Versammlungsrecht gilt auch an Flughäfen

Das Bundesverfassungsgericht stärkt das Demonstrationsrecht
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 22. Februar das Demonstrationsrecht gestärkt. Es stellte fest, dass von der öffentlichen Hand beherrschte gemischtwirtschaftliche Unternehmen in Privatrechtsform, ebenso wie im Alleineigentum des Staates stehende öffentliche Unternehmen, die in den Formen des Privatrechts organisiert sind, einer unmittelbaren Grundrechtsbindung unterliegen. Deshalb gilt die Versammlungsfreiheit auch an Flughäfen und Bahnhöfen.

Allerdings sind wegen der „besonderen Störanfälligkeit eines Flughafens“ nach der Entscheidung Einschränkungen der Versammlungsfreiheit möglich. So werden auch in Zukunft keine Demonstrationen auf dem Rollfeld, wohl aber in der Flughafenhalle möglich sein. Das wollte die Betreiberin des Flughafens Frankfurt/Main, die Fraport Aktiengesellschaft, verhindern. Julia Kümmel, Aktivistin einer antirassistischen Initiative, die im März 2003 vor dem Abfertigungsschalter in der Flughafenhalle Flugblätter gegen die Abschiebung von Flüchtlingen über diesen Airport verteilt hatte, wurde von dem Unternehmen ein Flughafenverbot erteilt.

Sie hätte mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch rechnen müssen, wenn sie erneut auf dem Flughafenareal angetroffen worden wäre. Sammlungen, Werbungen sowie das Verteilen von Flugblättern bedürften ihrer Einwilligung und „nicht abgestimmte Demonstrationen im Terminal würden aus Gründen des reibungslosen Betriebsablaufes und der Sicherheit grundsätzlich nicht geduldet“, hieß es in der Begründung.

Dagegen klagte die Frau. Während zwei juristische Instanzen und der Bundesgerichtshof der Fraport Recht gegeben hatten, siegte Kümmel nun vor dem Bundesverfassungsgericht. Das Unternehmen habe ihre Versammlungs- und Meinungsfreiheit verletzt, befanden die Richter. Die Fraport AG begrüßte in einer knappen Erklärung, dass nach der Entscheidung Rechtssicherheit herrsche, betonte aber auch, dass „das Urteil nicht bedeute, dass von jetzt an unbegrenzt Demonstrationen in den Terminals stattfinden können.“

Gegen demokratiefreie Zonen in den Innenstädten

Die Entscheidung wird auch für die Versammlungsfreiheit von Bahnhöfen und öffentliche Einkaufszentren Folgen haben. So heißt es in der Urteilsbegründung:

„Wenn heute die Kommunikationsfunktion der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze zunehmend durch weitere Foren wie Einkaufszentren, Ladenpassagen oder sonstige Begegnungsstätten ergänzt wird, kann die Versammlungsfreiheit für die Verkehrsflächen solcher Einrichtungen nicht ausgenommen werden, soweit eine unmittelbare Grundrechtsbindung besteht oder Private im Wege der mittelbaren Drittwirkung in Anspruch genommen werden können.“

Auch der Wunsch „eine Wohlfühlatmosphäre in einer reinen Welt des Konsums zu schaffen“, begründe keine Einschränkung von Grundrechten.

Damit reagiert das Gericht auf Einwände von bürgerrechtlichen Organisationen, die seit fast 20 Jahren vor der Privatisierung öffentlichen Raums und der Umwandlung zu politikfreien Zonen warnen und unter anderem mit sogenannten Innenstadtaktionstagen dagegen protestierten. 
 
http://www.heise.de/tp/blogs/8/149321

Peter Nowak

Freispruch für „Berliner Paten“

Berliner Landgericht sieht im Fall Landowsky und anderer Bankmanager keine Untreue
Am gestrigen Montag sprach das Berliner Landgericht in seiner Entscheidung den ehemaligen Vorstandschef der Berlin-Hyp und langjährigen CDU-Politiker Klaus-Rüdiger Landowsky sowie elf weitere Manager vom Vorwurf der Untreue frei. Das Urteil war erwartet worden. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht im August 2010 die Urteile gegen Landowksy und Co. aufgehoben und den Fall an das Berliner Landgericht zurückverwiesen.

In ihrer Begründung rügten die Karsruher Richter damals eine „verfassungswidrige Überdehnung des Untreuetatbestands“ durch die Vorinstanzen und formulierten strenge Kriterien für die Verurteilung von Managern. Dazu seien Prüfungen unter Einbeziehung von Wirtschaftsexperten erforderlich.

Ursprünglich ging die Staatsanwaltschaft davon aus, dass die Manager für die Auflage von zwei Immobilienfonds verantwortlich sind, die den Anlegern extrem hohe Mietgarantien für 25 Jahre zusicherten, obwohl bereits bekannt war, dass die Fonds kaum werthaltig waren. Daraus ist der Bank ein Schaden von 60 Millionen Euro entstanden, der auf die öffentliche Hand abgewälzt wurde. Die Richter des Landgerichts kamen jedoch zum Schluss, dass eine Gesetzesverletzung im Sinne des Untreue nicht vorgelegen habe. Somit sei ein konkreter Schaden für das Land Berlin oder den Steuerzahler nicht nachzuweisen:

„Die 26. Strafkammer hat die Angeklagten unter Beachtung der Vorgaben der neuen Rechtsprechung des BVerfG (Entscheidung vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 491/09) zum Tatbestand der Untreue aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil das Verhalten der Angeklagten bei den Fondsschließungen im Ergebnis trotz Mängeln in der Kalkulation der Mietgarantiegebühren als insgesamt nicht pflichtwidrig einzustufen sei.
Im Übrigen habe die Beweisaufnahme ergeben, dass die Gesellschafterinnen der IBG – LBB, Berliner Bank, BerlinHyp und Bankgesellschaft Berlin AG – in Kenntnis der Risiken der Fortsetzung der LBB-Fonds-Reihe mit den anklagegenständlichen Fonds zugestimmt hätten. Diese Zustimmung sei ihrerseits nicht pflichtwidrig und schließe den Tatbestand der Untreue daher aus.“

