Jedem Bachelor seinen Master

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat den Bundestag aufgefordert, den freien Zugang zum Masterstudium gesetzlich zu garantieren. Dazu legte die GEW gestern eine Studie vor.

»Der Bund ist nach Maßgabe des Grundgesetzes berechtigt, den freien Zugang zum Masterstudium gesetzlich zu regeln. Seine Gesetzgebungskompetenz für Hochschulzulassung und -abschlüsse schließen auch den Zugang zu einem Masterstudiengang ein“, lautet das Fazit des auf Bildungsfragen spezialisierten Münsteraner Rechtsanwalts Wilhelm Achelpöhler, der das Gutachten verfasst hat. Der Jurist stützt sich auf Artikel 74,  Abs. 1 Nr. 33 des Grundgesetzes, nach dem der Bund über die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Hochschulabschlüsse und der Hochschulzulassung verfügt. Der Bund kann  Länder und Hochschulen zu einem wirksamen Verfahren zur Vergabe der Masterstudienplätze auffordern.   Zudem besitze der Bund die Kompetenz zur Regelung, der für die Aufnahme des Studiums erforderlichen Qualifikation der Bewerber.  

Für das für die  Hochschulpolitik verantwortliche GEW-Vorstandsmitglied Andreas Keller ist damit die Verantwortung der Politik klar benannt. Er fordert den Bundestag auf, für den freien Zugang zu allen Masterstudienplätzen zu garantieren, statt das Recht einiger Hochschulen zu verteidigen, sich eine „kleine Elite angeblich besonders geeigneter Studierender auszusuchen“.   „Solange in vielen Studienfächern wie der Lehrerbildung der Bachelor nicht berufsqualifizierend ist, wäre es verantwortungslos, Studierende gegen ihren Willen mit dem Bachelorzeugnis in der Tasche auf den Arbeitsmarkt zu schicken“, betont Keller.

Bereits 2010 hatte ein Viertel aller Masterstudiengänge einen Numerus clausus. 2011 wird sich die Lage verschärfen, da immer mehr Bachelorstudierende ihren Abschluss machen und ins Masterstudium drängen.

 „Das Rechtsgutachten,  zeigt jetzt schwarz auf weiß: Der Bund hat die Kompetenz zur Regelung des Zugangs und der erforderlichen Qualifikationen der Bewerber“, kommentierte der Bundesgeschäftsführer der Juso-Hochschulgruppen Tobias Keim die Expertise.   Für deLinke.SDS  ist allerdings für die Durchsetzung des freien Masterstudiengangs weiterhin der Druck der Studierenden und die Bereitschaft dafür auf die Straße zu gehen, erforderlich. 
 
In den letzten Tagen hat sich Druck auf die Politik erhöht, für mehr Chancengleichheit in den Hochschulen zu sorgen.   Ein Bündnis, das von den der FDP nahestehenden Liberalen Hochschulgruppen über die Jusos und der DGB-Jugend  bis zum Verband   DieLinke.SDS  reicht, forderte  am vergangenen Dienstag in Berlin  den freien  Zugang zum Masterstudium. Die  Erklärung ist unter  http://www.freier-masterzugang.org/ im Internet zu finden und wurde mittlerweile von mehr als 400 Personen unterstützt.
Gefordert wird u.a. ein Bund-Länder-Programm zur Schaffung neuer Studienplätze.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/195562.jedem-bachelor-seinen-master.html

Peter Nowak

Mehr Chancengleichheit?

Sabrina Klaus-Schelletter zur Forderung nach einem freien Masterzugang / Klaus-Schelletter ist Referentin in der Abteilung Jugend und Jugendpolitik beim DGB

 ND: Die DGB-Jugend hat sich dieser Tage gemeinsam mit verschiedenen Studentenverbänden gegen die Beschränkung des Zugangs zum Masterstudium für Bachelorabsolventen ausgesprochen. Was verbindet eine Arbeitnehmerorganisation mit Studentenverbänden?
Klaus-Schelletter: Wir setzen uns für u. a. für die Verbesserung der Ausbildungssituation und die Arbeitsbedingungen junger Menschen ein – sowohl auf der betrieblichen wie auf der universitären Ebene. Zudem treten wir als junge Gewerkschafter für die Chancengleichheit im gesamten Bildungssystem ein, damit eine qualifizierte und nachhaltige Bildung unabhängig von Herkunft und Einkommen ermöglicht wird.

