zwar von „Resisters“ erstellt, aber dann von anderen Gruppen übernommen worden.

Er habe keinen Beweis für ausländische Einflussnahme auf der Seite gesehen: „Der ganze Inhalt der Seite kam von lokalen Aktivisten.“ So sieht Batcher die Löschung als Zensur von real existierendem Protest.

Kreml oder Antifa?

In der linken Tageszeitung Neues Deutschland wurde die Sperrung der linken Aktivitäten unter der treffenden Überschrift „Kreml oder Antifa?[8] abgehandelt. Schließlich ist es in Deutschland seit mehr als 70 Jahren Brauch, kritische linke Aktivitäten als von Moskau bzw. vom Kreml gesteuert zu diffamieren.

Davon waren auch explizite Kritiker des staatskapitalistischen Politikmodells in Osteuropa betroffen. In den USA sorgten seit den späten 1940er Jahren die Komitees für unamerikanische Umtriebe für den Abbruch vieler beruflicher Karrieren von Künstlern, Wissenschaftlern, Publizisten und Politikern. Sie wurden als bewusste oder unbewusste Unterstützer und Mitläufer des Kommunismus diffamiert.

Viele der vor diese Ausschüsse Geladenen waren lebenslang stigmatisiert. Wer nicht kooperierte, musste mit langjährigen Haftstrafen rechnen. Manche der Betroffenen verübten Selbstmord.

Es macht den Anschein, dass aus den unamerikanischen Umtrieben heute das nicht-authentische Verhalten geworden ist. Das ist ebenso ein Gummibegriff, der im Zweifel gegen alle in Stellung gebracht werden kann, die Kritik an der herrschenden Politik äußern.

Die Konsequenz der Sperrung von linken und liberalen Seiten sollte daher nicht nur im Lamento bestehen, hier seien mal die falschen getroffen worden. Vielmehr sollte das ganze Konstrukt der angeblichen russischen Einflussnahme in Frage gestellt werden. Das nicht-authentische Verhalten ist da nur die neueste Sumpfblüte, mit der die Eingriffe gerechtfertigt werden. Es ist deshalb auch bedauerlich, wenn der ND-Kommentator Moritz Wichmann doch sehr viel Verständnis für die Zensoren aus den USA zeigt[9]:


Natürlich ist das Reden über russische Manipulationen für Neokonservative und zentristische US-Demokraten bequemer, als etwa für einen Mindestlohn von 15 US-Dollar zu kämpfen. Falsch ist aber auch, dass manche Russland-Anhänger einen absolut wasserdichten Beweis für Moskaus Einflussnahme haben wollen, obwohl das bei digitalen Einflusskampagnen fast nie möglich ist. Die Zuordnung von Angriffen anhand von durch Wissenschaftlern und IT-Experten festgelegter Indizien ist aber möglich – auch wenn sie in diesem Fall von Facebook noch nicht vorgenommen wurde.

Moritz Wichmann

Nun will Wichmann sogar auf den Beweis für die russischen Manipulationen verzichten und ist mit Indizien zufrieden, die in dem Fall der aktuellen Sperrungen, wie er selbst schreibt, gar nicht geprüft wurden. Hier wurde also erst einmal zensiert, bevor überhaupt geprüft wurde. Es ist nur zu hoffen, dass das ND und andere Medien es den ideologischen Staatsapparaten in Deutschland nicht so einfach durchgehen lassen, wenn sie Seiten wegen möglicher russischer Einflussnahme sperren, die nicht bewiesen werden kann.

URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/-4129409
https://www.heise.de/tp/features/Wenn-nicht-authentisches-Verhalten-zur-Sperrung-fuehrt-4129409.html
Peter Nowak

Links in diesem Artikel:
[1] https://newsroom.fb.com/news/2018/07/removing-bad-actors-on-facebook/
[2] https://www.theverge.com/2018/8/1/17637540/facebook-influence-campaign-russia-liberal-activists-resisters
[3] https://eu.usatoday.com/story/news/2018/08/01/unite-right-2-rally-activists-plan-counter-rally-aug-12/878556002/
[4] https://www.thedailybeast.com/unite-the-right-to-take-its-nazi-roadshow-to-dc
[5] https://gizmodo.com/dc-organizers-say-anti-racist-rally-facebook-took-down-1828014688
[6] http://dcist.com/2018/07/facebook_deletes_unite_right_counterprotest_page.php
[7] https://www.huffingtonpost.com/entry/no-unite-the-right-protest-facebook-russia_us_5b632aa2e4b0de86f49efd4d
[8] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1096185.sperrung-von-facebook-seiten-kreml-oder-antifa.html
[9] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1096174.facebook-nicht-so-einfach.html

Proteste sollen an Indymedia erinnern


Internationaler Aufruf zur Aktion am 25. August

Am 25. August 2017 verbot das Bundesinnenministerium die linke Internet-Plattform Indymedia-Linksunten. Zum Jahrestag dieser umstrittenen Maßnahme sollen nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern Menschen gegen das staatliche Verbot protestieren. »Solidarisch gegen Verbote – auf die Straße am 25. August«, heißt es in einem Aufruf, der in mehreren Sprachen in den sozialen Netzwerken verbreitet wird. Die Plattform sei zum ersten Ziel neuer staatlicher Härte gegen Linke nach den G20-Protesten im letzten Juni in Hamburg geworden, heißt es darin. Nach den Krawallen auf Hamburgs Straßen begannen Medien, Polizei und Politiker*innen eine Kampagne gegen die außerparlamentarische Linke. Dabei gerieten auch zahlreiche Projekte ins Visier, die mit den Ereignissen in Hamburg nichts zu tun hatten.

Indymedia Linksunten wurde nach dem Vereinsrecht verboten. Zurzeit laufen umfangreiche Ermittlungen wegen Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nach Paragraf 129a gegen Freiburger Linke. Der internationale Solidaritätstag soll die Botschaft vermitteln, dass sie nicht alleine stehen. Doch darüber hinaus soll er ein Protest gegen Restriktionen im Internet sein. »Die Zensur von Indymedia linksunten ist ein weiterer besorgniserregender Schritt in Richtung weniger Freiheiten und mehr Kontrolle. Europaweit werden, wie zuletzt etwa in Frankreich, Netzwerkdurchsuchungs-, Polizei- und Zensurgesetze eingeführt oder verschärft«, heißt es im Aufruf. Als Beispiele werden die europaweiten Fahndungsaufrufe und die mittlerweile über 80 Polizeirazzien im In- und Ausland auf der Suche nach vermeintlichen Straftäter*innen der G20-Proteste in Hamburg aufgeführt.

Der Aufruf richtet sich aber nicht nur an die linke Szene. »Wir rufen solidarische Genoss*innen in Nah und Fern dazu auf, mit großen, kleinen, lauten und leisen Aktionen aufzuzeigen, dass Zensur, weitere freiheitsfeindliche Gesetzgebungen und Polizeimaßnahmen von uns weder geschluckt noch unbeantwortet bleiben werden«, heißt es da.
Während in den letzten Monaten zahlreiche Menschen gegen die Verschärfungen von Polizeigesetzen in verschiedenen Landeshauptstädten wie München und Düsseldorf auf die Straße gingen, blieben die Reaktionen auf das Verbot der linken Medienplattform bisher vergleichsweise überschaubar. Eine der größeren Demonstrationen fand mit knapp 700 Teilnehmer*innen wenige Wochen nach dem Verbot in Freiburg statt. Auch journalistische Interessenvertretungen wie die Deutsche Journalist*innenunion haben bisher zu dem Verbot der Plattform geschwiegen, was von einigen DJU-Mitgliedern in einem Offenen Brief scharf kritisiert wurde.

Mit dem Aktionstag wird auch an die Wurzeln von Indymedia erinnert. Die Internetplattform wurde 1999 auf dem Höhepunkt der globalisierungskritischen Bewegung gegründet und hatte Ableger in vielen Ländern auf allen Kontinenten. Das Projekt war von Anfang an massiver staatlicher Repression ausgesetzt. Berüchtigt war der Angriff schwerbewaffneter Polizeieinheiten auf Indymedia-Vertreter*innen beim G7-Gipel in Genua am 20. Juli 2001. Anschließend kam es in vielen Ländern zu Protesten. Daran gemessen, dürften die Proteste am 20. August bescheidener ausfallen. Doch für die Organisator*innen ist wichtig, dass sie nicht auf Deutschland beschränkt bleiben, weil das Projekt Indymedia von Anfang an einen transnationalen Charakter hatte.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1095962.proteste-sollen-an-indymedia-erinnern.html

Die Rechte und die Israelsolidarität

Warum der Kampf gegen den Antisemitismus davon befreit werden muss, als Legitimationsideologie eines Staates und dessen Regierung zu dienen

Es scheint einer jener periodisch auftretenden Flügelkämpfe der Restlinken, wenn nun mehrere linke Initiativen zum Boykott des Leipziger Kulturzentrums Conne Island[1] aufrufen. Da wird gleich von Querfront geredet und ein Rundumschlag gegen israelsolidarische Linke insgesamt gemacht. Der Grund der Kritik aber ist berechtigt und wird im Conne Island durchaus kontrovers diskutiert[2].

Das Zentrum hatte den selbsternannten Verteidiger des Abendlands Thomas Maul[3], der in der AfD die „einzige Stimme der Restvernunft“[4] sieht, die Möglichkeit gegeben, dort einen Vortrag zum moslemischen Antisemitismus und seinen angeblichen linken Verharmlosern zu halten. Ein Teil seiner Bündnispartner hatte Maul ausgeladen, nachdem ihnen sein Lob auf die AfD und seine permanenten Angriffe auf feministische Positionen bekannt geworden sind.

Nun war Maul schon lange, bevor es die AfD gab, durch eine mangelnde Abgrenzung zu einer rechten Islamkritik aufgefallen. Bei seiner Lesung im Rahmen der Linken Buchtage im Jahr 2010 in Berlin wurde im Publikum unwidersprochen der Hass auf den Islam propagiert[5].