Während Landowsky nach dem Freispruch vom Sieg des Rechtsstaat über alle Intrigen sprach, kommentierte die „Initiative Berliner Bankenskandal“ die Entscheidung knapp:

„Es kam, wie es nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kommen musste.“

Landowsky kann sich bestätigt fühlen. Schon beim ersten Prozesstag des langwierigen Verfahrens im Jahr 2005 schrieb die Financial Times Deutschland: „Natürlich erwarte er einen Freispruch, sagte Landowksy auf dem Gerichtsflur.“

Dass es auf dem Instanzenweg dann doch zu einer Verurteilung kam, konnte der von manchen zum „Paten von Berlin“ getaufte CDU-Politiker überhaupt nicht verstehen. Aber die Karlsruher Richter ließen ihn nicht in Stich. Ein von der Staatsanwaltschaft angekündigtes Revisionsverfahren dürfte angesichts der Karlsruher Vorgaben wenig Erfolg beschieden sein.
 
Peter Nowak

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149274

Erstes erfolgreiches Volksbegehren in Berlin

Das überraschende Votum für die Offenlegung der Verträge über den Teilverkauf der Wasserbetriebe ist auch eine Absage an die Privatisierung öffentlicher Güter
Der Berliner Senat muss alle Verträge im Zusammenhang mit dem Teilverkauf der Wasserbetriebe offenlegen. Denn am Sonntag hatte ein von der Initiative Berliner Wassertisch initiiertes Volksbegehren wider alle Prognosen Erfolg.

Das nötige Quorum von 25 % der wahlberechtigten Berliner wurde überschritten. Damit hat der Berliner Wassertisch mit wenigen Unterstützern etwas erreicht, was den von den Boulevardmedien und großen Parteien unterstützten Volksbegehren für den Erhalt des obligatorischen Religionsunterrichts und für den Erhalt des Flughafen Tempelhofs nicht gelungen ist.

Erstmals hat damit ein berlinweites Volksbegehren Erfolg. Dabei waren die Medien mit der Berichterstattung eher zurückhaltend, und auch führende Politiker der in Berlin mitregierende Linkspartei argumentierten, da die Verträge nach einer Taz-Recherche mittlerweile öffentlich seien, habe sich das Volksbegehren erledigt. Die Befürworter konterten, dass mit dem Volksbegehren nicht veröffentlichte Vertragsteile automatisch nichtig würden, was sicher noch einige juristische Auseinandersetzungen nach sich ziehen dürfte.

Wenn es bei dem Volksbegehren auch um die vollständige Offenlegung der Verträge ging, so war das Ergebnis auch ein Votum gegen die Privatisierung öffentlicher Güter. Das Thema dürfte bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen eine wichtige Rolle spielen. Wie der Film Water makes Money deutlich machte, ist der Kampf für eine Rekommunalisierung der Wasserwerke längst eine europaweite Bewegung. Dass das stark in die Kritik geratene Unternehmen Veolia eine Verleumdungsklage gegen den Film eingereicht hat, ist auch ein Anzeichen dafür, dass man dort zunehmend nervös wird.

 

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149266

Peter Nowak

Führt Extremismusklausel zu Misstrauen und Beschnüffelung?

Auch Juden und Muslime fordern die Rücknahme der Extremismusklausel von Bundesfamilienministerin Schröder

Der Zentralräte der Juden und der Moslems in Deutschland haben am Mitwoch auf einer Pressekonferenz zum Thema „Arbeit gegen Antisemitismus, Islamismus und Rechtsextremismus“ in Berlin die Rücknahme der Extremismusklausel gefordert. Sie verpflichtet zivilgesellschaftliche Organisationen, die finanzielle Unterstützung bekommen, nicht nur selber auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu stehen, sondern auch ihre Kooperationspartner auf ihre Verfassungstreue zu überprüfen

Die Klausel behindere Initiativen gegen Rechtsextremismus, statt sie zu unterstützen und säe kollektives Misstrauen, sagte der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, und schloss eine gerichtliche Klage nicht aus. Sein Kollege vom Zentralrat der Muslime, Aiman Mazyek ergänzte: „Ausgangspunkt dieses Bekenntniszwangs ist Misstrauen“. Der Kampf gegen Extremismus und für Demokratie sei eine wichtige Aufgabe der Zivilgesellschaft und diese dürfe nicht durch solch eine Klausel unter Generalverdacht gestellt werden.

Auch der SPD-Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Hövelmann, warnte vor dem „Unsinn einer solchen Beschnüfflungsklausel“. Kritiker vergleichen die Klausel mit der auch als Berufsverbot bezeichneten Radikalenerlass für Beamtenanwärter, der die innenpolitische Debatte in den 70ern und 80er Jahren prägte. Damals dauerte es fast ein Jahrzehnt, bis auch führende Politiker diese Praxis als Fehler bezeichneten.

Der Protest gegen die Extremismusklausel hat sich dagegen innerhalb weniger Monaten auch mittels Internet und Facebook schnell verbreitert. Die Diskussion angestoßen hatte die Initiative gegen jeden Extremismusbegriff aus Leipzig. Als im November letzten Jahres der Verein akubiz die Annahme des sächsischen Demokratiepreises ablehnte, weil damit der Unterzeichnung der umstrittenen Klausel verbunden gewesen wäre, nahm eine größere Öffentlichkeit von der Problematik Notiz.