 Augenblicklich regelt in vielen Fächern der Notenschnitt beim Bachelorabschluss die Aufnahme zu einem Masterstudium. Sie kritisieren aber nicht nur diesen Numerus clausus (NC).
Richtig. Momentan ist es so, dass Kinder aus Selbstständigen- und Beamtenfamilien, von denen mindestens ein Elternteil einen Hochschulabschluss hat, eine fünfmal höhere Chance als Kinder aus klassischen Arbeiterfamilien haben, ein Studium zu beginnen. Der Anteil von Arbeiterkindern an den Hochschulen liegt nach Ergebnissen von Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerkes seit Jahren stabil bei etwa 20 Prozent. Von Chancengleichheit kann also keine Rede sein. Wir fordern eine gebührenfreie Bildung auf allen Ausbildungsstufen.

 Was sind die Ursachen für die mangelnde Chancengleichheit im Hochschulsystem?
Im Jahr 2008 nannten in einer Erhebung 76 Prozent der Studienberechtigten als Grund für einen Verzicht auf eine Einschreibung an eine Hochschule finanzielle Gründe. Verständlich – immerhin ist die primäre Finanzierungsquelle für Studierende noch immer das Elternhaus, an zweiter Stelle steht der eigene Verdienst. Kinder aus Arbeiterfamilien müssen sich ihr Einkommen während des Studiums häufiger selber mitverdienen als Kinder von Akademikern. Auch die Gründe für Studienabbrüche sind sehr oft finanzieller Natur.

 In der Kritik steht immer wieder die Bologna-Reform. Die war eigentlich dazu gedacht, den Studienzugang zu erleichtern und die Berufschancen von jungen Akademikern zu verbessern. Ist die Reform gescheitert?
Die Probleme stammen überwiegend aus der Zeit vor den Bologna-Reformen, haben sich aber durch Nichtberücksichtigung während des Umbaus des Hochschulsystems verschärft. Die Verkürzung der Studienzeiten hatte eine Verdichtung der Studieninhalte zur Folge. Dadurch werden Kinder aus Arbeiterfamilien strukturell weiter benachteiligt. Studierende, die gezwungen sind, ihren Lebensunterhalt selber zu bestreiten oder während des Studiums dazuverdienen müssen, haben größere Probleme, die verschärften Anforderungen in ihren jeweiligen Studiengängen erfüllen zu können. Verdichtete Studiengänge mit hoher Arbeitsbelastung und studentische Erwerbsarbeit passen nicht gut zusammen.

 Wie soll ein freier Zugang zum Masterstudium ohne Numerus Clausus Abhilfe schaffen?
Das Bildungssystem in Deutschland funktioniert wie ein Trichter. An jeder Stufe werden Kinder aus nichtakademischen Familien ausgefiltert. Auch der Master ist eine solche Schwelle. Deshalb braucht es dringend den Abbau von Hürden und dafür ist an dieser Stelle der freie Zugang zum Master notwendig. Ein freier Zugang würde eine Schwelle abbauen und wäre ein Beitrag zur Erhöhung der Chancengleichheit im Bildungsbereich.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/195528.mehr-chancengleichheit.html?

Atomkraft? Nein, danke!

»Der Ausstieg aus der Atomenergie war und ist richtig. Es war falsch von der Bundesregierung, diesen Weg zu verlassen«, erklärte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer auf der Berliner Großdemonstration der Anti-AKW-Bewegung am vergangenen Samstag. Hartmut Meine, IG-Metall-Bezirksleiter von Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, präzisierte vor Umweltschützern in Hamburg: »Die Atomkraft ist eine veraltete, rückwärts gewandte Technologie, deren Risiken nicht beherrschbar sind und zu unvorstellbaren Katastrophen führen.«

 Solche Töne führender Gewerkschaftler sind keineswegs selbstverständlich. Schließlich wurde noch in den 80er Jahren die kleine Minderheit von Gewerkschaftern, die sich im Arbeitskreis Leben für ein Ende des AKW-Baus einsetzte, von den Vorständen massiv angefeindet. Den langjährigen Chefredakteur der IG-Metall-Mitgliedszeitschrift Heinz Brandt rettete seine Vita als Auschwitzüberlebender 1977 nach seiner Rede auf einer Demonstration gegen das Kernkraftwerk Brokdorf vor einem Ausschluss aus der IG Metall – wegen gewerkschaftsschädlichen Verhaltens. Unter dem Motto »Hauptsache Arbeitsplätze« verhinderten Betriebsräte aus AKW-Betrieben lange Jahre jegliche Kritik an dieser Technologie erfolgreich.