Identitäre werben für Magazin der Ex-Antideutschen

Maul betonte hinterher, dass er mit keinen Wort selber zum Hass aufgerufen habe, distanzierte sich aber auch nicht von entsprechenden Äußerungen aus dem Publikum. Nun bleibt allerdings nach der Lektüre vieler von Mauls Texten offen, ob es sich bei seinen Beiträgen eher um Provokationen gegen das von ihm erkennbar nicht geschätzte aktuelle linke Milieu oder um ausformulierte rechte Positionen handelt. So kann man auch bei seinem AfD-Lob zwischen den Zeilen lesen, dass es ihm eher darum geht, die oft rituelle Empörung über die AfD anzuprangern.

Das zentrale Medium von Maul ist die Publikation Bahamas[6]. Vor zwei Jahrzehnten von einigen Ex-Maoisten gegründet hatte es einen gewissen Einfluss auf die Debatten in der frühen antideutschen Strömung. Heute bekennt sich kaum noch jemand in der Linken dazu, Bahamas zu lesen. Dafür hat die Zeitung neue Freunde gefunden. Martin Sellner von der rechten Identitären Bewegung findet Gefallen[7] an dem Magazin[8].

Das ist kein Zufall, wenn es um das Lob für Trump oder die Verachtung von Feminismus und Antirassismus geht, findet man in den Texten der aktuellen Bahamas-Ausgaben nichts, was nicht auch in Medien der schlaueren Rechten stehen kann.

Da wird in einen Bahamas-Text über die Black-Panther-Bewegung in den USA eine regelreche Gräuelpropaganda betrieben, wie sie sonst nur in der US-Rechten üblich ist, für die in dem Blatt viel Verständnis geäußert wird. In der aktuellen Ausgabe wurde Trumps Rede zum Bruch des Atomabkommens mit dem Iran im Wortlaut abgedruckt.

Wie in der Rechten wird auch in der Bahamas die Merkelsche Flüchtlingspolitik angeprangert, nicht etwa weil sie ein freundliches Gesicht zur Abschottung fordert, sondern weil sie angeblich 2015 die Grenzen geöffnet hat. Die rechten Fakenews von der Grenzöffnung durch Merkel werden von der Bahamas-Redaktion bereitwillig übernommen. Mittlerweile kokettiert die Bahamas-Redaktion selber mit dem Etikett Rechtsantideutsche[9], die wiederum von den Antideutschen bekämpft werden, die sich noch als links verstehen.

Sogar mit den berühmt-berüchtigten kleinen Mann und der kleinen Frau in Deutschland macht die Bahamas ihren Frieden[10]. Schließlich ist der jetzt oft gegen Moslems und Migranten, also auf der aktuellen politischen Linie der Bahamas.

Wie die Praxis der Rechtsantideutschen aussieht, schildert ein Teilnehmer an der diesjährigen israelsolidarischen Demo gegen den islamistischen und teilweise antisemitischen Al Quds-Tags[11]. Ein Teil der Teilnehmer habe sich im Anschluss an einer Antifademo gegen einen von der AfD initiierten Frauenmarsch gegen den Islamismus beteiligt, die Rechtsantideutschen hingegen hätten sich samt ihrer Israelfahnen in diese Frauendemo eingereiht.

So ist die aktuelle Bahamas eigentlich wieder auf einer Linie mit einem alten Freund und Gesinnungsgenossen. Jürgen Elsässer veröffentliche in den ersten Jahren zahlreiche Texte in der Bahamas, bevor es ihn durch die gesamte linke und linksliberale Medienlandschaft trieb.

Nun hat er mit Compact ein eigenes Medium, das viel bekannter als die Bahamas und mehr auf praktische politische Einflussnahme, denn auf theoretischen Tiefgang aus ist. Doch Elsässer galt ja auch in seiner antideutschen Phase als Populist. Auch die Vorzüge des Populismus hat die Bahamas mittlerweile entdeckt.

Inhaltlich dürfte es heute zwischen Compact und Bahamas viele Gemeinsamkeiten geben, vor allem die Verachtung von allem, was als Erbe der 68er-Bewegung bezeichnet wird. Dazu gehören vor allem Antirassismus und Feminismus und auch der Marxismus überhaupt. Bei der Bahamas wird er, wenn überhaupt noch, als philosophische Bewegung gelten gelassen.

Politische Bewegungen, die sich auf den Marxismus berufen, werden gnadenlos bekämpft. Elsässer hat seine Abkehr von jeder marxistischen Phase bereits vor mehr als 10 Jahren vollzogen. Kein linkes Zentrum will für ihn heute noch zu einer Diskussionsveranstaltung einladen. Es ist daher zu fragen, warum eine Distanzierung von einem Thomas Maul so schwer viel schwerer fällt, wie sich am Fall des Leipziger Conne Island zeigt.

Rechte Israelsolidarität kein Kampf gegen den Antisemitismus

Das liegt vor allem daran, weil Maul und andere Bahamas-Autoren als frühe Streiter gegen jeden Antisemitismus gelten. Manchen scheint es als ein Zugeständnis an die Israelkritiker, wenn man einen ihrer Autoren auslädt. Hier rächt sich, dass man zu wenig zur Kenntnis nimmt, dass die rechte Israel-Solidarität eben nicht nur eine Schimäre ist.

Es ist auch nicht einfach eine Taktik, damit rechte Parteien vorzeigbarer werden. Das spielt sicher eine Rolle. Aber die rechte Israel-Solidarität ist im Wortsinn eine Unterstützung von Israel als Bollwerk gegen den Islamismus.

Damit wirbt die ultrarechte israelische Regierung und übt einen engen Schulterschluss mit Ultarechten wie dem ungarischen Ministerpräsident Orban, der kürzlich bei seinem Israel-Besuch sehr freundlich empfangen wurde. Massive Kritik hingegen kam von der israelischen Opposition.

Denn Orban wurde von der israelischen Regierung wegen seiner massiven Flüchtlingsabwehr nicht kritisiert, sondern gelobt. Orban verhindere damit die Einreise von antisemitischen Moslems, so Netanyahu.

Die Rechtsantideutschen plappern das nur nach. Dann sehen sie alle Orban auch nach, dass er sich wesentlich auf antisemitische Figuren in der ungarischen Geschichte wie den Hitler-Verbündeten Horthy stützt. Seine jahrelange Kampagne gegen Soros und seine Stiftung, die alle Kriterien des modernen Antisemitismus[12] trägt, wird entschuldigt.

In der Bahamas wird plötzlich gegen die angeblich „notorisch antizionistische“ Soros-Stiftung polemisiert und schon die ungarische Kampagne gerechtfertigt. Tatsächlich ist Soros kein Freund der aktuellen israelischen Rechtsregierung, er ist aber keinesfalls Antizionist.

Hier zeigt sich auch deutlich, dass die rechte Israelsolidarität eben kein Kampf gegen den Antisemitismus ist. Im Gegenteil ist diese Israelsolidarität selber antisemitisch, wenn es um Juden geht, die nicht bedingungslos zur aktuellen israelischen Regierung stehen.

Nicht nur nichtzionistische Organisationen wie Breaking the Silence[13], die sich kritisch mit der israelischen Armee befasst[14], geraten ins Visier. Auch die Interessenvertretung der eindeutig proisraelischen Linkszionisten in den USA J-Street[15] wird von Netanyahu und seinen Claqueuren schon als Verräter bekämpft.

Für eine Neudifferenzierung der linken Israelsolidarität

Ein Conne-Island-Boykott, vor allem wenn dann gleich große Teile der Israelsolidarität mit den Rechtsantideutschen in einen Topf geworfen werden, bleibt eher reaktiv. Angesichts einer Israelsolidarität, die von verschiedenen europäischen Rechtsparteien getragen wird – die typisch deutsche Marginalie der Rechtsantideutschen spielen da nur eine kleine Rolle – müsste es eine gute Gelegenheit sein, sich in der Linken über die Israelsolidarität und den Kampf gegen den Antisemitismus neu zu verständigen.

Die Engführung des Antisemitismus auf einen auf Israel bezogenen Antisemitismus hat sich in mehrfacher Weise als verhängnisvoll erwiesen. Der Hauptgrund ist, dass ein Großteil der Juden, die keine Anhänger der israelischen Rechtsregierung sind, von der Solidarität ausgenommen oder gar von den rechten Israelsolidarischen selber antisemitisch angegriffen wird.

Die Soros-Stiftung ist da nur das bekannteste Beispiel. Durch die Konzentration auf den israelbezogenen Antisemitismus geriet in Vergessenheit, dass sich Antisemitismus immer auch und hauptsächlich gegen die Kosmopoliten, gegen Menschen, die sich nicht auf Staat und Nation festlegen lassen, richtet.

Heute sind daher besonders Juden vom Antisemitismus betroffen, die sich nicht auf die israelische Politik festlegen lassen. Ihnen wird aber von einem Teil der Israelsolidarischen, nicht nur den Rechtsantideutschen, jede Solidarität verweigert. Schlimmer noch: Zumindest die Bahamas und ihr Umfeld beteiligen sich an den Angriffen auf Juden und jüdische Organisationen, die angeblich nicht bedingungslos zur israelischen Rechtsregierung stehen.

Zur Neuformulierung eines linken Kampfes gegen jeden Antisemitismus müsste der Begriff besonders begründet werden. Er schließt auch den Antisemitismus gegen Juden ein, die sich nicht mit Israel identifizieren, die als Anarchisten, Antinationale, Kosmopoliten, Sozialisten auf Distanz zum Staat Israel bestehen. Es ist nicht einzusehen, warum ihnen die Solidarität gegen Antisemitismus verweigert wird, die gerade sie oft besonders benötigen.

So würde auch deutlich, dass der Kampf gegen den Antisemitismus kein Staatsprojekt ist. Für manche Israelsolidarischen spielt Israel heute die Rolle, die manche Parteikommunisten der Sowjetunion zumaßen. Sie wurde zum Vaterland der Werktätigkeiten erklärt und jeder Kommunist, der daran zu zweifeln wagte, wurde zum Verräter erklärt und exkommuniziert.