Am 1.Februar hatten sich über 1.500 Organisationen und Einzelpersonen an einem Aktionstag gegen Bekenntniszwang beteiligt und sich mit Briefen, Protestmails und –faxen an das zuständige Bundesfamilienministerium gewandt. Auch eine Onlinepetition wurde mittlerweile eingereicht. Ein vom Land Berlin in Auftrag gegebenes Gutachten stellt infrage, ob die Extremismusklausel mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149236

Peter Nowak

Accounts linker Gruppen gehackt Lieblingspasswort: „anarchy“

Die Hackergruppe „Schwarzer Phönix“ legt offen, wie lax linke Aktivisten mit Daten umgehen. Die Aktivisten wiederum trauen den „Phönixen“ nicht über den Weg

BERLIN taz | Zahlreiche linke Gruppen hatten in der letzten Zeit Probleme mit dem Mailversand. Betroffen sind antifaschistische Gruppen und sozialpolitische Initiativen. Während anfangs in der linken Szene gerätselt wurde, ob rechte Hacker oder der Staatsschutz dafür verantwortlich sind, tauchte ein Bekennerschreiben aus den vermeintlich eigenen Reihen auf.

„Wir haben die Accounts von 100 linken Gruppen und Einzelpersonen einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen“, hieß in der Erklärung einer „Bewegung Schwarzer Phönix“. Es habe sich um eine Solidaritätsaktion gehandelt. Man wolle die betroffenen Gruppen und die linke Öffentlichkeit auf den leichtsinnigen Umgang mit sensiblen Daten aufmerksam machen, schreiben die unbekannten Hacker.

So seien die Passwörter einfach zu erraten gewesen, weil häufig schnell zu erratende Begriffe wie „anarchy“ verwendet worden seien. Den Solidaritätshackern sind nach eigenen Angaben neben „Protokollen von regionalen und überregionalen klandestinen Treffen“ auch „komplexe Recherchen über faschistische Gruppierungen mit Hinweisen auf die recherchierenden Menschen und deren Vorgehensweise“ sowie „Informationen über die Planung von politischen Aktionen“ in die Hände gefallen.

Obwohl die Hacker versicherten, diese Daten nicht öffentlich zu machen und allen gehackten Initiativen und Einzelpersonen ihren Account zurückzugeben, reagieren linke Kreise überwiegend mit Unverständnis auf die Aktion. „Die populistische Art und Weise mit welcher auf Sicherheitslücken und Schwachstellen in der digitalen Kommunikation hingewiesen wurde, lehnen wir entschieden ab, da dies schlussendlich nur den Repressionsbehörden in die Hände spielt“, heißt es in einer Erklärung des Berliner Ermittlungsausschusses.

Daten des Berliner Ermittlungsausschusses wurden nicht gehackt, die Organisation bekam von den Schwarzen Phönixen allerdings per E-Mail Accountdaten von drei gehackten Gruppen mit der Bitte übermittelt, die Daten an diese zurückzugeben. Dabei hätten die Phönixe kein Verschlüsselungsprogramm benutzt, moniert der EA.

Viele betroffene Gruppen reagieren ablehnend auf das Angebot der Datenrückgabe, da nicht klar sei, wer die angeblichen Solidaritätshacker seien. Im Netz warnen andere Linke vor Verschwörungstheorien und sehen in dem Hack eine gute Gelegenheit, sich mehr Gedanken um die Sicherheit im Netz zu machen.

http://www.taz.de/1/netz/netzpolitik/artikel/1/lieblingspasswort-anarchy/

Peter Nowak

Dezentraler Aktionstag gegen Afghanistaneinsatz

Gegen die geplante Verlängerung des Bundeswehrmandats für den Krieg in Afghanistan richten sich am Sonnabend Aktionen in verschiedenen deutschen Städten. Ende Januar will der Bundestag darüber entscheiden. Während dort die Mehrheit der Abgeordneten einer Verlängerung zustimmen wird, spricht sich in der Bevölkerung eine Mehrheit dagegen aus. Das Bündnis gegen Mandatsverlängerung, das den Aktionstag am 22. Januar organisiert, umfasst neben Gruppen der Friedensbewegung, antifaschistische und migrantische Gruppen ebenso wie Stadtteil- und Erwerbsloseninitiativen.
3a.blogsport.de/mandatsverlaengerung

http://www.neues-deutschland.de/artikel/188800.bewegungsmelder.html

Peter Nowak

Arbeit und Krise

Der Ums-Ganze-Kongress warf interessante Fragen auf

„So wie es ist, bleibt es nicht“ lautete der Titel eines Kongresses, der am ersten Dezemberwochenende in der Bochumer Universität stattfand. Organisiert wurde er vom Ums-Ganze-Bündnis, das seine Wurzeln in der Antifabewegung der 1990er Jahre hat. Mittlerweile versteht es sich als kommunistisches Bündnis und hat unter den Titel „Staat, Weltmarkt und die Herrschaft der falschen Freiheit“ den Versuch einer marxistischen Kritik an der gegenwärtigen Verfasstheit von Staat und Kapital entwickelt.

In großen Teilen der Linken wurde noch vor einigen Monaten davon ausgegangen, dass der Krisenprozess erst am Anfang steht. Wenn dann ein neuer Wirtschaftsboom die Zahl der Erwerbslosen und der Kurzarbeitenden verringert, erweist sich diese Prognose offensichtlich als falsch.

Ist die Krise damit vorbei? Oder treiben nicht eher der kapitalistische Normalzustand und nicht sinkende Börsenkurse viele Menschen mit Arbeitszeitverdichtung und Prekarisierung in die Krise? Wie werden solche Fragen an der Peripherie der EU diskutiert? Dass waren einige der Themen, die auch Gegenstand des Bochumer Kongresses waren.