Lang, lang ist’s her? Wenn man bedenkt, dass noch 2005 die Vorstände der Gewerkschaften ver.di, und der Energiegewerkschaft IG BCE gemeinsam mit vier großen Energiekonzernen in einem Positionspapier für die Verschiebung des AKW-Ausstiegs plädierten, sind die aktuellen Ausstiegsforderungen zweifellos ein Fortschritt. Selbst die einst atomtreue IG BCE fordert heute von der Regierung ein Konzept, das »nicht nur den Ausstieg aus der Kernenergie umfasst, sondern gleichzeitig die Bedeutung der zentralen Energieträger für die nächsten Jahrzehnte klärt«.

Überhaupt nicht kritisiert werden in den meisten gewerkschaftlichen Stellungnahmen allerdings die Profitinteressen der Energieriesen. Die in verschiedenen Landesverfassungen enthaltenen und von den Gewerkschaften damals erkämpften Forderungen nach der Vergesellschaftung des Energiesektors scheinen bei den Gewerkschaften heute genauso vergessen wie bei den meisten Ökologen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/194457.atomkraft-nein-danke.html

Peter Nowak

Rettungsinitiative in der Kritik

Gewerkschaftsintern ist der Vorstoß von DGB und Arbeitgeberverband zum Erhalt der Tarifeinheit nicht unumstritten

Die Initiative zur Rettung der Tarifeinheit, in der sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) zusammengetan haben, ist innerhalb der Gewerkschaften nicht unumstritten. Manche Gewerkschafter fordern den DGB gar zur Beendigung der Initiative auf.
»BDA und DGB wollen die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie sichern«, heißt es in einem Papier, in dem die Bundesregierung von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände und dem Deutschen Gewerkschaftsbund aufgefordert wird, die Tarifeinheit per Gesetz wiederherzustellen. Grund für die seltene Koalition ist eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von Ende Juni, nicht mehr am Grundsatz der Tarifeinheit festzuhalten. Danach hat bisher in dem Betrieb nur der Tarifvertrag der mitgliederstärksten Gewerkschaft, in der Regel des DGB, gegolten.

Keine Zwangsbindung per Gesetz

Diesen Zustand will man gewahrt sehen. »Überschneiden sich in einem Betrieb die Geltungsbereiche mehrerer Tarifverträge, die von unterschiedlichen Gewerkschaften geschlossen werden, so ist nur der Tarifvertrag anwendbar, an den die Mehrzahl der Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb gebunden ist«, heißt es daher in der BDA-DGB-Initiative.

Der Widerstand der Branchengewerkschaften, die sich dadurch an den Rand gedrängt fühlen, war zu erwarten. Doch auch bei Arbeitsrechtsrechtlern und innerhalb der DGB-Gewerkschaften erntet der Vorstoß Kritik.

So hält etwa der Bremer Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler nichts von der Rettung der Tarifeinheit durch DGB und BDA. »Das hätte zur Folge, dass die Minderheiten-organisation zwar eine Gewerkschaft ist, aber keine Möglichkeiten mehr hat, sich des wichtigsten gewerkschaftlichen Mittels zu bedienen«. Däubler gibt auch zu bedenken, dass in manchen Betrieben auch DGB-Gewerkschaften in diese Minderheitenrolle geraten könnten.

Seine Befürchtung wird auch von der bei ver.di organisierten Fachgruppe Verlage, Druck und Papier geteilt. »Wenn eine Konkurrenzorganisation einen Tarifvertrag abschließt, dann dürfen ver.di-Mitglieder nicht zwangsweise durch Gesetz an diesen Tarifvertrag und dessen Friedenspflichten gebunden werden«, heißt es in der Resolution der Kritiker.

Sie fordern den DGB auf, statt den Schulterschluss mit den Unternehmen zu üben, »zur Verteidigung von Streikrecht und Tarifautonomie« zurückzukehren. Auch der ver.di-Landesfachbereichsvor-stand Berlin-Brandenburg hat sich der Kritik angeschlossen und in einem offenen Brief an den ver.di-Vorstand zur Beendigung der DGB-BDA-Initiative aufgerufen: »Es gibt keine Alternative zur gewerkschaftlichen Überzeugungsarbeit, zur gewerkschaftspolitischen Auseinandersetzung und zum Streik für die Durchsetzung der eigenen Forderungen«, heißt es dort.