Parallel dazu wird Israel von den Rechten und Rechtsantideutschen zur neuen Sowjetunion. Zumindest die Politik der aktuellen Rechtsregierung wird frenetisch verteidigt und die kleinste Kritik als Antisemitismus bekämpft.

Es ist an der Zeit, den Kampf gegen den Antisemitismus wieder zu einer Sache einer nichtstaatlichen linken Bewegung zu machen und ihn davon zu befreien, Legitimationsideologie eines Staates zu werden. Das wäre das Beste, was man den rechten Israelverteidigern entgegenhalten könnte.

Peter Nowak

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Links in diesem Artikel:
[1] https://conneislandboycott.wordpress.com/
[2] https://www.conne-island.de/news/214.html
[3] https://www.thomasmaul.de/
[4] https://www.thomasmaul.de/2018/05/afd-als-einzige-stimme-der-restvernunft.html
[5] https://www.freitag.de/autoren/peter-nowak/eine-gelungene-und-eine-gescheiterte-debatte
[6] http://www.redaktion-bahamas.org/
[7] https://twitter.com/martin_sellner/status/681434711235923968?lang=de
[8] https://dasgrossethier.wordpress.com/2018/05/21/sellner-liest-bahamas/
[9] http://nichtidentisches.de/2017/12/rechtsantideutsch-zur-genese-eines-phaenomens/
[10] http://redaktion-bahamas.org/aktuell/2018/05/05/konferenz-leipzig-programm/
[11] http://www.qudstag.de/
[12] https://www.heise.de/tp/features/Der-ewige-Soros-4004513.html
[13] https://www.breakingthesilence.org.il/
[14] https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/28459
[15] https://jstreet.org/

Keine Menschenrechte für Oppositionelle

Auf einer Konferenz in Berlin sprachen JournalistInnen und PolitikerInnen, über massive Repression der Ukraine. Das fängt bei Drohungen an und geht bis zum Mord an kritischen JournalistInnen. In der westlichen Welt herrscht darüber Schweigen.

JournalistInnen und Kriegsdienstverweigerer werden verfolgt, verprügelt und landen im Gefängnis. Kritische Zeitungen und Rundfunksender werden von der Regierung geschlossen oder von einem nationalistischen Mob belagert. Bei der knapp vierstündigen Konferenz der Linksfraktion Mitte Juni ging es um Menschenrechte und Medienfreiheit in der Ukraine. Dabei wird in Deutschland die Ukraine von der CSU bis zu den Grünen ausschliesslich als Opfer russischer Expansionsinteressen gesehen. Vor Beginn der Fussballweltmeisterschaft der Männer in Russland hat die Grünen-Politikerin Marie Luise Beck bei einer Diskussion im Deutschlandfunk wieder eine Lanze für die Ukraine gebrochen. Für sie war ganz klar, dass die Ukraine gegen Putin ebenso verteidigt werden müsse wie die prowestliche russische Opposition, die Beck unterstützt.

Grüne gegen Pazifist
Auf der vom Linken-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko eröffneten Konferenz zu den Menschenrechten in der Ukraine wurde deutlich, wie stark auch in der Ukraine Andersdenkende und Oppositionelle verfolgt werden. Im ersten Panel berichteten JuristInnen und VertreterInnen von Menschenrechtsorganisationen über die repressive ukrainische Innenpolitik. Die Leiterin des Instituts für Rechtspolitik und Soziales Elena Berezhnaya holte aus einer Tasche einen schmutzigen Lappen. Damit wollte sie zeigen, wie der ukrainische Präsident mit der Verfassung umgehe. Ein Maulkorb sollte die massive Einschränkung der Meinungsfreiheit symbolisieren. Das bekommen auch oppositionelle MedienvertreterInnen zu spüren, die im zweiten Panel über vielfältige Repressalien berichteten. Das fängt bei Drohungen an und geht bis zum Mord an kritischen JournalistInnen. Wenn das in Russland geschieht, gibt es einen grossen Aufschrei in der westlichen Welt. Wenn es in der Ukraine geschieht, folgt das grosse Schweigen.
Die Namen der in den letzten Jahren in der Ukraine ermordeten JournalistInnen sind kaum bekannt. Es setzen sich anders als im Falle Russlands auch keine grünen SpitzenpolitikerInnen für sie ein. Es waren zivilgesellschaftliche AktivistInnen wie Lothar Eberhardt, die dafür gesorgt haben, dass der Name des Bloggers und Journalisten Ruslan Kotsaba einer grösseren Öffentlichkeit bekannt wurde. Er wurde inhaftiert, weil er sich als überzeugter Pazifist klar gegen den Krieg der Ukraine gegen die prorussische Bevölkerung im Osten des Landes ausgesprochen hat. Die Kampagne für seine Freilassung hatte Erfolg. Doch nach seinen engagieren Vortrag, informierte Kotsaba darüber, dass die ukrainische Justiz eine neue Anklage gegen ihn vorbereitet. Es kann also sein, dass er bei seiner Rückkehr wieder inhaftiert wird. Eigentlich müsste der Pazifist Unterstützung auch von Grünen bekommen. Doch für Rebecca Harms und andere FreundInnen der Ukraine sind ukrainische PazifistInnen suspekt, weil sie nicht zur Wehrbereitschaft beitragen.

Zweierlei Mass
Der Journalist Ulrich Heyden redete auf der Konferenz aus eigener Betroffenheit. Er war einer der wenigen deutschsprachigen JournalistInnen, die mit den Angehörigen der Menschen gesprochen haben, die am 2. Mai 2014 beim Sturm von NationalistInnen auf das Gewerkschaftshaus von Odessa, in das sich Angehörige des Anti-Maidan geflüchtet hatten, ums Leben kamen. Heyden schuf mit «Lauffeuer» einen der wenigen deutschsprachigen Filme, die sich mit dem blutigen Geschehen befassen. In den meisten Medien wurde der Film ebenso verschwiegen, wie die Proteste ausblieben, als Heyden aus der Ukraine ausgewiesen wurde. Wäre das in Russland geschehen, wäre Heyden der Held aller Talkshows gewesen und hätte die Unterstützung von allen Parteien bekommen.

aus: Vorwärts, 13.7.2018

Keine Menschenrechte für Oppositionelle


Peter Nowak

Hamburger Gitter

in neuer Film befasst sich anlässlich des Hamburger G20-Gipfels sehr kenntnisreich und künstlerisch gelungen mit der deutschen Polizeiarbeit. Doch es fehlen die Gründe für den Protest und die Menschen, die sie getragen haben

Schwerverletzte Demonstranten liegen auf der Straße, Fahnen und Transparente liegen daneben. Davor stehen Polizisten mit Knüppel und Pfefferspray. Eingeblendet werden mitgehörte Funksprüche von Polizisten, die freudig erklären, dass man die Linken jetzt plattgemacht habe, garniert mit derben Schimpfwörtern.

Das war keine Szene aus Russland oder der Türkei, sondern aus Hamburg währen der G20-Proteste vor fast einem Jahr. Die Szenen finden sich in dem sehenswerten Film Hamburger Gitter[1], der im Untertitel deutlich macht, wo sein Focus liegt.:“Der G20-Gipfel als Schaufenster moderner Polizeiarbeit.“

Dem Filmteam von Leftvision[2] ist ein Kompliment zu machen. Sie haben ihren Anspruch vollständig eingelöst und trotzdem einen kurzweiligen, auch technisch hervorragenden Film produziert. Die Proteste während des Hamburger G20-Gipfels werden nur spärlich gezeigt. Es geht immer um die Polizeiarbeit. Da wird gezeigt, wie die Polizei Zelte wegträgt, obwohl es zu dieser Zeit einen Gerichtsbeschluss gibt, der das Camp erlaubt. Da kommen mehrere Protestteilnehmer zu Wort, die von der Polizei beschimpft und gedemütigt oder wie Leo sogar mit dem Tod bedroht wurden. „Da wurde ich ganz devot, weil ich wirklich dachte, die bringen mich jetzt um“, sagt der Mann.

Ein solcher Satz bleibt genau wie die Szenen der Polizeibrutalität mit den verletzt auf der Straße liegenden Demonstranten in Erinnerung. Es kann also 2017 in Deutschland durch das Agieren der Polizei ein Klima erzeugt werden, das bei Festgenommenen Todesängste hervorruft. Ähnliche Erfahrungen haben auch zwei Mitglieder der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in NRW, die ebenfalls in Hamburg festgenommen wurden. Diese Polizeitaktiken erinnern an die chilenischen Nächte in Genua[3] 2001, als mittlerweile juristisch bestätigt[4] Menschen gefoltert und mit dem Tod bedroht wurden. Doch im Gegensatz zu Genua wird über die Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei in Hamburg noch immer wenig berichtet.

Polizeigewalt ist nicht durch zu viele Polizisten mit autoritärem Charakter zu erklären

Noch immer steht der Miniriot im Schanzenviertel im Mittelpunkt der Berichterstattung. Dabei gab es auch in Genua sehr umstrittene militante Aktionen. Doch die Kritik an Menschenrechtsverletzungen der Polizei muss getrennt davon behandelt werden. Denn Riots sind keine Gründe für die Rechtfertigung von Polizeibrutalität. Im Film wird noch einmal daran erinnert, dass der Hamburger Bürgermeister von Hamburg Olaf Scholz ebenso wie der Innensenator vehement bestritten, dass es überhaupt Polizeigewalt gibt.

Wer im Sommer letzten Jahres faktengestützt wie Jutta Ditfurth beim Maischberger-Talk[5] von Polizeigewalt in Hamburg sprach, war einer massiven Hetzkampagne ausgesetzt. Daher ist der Film „Hamburger Gitter“ sehr wichtig. Denn, so die These des Filmteams, die Polizeigewalt in Hamburg kündigte sich im Vorfeld mit Gesetzesverschärfungen an und sie wirkt bis heute weiter mit der Kampagne gegen linke Zentren, die mit den G20-Protesten von Hamburg oft nichts zu tun haben, mit einer europaweiten Fahndung nach angeblichen Straftätern bei den G20-Protesten, wobei die Unschuldsvermutung faktisch außer Kraft gesetzt wird, mit harten Urteilen gegen Verhaftete.