Auf der Auftaktveranstaltung erinnerte der Politologe Michael Heinrich daran, dass MarxistInnen seit mehr als einem Jahrhundert auf die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus hingewiesen haben. „Ob die Krise auch eine Chance auf radikale Veränderung bietet oder wie bisher nur zur Festigung kapitalistischer Herrschaft führt, ist abhängig von den sozialen Auseinandersetzungen und der Rolle des Staates in der Lösung der gegenwärtigen Krise“, so Heinrich. Deshalb müssten Krisenlösungsmodelle von sozialen Bewegungen auch darauf abgeklopft werden, ob sie beispielsweise mit der Forderung nach Reregulierung des Finanzsektors nicht zur Stabilisierung von Kapitalismus und Herrschaft beitragen.

Die Krise als Chance auf radikale Veränderung?

Was es heißt, radikale Kritik zu organisieren, war auch die Ausgangsfrage beim Abschlusspodium, wo Lars Röhm von der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) am Beispiel der Organisierung von Beschäftigten in einem Berliner Kino deutlich machte, dass der Kampf um unmittelbare Interessen Ansätze von Selbstorganisierung im Alltag vermitteln und gleichzeitig Räume für eine Kritik an der kapitalistischen Verfasstheit der Gesellschaft öffnen können. Ähnliches berichtete der Kölner Rechtsanwalt und Sozialaktivist Detlef Hartmann in einem Workshop über Erwerbslosenaktivitäten in Köln und Umgebung.

Einen zentralen Stellenwert nahm auf dem Kongress die Entwicklung von Schuldenkrise und Klassenkampf in Griechenland ein. GenossInnen des linkskommunistischen Zeitungsprojekts TPTG interpretieren die Schuldenkrise als Angriff auf die Arbeiterklasse. Die von der EU unterstützte Politik der Krisenlösung solle dazu beitragen, dass sich die griechischen ArbeiterInnen mit dem Staat identifizieren und bereitwillig für ihn Opfer bringen. Bisher habe in großen Teilen des griechischen Proletariats aber eher die Stimmung vorgeherrscht: Die Schulden sind nicht unsere Schulden, und deshalb zahlen wir auch nicht für sie.

Leider war eine gründliche Diskussion der griechischen Erfahrungen nicht möglich. Die Kongressorganisation hatte noch Referate des Soziologen Rudi Schmidt und des Politologen Werner Bonefeld in die Veranstaltung gepackt, die ebenfalls viel Diskussionsstoff geboten hätten. Die OrganisatorInnen sollten die Möglichkeit schaffen, die interessanten Fragen, die auf dem Kongress aufgeworfen wurden, auch im Internet weiterzudiskutieren.

Peter Nowak

http://kongress.umsganze.de

aus:  akzeitung für linke debatte und praxis / Nr. 556 / 17.12.2010

Sozialprotestherbst war nur lauwarm

Organisatoren diskutierten über Fehler
Warum die Proteste gegen die Sparpolitik der Regierung schwach blieben, diskutierten Vertreter verschiedener Organisationen.
Soziale Initiativen, Gewerkschaften und Erwerbslosengruppen hatten im Herbst 2010 zu Protesten gegen das Sparprogramm der Bundesregierung aufgerufen. Höhepunkt sollte eine Bundestagsbelagerung zur Gesetzesverabschiedung am 26. November sein. Zu der kamen dann allerdings nur 3000 Menschen. Eine für den 18.Oktober geplante Bankenblockade in Frankfurt am Main war wegen mangelnder Resonanz abgesagt worden.

 Warum sind die sozialen Proteste so schwach entwickelt?, fragten sich am Mittwochabend bei einer Veranstaltung in Berlin Aktivisten beteiligter Organisationen. Eingeladen hatte die Gruppe Internationale Kommunisten. Der Soziologe Holger Marcks, Mitglied der anarchosyndikalistischen Freien Arbeiter Union (FAU), sieht im Unwillen der DGB-Gewerkschaften, soziale Proteste zu organisieren, den Hauptgrund für die Protestflaute. Anders als in Deutschland habe es in Frankreich auch durch die Proteste verschiedener Gewerkschaften eine breite gesellschaftliche Bewegung gegen die Rentenreform der Regierung gegeben.

Der Kritik am DGB stimmte Michael Prütz vom Bündnis »Wir zahlen nicht für Eure Krise« zu: Die betrieblichen Aktionen, auf die vor allem die IG Metall setzte, seien häufig nicht mehr als ein Tagesordnungspunkt auf einer Betriebsversammlung gewesen, kritisierte er. Prütz wies auf die unterschiedlichen Krisenauswirkungen hin: »Die Folgen waren vor allem bei den Menschen spürbar, die sich am wenigsten wehren können«, meinte der Aktivist. Gerade bei vielen Erwerbslosen herrsche noch immer eine Lethargie.

Dem stimmte Erwerbslosenaktivistin Anne Seeck zu. Die wenigen aktiven Gruppen hätten ihre Forderungen oft sehr stark auf das scheinbar politisch Machbare heruntergeschraubt. Es fehle das Selbstbewusstsein, Forderungen durchsetzen zu können. Um das zu ändern, seien gemeinsame Aktionen in Jobcentern und Arbeitsagenturen nötig, wo sich Erwerbslose gemeinsam gegen Zumutungen auf dem Amt wehren. »Eine solche Organisierung müsse von den Stadtteilen ausgehen. Großdemonstrationen wie am 26. November werden nur von wenigen aktiven Erwerbslosen überhaupt wahrgenommen«, betonte Seeck.

