Rettungsinitiative in der Kritik

Gewerkschaftsintern ist der Vorstoß von DGB und Arbeitgeberverband zum Erhalt der Tarifeinheit nicht unumstritten

Die Initiative zur Rettung der Tarifeinheit, in der sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) zusammengetan haben, ist innerhalb der Gewerkschaften nicht unumstritten. Manche Gewerkschafter fordern den DGB gar zur Beendigung der Initiative auf.
»BDA und DGB wollen die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie sichern«, heißt es in einem Papier, in dem die Bundesregierung von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände und dem Deutschen Gewerkschaftsbund aufgefordert wird, die Tarifeinheit per Gesetz wiederherzustellen. Grund für die seltene Koalition ist eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von Ende Juni, nicht mehr am Grundsatz der Tarifeinheit festzuhalten. Danach hat bisher in dem Betrieb nur der Tarifvertrag der mitgliederstärksten Gewerkschaft, in der Regel des DGB, gegolten.

Keine Zwangsbindung per Gesetz

Diesen Zustand will man gewahrt sehen. »Überschneiden sich in einem Betrieb die Geltungsbereiche mehrerer Tarifverträge, die von unterschiedlichen Gewerkschaften geschlossen werden, so ist nur der Tarifvertrag anwendbar, an den die Mehrzahl der Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb gebunden ist«, heißt es daher in der BDA-DGB-Initiative.

Der Widerstand der Branchengewerkschaften, die sich dadurch an den Rand gedrängt fühlen, war zu erwarten. Doch auch bei Arbeitsrechtsrechtlern und innerhalb der DGB-Gewerkschaften erntet der Vorstoß Kritik.

So hält etwa der Bremer Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler nichts von der Rettung der Tarifeinheit durch DGB und BDA. »Das hätte zur Folge, dass die Minderheiten-organisation zwar eine Gewerkschaft ist, aber keine Möglichkeiten mehr hat, sich des wichtigsten gewerkschaftlichen Mittels zu bedienen«. Däubler gibt auch zu bedenken, dass in manchen Betrieben auch DGB-Gewerkschaften in diese Minderheitenrolle geraten könnten.

Seine Befürchtung wird auch von der bei ver.di organisierten Fachgruppe Verlage, Druck und Papier geteilt. »Wenn eine Konkurrenzorganisation einen Tarifvertrag abschließt, dann dürfen ver.di-Mitglieder nicht zwangsweise durch Gesetz an diesen Tarifvertrag und dessen Friedenspflichten gebunden werden«, heißt es in der Resolution der Kritiker.

Sie fordern den DGB auf, statt den Schulterschluss mit den Unternehmen zu üben, »zur Verteidigung von Streikrecht und Tarifautonomie« zurückzukehren. Auch der ver.di-Landesfachbereichsvor-stand Berlin-Brandenburg hat sich der Kritik angeschlossen und in einem offenen Brief an den ver.di-Vorstand zur Beendigung der DGB-BDA-Initiative aufgerufen: »Es gibt keine Alternative zur gewerkschaftlichen Überzeugungsarbeit, zur gewerkschaftspolitischen Auseinandersetzung und zum Streik für die Durchsetzung der eigenen Forderungen«, heißt es dort.

Auch das Netzwerk linker Gewerkschaftler kritisiert die DGB-BDA-Kooperation scharf und verteidigt die Organisationsfreiheit auch für Gewerkschaften außerhalb des DGB. Es gehe hier gegen kämpferische Branchenverbände, aber auch Organisationen wie die anarchosyndikalistische Freie Arbeiterunion (FAU), die in der Vergangenheit gezeigt hätten, dass sie zur Durchsetzung ihrer Interessen auch mal streiken.

Ausführliche Diskussion fehlte

Der DGB-Vorstand steht zur Kooperation mit dem BDA, auch wenn die Gründe für die Verteidigung der Tarifeinheit bei beiden Organisationen unterschiedlich seien. Es handele sich nicht um einen einsamen Beschluss des DGB-Vorstands, sondern es habe Absprache mit den Einzelgewerkschaften gegeben, meinte Claudia Falk von der DGB-Pressestelle gegenüber ND. Von kritischen Stimmen habe sie noch nichts gehört. Allerdings hält sie es für ganz normal, wenn über ein solches Thema gewerkschaftsintern kontrovers diskutiert werde.

Nicht wenige Gewerkschafter fragen sich dagegen aber, warum man nicht eine ausführliche gewerkschaftsinterne Diskussion abgewartet hat, bevor die Initiative in die Wege geleitet wurde.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/175344.rettungsinitiative-in-der-kritik.html

Peter Nowak