Auch das Netzwerk linker Gewerkschaftler kritisiert die DGB-BDA-Kooperation scharf und verteidigt die Organisationsfreiheit auch für Gewerkschaften außerhalb des DGB. Es gehe hier gegen kämpferische Branchenverbände, aber auch Organisationen wie die anarchosyndikalistische Freie Arbeiterunion (FAU), die in der Vergangenheit gezeigt hätten, dass sie zur Durchsetzung ihrer Interessen auch mal streiken.

Ausführliche Diskussion fehlte

Der DGB-Vorstand steht zur Kooperation mit dem BDA, auch wenn die Gründe für die Verteidigung der Tarifeinheit bei beiden Organisationen unterschiedlich seien. Es handele sich nicht um einen einsamen Beschluss des DGB-Vorstands, sondern es habe Absprache mit den Einzelgewerkschaften gegeben, meinte Claudia Falk von der DGB-Pressestelle gegenüber ND. Von kritischen Stimmen habe sie noch nichts gehört. Allerdings hält sie es für ganz normal, wenn über ein solches Thema gewerkschaftsintern kontrovers diskutiert werde.

Nicht wenige Gewerkschafter fragen sich dagegen aber, warum man nicht eine ausführliche gewerkschaftsinterne Diskussion abgewartet hat, bevor die Initiative in die Wege geleitet wurde.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/175344.rettungsinitiative-in-der-kritik.html

Peter Nowak

Wie steht’s um Fair statt prekär?

 Berliner GEW verlängert Kampagne in Jugend- und Sozialarbeitsbranche / Andreas Kraft ist Betriebsrat und Fachgruppenleiter für Kinder, Jugend und Sozialarbeit in der Bildungsgewerkschaft (GEW) Berlin

ND: Die Berliner GEW hat sich dazu entschlossen, die Kampagne »Fair statt prekär«, die jetzt enden sollte, zu verlängern, warum?
Kraft: Ursprünglich war die Kampagne bis April 2010 begrenzt. Wegen des verstärkten öffentlichen Interesses, auch im Zusammenhang mit der Diskussion um die Treberhilfe in Berlin, haben wir beschlossen, die Kampagne um ein Jahr zu verlängern.

Was genau verbirgt sich hinter der Kampagne?
Mit der Kampagne »Ich stehe auf fair, statt prekär« will die GEW-Berlin Öffentlichkeit für die Arbeitsbedingungen im Bereich Kinder-, Sozial-, und Jugendarbeit herstellen. Außerdem geht es darum, die GEW für die Beschäftigten attraktiv zu machen.

Wir wollen erreichen, dass in der Kinder-, Sozial- und Jugendarbeit nach Tarif bezahlt wird und dass Unternehmen, die dagegen verstoßen, keine öffentlichen Aufträge mehr bekommen.

Neben der besseren Bezahlung geht es auch um die Verbesserung der Arbeitsverhältnisse. Die aktuellen kapazitätsorientierten Verträge, durch die die Beschäftigten unter ständigem Druck stehen, sollen durch feste Arbeitsverträge ersetzt werden. Von der Politik fordern wir eine verstärkte Kontrolle in diesem Bereich. Weil hier noch verlässliche Zahlen fehlen, wird dem prekären Praktiken Tür und Tor geöffnet.

Wie steht es um die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten in der Berliner Kinder- und Jugendarbeit?
Mittlerweile sind in diesem Bereich prekäre Arbeitsverhältnisse an der Tagesordnung. Die Zahl der Teilzeitarbeitsverhältnisse liegt heute bei 70 Prozent. Seit dem Ausstieg aus dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) im Jahre 2002 wurden die Gehälter um bis zu 20 Prozent abgesenkt. Eine Erzieherin verdient heute im Monat durchschnittlich zwischen 800 und 900 Euro für einen 30-Stunden-Job.

Gibt es Gegenwehr?
Die könnte größer sein. Generell ist die Konfliktbereitschaft bei den Beschäftigten und auch bei den Betriebsräten in der Branche nicht besonders groß. Das zeigt sich auch darin, dass Betriebsräte auf Klagen vor den Arbeitsgerichten verzichten, obwohl die Erfolgschancen groß sind.