Ein Vertreter der Berliner Gruppe Theorie, Organisation, Praxis (TOP) wollte die Fehler nicht nur bei den Protestorganisatoren suchen. Entscheidend sei, wie in großen Teilen der Bevölkerung die Ursache der Krise interpretiert worden sei. Die Version der Regierung, dass der Standort Deutschland gestärkt aus der Krise herauskommen müsse, sei weit verbreitet. Daher sei die Kritik an Staat und Nation ein wichtiger Bestandteil künftiger Sozialproteste.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/187937.sozialprotestherbst-war-nur-lauwarm.html

Peter Nowak

Mit Kiezläden aus der Demo-Krise

WIDERSTAND Linke Aktivisten suchen nach Gründen für die mangelnde Protestbereitschaft der Berliner
Am vergangenen Mittwoch diskutierten im gut besuchten Friedrichshainer Stadtteilladen Zielona Gora VertreterInnen verschiedener linker Gruppen aus Berlin über Gründe für die aktuelle Protestflaute. Bei den Protesten gegen das Sparprogramm der Bundesregierung waren am 26. November gerade einmal 3.000 Menschen in der Nähe des Abgeordnetenhauses auf die Straße gegangen. Die Aktion sollte der Höhepunkt eines „heißen Herbstes“ sein, zu dem linke Gruppen aufgerufen hatten. Michael Prütz vom Berliner Antikrisenbündnis übte Selbstkritik.

 Die AktivistInnen hätten zu wenig berücksichtigt, dass die Krise in der Bevölkerung sehr unterschiedlich angekommen sei. „Die Menschen, die sich am wenigsten wehren können, sind am stärksten betroffen gewesen“, meinte der Aktivist mit Blick auf die Erwerbslosen. Zudem fehle bei vielen Menschen die Überzeugung, durch Proteste überhaupt etwas erreichen zu können. Prütz datierte die letzten großen Erfolge einer sozialen Bewegung vierzig Jahre zurück, als die Gewerkschaften in Westdeutschland den Kampf für die 35-Stunden-Woche geführt haben. Anne Seeck vom Erwerbslosentreffpunkt im Neuköllner Stadtteilladen Lunte betonte ebenfalls die Wichtigkeit politischer Erfolge für das Selbstbewusstsein von AktivistInnen.

Solche Erfolge könnten etwa durch gemeinsame Aktionen in Jobcentern und Arbeitsagenturen erzielt werden, wenn sich Erwerbslose gemeinsam gegen Streichungen von Geldern und andere Sanktionen wehrten, sagte Seeck. Dafür sei allerdings der Aufbau einer Infrastruktur in den Stadtteilen notwendiger als Großdemonstrationen. Holger Marcks von der anarchosyndikalistischen Freien ArbeiterInnen Union (FAU) betonte die Wichtigkeit der Basisorganisierung an den Arbeitsplätzen. „Wenn der Betriebsfrieden in Deutschland nicht gebrochen wird, sind auch keine größeren sozialen Proteste auf der Straße zu erwarten.“

Wie es im neuen Jahr mit den Sozialprotesten weitergeht, wird das Berliner Antikrisenbündnis bei einem Treffen am kommenden Dienstag beraten. Aber auch weitere Proteste sind bereits angekündigt. Unter dem Motto „Krach schlagen statt Kohldampf schieben“ wollen Erwerbslosengruppen anlässlich der Landwirtschafts-Messe Grüne Woche am 22. Januar dafür demonstrieren, dass sich auch Hartz-IV-EmpfängerInnen gesunde Ernährung leisten können. Treffpunkt für alle Protestierwilligen ist um 12 Uhr am Hauptbahnhof.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2011%2F01%2F07%2Fa0153&cHash=9ea92309be

Peter Nowak

Grüner Abschwung in Berlin

Ist Künast zu grün?

Viel zu feiern hat die SPD in diesen Tagen nicht. Da rechnet sie sich eine aktuelle Forsa-Umfrage der Berliner Zeitung zu den Wahlpräferenzen in Berlin schon als Erfolg an. Danach kommt die SPD in Berlin auf 27 % Prozent, was eigentlich in der Stadt, in deren Westteil sie lange Zeit absolute Mehrheiten erreichte, ein schlechtes Ergebnis ist.

Aber knapp 10 Monate vor der nächsten Abgeordnetenhauswahl ist die Hauptstadt-SPD bescheiden geworden. Schließlich steht die CDU mit 19 % noch schlechter da und müsste sich gar mit dem dritten Platz begnügen. Mit 25 % liefern sich die Grünen ein Kopf-an-Kopf-rennen mit der SPD. Dabei hatten sie seit Monaten die Nase vorn. Schließlich wurden die Grünen schon bei 30 % gelistet und schon gab es Diskussionen, ob sie sich dann die Union oder die SPD als Juniorpartner aussuchen.

Künast zu grün?

Wenige Wochen vor der Entscheidung der Politikerin Renate Künast für das Amt des Regierenden Bürgermeisters zu kandieren, waren die Erwartungen besonders hoch geschraubt worden. Doch kaum hatte sie ihre Bereitschaft bekundet, begann die Enttäuschung. Bei der grünennahen Taz konnte man den Auf- und Abschwung der Renate K. gut nachverfolgen. Schon Ende Oktober hieß es in einem Kommentar zu ihrer Kandidatur: „Es war der Hype aus Umfragen und Heilserwartungen, der ihr letztlich keine Wahl mehr ließ.“ Wenige Wochen später trat die „Ernüchterung nach dem Künast-Hype“ ein.

Die taz brachte auf den Punkt, dass mache an der grünen Basis Künast einfach zu grün ist. „Künast war kaum zur Kandidatin gewählt, da propagierte sie berlinweit Tempo 30 und legte zudem nahe, dass die Grünen langfristig das Gymnasium abschaffen könnten – wogegen es selbst parteiintern bei den Bildungsbürgerlichen einen Aufstand geben würde. Und erst jüngst stellte sie den Berliner Großflughafen, der 2012 eröffnen soll, in seiner Funktion als internationales Drehkreuz in Frage. Das überraschte umso mehr, als sich die Fraktionsspitze der Landes-Grünen in den vergangenen Monaten intensiv und durchaus erfolgreich um Anerkennung bei Unternehmen und Wirtschaftsverbänden mühte.“

Die bekannte Realopolitikerin avancierte gar zur Populistin, weil sie sich den geplante Flughafen Berlin-Brandenburg auch eine Nummer kleiner vorstellen konnte.

