1500 Menschen protestieren in Kassel gegen Aufrüstung und Militarisierung der Gesellschaft

Von Krauss-Maffei bis zur Documenta

Zunächst stand allerdings der praktische Antimilitarismus im Vordergrund. Am Freitag begann schon am frühen Morgen eine Blockade der Frühschicht der Krauss-Maffai-Werke in Kassel, die daraufhin ausfiel. »Unser Ziel war es, die Waffenproduktion lahmzulegen – und das haben wir geschafft«, sagt Gerd Sauer vom Bündnis »Rheinmetall entwaffnen«. Die Polizei versuchte, die Blockaden unter Einsatz von Pfefferspray aufzulösen. Zu größeren Auseinandersetzungen kam es allerdings nicht. Konsens unter den Antimilitarist*innen waren Aktionen des zivilen Ungehorsams.

»Lasst uns an der Rüstung sparen und dafür für neun Euro fahren.« Diese Parole war am Samstagnachmittag in Kassel öfter zu hören. Skandiert wurde sie von Antimilitarist*innen, die zu einer bundesweiten Demonstration unter dem Motto »Kassel entwaffnen ist keine Kunst« aufgerufen haben. Rund 1500 Menschen nahmen daran teil. Mit zahlreichen Transparenten bildeten die Antimilitarist*innen aus der ganzen Republik, die seit vergangenen Dienstag in der Kasseler Goetheanlage ihr Camp aufgeschlagen hatten, eigene Blöcke. Im Rahmen der Aktionstage fanden zahlreiche Veranstaltungen statt, beispielsweise über die Geschichte der …

„Von Krauss-Maffei bis zur Documenta“ weiterlesen
Hermann Bueren: Bewegt euch schneller. Zur Kritik moderner Managementmethoden. Bremen: Kellner, 2022. 320 S., 18,90 Euro

Schöne agile Arbeitswelt?

Eine Kritik moderner Managementmethoden: Viele der agilen Arbeitsmethoden werden trotz oder wegen der Rhetorik von Selbstorganisation und Respekt von den Lohnabhängigen abgelehnt. Im letzten Kapitel unter dem programmatischen Titel »Anders arbeiten« verweist der Autor auf Initiativen der proletarischen Selbstorganisation, die in den letzten Jahrzehnten aus den Fabriken kamen und eine Selbstorganisation der Beschäftigten zum Ziel hatten – allerdings nicht unter dem Vorzeichen der kapitalistischen Profitmaximierung.

»Wo Arbeitern Respekt gezollt wird, ist von Ausbeutung nicht mehr die Rede, es ist die romantische Verklärung schnöder Profitvermehrung«, schreibt der Publizist Felix Klopotek. Es ist auch ein Kommentar über die agile Arbeitswelt, wie sie Hermann Bueren in seinem Buch analysiert.  Bueren war mehrere Jahre Betriebsrat in einem Druckereibetrieb, bevor er auf dem zweiten Bildungswerk Arbeits- und Betriebssoziologie studierte und im Bereich der gewerkschaftlichen Bildung arbeitete. In seinem Buch kritisiert Bueren kenntnisreich die verschiedenen Managementmethoden aus der Perspektive der Lohnabhängigen. Im Zentrum seiner Untersuchung steht das Konzept …

„Schöne agile Arbeitswelt?“ weiterlesen
Breitenwirkung? Sie hängt davon ab, ob der Antimilitarismus in die soziale Bewegung integriert werden kann, die gegen Inflation und Energiearmut auf die Straße gehen will.

Aktivisten blockieren zeitweise Rüstungsproduktion in Kassel

Eine Verbindung von Sozialprotesten mit einer Antimilitarismusbewegung, die die Rüstungslogistik blockiert, würde verhindern, dass Rechte daran andocken. Ob es solche Kooperationen in Zukunft geben wird? Das könnte auch davon abhängen, ob die Blockade in Kassel eine Aktion war, die vielleicht einmal im Jahr versucht wird und damit auch nicht wirklich die Rüstungsproduktion behindern kann. Sollte es allerdings gelingen, den Zusammenhang von Rüstung und kapitalistische Krise auch im Alltagsbewusstsein vieler Menschen zu verankern, die jetzt auf die Straße gehen wollen wegen der galoppierenden Preise, dann könnte man tatsächlich von einem Erfolg sprechen.

Antimilitarismus heißt Frühaufstehen. Bereits früh um 4 Uhr früh machten sich am Freitagmorgen Antimilitaristen auf dem Weg aus dem Rheinmetall-Entwaffnen-Camp in Kassel-Wilhelmshöhe zu den Krauss-Maffei-Werken in einem anderen Kasseler Stadtteil. Dabei blockierten sie zwei Tore der Rüstungsschmiede, sodass die Frühschicht gar nicht erst mit der Arbeit beginnen konnte. So war zumindest für einige Stunden die Rüstungsproduktion in dem Werk lahmgelegt. Die Polizei reagierte mit einem Pfefferspray-Einsatz. Trotzdem zogen die Antimilitaristen am Ende ein positives Fazit ihrer Aktion. „Unser Ziel war es, …

„Aktivisten blockieren zeitweise Rüstungsproduktion in Kassel“ weiterlesen
Ewgeniy Kasakow (Hg.): Spezialoperation und Frieden. Die russische Linke gegen den Krieg. Unrast Verlag 2022, 16 €.