Als Gesprächspartner kommen im Film neben einigen G20-Gegnern Rechtsanwälte und linke und linksliberale Journalisten und Kriminologen zu Wort, die Erklärungsansätze für das Agieren der Polizei suchen. So betonte der Frankfurter Soziologe Daniel Loik[6], dass es unterschiedliche Polizeitypen gibt. Ein Polizist in einer ländlichen Umgebung übt eine ganz Arbeit aus als die Sondereinsatzkommandos, die bei Protesten wie in Hamburg zum Einsatz kommen. Angenehm ist, dass die Gesprächspartner im Film nicht als Politikberater auftreten und konkrete Vorschläge machen, wie alles besser laufen könnte. Sie geben vielmehr Hinweise darauf, dass die Polizeigewalt eben nicht nur damit zu erklären ist, dass eben viele autoritäre Charaktere bei der Polizei arbeiten.

Es geht um Strukturen, und so wird daran erinnert, dass die Hamburger Polizei noch bis vor einigen Jahren beim Training für den Einsatz gegen linke Proteste Lehrmaterial über die Niederschlagung des Hamburger Aufstands von 1923 zur Grundlage hatte. Hier wird die politische Dimension sichtbar, die von einigen Gesprächspartnern direkt angesprochen wurde. Dazu gehört der Verlager Karlheinz Dellwo[7], der kürzlich das Buch „Riot – Was war los in Hamburg“[8] veröffentlichte, das sich nicht nur auf die Polizeiarbeit und Repression konzentriert, sondern sich auch mit den Protesten und den nach Meinung der Autoren oft vorschnell und zu Unrecht als unpolitisch gebrandmarkten Riots aus einem anderen Blickwinkel befasst.

Riots statt Streiks?

In dem Buch wird ein wichtiger Text des US-amerikanischen Wissenschaftlers und Journalisten Joshua Clover[9] vorgestellt, der die Zunahme der Riots mit dem Ende der großen Fabriken und der fordistischen Arbeiterbewegung in Verbindung bringt[10]. In einem Interview[11] mit der Jungle World spricht Clover sogar von einem Zeitalter der Riots, während in der fordistischen Arbeiterbewegung Streiks die dominierende Widerstandsform war.

Diese schematische Gegenüberstellung kann man aus vielen Gründen kritisieren. Schließlich waren Streiks in der Geschichte oft von riotähnlichen Aufständen begleitet. Zudem gibt es auch nach dem Ende der großen Fabriken Arbeitskämpfe in Sektoren, die lange Zeit von der klassischen Arbeiterbewegung als kaum organisierbare Sektoren galten. Dazu gehören die zunehmenden Arbeitskämpfe im Caresektor[12], aber auch im Bildungswesen.

So macht der mehrere Monate andauernde Arbeitskampf der studentischen Beschäftigten an Berliner Hochschulen[13] Schlagzeilen und sorgte für einen Polizeieinsatz. Auf Anweisung der Leitung der Technischen Universität Berlin räumte die Polizei in der letzten Woche das von Streikenden besetzte Audimax der Hochschule. Die Berliner Gewerkschaft und Wissenschaft kritisierte[14] die Aktion als unverhältnismäßig und der bundesweite Studierendenverband fzs[15] sprach von einer zunehmenden staatlichen Repression in den Hochschulen in Deutschland.

Wir nehmen bundesweit einen verschärften Umgang mit studentischen Protesten sowie Student*innenvertretungen war. Student*innen sind kritisch denkendende Individuen, für die Hochschulleitungen scheint dies aber nur ein Lippenbekenntnis zu sein. Stattdessen wird Kritik an Hochschulen und dem Bildungssystem als störend wahrgenommen.

Eva Gruse vom Vorstand des freien Zusammenschlusses von student*innenschaften (fzs)

Nicht nur bei universitären Arbeitskämpfen, sondern auch, wenn sich bei einer Werbeveranstaltung einer Immobilienfirma unter dem Deckmantel einer Ringvorlesung[16] an der TU-Berlin Kritiker zu Wort melden, schreitet die Polizei ein und erteilt ihnen Hausverbot, wie das Forum Urban Research and Intervention in einem Offenen Brief[17] kritisiert.

Die Inhalte und die Menschen, die sie vertreten, kommen in dem Film zu kurz

Alleine diese Beispiele zeigen, dass das Thema Staatsrepression nicht nur am Beispiel der G20-Proteste in Hamburg diskutiert werden sollte. Es braucht längst keine Riots, es reicht auch eine völlig friedliche Besetzung im Rahmen eines Arbeitskampfes wie an der TU-Berlin, um die Staatsmacht auf den Plan zu rufen. Gleichzeitig werden von den Staatsapparaten die Ereignisse von 1968 abgefeiert.

Hier ist auch eine Kritik angebracht, die weniger mit dem Film „Hamburger Gitter“, sondern stärker mit der politischen Situation in Deutschland zu tun hat. Wie schon beim Film „Festival der Demokratie“[18], der einen ähnlichen Ansatz wie „Hamburger Gitter“ hat, aber stärker dokumentarisch ist, sieht man auch hier wenig von den Protesten und ihren Trägern. Aktivisten kommen nur im Zusammenhang der Polizeirepression zu Wort. Da bleibt offen, was die Gründe für sie waren, in Hamburg zu protestieren.

Dass von den Gipfelprotesten oft nur die Repression in Erinnerung bleibt, ist nichts Neues. Das war bei vielen politischen Großereignissen ähnlich. Es ist aber auch ein Ausdruck für die Schwäche der Linken in Deutschland. Dass es auch anders geht, zeigt eine Vidoearbeit der US-Künstlerin Andrea Bowers[19], die nur wenige Meter vom Kino entfernt, in dem „Hamburger Gitter“ in Berlin Premiere hatte, in der Galerie Capitain Petzel[20] zu sehen ist. Es sind die Videos „Disrupting“ und „Resisting“ und „J20 & J21“ zu sehen[21].

In knapp 80 Minuten werden die Proteste anlässlich der Amtseinführung von Trump in Washington gezeigt. Es gab eine große Koalition von Frauenorganisationen, von Initiativen, die sich um ökologische Fragen und um den Kampf für Arbeiterrechte engagieren. Man sieht immer wieder Menschen, die Transparente tragen und Parolen skandieren. Man sieht ihr Engagement, ihre Wut und auch ihre Freude. Es gibt lustige Szenen, wenn die Trump-Gegner mit den Unterstützern des Präsidenten zusammentreffen. Und es gibt massive Polizeigewalt und Verletzungen. Doch nicht sie, sondern die Protestierenden stehen im Mittelpunkt der Filme. Wenn es auch in Deutschland möglich wäre, nach politischen Großevents wie dem G20-Gipfel in Hamburg Filme zu drehen, in denen nicht die Repression, sondern die Proteste und ihre Trägerinnen und Träger im Mittelpunkt ständen, wäre das ein Erfolg für die Linke in dem Land.

Peter Nowak
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Links in diesem Artikel:
[1] https://hamburgergitter.weebly.com/
[2] http://www.leftvision.de/
[3] http://akj.rewi.hu-berlin.de/vortraege/sose04/230604.html
[4] http://www.heise.de/tp/news/Folter-in-Italien-jetzt-vom-Gericht-bestaetigt-2596823.html
[5] https://meedia.de/2017/07/14/streit-nach-bosbach-abgang-geht-weiter-jutta-ditfurth-reicht-maischberger-entschuldigung-noch-nicht/
[6] https://www.uni-frankfurt.de/44533466/Loick_Daniel
[7] https://non.copyriot.com/author/karl-heinz-dellwo/
[8] https://shop.laika-verlag.de/shop/diskurs/riot-was-war-da-los-hamburg
[9] http://english.ucdavis.edu/people/jclover
[10] https://non.copyriot.com/joshua-clovers-riot-strike-riot-theorie-und-praxis-der-sozialen-aktion/
[11] https://jungle.world/artikel/2016/43/die-aera-der-krawalle
[12] https://de-de.facebook.com/Walk-of-Care-pflegt-die-Zukunft-1196265617087718/
[13] https://tvstud.berlin/
[14] https://www.gew-berlin.de/20310_21179.php
[15] https://www.fzs.de/
[16] https://www.pressestelle.tu-berlin.de/menue/veranstaltungen/kalender/?view=single&
uid=8271&date=1525212000&showm=1525125600&showd=1525212000&amp
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jAwMCZzaG93bT0xNTI1MTI1NjAwJmNIYXNoPTIyNTQ3NjMwNDYwYTg3YWU0NGM2NzEwMGFhNzUzMzli
[17] https://furi.berlin/aktuelles/offenerbrief_cg-gruppe_an_der_tu-berlin/
[18] https://www.festival-der-demokratie.de/de/
[19] https://www.artsy.net/artist/andrea-bowers
[20] http://www.capitainpetzel.de/
[21] http://www.capitainpetzel.de/exhibitions/open-secret/

Lieber tot als zurück

Abschiebungen sind mittlerweile zur Routine geworden. Vor allem die konservativen Parteien drängen darauf, Geflüchtete so schnell und effizient wie möglich loszuwerden. Dass die deutsche Flüchtlingspolitik auch tödlich enden kann, dokumentiert der Verein „Antirassistische Initiative“.

Der 23 Jahre alte Hashmatulla F., ein Geflüchteter aus Afghanistan, wird am 17. September 2017 rechtswidrig nach Bulgarien abgeschoben. Dort kommt er in Abschiebehaft und wird mit Schlägen gezwungen, sich mit einer „freiwilligen“ Ausreise einverstanden zu erklären. Am 3. Oktober folgt seine Abschiebung nach Afghanistan, obwohl schon am 22. September das Verwaltungsgericht Sigmaringen angeordnet hatte, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ihn nach Deutschland zurückholen muss. F. fürchtet in Afghanistan um sein Leben, denn als ehemaliger Militärangehöriger und wegen seiner Zusammenarbeit mit ausländischen Kräften wurde er von Angehörigen der Taliban und des Islamischen Staates mit dem Tode bedroht. Mit einem weiteren Beschluss ordnet das Verwaltungsgericht Sigmaringen seine Rückholung aus Afghanistan nach Deutschland an, damit das Asylverfahren hier stattfinden kann. Mit einem Visum der deutschen Botschaft in Pakistan kann Hashmatulla F. am 14. Dezember nach Deutschland zurückfliegen.

