Mit der Griechenlandhilfe und der Flüchtlingsproblematik kommen Themen in den Bundestagswahl, die höchsten der AfD nutzen kann
In den letzten Wochen hatte man den Eindruck, dass die Eurokrise im deutschen Wahlkampf gar nicht stattfinden würde. Die Union ließ Plakate verkleben, in denen Mofafahrer um die Dreißig optimistisch in die Zukunft blicken. Schließlich sollte suggeriert werden, dass das Land stark bleibt, wenn Deutschland Kurs hält. Was damit gemeint sein könnte, blieb offen. Es wurde allein darauf gesetzt, dass Begriffe wie Kurs halten und ein starkes Deutschland schon das nötige Wohlfühlklima erzeugen wird, das die Union für einen Wahlerfolg braucht.
Wahlhilfe für Rechtsaußen von Bild
Und nun stellt Bild unter der Überschrift „Diese Plakate würden wir gern sehen“ [1] eine Serie vor, die Themen, wie sie vom gesamten Parteienspektrum rechts von der Union aufgegriffen wird, von den im Bundestag vertretenen Parteien verlangt. „Keinen Cent mehr für Griechenland. So bleibt Deutschland stark“, soll die Union fordern. Und Peer Steinbrück wird mit der Parole „Keine neue Milliardenhilfe für Griechenland“ [2] abgebildet. Die Grünen sollen mit der Parole: „Der Jürgen und die Katrin geben nichts mehr für Griechenland“ hausieren gehen, und die Linkspartei mit der Drohung: „Schluss mit der Griechenlandhilfe sonst Revolution“. Damit hat das Boulevardblatt eine populistische Note in den Wahlkampf gebracht, der auch in den griechischen Medien schon registriert wird. „Griechisches Wahlfieber in Deutschland“ titelte die auflagenstarke Ta Nea [3], ein anderes Blatt: „Schäuble droht mit neuer Hilfe.“ Damit geht die Zeitung auf eine Äußerung des Bundesfinanzministers ein, der auf einer Wahlveranstaltung vor der Seniorenunion im norddeutschen Ahrensburg beiläufig erklärte, dass in absehbarer Zeit ein neues Rettungspakete für die griechischen Banken geben wird. Seitdem rätseln die Kommentatoren, ob sich Schäuble verplapperte, wie weiland die sozialdemokratische Justizministerin Hertha Däubler Gmelin, die vor Jahren im Wahlkampf in einen scheinbar von der Öffentlichkeit unbeobachteten Moment US-Präsident Bush mit Hitler in einen Zusammenhang brachte.
Doch es scheint eher unwahrscheinlich, dass Schäuble nicht wusste, dass im Zeitalter der Video-Handykameras keine Äußerung von ihm lange geheim bleiben wird. Zumal die Veranstaltung von einem Filmteam begleitet wurde. Viel wahrscheinlicher ist es, dass Schäuble durchaus in Absprache mit führenden Unionspolitikern einfach nur sagte, was niemand überraschte. Zumal Schäuble keineswegs die Linie der Bundeskanzlerin überschritten hatte, die einen Schuldenschnitt ausschloss, sich aber bei anderen „Rettungspaketen“ ausschwieg. Die Wahlberater der Union könnten zu dem Schluss gekommen sein, dass die Union einen Monat vor der Wahl einen so stabilen Vorsprung hat, dass sie auch einige politische Aussagen in ihren Wohlfühlwahlkampf einstreuen kann. Zumal es sich auch nicht gut macht, wenn wenige Tage oder Wochen nach den Wahlen die Diskussion um neue „Rettungspakete“ beginnen würde und die Oppositionsparteien wieder die Platte vom Wahlbetrug auflegen könnten.