Sollten die Grünen also tatsächlich gemessen an den Umfragewerten vom Spätsommer 2010 bei den Wahlen einbrechen, ist die Schuldige schnell gefunden. Die lange umworbene Kandidatin war noch zu grün. Warum noch eine Abschaffung des Gymnasiums fordern, wenn ein Teil des gutverdienenden grünen Klientels dann wie bei der Volksabstimmung in Hamburg dagegen stimmt? Auch Öko-Ladenhüter wie Tempo 30 oder ein kleinerer Flughafen kommen bei vielen konsumbewussten und grün wählenden Lohas nicht mehr gut an. Die zahlen lieber schon mal einen ökologischen Ausgleich, als auf den Flug zu verzichten.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/148967

Peter Nowak

Geht der Protest gegen Stuttgart 21 weiter?

Protestaktionen am Samstag werden unterschiedlich bewertet; Wahlkampf in Baden-Württemberg dominiert das Thema

Die erste zentrale Protestaktion gegen Stuttgart 21 nach Ende der Schlichtung weckte ein großes Medieninteresse. Würde die Bewegung wieder an Fahrt aufnehmen oder hat sie ihren Zenit überschritten? Diese Fragen konnten am Samstag nicht endgültig beantwortet waren. Denn schon die Angaben über die Teilnehmerzahlen waren denkbar unterschiedlich.

Während die Polizei von lediglich 16.000 Demonstranten sprach, was eine Niederlage wäre, sprechen die Protestorganisatoren von ungefähr 50.000 Demonstranten, was angesichts der winterlichen Verhältnisse ein Erfolg wäre. Zu der Demonstration wurde bundesweit aufgerufen; Busse kamen sogar aus Berlin und dem Ruhrgebiet.

Zu den Rednern gehörte die verkehrspolitische Sprecherin der Linken Sabine Leidig, der grüne Oberbürgermeister von Tübingen Boris Palmer und der langjährige SPD-Politiker Peter Conradi, der allerdings im Gegensatz zu seiner Partei langjähriger Gegner des Projekts S21 ist. Wie er haben zahlreiche Sozialdemokraten aus Südwestdeutschland ihren Unmut über die Parteilinie ausgedrückt und wenige Monate vor der Wahl die Krise in der SPD noch verschärft.

Während die SPD mit einer Volksbefragung in Baden-Württemberg S21 durchsetzen will, fordern nun Sozialdemokraten eine Mitgliederbefragung über das Bahnhofsprojekt. Die Union sieht denn auch vor der Landtagswahl die Grünen als wichtigsten Konkurrenten. Schließlich gab es vor einigen Wochen noch Umfragen, die sie als stärkste Partei sah. Doch nach der Schlichtung, die im Ergebnis die Landesregierung stärkte, will die CDU vor allem ihre eigene Basis wieder einfangen. Während die Grünen offen lassen, ob sie bei einer Regierungsbeteiligung Stuttgart 21 stoppen können, versucht sich die Linke als konsequentere Gegnerin des Projekts zu profilieren. Die Landesregierung versucht die neuen Proteste als Wahlkampfshow von Grünen und Linken abzuqualifizieren.

Wie mit dem Schlichterspruch umgehen?

Der Umgang mit dem Schlichterspruch von Heiner Geißler, der eigentlich ein „S21 plus“ bedeutet, spielte natürlich auch auf der Demonstration eine große Rolle. Die Reaktionen schwankten zwischen zähneknirschender Akzeptanz und Ablehnung.

Viele S21-Gegner lobten die Schlichtung als Lehrstück der Demokratie, der Spruch aber habe dann doch gezeigt, dass alles beim Alten bleibe. Palmer gibt nun eine neue Linie vor. Das Projekt würde sich von selber erledigen, denn die von Geißler vorgeschlagenen Nachbesserungen seien nicht durchzuführen, machte der Grüne den Demonstranten Mut.

In diese Richtung gehen zahlreiche Initiativen. So fordert das „Netzwerk Privatbahnen“ einen Stop von S21. Andere Projektkritiker halten den im Schlichterspruch vorgesehenen zusätzlichen Gleise bei einem nicht bestandenen Stresstest für unmöglich, andere halten zusätzliche Schienen nur nach einem neuen Planfeststellungsverfahren möglich.

Jenseits dieser strittigen Details haben die erneuten Proteste auch gezeigt, dass der Wahlkampf in Baden-Württemberg eine wichtige Rolle spielt. Wer dabei der Gewinner sein wird, ist noch völlig unklar. Sicher ist nur, ein Triumpf der Union würde als Bestätigung von S21 interpretiert und Geißler wäre der Retter des Projekts.
 
http://www.heise.de/tp/blogs/8/148924

Peter Nowak

Wie weiter nach dem Schlichterspruch zu Stuttgart 21?