Das ist eine der wenigen Meldungen mit einem positiven Ende, die in der aktuellen Ausgabe der Dokumentation „Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen“ aufgelistet sind. Seit 25 Jahren sammelt der Berliner Verein „Antirassistische Initiative“ (ARI) die Fälle und gibt sie einmal im Jahr gesammelt heraus.

Elke Schmidt hat das Projekt 1993 mit einer Mitstreiterin gestartet. Damals hatte sich der Onkel eines verschwundenen tamilischen Flüchtlings an die ARI gewandt. Sie forschten nach und fanden heraus, dass er mit acht anderen tamilischen Flüchtlingen beim Grenzübertritt in der Neiße ertrunken war. Mit einem Filmteam machte die ARI damals den Tod in der Neiße öffentlich. Seitdem sammelt das kleine Team Nachrichten über Todesfälle, Misshandlungen und Gewalt, die in direktem Zusammenhang mit der deutschen Flüchtlingspolitik stehen: 261 Geflüchtete töteten sich zwischen dem 1. Januar 1993 und dem 31. Dezember 2017 aus Angst vor ihrer drohenden Abschiebung oder starben bei dem Versuch, vor der Abschiebung zu fliehen, davon 79 Menschen in Abschiebehaft. 2528 Geflüchtete verletzten sich aus Angst oder aus Protest gegen die drohende Abschiebung, unter anderen bei Hunger- und Durststreiks, oder versuchten, sich umzubringen, davon befanden sich 743 Menschen in Abschiebehaft.

Schwerpunkt Afghanistan
Der Schwerpunkt der aktualisierten Ausgabe sind Abschiebungen nach Afghanistan, die Mitte Dezember 2016 begannen. Und das, obwohl Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl immer wieder darauf hingewiesen haben, dass das Land nicht sicher ist und sich daher eine Rückführung von Geflüchteten nach menschenrechtlichen Kriterien verbietet. Längst sind die Abschiebungen zur Routine geworden. Schlagzeilen machen sie in der Regel nur noch, wenn es Geflüchteten gelingt, sich erfolgreich einer zwangsweisen Ausweisung zu entziehen.

In der Dokumentation der ARI werden die oft tödlichen Folgen der Abschiebepolitik an vielen Beispielen benannt. Der 23-jährige Geflüchtete Atiqullah Akbari war am 23. Januar 2017 abgeschoben worden. Zwei Wochen später wurde er durch einen Bombenanschlag in Kabul verletzt. Der 22 Jahre alte Farhad Rasuli wurde am 10. Mai 2017, drei Monate nach seiner Abschiebung aus Deutschland, in Afghanistan bei einem Anschlag durch die Taliban getötet. Der 23-jährige Abdullrazaq Sabier wurde am 31. Mai bei einem Bombenanschlag im Diplomatenviertel von Kabul zwar nicht, wie anfangs berichtet, getötet, aber doch schwer verletzt. Sein Asylantrag in Deutschland war abgelehnt worden. Nachdem die dritte Sammelabschiebung stattgefunden hatte, gab er dem Abschiebungsdruck der Behörden nach und war im März „freiwillig“ nach Afghanistan zurückgekehrt.

Elke Schmidt von der ARI macht im Gespräch mit Kontext darauf aufmerksam, dass die Massenabschiebungen nicht nur in Afghanistan, sondern auch hierzulande tödliche Folgen haben können. „Mindestens acht AfghanInnen, davon drei Minderjährige, töteten sich in den Jahren 2016 und 2017, es kam zu 110 Suizidversuchen und Selbstverletzungen. Viele dieser Vorfälle fanden in Abschiebehaft statt. Schmidt geht von einer noch höheren Dunkelziffer aus. Schließlich veröffentlicht die ARI in ihrer Dokumentation nur Meldungen, die gegenrecherchiert und von zwei Quellen bestätigt worden sind.

Tod am Bodensee
In der Flüchtlingsunterkunft „Inter-Mezzo“ im Wasserburger Ortsteil Hengnau in der Nähe von Lindau tötete sich am 27. Februar 2017 ein 17 Jahre alter Flüchtling aus Afghanistan – zwei Tage vor seiner Volljährigkeit. Der Jugendliche lebte seit 2015 in Lindau, war offensichtlich traumatisiert und litt unter Depressionen. Ein Stein, den er in der Schule für eine Ausstellung bemalte, zeigt eine skizzierte Person mit traurigem Gesichtsausdruck hinter oder vor Gittern. Der Jugendliche hatte in Afghanistan ohne für ihn ersichtlichen Grund im Gefängnis gesessen, bevor er seine Flucht antrat. Doch in Deutschland traf er auf Bürokratie und Ablehnung.

Am 2. Januar 2017 zündete sich ein 19-jähriger Afghane im Warenlager eines Supermarkts im bayerischen Gaimersheim selbst an, nachdem er sich mit Benzin übergossen hatte. Mit schweren Brandverletzungen wurde er ins Krankenhaus gebracht. Der bayerische Flüchtlingsrat erinnerte nach dem Vorfall daran, dass die Arbeitsverbote und die sich häufenden Abschiebungen bei vielen Geflüchteten aus Afghanistan Ängste auslösen, die bis zum Suizid führen können. Oft komme es auch zur Retraumatisierung bei Menschen, die in Afghanistan und auf ihrer Flucht mit Gewalt und Misshandlungen konfrontiert waren.

Doch solche menschenrechtlichen Dokumente sind für die Abschiebungen nicht entscheidend, sondern die Einschätzungen und Berichte des Auswärtigen Amtes (AA). Das beschreibt Afghanistan in einem neuen Bericht als Land in desaströser Lage, in dem es kaum Fortschritte in Sachen Menschenrechte gebe. Aber da es in dem Bericht auch heißt, dass in Afghanistan keine systematische, staatlich organisierte Gewalt gegen die eigene Bevölkerung“ besteht, forderten CSU-PolitikerInnen sofort, die Abschiebungen nach Afghanistan weiter zu intensivieren. Dieser Auffassung hat sich auch Bundeskanzlerin Merkel in der Fragestunde des Bundestages angeschlossen. Für viele Geflüchtete aus Afghanistan bedeuteten diese Ankündigungen noch mehr Angst und noch mehr Stress.

Sturz in sieben Meter Tiefe
Auch die gesundheitlichen Folgen von Abschiebungen werden in der Dokumentation der ARI aufgelistet. Der 56 Jahre alte Herr S. wird im Rahmen einer Sammelabschiebung aus der Abschiebehaft Pforzheim von der Polizei abgeholt und über Frankfurt am Main nach Afghanistan ausgeflogen. Auf dem Asphalt des Flughafens in Kabul erleidet der physisch und psychisch kranke Mann einen schweren Schwindelanfall, so dass die afghanischen Behörden ihn direkt nach Deutschland zurückschicken. Hier kommt er erneut in Abschiebehaft.

Doch nicht nur Geflüchtete aus Afghanistan verüben Suizid aus Angst vor der Abschiebung. Am 26. Oktober 2017 wollten PolizeibeamtInnen einen Geflüchteten aus Gambia zur Identitätsfeststellung zum Regierungspräsidium Karlsruhe aus der Unterkunft in der Salmbacher Straße in Schömberg im Landkreis Calw abholen. Sie treffen ihn aber nicht an. PassantInnen finden den 43 Jahre alten Mann lebensgefährlich verletzt vor dem Haus am Boden. Ein Zeuge sagt aus, dass der Gambier aus dem Fenster geklettert und von der Dachkante sieben Meter in die Tiefe gesprungen war. Er hatte Angst vor einer drohenden Abschiebung.

Die alljährlich aktualisierte Dokumentation ist auch eine Entgegnung auf den anschwellenden Chor der PopulistInnen. Durch die Datenbank, die auch online verfügbar ist, hoffen Elke Schmidt und ihre MitstreiterInnen, dass die Schicksale der Opfer deutscher Flüchtlingspolitik breiter wahrgenommen werden, als es bisher der Fall ist. Und ihre Hoffnung scheint aufzugehen: In der letzten Zeit habe es vermehrt Anfragen von SchülerInnen und Studierenden gegeben.

aus: KONTEXT:Wochenzeitung, Ausgabe 376
https://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/376/lieber-tot-als-zurueck-5140.html

Peter Nowak

Für Oppositionelle gibt es in der Ukraine keine Menschenrechte

Auf einer Konferenz in Berlin sprachen kritische Journalisten und Politiker, die aber das Pech haben, nicht aus Russland zu kommen

Journalisten und Kriegsdienstverweigerter werden verfolgt, verprügelt und landen im Gefängnis. Kritische Zeitungen und Rundfunksender werden von der Regierung geschlossen oder von einem nationalistischen Mob belagert.

Nein, da ist nicht von Russland die Rede. Bei der knapp vierstündigen Konferenz der Linksfraktion ging es um Menschenrechte und Medienfreiheit in der Ukraine. Das Land wird in Deutschland von einer ganz großen Koalition von CSU bis zu den Grünen ausschließlich als Opfer russischer Expansionsinteressen gesehen.

Erst vor zwei Tagen hat die Grünen-Politikerin Marie Luise Beck bei einer Diskussion im Deutschlandfunk wieder eine Lanze für die Ukraine gebrochen. Für sie war ganz klar, dass sie gegen Putin ebenso verteidigt werden müsse wie die prowestliche russische Opposition, die Beck unterstützt.

Aber die vom Linken-Abgeordneten Andrej Hunko eröffnete Konferenz zu den Menschenrechten in der Ukraine machte deutlich, dass in dem Land Andersdenkende und Handelnde mindestens genau so stark verfolgt werden wie in Russland. Im ersten Panel berichteten Juristen und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen über die repressive ukrainische Innenpolitik.