Kennen Sie auch Beispiele für die Behinderung von Betriebsratsarbeit in dem Bereich?
Die zwei Betriebsräte beim Trägerverbund Independent Living – Verbund freier Jugendhilfeträger e.V. (IL) beklagen seit Langem die Behinderung ihrer Arbeit. Die Wahl eines Betriebsrates war von der IL-Geschäftsführung angefochten worden. Auf einer Betriebsversammlung wollte das Unternehmen den Betriebsrat mit der Polizei des Saales verweisen. Auch Kollegen, die die Betriebsräte unterstützten, wurden so unter Druck gesetzt, dass einige schon gekündigt haben. Auch die Arbeitsbedingungen waren bei IL lange sehr prekär. So mussten die Mitarbeiter lange Zeit die Kosten für die Diensthandys selber tragen.

Gibt es schon messbare Ergebnisse der Kampagne?
Die Mitgliederzahl der GEW wächst. Außerdem werden wir vermehrt von Beschäftigten zu Informationsveranstaltungen eingeladen. Das zeigt, dass das Interesse zugenommen hat, sich gegen die schlechten Arbeitsverhältnisse zu wehren. Zudem verbessert sich die Position der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch den zunehmenden Arbeitskräftemangel in diesem Bereich. Das Personal kann daher nicht mehr so einfach mit der Drohung eingeschüchtert werden, dass sie problemlos ersetzt werden können.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/168396.wie-steht-s-um-fair-statt-prekaer.html

Interview: Peter Nowak

Peinlicher Abschluss

Gewerkschafter kritisieren neuen Tarifvertrag für Leiharbeitnehmer
Der Tarifvertrag für Zeitarbeiter stößt an der Gewerkschaftsbasis auf Kritik.
»Ein guter Tag für die Zeitarbeit«, lautete der Titel einer gemeinsamen Erklärung des Bundesverbandes Zeitarbeit (BZA) und der Tarifgemeinschaft Zeitarbeit des DGB. Diese hatten sich Ende vergangener Woche auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt. Danach sollen Mitarbeiter, die am 1. Mai 2010 vier Monate oder länger ohne Unterbrechung beschäftigt waren, für die Monate Januar bis April eine Einmalzahlung von 80 Euro erhalten. Ab 1. Mai 2010 und 2011 sollen die Löhne jeweils um 2,5 Prozent erhöht werden. Die Tarifpartner empfehlen allen Zeitarbeitsfirmen, sich an dem Vertrag zu orientieren.

An der Gewerkschaftsbasis hingegen wird keineswegs gefeiert. Kritik gibt es vor allem in der IG Metall (IGM), deren Tarifkommission heute über den Vertrag abstimmt. »In den letzten Tagen sind massenhaft Protestmails an die verantwortlichen Funktionäre gegangen«, erklärte ein Gewerkschafter aus der Zeitarbeitsbranche, der nicht namentlich genannt werden will, gegenüber ND. Das Ergebnis gehe nicht über das Angebot des BZA hinaus. Die Gewerkschaft habe die Druckmittel nicht genutzt, die vor allem durch die öffentliche Diskussion um das Lohndumping bei Schlecker entstanden sei. Zudem hätten auch die Unternehmer wegen der ab Januar 2011 geltenden Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU Interesse an einem Tarifvertrag.

In einem von der IG Metall organisierten Internetforum für Zeitarbeiter überwiegen kritische Kommentare. »Leute, die ich organisiert habe, haben mir geschrieben, es ist peinlich. Die hätten lieber keine solche Erhöhung als so eine Erniedrigung«, schreibt ein Metaller. Ein anderer Gewerkschafter moniert, es habe seines Wissens noch keine Sitzung der Tarifkommission der Gewerkschaft gegeben, obwohl dort auch Betriebsräte aus Verleihbetrieben säßen.

Nicht nur die Basis äußert Kritik. Ein bayerisches Mitglied der Tarifkommission will den Vertrag ablehnen. »Alles was nach zwei Jahren abgeliefert wurde, ist eine Zustandsbeschreibung, die Aktive vor Ort wahrscheinlich in 30 Minuten selbst hätten schreiben können.« Die IGM-Verwaltungsstellen Regensburg und Augsburg hatten Anfang Januar dem Gewerkschaftsvorstand ihre Bedenken mitgeteilt.

Der Verhandlungsführer des DGB bei den Tarifverhandlungen, Reinhard Dombre, sieht die Kritik gelassen. Man solle die heutige Entscheidung der Tarifkommission abwarten, erklärte er gegenüber ND. Zudem betonte er, dass eine reale Gefahr bestanden hätte, dass der BZA mit den Christlichen Gewerkschaften einen schlechteren Tarifvertrag abschließt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/164224.peinlicher-abschluss.html

Peter Nowak