Aus „Stuttgart 21″soll ein „Stuttgart 21 Plus“ werden. Das hat Heiner Geißler in seinem Schlichtungsspruch zum Projekt Stuttgart 21 erklärt
Der ehemalige CDU-Generalsekretär will das Projekt baulich attraktiver, umweltfreundlicher, behindertenfreundlicher und sicherer machen. So sollen für seltene Tiere in dem neuen, ökologisch vorbildlichen Stadtviertel „große Schotterflächen“ angelegt werden. Außerdem darf für den Tiefbahnhof kein gesunder Baum im Schlossgarten mehr gefällt werden. Freiwerdende Grundstücke sollen in eine Stiftung eingebracht werden, um eine Spekulation zu verhindern. Zudem hat Geißler der Bahn die Hausaufgabe aufgegeben, einen „Stresstest“ in Auftrag zu geben, mit dem nachgewiesen werden sol, dass der neue Tiefbahnhof mit dem dazugehörigen neuen Gleisnetz um 30 Prozent leistungsfähiger ist, als der bestehende Bahnhof. Dass wird die Bahn sicher bewerkstelligen, fragt sich nur, wie lange es dauert. 
   Eine Überraschung war der Schlichterspruch nicht. Hatte er doch schon vor einigen Tagen deutlich gemacht, dass sein Vorschlag das Projekt nicht stoppen werde. Ein offener Brief bekannter S21-Gegner konnte daran selbstverständlich nichts mehr ändern.

Einen Volksentscheid hatte er mit der Begründung abgelehnt, dass sich der Landtag von Baden-Württemberg dagegen ausgesprochen hatte. Damit hat sich Geißler allerdings selber politisch verortet. Denn nicht der Landtag, sondern die Mehrheit aus Union und FDP hatte sich dagegen ausgesprochen. Es ist genau die Mehrheit, die auch das Projekt Stuttgart 21 verteidigt.

 CDU und FDP sind mit dem Schlichter zufrieden

Die Befürworter einer Volksbefragung finden sich allerdings nicht nur bei den Grünen, die als einzige Parlamentsfraktion gegen das Projekt ist, sondern auch bei der SPD. Sie hofft, dass die Befürworter des Projekts bei einer Befragung gewinnen könnten. Die SPD will mit ihrer Position pro Volksbegehren natürlich auch aus ihrer unkomfortablen Lage herauskommen, in die sie sich manövriert hat. Schließlich gehörte die SPD zu den stärksten Befürwortern des Bahnprojekts, will aber die Landesregierung mit den Grünen bei den nächsten Wahlen ablösen. Deren Spitzenpolitiker haben schon erklärt, dass sie einen Stopp des Projekts nach dem Wahlen nicht versprechen können. Allerdings dürfte die Bahnhofsfrage bei möglichen Koalitionsgesprächen ein großer Stolperstein sein.

Eine Volksbefragung käme dann beiden Parteien gelegen Spricht sich eine Mehrheit für Stuttgart 21 aus, was bei einer landesweiten Befragung durchaus denkbar ist, können die Grünen ihrer Basis vermitteln, warum sie das Projekt bei einer Regierungsbeteiligung akzeptieren. Siegen die Gegner, kann die SPD ohne Gesichtsverslust von ihrer langjährigen Pro-S21-Position abrücken.

Tatsächlich hätte in dieser Frage eine Volksbefragung die beruhigende Wirkung, die manche der unverbindlichen Schlichtung gerne zuzuschreiben wollen, die sie aber nicht hat. Allerdings gibt es bei der Frage des Volksbegehrens natürlich noch viele offene Fragen zum Prozedere. Soll nur in Stuttgart und Umgebung oder im ganzen Land abgestimmt werden? Dass sich Geißler um solche Fragen gar nicht gekümmert hat, sondern eine Volksbefragung gleich ganz ausschloss, machte ihn zum Joker der Stuttgart21-Befürworter. Die standen nach den Massenprotesten des Frühherbstes und vor allem nach dem bundesweit vielkritisierten Polizeieinsatz gegen die Demonstranten mit dem Rücken zur Wand. Deshalb ist es für sie ein Erfolg, dass das Projekt nun sogar noch erweitert werden soll. Daher gehört die die FDP im Landtag von Baden-Württemberg jetzt zu den großen Verteidigern von Geißler und auch die CDU ist mit ihren Parteifreund wieder einmal sehr zufrieden.

Deswegen erklärte der Baden-Württembergische Ministerpräsident Mappus sofort, den Schlichterspruch zu akzeptieren, die von Geißler vorgeschlagenen Modifikationen vornehmen zu wollen und dann gleich die Grünen mit in die Verantwortung zu nehmen, indem er sie aufforderte, die dadurch nötig werdenden Mehrausgaben mit zu unterstützen.

Da Mappus klar ist, dass die Grünen vor den Wahlen politischen Selbstmörder wären, wenn sie darauf eingingen, hat er damit schon deutlich gemacht, wie die Landesregierung künftig argumentieren wird. Sie hat das Ergebnis der Schlichtung akzeptiert und damit zur Befriedung eines schwelenden Konflikts beigetragen. Die Gegner aber haben sich nicht nur mit dem parlamentarischen Prozedere nicht abgefunden, sondern protestieren auch nach der Schlichtung weiter. Nun können sie noch mehr als „Dagegen-Partei“ hingestellt werden.

Auf diese Lesart haben sich die führenden Koalitionspolitiker nicht nur in der Landesregierung von Baden-Württemberg, sondern auch der Bundesregierung schon länger verständigt. Schließlich hat die Bundeskanzlerin im Bundestag das Projekt Stuttgart 21 schon vor Wochen auch zur Sache der Bundesregierung erklärt. Das haben ihr viele als großen politischen Fehler angekreidet. Doch ob sie damit richtig liegen, dürfte sich erst am Wahlabend von Baden-Württemberg zeigen. Tatsächlich dürften vor allem bürgerliche Stuttgart-21-Gegner, und die sind zahlreich, nach dem Schlichterspruch eher wieder bereit zur Stimmabgabe für Union und FDP bereit zu sein. Schließlich bekamen selbst am Höhepunkt der bundesdeutschen Anti-Pershing-Bewegung 1982 Union und FDP eine Mehrheit, obwohl in Umfragen die Gegner des Raketenprojekts die Mehrheit hatte.