Die Leiterin des Instituts für Rechtspolitik und Soziales Elena Berezhnaya holte aus einer Tasche einen schmutzigen Lappen. Damit wollte sie zeigen, wie der ukrainische Präsident mit der Verfassung umgehe. Ein Maulkorb sollte die massive Einschränkung der Meinungsfreiheit symbolisieren.

Das bekommen auch oppositionelle Medienvertreter zu spüren, die im zweite Panel über vielfältige Repressalien berichteten. Das fängt bei Drohungen an und geht bis zur Ermordung von kritischen Journalisten. Wenn das in Russland geschieht, gibt es mit Recht einen großen Aufschrei in der westlichen Welt. Wenn es in der Ukraine geschieht, folgt das große Schweigen.

Die Namen, der in den letzten Jahren in der Ukraine ermordeten Journalisten sind hierzulande kaum bekannt. Es setzen sich anders als im Falle Russlands auch keine grünen Spitzenpolitiker für sie ein. Es waren zivilgesellschaftliche Aktivisten wie Lothar Eberhardt, die dafür gesorgt haben, dass der Name des Bloggers und Journalisten Ruslan Kotsaba einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde.

Er wurde inhaftiert, weil sich der überzeugte Pazifist klar gegen den Krieg der Ukraine gegen die prorussische Bevölkerung im Osten des Landes ausgesprochen hat. Die Kampagne für seine Freilassung hatte Erfolg. Doch nach seinem engagieren Vortrag, informierte Kotsaba darüber, dass die ukrainische Justiz eine erneute Anklage gegen ihn vorbereitet.

Es kann also sein, dass er bei seiner Rückkehr erneut inhaftiert wird. Eigentlich müsste der Pazifist Unterstützung auch von Grünen bekommen. Doch für Rebecca Harms und andere Freunde der Ukraine sind ukrainische Pazifisten suspekt, weil sie nicht zur Wehrbereitschaft beitragen.


Linke Oppositionelle fehlten auf der Konferenz

Die auf der Konferenz geäußerten Fälle von Menschenrechtsverletzungen werden nicht dadurch entwertet, dass ein Großteil der anwesenden Referenten Anhänger des durch den Maidan gestürzten Regimes waren.

Auch die Presseverantwortliche der früheren Regierung meldete sich zu Wort und beteuerte, dass man es damals nicht nötig gehabt habe, gegen kritische Journalisten repressiv vorzugehen. Man hätte andere Mittel gehabt.

Der Stipendiat der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Soziologe Taras Salamaniuk kritisierte, dass bei der Auswahl der Referenten die „neue Linke“ nicht berücksichtigt worden sei und einige der Redner auf der Konferenz keine Probleme mit Abwertung von Schwulen und Lesben haben.

Man kann sagen, dass sie ein instrumentelles Verhältnis zu Menschenrechten haben und sich nur beklagen, wenn sie oder ihr nächstes Umfeld davon betroffen sind. Salamaniuk hat sich in einer Untersuchung mit der Rolle der Linken beim Maidan und Anti-Maidan befasst. Dabei kommt er für beide Bewegungen zu einen ernüchternden Fazit:


Hervorzuheben ist, dass der Anti-Maidan in Charkiw dank der starken Stellung von Borot ́ba und im Unterschied zu Kiew die Forderungen der Linken berücksichtigt hat. Diese haben dort nicht bloß Flugblätter verteilt oder ein kleines Agitationsgrüppchen organisiert, sondern ganz gezielt Propaganda von der Bühne herunter betrieben.

Als Folge sind einige progressive Forderungen, wie das Verbot ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse und die Priorität für kollektives Eigentum, in die Erklärung der „Charkiwer Volksrepublik“ aufgenommen worden.

Es ist aber umgekehrt nicht zu vergessen, dass diese erfolgreiche Zusammenarbeit und die engen Beziehungen zwischen Borot ́ba und den anderen, teilweise chauvinistischen Anti-Maidan-Organisationen in Charkiw noch umstrittener waren als die Teilnahme von Linken an der Maidan-Bewegung.

Taras Salamaniuk

Wenn EU-Freunde das Ende der Sowjetunion bejubeln

Doch unabhängig von diesen für die Formierung einer neuen Linken, die nichts mit den alten oligarchischen Machtblöcken zu tun hat, wichtigen Klärungsprozess sollte man bei der Frage der Menschenrechte endlich in der Ukraine den gleichen Maßstab wie in Russland anlegen.

Der Journalist Ulrich Heyden, der sich sehr engagiert dafür einsetzte, redete aus eigener Betroffenheit. Er war einer der wenigen deutschsprachigen Journalisten, die mit den Angehörigen der Menschen gesprochen haben, die am 2. Mai 2014 beim Sturm von Nationalisten auf das Gewerkschaftshaus von Odessa, in das sich Angehörige des Anti-Maidan geflüchtet hatten, ums Leben kamen.

Heyden schuf mit Lauffeuer einen der wenigen deutschsprachigen Filme, die sich mit dem blutigen Geschehen befassen. In den meisten Medien wurde der Film ebenso verschwiegen, wie die Proteste ausblieben, als Heyden aus der Ukraine ausgewiesen wurde.

Wäre das in Russland geschehen, wäre Heyden der Held aller Talkshows gewesen und hätte die Unterstützung von allen Parteien bekommen. Doch die doppelten Standards beginnen schon früher.Alle, die es so begrüßen, dass sich die Ukraine selbstständig gemacht haben, jubelten über das Ende der Sowjetunion. Dabei war sie wie die EU ein Bündnis verschiedener Staaten. Es gab keine Außengrenzen mehr. Die Menschen mussten keine langen Ausweisprozeduren auf sich nehmen, wenn sie innerhalb der SU reisten.

Nach dem Ende der SU entstanden ganz viel neue Nationalstaaten, die teilweise überhaupt keinen Kontakt untereinander haben und durch teilweise starre Grenzen getrennt sind. Diesen Aspekt wollen viele EU-Anhänger, die das Ende der Sowjetunion begrüßten, nicht sehen. Das ideologische Feindbild verhinderte es.

URL dieses Artikels:

Peter Nowak
http://www.heise.de/-4077292
https://www.heise.de/tp/features/Fuer-Oppositionelle-gibt-es-in-der-Ukraine-keine-Menschenrechte-4077292.html

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.linksfraktion.de/termine/detail/menschenrechte-und-medienfreiheit-in-der-ukraine-1/
[2] http://www.deutschlandfunk.de/europa-zwischen-trump-und-putin-geht-die-internationale.1784.de.html?dram:article_id=419904
[3] http://www.dfg-vk-mainz.de/aktuell/ruslan-kotsaba/
[4] https://www.rosalux.de/en/news/id/6910/f45dd8259a9694857a74e8ef50a01c06/
[5] https://www.wzb.eu/de/personen/taras-salamaniuk
[6] https://www.rosalux.de/en/news/id/6910/f45dd8259a9694857a74e8ef50a01c06/
[7] https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Ausland/Salamaniuk_Verworrene_Wege_der_Linken.pdf
[8] https://www.heise.de/tp/autoren/?autor=Ulrich%20Heyden
[9] http://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-europarat-kritisiert-ermittlungen-zu-strassenschlachten-a-1060987.html
[10] http://lauffeuer-film.de/

Bemerkenswerte Einheit


Peter Nowak über den gemeinsamen Amazon-Protest von Linken und Gewerkschaften

Nicht nur Hunderte Amazon-Beschäftigte gaben ihrem Firmenchef Jeff Bezos diese Woche in Berlin ein klares Feedback. Während diesem im Springer-Hochhaus ein Preis für »besonders innovatives Unternehmertum« verliehen wurde, protestierten sie gegen Lohndumping, Überwachung am Arbeitsplatz und Steuerflucht. Unübersehbar waren dabei auch die Transparente des linken Bündnisses »Make Amazon Pay«, das die Beschäftigten des Onlinehändlers in ihrem Kampf unterstützt und erstmals vergangenen November rund um den Schnäppchentag »Black Friday« öffentlich in Erscheinung trat.
Dass Linke und Gewerkschaften nun gemeinsam vor dem Springerhaus protestierten, ist eine neue Qualität und Ergebnis eines Lernprozesses auf beiden Seiten. In der Regel bleiben DGB-Gewerkschaften auf Distanz zu Unterstützern aus der außerparlamentarischen Linken, die wiederum großen Wert auf Abstand vor allem zu den Spitzen der Gewerkschaften legen. Der Vorwurf: Diese würden mit ihrer sozialpartnerschaftlichen Linie die Beschäftigten in den Staat integrieren. Es ist daher bemerkenswert, wenn der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske in Berlin unter dem zustimmenden Applaus der linken Aktivisten das breite Bündnis der Amazon-Solidarität würdigt.

Diese Kooperation war nur möglich, weil es bereits seit fünf Jahren eine linke Amazon-Solidarität gibt. Vor allem an den Standorten Leipzig und Bad Hersfeld entstanden enge Beziehungen zwischen Beschäftigten, die sich im Arbeitskampf engagieren, und ihren linken Unterstützern. Schon vor drei Jahren haben sie zudem Kontakte zu den Beschäftigten in Poznań hergestellt. Mittlerweile ist die deutsch-polnische Kooperation selbstverständlich. Dabei sind die polnischen Kollegen in einer anarchosyndikalistischen Basisgewerkschaft organisiert, die nicht zu den Kooperationspartnern von ver.di gehört. Am Dienstag war die Delegation aus Poznań mit ihrem Gewerkschaftssymbol, der schwarzen Katze, nicht zu übersehen.
Doch ganz reibungslos verlief auch dieser Protest nicht. So sorgte es kurzzeitig für Unmut, als ein ver.di-Koordinator die Rede eines anarchistischen Kollegen aus Poznań nach wenigen Sätzen abmoderieren wollte. Noch lauter wurde es im Block der linken Unterstützer, als die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles eine Grußadresse verlesen wollte. Der ver.di-Vorstand hatte sie ohne Wissen der Bündnispartner auf die Redeliste gesetzt. Doch auch ein Großteil der Amazon-Beschäftigten wollte die SPD-Politikerin nicht verteidigen.