»Ein differenzierter Blick ist wichtig«

Staatliche Repression ließ Proteste und linke Positionen gegen den Krieg Russlands aus der Öffentlichkeit verschwinden. Der Sammelband von Ewgeniy Kasakow stellt sie in ihrer Breite dar. Er ist 1982 in Moskau geboren, studierte Kulturgeschichte Osteuropas, Philosophie und Geschichte an der Universität Bremen, wo er 2017 promoviert wurde. Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven und schreibt regelmäßig für das nd sowie unter anderem in Blätter für deutsche und internationale Politik, konkret, Jungle World und analyse & kritik.

Warum haben Sie für den Sammelband den eingrenzenden Titel »Die russische Linke gegen den Krieg« und nicht »Die russische Linke und der Krieg« für Ihr Buch gewählt?

„»Ein differenzierter Blick ist wichtig«“ weiterlesen
Das Bündnis Rheinmetall Entwaffnen protestiert in Kassel gegen die deutsche Rüstungsindustrie

Geschäfte mit Tod und Krieg

Krauss-Maffei-Wegmann ist nicht der einzige Rüstungsproduzent. Rheinmetall Defence lässt in Kassel Radfahrzeuge und Schützenpanzer produzieren. Der Krieg in der Ukraine hat die Aktienkurse dieser Konzerne in die Höhe schießen lassen. In der Lokalpresse werden verstärkt Jobs in der Rüstungsindustrie angepriesen. Für die Antimilitarist*innen ist es gerade jetzt wichtig, gegen Krieg und Militarismus aufzustehen, weil im Zuge des Ukraine-Krieges auch Teile der außerparlamentarischen Linken kaum noch Kritik an der Nato äußern.

Im großen Park in der Goetheanlage in der Nähe des Bahnhofs Kassel-Wilhelmshöhe stehen viele Zelte und es werden mehr. An verschiedenen Ecken auf der Wiese sind Menschen damit beschäftigt, weitere Zelte aufzubauen. Zwei ältere Frauen schauen skeptisch vom Rand zu. »Wir wohnen in der Nähe und führen hier unsere Hunde aus. Ist hier plötzlich ein Campingplatz?«, fragt die eine. Zwei jüngere Frauen klären sie auf. »Das ist ein antimilitärisches Camp des Bündnisses Rheinmetall Entwaffnen. Wir haben hier bis Sonntag unsere Zelte aufgeschlagen, weil wir uns …

„Geschäfte mit Tod und Krieg“ weiterlesen
Aktuell geht es augenscheinlich weniger um die Inhalte der Politik der Bundesregierung, sondern hauptsächlich um die Art und Weise, wie man sie der Bevölkerung verkauft: Dass Opfer und Verzicht im Krisenwinter alternativlos sind.

„Die Menschen müssen verstehen, warum sie ärmer werden“

Die große Frage ist nur: Lässt sich die Bevölkerung so regieren? Oder sieht sie sich nicht davon beleidigt, dass es nicht um politische Inhalte gehen soll, sondern um die Form, wie eine als alternativlos angesehene Politik kommuniziert wird. Das ist die große Frage auch für die Staatsapparate. Daher wird schon seit Wochen vor Protesten gewarnt, die noch gar nicht begonnen haben. Mal sollen sie von rechts oder links vereinnahmt werden, mal von beiden und dann kommt noch der Vorwurf, hier würden die Montagsdemonstrationen der DDR instrumentalisiert. Dabei waren die spätestens ab Mitte November 1989 durchaus rechtsoffen. So müsste eigentlich die Maxime lauten, genau den Fehler dieser Montagsdemonstranten in der DDR nicht zu machen und sich klar von rechts abgrenzen.

Hält die Bundesregierung bis zum Krisenwinter? Diese Frage kann man sich stellen, wenn man beobachtet, wie sich die einzelnen Parteien bekämpfen. Vor allem zwischen SPD und Grünen wachsen die Spannungen, was auch gut zu erklären ist. Schließlich hatten die Grünen in Umfragen Erfolge, während die SPD eingebrochen war. Die Medien, die Politik gerne personifizieren, machten einen Hype um Habeck, der „seine politischen Maßnahmen erklärt“, die Menschen also „mitnimmt“, wie man so schön sagt. Dagegen wird vor allem Kanzler Scholz als Politiker beschrieben, der nicht erklärt. Diese Medienberichte sorgen für eine weitere Entpolitisierung, weil es dann eben nicht mehr um die Inhalte der Politik geht, sondern um …

„„Die Menschen müssen verstehen, warum sie ärmer werden““ weiterlesen