Schon wird Schäuble für seine Ehrlichkeit [4] im Wahlkampf gelobt. Die SPD braucht die Bundesregierung bei dieser Frage nicht zu fürchten. Schließlich hat deren Kandidat erst vor einigen Tagen bekräftigt [5], dass es auch mit ihm keinen Schuldenschnitt für Griechenland geben werde, ansonsten laviert er nicht anders als die Regierung. Selbst der als Eurorebell klassifizierte FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Scheffler greift zwar in einem Interview [6] mit dem Deutschlandradio Schäuble scharf an und bezichtigt ihn der Schönrechnerei. Als der Reporter wissen wollte, ob jetzt mit dieser Debatte schwarz-gelb unter die Räder kommt, antwortete Schäffler jedoch:“ Nein, ich hoffe nicht, denn die Opposition hat da keine Alternative. Die maulen jetzt, aber unter dem Strich werden sie alles mitmachen.“ Zu der Alternative für Deutschland [7] wurde er erst gar nicht gefragt, die ja Schäfflers Kritik an der Griechenlandhilfe gerne übernommen hat und die sich sicher auch darüber freut, dass Bild ihre Parolen nun sogar allen Bundestagsparteien anempfiehlt.
Soll Deutschland aus dem Euro austreten?
Auch die Linkspartei hat ihre kleine Euro-Debatte, die allerdings nicht so recht wahrgenommen wird. Anlass ist die Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht, die in einem Interview [8] mit der Saarbrücker Zeitung einige ökonomische Grundwahrheiten noch einmal wiederholte. Sie sieht die deutsche Niedriglohnpolitik als größtes Problem im EU-Raum, erinnert daran, dass immer mehr Menschen an der europäischen Peripherie unter der im Wesentlichen von Deutschland forcierten Austeritätspolitik zu leiden haben, und bringt dann als Ausweg einen Vorschlag in die Diskussion, der von führenden Ökonomen und auch von Allen Greenspan schon vertreten wurde.
Wenn Deutschland seine Niedriglohnpolitik nicht aufgibt, müsste es selber aus dem Euroraum austreten. Dann würde der Druck auf die anderen Länder nachlassen. Da ein solcher Schritt nicht im Interesse der deutschen Exportindustrie ist, wird ein solcher Vorschlag dort auch massiv bekämpft. Er ist auch das Gegenteil eines prodeutschen Populismus, auch wenn die sozialliberalen Wagenknecht-Kritiker innerhalb der Linkspartei, die die Zeitschrift potemkin [9] herausgeben, genau das suggerieren [10].
Wahlkampf auf dem Rücken der Flüchtlinge?
Neben dem Thema der Griechenlandhilfe gibt es in der Union auch wieder Stimmen, die ein Flüchtlingsproblem heraufbeschwören. Die Grüne Spitzenkandidatin Göring-Eckardt mahnt [11] eine verantwortungsbewusste Asyldebatte an und http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/2225896/ kritisiert] dabei führende Unionspolitiker: „Wenn ich mir anschaue, wie Innenminister Friedrich, wie übrigens auch Herr Bosbach über die etwas gestiegene Zahl von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern redet, dass da sofort die Rede ist von Überforderung, von Krise, von Ähnlichem, dann ist das auch die Grundlage für eine Stimmung, die dem Mob dann gute Gelegenheit gibt, daran anzuknüpfen.“
Tatsächlich fällt auf, dass in einer Zeit, wo von rechter Seite gegen eine Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Hellersdorf protestiert [12] wird, von führenden Unionspolitikern darauf hingewiesen wird, dass man die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen müsse. Wenn sich der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, bei den Bildern, die in den letzten Tagen aus Hellersdorf zu sehen waren, an die viel dramatischeren Szenen in Rostock vor mehr als 20 Jahren erinnert fühlt und allein in den Gegenprotesten eine Ermutigung sieht [13], ist ihm zuzustimmen. Auch damals erklärten Politiker von Union und FDP, sie wollten die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen und gaben damit den rechten Aktivitäten zumindest den Anschein einer politischen Berechtigung.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/print/154823
Peter Nowak 23.08.2013