Dennoch bewies die Aktion am Springer-Hochhaus, dass eine echte Kooperation zwischen Gewerkschaft und außerparlamentarischer Linke möglich ist, bei der auch Differenzen angesprochen werden können. Solche Bündnisse sollten nicht nur im Kampf gegen das »Modell Amazon« Schule machen.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1086619.protest-gegen-amazon-bemerkenswerte-einheit.html

Peter Nowak

https://publik.verdi.de/2018/ausgabe-04/gewerkschaft/inside/seite-2/pressestimmen

Hinweis auf den Artikel in ver.di Publik :: / Ausgabe 04 / 2018

Pressestimmen.

Lernprozess auf beiden Seiten

Neues Deutschland, 27. April 2018

Dass Linke und Gewerkschaften nun gemeinsam vor dem Springerhaus protestierten, ist eine neue Qualität und Ergebnis eines Lernprozesses auf beiden Seiten. In der Regel bleiben DGB-Gewerkschaften auf Distanz zu Unterstützern aus der außerparlamentarischen Linken, die wiederum großen Wert auf Abstand vor ­allem zu den Spitzen der Gewerkschaften legen. Der Vorwurf: Diese würden mit ­ihrer sozialpartnerschaftlichen Linie die Beschäftigten in den Staat integrieren. Es ist daher bemerkenswert, wenn der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske in Berlin unter dem zustimmenden Applaus der linken Aktivisten das breite Bündnis der Amazon-Solidarität würdigt.

Inside Pegida

Der Film „Montags in Dresden“ liefert gute Einblicke in das Gedankengut einer wachsenden rechten Bewegung und eine Antwort auf die Frage, was die DDR mit Pegida zu tun hat

Es war in den frühen 1990er Jahren, als sich die Früchte des nationalen Aufbruchs in Deutschland zeigten und Neonazis für viele Menschen zu einer realen Gefahr wurden. Da sorgte der Film Stau jetzt geht’s los[1] von dem Regisseur Thomas Heise für heftige Diskussionen.

Der ging da hin, wo die meist jungen Rechten ihr Unwesen trieben und zeigte, wie sie ihre Freizeit verbrachten, also die Zeit, wenn gerade niemand da war, den sie zum Opfer machen, demütigen, anpöbeln oder schlagen konnten.

Der Film zeigt Neonazis privat. Am Ende greifen sie dann ein linkes Jugendzentrum an. Der Film verzichtete auf Kommentare und es kamen auch ihre Gegner nicht groß ins Bild. Darf man Nazis unplugged zeigen? Die Frage beschäftigte damals verschiedene Antifagruppen.

Anlässlich einer Filmvorführung im Kino Babylon Mitte wurden die Kontroversen deutlich. Es gab Antifaschisten, die diesen Film begrüßten, weil er eine Realität zeigt, wie sie damals in vielen Städten existierte, und es gab andere, die in dem Film Propaganda für die Rechten sahen.

Heute sind die Kontroversen weitgehend vergessen und wer den Film heute sieht, kann sie auch nicht so recht nachvollziehen. Heute gilt er als eine der wenigen Dokumentarfilme über die Neonaziszene vor fast 30 Jahren.

Keine Wendeverlierer

Nun hat die Regisseurin Sabine Michel die Arbeit von Thomas Heise fortgeschrieben und dokumentiert in ihrem Film Montags in Dresden[2]drei Protagonisten der Pegida-Bewegung. Sie sind seit Jahren in der Bewegung aktiv, übernehmen dort wichtige Funktionen und sie sind, auch das wird im Film deutlich, Teil eines gewachsenen rechten Netzwerks, dass sich eben nicht nur Montags in Dresden trifft.

Da ist Sabine Ban, die ihre Aktivitäten in der rechten Szene mit der anstrengenden Pflegearbeit für ihren Sohn mit Handicap verbinden muss. Rene Jahn, der zum engeren Pegida-Vorstand gehörte, sich zwischenzeitlich mit dem selbsternannten Pegida-Chef Lutz Bachmann überworfen hatte[3], aber schon längst wieder bei Pegida mitmischt. Persönliche Animositäten sind schließlich auch in der rechten Szene kein Hinderungsgrund für eine pragmatische Zusammenarbeit, wenn es der politischen Sache dient.

Jahn hat bei Pegida auch seine heutige Ehefrau kennengelernt, die sich im Film als langjährige Freundin von Bachmann vorstellt. Zur rechten Schulung trifft sich Jahn bei Veranstaltungen bei Pro Patria Pirna[4], einer christlich-fundamentalistischen Organisation, die Daniel Heimann, der dritte Protagonist des Films gegründet hat.

Heimann wiederum hat guten Kontakt zum rechten Ideologen und Netzwerker Götz Kubitschek. Auf einer im Film kurz gezeigten Veranstaltung beschwört er den Wiederaufstieg eines angeblich in den Abgrund gezerrten deutschen Volkes und bedient auch noch eine Portion Ostalgie, in dem der Westdeutsche Kubitschek in Pirna die Ostdeutschen lobt, die sich nicht von der DDR befreit haben, um sich nun neuen Ideologien der EU und einem von ihm und seinen Gesinnungsfreunden halluzinierten linken Konsens zu beugen.

Der mittelständische Unternehmer Heimann gibt sich im Film durchweg als rechter Ideologe zu erkennen, der seine heutigen Aktivitäten durchweg als Fortsetzung seines Alltagswiderstand gegen die DDR-Herrschaft beschreibt. So berichtet er, wie er in der DDR schon als Kind mit seiner Familie jeden Sonntag demonstrativ den Gang in die Kirche zu einem Protest gegen die SED machte.

So zogen sie mit dem Gebetbuch in der Hand durch den kleinen Ort, in dem sie damals wohnten. Aber auch Jahn reagiert richtig ungehalten auf den Vorwurf, bei Pegida sammeln sich die Wendeverlierer. Wendeverlierer sind für ihn die Menschen, die sich für die DDR an welcher Stelle auch immer einsetzten. Darin schließt er auch den Teil der linken DDR-Opposition ein, die sich gegen die autoritäre SED-Herrschaft, aber für eine eigenständige DDR-engagierten.

Sie wurden schon im Herbst 1989 vor allem in Dresden von den rechten Demonstranten mit den Deutschlandfahnen als „Wandlitzkinder“ beschimpft. Wandlitz war das für BRD-Verhältnisse recht bescheidene Freizeitdomizil der SED-Nomenklatura. Jahn und Co. hingegen betonten mit Recht, dass sie Teil des Widerstands gegen die DDR in welcher Form auch immer waren.

Die Fortsetzung des Kampfes gegen die DDR

Der Film zeigt deutlich, dass die Pegida-Aktivisten ihre Aktivitäten als Fortsetzung ihres Kampfs gegen die DDR sahen und damit haben sie Recht. Oft wurde in den letzten Monaten gefragt, warum gerade in Dresden Pegida seinen Ausgangspunkt nahm und was die DDR damit zu tun hatte. Darauf kann der Film eine Antwort geben.

Pegida ist eine Fortsetzung der mehrheitlich nationalistischen Aufmärsche, die im Herbst 1989 in den sächsischen Städten mit Deutschlandfahnen zu sehen waren. Sie richteten sich längst nicht mehr nur, gegen die schon wankende SED-Nomenklatura, sondern mehr noch gegen die linke DDR-Opposition, deren Parole „Wir sind das Volk“ lautete. Dem setzten die Nationalisten „Wir sind ein Volk“ entgegen.
Von Sachsen ging jene nationalistische Welle aus, derer sich die Union unter Helmut Kohl sowie alle bisherigen sächsischen Landesregierungen bedienten. Mit der Deutschen Sozialen Union gab es 1989 auch eine Partei, die bald Teil der rechten Szene wurde. Bis heute ist Sachsen eine Ordnungszelle, wie es Bayern nach der Niederschlagung der Räterepublik nach 1919 in der Weimarer Republik war.

Dafür gibt es viele Beispiele. Zurzeit wird in Sachsen ein besonders restriktives Polizeigesetz[7] vorbereitet, gegen das sich nun ein zivilgesetzliches Bündnis[8] gegründet hat.

Diese rechte sächsische Politik drückt sich in der Gedenkpolitik aus, wo eine stramme Totalitarismustheorie die NS-Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen in der DDR auf eine Stufe stellt. Wenn nun davor gewarnt wird, dass Sachsen nach den letzten Landtagswahlen das erste Bundesland mit einer AfD-Regierungsbeteiligung werden könnte, muss darin erinnert werden, dass damit nur der Weg der rechten Ordnungszelle Sachsen der CDU fortgesetzt würde.

In dem Film „Montags in Dresden“ wird dieser Zusammenhang deutlich, ohne dass er explizit benannt wird. Das ist ein großer Pluspunkt für den Film.

Kritik verdienen nicht die Regisseure, sondern die deutschen Zustände, die sie zeigen.

Die Zustände

Der Film wurde beim Dok-Film-Festival in Leipzig sehr kontrovers diskutiert[9]. Manche monierten, der Filmemacherin fehle eine dokumentarische Distanz und sie habe die Selbstdarstellung von der Pegida-Bewegung gefördert.

Die Kritik schien noch dadurch bestätigt, dass der Film während des Leipziger Dokfilmfestivals im Leipziger Hauptbahnhof gezeigt wurde. Pegida-Gänger nicht nur aus Dresden reisten an und waren insgesamt sehr zufrieden mit dem Film. Doch die Kritik, hier werde „Pegida unplugged“ gezeigt und nicht politisch eingeordnet, geht heute genauso fehl, wie die die Kritik an „Stau – jetzt geht’s los“ vor mehr als 20 Jahren das falsche Ziel hatte.

Nicht die Regisseure müssten dafür kritisiert werden, dass sie ungefiltert deutsche Zustände zeigen. Vielmehr müssten gerade diese Zustände der Gegenstand der Kritik sein. In den 1990er Jahren gehörte zu diesen deutschen Zuständen eine rechte Jugendkultur mit terroristischen Charakter, aus der auch der NSU hervorging.

