Das Tischtuch ist noch nicht zerschnitten

In einer Veranstaltung prallen die Bausenatorin und MieterInnenaktivistInnen aufeinander, Peter Nowak war dabei Das Tischtuch ist noch nicht zerschnitten 

Dicht an dicht standen die Menschen am Montagabend dem Acud in Berlin-Mitte. Manche wurden aus Platzmangel abgewiesen. „Das ist ja so voll wie bei einer Wohnungsbesichtigung“, rief eine Frau und erntete in der Warteschlange Heiterkeit. Schließlich sollte auf der Veranstaltung des Vereins Helle Panke die Bausenatorin Katrin Lompscher Rede und Antwort stehen, was sie im ersten Jahr ihrer Amtszeit in der Wohnungsfrage erreicht hat.
Moderiert wurde die Diskussion von Andrej Holm, der gleich zu Beginn an die hohen Erwartungen erinnerte, die der Amtsantritt der der Linken angehörenden Lompscher bei den aktiven MieterInnen in Berlin ausgelöst hat. Die Ernennung von Holm zum Staatssekretär und die wochenlange Diskussion um seine Stasikontakte haben viele der Anwesenden noch gut in Erinnerung. Viele aus der außerparlamentarischen Linken haben sich damals unter dem Motto „Holm bleibt“ zum ersten Mal in ihrem Leben für einen Politiker eingesetzt. Auch nach einem Jahr ist das Tischtuch zwischen Lompscher und den Initiativen nicht zerschnitten, das wurde an dem Abend deutlich. Geduldig und ohne Zwischenrufe hörte man sich an, was die Senatorin als Erfolge verbuchte: etwa die verstärkte Anwendung des Vorverkaufsrechts und die Rettung des Neuen Kreuzberger Zentrums (NKZ) am Kottbusser Tor vor der kapitalistischen Vermarktung. Zur entspannten Stimmung trug sicherlich auch bei, dass Lompscher das Engagement von BezirkspolitikerInnen wie den grünen Baustadtrat von Kreuzberg/Friedrichshain, Florian Schmidt, ausdrücklich lobte. Positiv wurde auch angemerkt, dass sie nicht in den Rechtfertigungsmodus verfiel, als Mieteranwältin Carola Handwerg aus ihrer täglichen Praxis berichtete: Ihre MandantInnen seien nach wie vor mit abenteuerlichen Kündigungen wegen Eigenbedarf oder einen Tag zu spät gezahlten Mieten konfrontiert. Zudem würden auch die städtischen und kommunalen Wohnungsbaugesellschaften weiterhin MieterInnen zwangsräumen lassen. Eine Frau, die mit ihrer Tochter zur Veranstaltung kam, berichtete über ihren Kampf um ein bezahlbares Zuhause. Zweimal habe sie umziehen und mehrere Monate in einer Obdachlosenunterkunft zubringen müssen. „Stadt von unten beginnt beim Boden“, stand im Hof des Acud auf einem großen Transparent von MieterInnenaktivistInnen. Es wird wohl auch auf der Großdemo zu sehen sein, zu der MieterInnen und stadtpolitische Gruppen für den 14. April mobilisieren. Dort dürfte die Kritik an der Politik weniger moderat ausfallen. Schließlich werden auch die Initiativen vertreten sein, die einem zu engen Kontakt mit dem Senat auch unter Lompscher kritisch gegenüberstehen.

aus: Taz, 31.1.2018

Peter Nowak

Streit um Energiespar-Gutachten

Deutsche Wohnen will in Weißensee sanieren, verweigert den Mietern aber exakte Daten

Den großen Häuserblöcken in der Schönstraße in Weißensee sieht man nicht an, dass sie schon fast 80 Jahre alt sind. In den ehemaligen Sozialwohnungen leben noch viele MieterInnen mit geringen Einkommen, darunter Studierende und SeniorInnen mit kleiner Rente. Manche befürchten, dass sie sich ihre Wohnungen bald nicht mehr leisten können. 

Der Grund ist die Modernisierungsankündigung, die die Deutsche Wohnen, der die Häuser gehören, vor einigen Monaten an die MieterInnen der Blechenstraße 12-18, der Schönstraße 34-40, der Großen Seestraße 19-22 und der Parkstraße 72 verschickt hat. Zu den angekündigten Maßnahmen gehört auch eine energetische Sanierung.

Für die BewohnerInnen ist klar, dass damit Mieterhöhungen auf sie zukommen. »Manche sind ausgezogen. Es stehen mittlerweile einige Wohnungen leer«, erklärt Sebastian Roos auf »nd«-Anfrage. Er gehört zu den MitbegründerInnen einer Initiative, in der etwa 30 MieterInnen aktiv sind. »Wenn wir eine Sanierung schon nicht verhindern können, fordern wir zumindest eine sozial verträgliche Modernisierung.«, so Roos.

Schon vor einigen Wochen wandten sie sich an BezirkspolitikerInnen von LINKEN, SPD und Grünen. Dabei verwiesen sie auf ein Beispiel in ihrem Bezirk. In der Grellstraße 12 in Prenzlauer Berg bereitet die Deutsche Wohnen ebenfalls umfangreiche Baumaßnahmen vor. Nach Protesten der MieterInnen verständigten sich das Bezirksamt mit dem Unternehmen auf einen sozialverträglichen Ablauf der Modernisierungsmaßnahmen. 

Doch der zuständige Baustadtrat von Pankow, Vollrad Kuhn (Grüne), musste die Hoffnungen der MieterInnen enttäuschen, dass sich das Modell auch bei ihnen anwenden lässt. »Die Grellstraße liegt in einem Milieuschutzgebiet, die jetzt betroffenen Häuser nicht, daher ist eine solche Vereinbarung hier nicht möglich«, sagte Kuhn dem »nd«. Er sei aber mit der Deutschen Wohnen im Gespräch, um Streitpunkte zu klären. Dabei geht es auch um die Veröffentlichung eines Gutachtens zur Energieeinsparung durch die energetische Sanierung. Die MieterInnen fordern eine Kopie. Die Deutsche Wohnen erlaubt allerdings nur die Vervielfältigung einer kurzen Zusammenfassung. »Das Unternehmen ist nicht zur Veröffentlichung des Gutachtens verpflichtet«, bestätigt Kuhn die Rechtsauffassung der Deutschen Wohnen. 

»Spätestens wenn das Unternehmen die Mieter auf Duldung verklagt, wird sie wohl in den Gerichtsverfahren dieses Gutachten offenlegen. Vorher gibt es leider kein juristisches Mittel,« erklärt AnwältinCarola Handwerg die die betroffenen BewohnerInnen berät. Sie verweist auf juristische Erfolge. Mehrere MieterInnen haben in erster Instanz gewonnen. Sie waren von der Deutschen Wohnen auf Duldung der Modernisierung verklagt worden. »Hier könnte sich ein Weg öffnen, bessere Bedingungen für die Sanierung auszuhandeln«, so Handwerg. Sie bedauert, dass sich nur ein kleiner Teil der MieterInnen wehrt.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1073920.streit-um-energiespar-gutachten.html

Peter Nowak