Heute gibt es eine rechtspopulistische Bewegung, die, wie der Film deutlich zeigt, intellektueller geworden ist, aber sie hat nichts von ihrer Gefährlichkeit eingebüßt. Im Gegenteil, hatte die pöbelhafte Jugendkultur der rechten Szene der 1990er Jahre einen großen Teil des rechten Bürgertums eher abgestoßen, können die drei von Pegida-Protagonisten in „Montags in Dresden“ durchaus auf Verständnis auch in diesen Kreisen stoßen.

Das wurde auch bei der Vorführung im Rahmen des „Achtung-Berlin“-Festivals[10] im Eiszeit-Kino[11] in Berlin-Kreuzberg deutlich.

Es war eher ein liberales Publikum, das sich den Film dort das erste Mal angesehen hat. Bei der Diskussion mit der Regisseurin wurde berechtigterweise die Arbeit der Regisseurin gewürdigt, nicht nur über Pegida zu reden, sondern anhand ihrer drei Protagonisten zu zeigen, wie die Bewegung tickt.

Gefestigte Rechte und „normale Bürger“

Da war es dann aber erstaunlich, dass ein Zuschauer erklärte, dass er nun gesehen habe, dass es sich hier um „ganz normale Bürger“ handelte, die zu Unrecht in die rechte Ecke gestellt würden. Er mochte höchstens konzedieren, dass sie von rechten Rattenfängern, die es dort auch gebe, manipuliert werden.

Da erwiderte Michel mit recht, dass die rechten Netzwerke, in der die Protagonisten eingebunden sind, auch im Film zu sehen sind. Der Film zeigt vielmehr, was alle, die sich mit rechten Szene befassen seit Langem wissen. Es ist kein Widerspruch „rechts“ und ein „normaler Bürger“ zu sein.

Dass scheint manchen so fremd zu sein, dass sie es nicht mal wahrnehmen wollen, wenn sie den Film gesehen haben. Dem Film ist das nicht anzukreiden. Kritisiert werden sollte auch nicht, dass Michel mit persönlichen Kommentaren sparsam umgeht.

Eher sind die wenigen Statements besonders am Beginn und am Ende fragwürdig: Da wird mit Verweis auf einen Aufsatz von Jana Hensel[12] gefragt, ob es nicht ein „Verdienst“ von Pegida ist, dass nun über die Probleme nach 1989 im Osten geredet wird.

Nun ist das schon deshalb fraglich, weil sich ja die Pegida-Protagonisten klar von dem Terminus „Wendeverlierer“ abgrenzen. Was also Gegenstand der Diskussion werden müsste, sind nicht irgendwelche Wendeprobleme, sondern die rechte Dominanz des nationalistischen Aufbruchs in der DDR, die zeitweise Einhegung durch die Union, die bald an ihre Grenze stieß.

Geschichtsklitterung und falscher Brückenbau

Das wäre etwas Anderes als das Lamentieren über allgemeine Ossi-Probleme. Zudem haben sich seit 1989 Ostdeutsche durchaus auch in nichtrechten Zusammenhängen organisiert, um auf reale Probleme zu reagieren. Bereits im Herbst 1989 bildete sich eine Betriebsrätebewegung, die bis Anfang der 1990er Jahre gegen die verheerende Politik der Entindustrialisierung ganzer Regionen der DDR durch die Treuhand kämpfte[13].

Hier wurde die Grundlage für die Politik der Deregulierung der Arbeitsverhältnisse gelegt, für das nach den Willen des deutschen Kapitals die DDR ein Pilotprojekt war. In einer Region, in der ganze Industriebranchen stillgelegt wurden, in dem eine oppositionelle Gewerkschaftsarbeit kaum bekannt wurden, wurde der Niedriglohnbereich geschaffen, der spätestens mit der Agenda 2010 auf ganz Deutschland ausgedehnt wurde.

Im Sommer 2005 entstand dann noch einmal von Ostdeutschland ausgehend eine Bewegung der Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV, die bei vielen fragwürdigen politischen Implikationen ganz klar eine soziale Komponente hatte und nicht von rechts dominiert war. Wer nun behauptet wird, mit Pegida haben sich die Ostdeutschen eine eigene Stimme geschaffen, betreibt nicht nur Geschichtsklitterung.

Man negiert damit, dass es auch nichtrechte Stimmen gab, die reale Probleme nach 1989 in den Fokus nahmen und nicht die halluzinierte Islamisierung in Regionen, in denen viele nie einen Moslem gesehen haben.

Fragwürdig ist, dass Michel auf ihrer Dresdner Herkunft rekurriert und wissen wollte, was in „ihrer“ Stadt mit Pegida passiert ist. Damit gerät aus dem Blick, dass Pegida der Ausdruck einer bundesweiten rechten Bewegung hat. Dresden hatte da nur Pioniercharakter.

Der „Brückenbauer“ Frank Richter

Die zu starke Konzentration auf diese Stadt ohne zumindest die rechte Ordnungszelle Sachsen zu erwähnen, führt hier zu fraglichen politischen Implikationen, wenn dann Michel sich positiv auf den ehemalige Vorsitzenden der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung Frank Richter bezieht, der selber kein Anhänger von Pegida ist, aber bestrebt war, mit den Protagonisten ins Gespräch zu kommen[14].

Sogar eine Pegida-Pressekonferenz[15] hat er mit organsiert.

Er begründete sein Engagement auch immer damit, Brücken zwischen allen Teilen der Bevölkerung bauen zu wollen. Nur ging dieses Angebot immer nur an die Rechten, was natürlich auch in der sächsischen Tradition liegt. Mittlerweile ist Richter aus der CDU ausgetreten und bewegt sich rechts davon[16].

Linken Kritikern der sächsischen Verhältnisse wollte man nun solche Brücken nie bauen. Die Frage ist, ob Michel nun ihren Film auch als einen solchen Beitrag zum „Brückenbauen“ im Sinne von Richter versteht[17]. Das wäre politisch fatal.

Trotzdem hat Michel ein wichtiges Dokument geliefert, in dem man sehen kann, wie Pegida tickt und wie sich hier auch über Sachsen hinaus eine rechte Bewegung vernetzt und organisiert. Von diesen Erkenntnissen können auch jene profitieren, die keine Brücken zu ihnen bauen wollen.

Peter Nowak

https://www.heise.de/tp/features/Inside-Pegida-4028030.html?seite=all
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http://www.heise.de/-4028030

Links in diesem Artikel:
[1] http://heise-film.de/?page_id=2321
[2] http://www.solofilmproduktion.de/blog/montagsindresden
[3] https://www.tag24.de/nachrichten/pegida-ruecktritt-rene-jahn-aufbruch-4204
[4] https://einprozent.de/wir-im-widerstand-pro-patria-pirna/
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Montagsdemonstrationen_1989/1990_in_der_DDR#/
media/File:Bundesarchiv_Bild_183-1990-0108-033,_Leipzig,_Montagsdemonstration.jpg
[6] https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en
[7] https://www.sz-online.de/sachsen/ein-halbes-neues-polizeigesetz-3920318.html
[8] https://www.sachsens-demokratie.net
[9] https://www.mdr.de/sachsen/leipzig/montags-in-dresden-dok-film-102.html
[10] https://achtungberlin.de/home/
[11] http://eiszeit.berlin/de/programmticketshttp://eiszeit.berlin/de/programmtickets
[12] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-04/rechtpopulismus-afd-pegida-neoliberalismus-d17
[13] https://www.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/M2K57/
[14] https://www.tagesspiegel.de/politik/buch-ueber-pegida-afd-und-co-vom-vermittler-zum-stichwortgeber-der-rechten/21059272.html
[15] https://www.tagesspiegel.de/politik/nach-pegida-pressekonferenz-landeszentrale-fuer-politische-bildung-sachsen-unter-druck/11254128.html
[16] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/sachsen-frank-richter-aus-cdu-ausgetreten-a-1162188.html
[17] http://www.taz.de/!5495854/

Ein Stressfaktor weniger

Der Online-Terminkalender für linke Subkultur wird nach 20 Jahren eingestellt

Wir müssen euch leider mitteilen, dass wir unser Projekt Online-Stressfaktor beenden werden“, heißt es neuerdings auf der Startseite des Berliner „Terminkalenders für linke Subkultur und Politik“. Seit Juli 1998 konnte man sich dort über linke Veranstaltungen, Demonstrationen, Filme und Konzerte informieren. In der linken Szene herrscht Betroffenheit über das Ende des viel genutzten Online-Kalenders nach fast 20 Jahren. In der Erklärung der unbekannten Online-Redaktion wird das linke Konsumverhalten als Hauptgrund für die Aufgabe genannt. „Es fiel uns schon in den letzten Jahren immer schwerer, die Masse an Terminen verarbeiten zu können. Die Erwartungshaltung und die Ungeduld vieler NutzerInnen hat uns zusätzlich unter Druck gesetzt und viel Zeit, Arbeit und Energie gekostet“, geißeln sie Nutzer, die in dem Kalender eine Dienstleistung sahen, ohne zu registrieren, dass dahinter viel Arbeit steckt. Schließlich mussten die gemailten Terminankündigungen oft redigiert und korrigiert werden. Trotzdem hagelte es schnell Kritik, wenn die Termine nicht sofort online standen. Als Ersatz empfiehlt die Redaktion nun ihrer Zielgruppe, Termine künftig auf die europäische Onlineplattform Radar (https://radar.squat. net/de/stressfaktor-update) einzustellen. Im Unterschied zum Stressfaktor müssen sich politische Initiativen dort anmelden und können dann ihre Texte selber eintragen. Die Stressfaktor-Redaktion sieht das Konzept skeptisch und befürchtet eine Unübersichtlichkeit und politische Beliebigkeit. In der außerparlamentarischen Linken Berlins hoffen manche, dass sich doch noch eine neue Gruppe findet, die das alte Konzept weiterführt. Allerdings wären da auch technische Probleme zu lösen. Wahrscheinlich werden auch viele wieder auf die Printausgabe des Stressfaktor zurückgreifen, die von einer separaten Redaktion weiter herausgegeben wird. Da- mit hätte sich gegen den Trend die Printausgabe gegen die Onlineausgabe durchgesetzt.

aus Taz vom 10.4.2018

Peter Nowak

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