Die Grünen eröffnen mit der Parole Jetzt müssen die Bürger entscheiden den Landtagswahlkampf in Baden Württemberg. Während sich die Grünen mit direkter Kritik an Geißler zurückhalten, hat er in den Augen der Landes-SPD eine Chance versäumt, eine Brücke für beide Seiten zu bauen, will aber die vorgeschlagenen Veränderungen mittragen.

Neue Proteste angekündigt

Die S21-Gegner, die das Projekt begraben wollten, sind nun mit einem S21-Plus a la Geißler bestimmt nicht zufrieden. Allerdings scheint man sich noch nicht auf eine einheitliche Linie geeinigt zu haben.

So veröffentlichte das Aktionsbündnis gegen S21 eine konfuse Erklärung, in der die Schlichtung als Fortschritt bezeichnet und Geißler für seine Bemühungen gedankt wird. Dort klopfen sich die Aktivisten selber auf die Schultern dafür, der Bahn Zugeständnisse abgetrotzt zu haben. Daraus könnte man schließen, die S21-Gegner hätten sich mit dem Schlichterspruch abgefunden. Doch der Eindruck täuscht.

Vor allem die Parkschützer, die sich nicht an der Schlichtung beteiligten, haben schon lange angekündigt, dass die Proteste fortgesetzt werden sollen. Für den 11. Dezember wird zu einer erneuten Demonstration gegen das Projekt aufgerufen. Dann wird sich auch zeigen, ob das Thema noch so stark mobilisiert, wie im September 2010.

Der nächste Knackpunkt dürfte die Wiederaufnahme der Baumaßnahmen sein, den die Deutsche Bahn schon angekündigt hat. Die könnte sich allerdings witterungsbedingt noch bis nach den Wahlen verschoben werden. Damit wäre auch der Forderung der Grünen stattgegeben, vor dem Stresstest solle nicht weitergebaut werden. So würde der Konflikt bis zur Wahl eingefroren. Dann könnte man diese „neue Form des bürgerrechtlichen Engagements“, wie die Schlichtung häufig genannt wurde, Schule bei anderen Großprojekten machen. Dann hätte die Schlichtung vor allem den Konflikt entschärft, ohne den Bau eines umstrittenen Projekts in Frage zustellen. Schon beim Bau der zweiten Phase der Startbahn-West in Hessen war diese als Mediation bezeichnete Art der Bürgerbeteiligung, die wenig entscheidet, in die Kritik der dortigen Bürgerinitiativen geraten.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33761/1.html

Peter Nowak

Grüne Angst vor dem Höhenflug

Die Umfrageergebnisse bereiten den Grünen nicht nur Freude, wie sich auf ihrem Parteitag in Freiburg am Wochenende zeigte
„Oben bleiben“, das Motto der Stuttgarter S-21-Gegner hätten viele Delegierte des Grünen Parteitags am Wochenende in Freiburg gerne übernommen. Doch die Parteitagsregie hat erkannt, dass soviel Populismus und das Schielen auf die Wahlumfragen medial nicht gut angekommen wären. Auf die Idee, das Motto des Castorwiderstands von Gorleben „Wir stellen uns quer“ zu übernehmen, ist selbst der linke Flügel nicht gekommen. Die Zeiten, in denen solche Parolen auf grünen Parteitagen Mehrheiten bekommen haben, sind lange vorbei.
   

Die Grünen bereiteten sich darauf vor, in künftigen Landesregierungen und vielleicht auch im Bund (Und am Ende ein Kanzler Trittin?) die Rolle des Juniorpartners zu verlassen und selber zur stärksten Partei zu werden. Ganz Optimistische träumen schon davon, in Baden-Württemberg das Ministerpräsidentenamt und in Berlin den Posten des Regierenden Bürgermeisteramts für die Partei zu reklamieren. Schon machen sich die Parteistrategen Gedanken, wie man der Parteibasis schonend beibringt, dass auch bei einer solchen Konstellation keineswegs die ökologische Republik ausgerufen wird und die grünen Parteitagsbeschlüsse nicht im Gesetzblatt stehen werden.

Eigentlich hatte man gemeint, dass die Grünen diese Phase längst hinter sich haben. Schließlich waren sie in unterschiedlichsten Konstellationen an Landesregierungen und sieben Jahre an der Bundesregierung beteiligt. Aber in allen Fällen befanden sie sich in der Rolle des Juniorpartners und mancher sah die Ursache von ungeliebten Beschlüssen darin, nun mal der kleinere Partner in der Koalition zu sein.

 Wenn dieses Argument wegfallen sollte und die Grünen auch unter einer Regierenden Bürgermeisterin Künast oder einem Ministerpräsidenten Kretschmann merken, dass sie nur an der Regierung, aber nicht an der Macht sind, dann sind sie endlich die ganz normale Partei, die viele ihrer Mitglieder schon lange sein wollen und einige wenige fürchten. So stellen sich schon manche die Frage, ob Stuttgart 21 nicht eher mit einer starken außerparlamentarischen Opposition verhindert werden kann, in der die Grünen ein Teil sind, als von einen grünen Ministerpräsidenten, der gar nicht so viele Möglichkeiten hat, das Projekt zu stoppen, aber den außerparlamentarischen Protest eher schwächt.

Schmerzhafte Entscheidungen

Um solche für die Wahlchancen nicht sonderlich geeignete Fragen erst gar nicht aufkommen zu lassen, haben führende grüne Politiker ihren Diskurs verändert. Seit die Grünen von der Unionschefin zum Hauptgegner erklärt wurden, ist die Diktion führenden Politiker staatstragender geworden. So redet Jürgen Trittin von einer Politik „Jenseits der Illusionen“ und wie alle Parteipolitiker von den künftigen schmerzhaften Entscheidungen und vom Haushaltsvorbehalt, der auch bei den Grünen künftig das Wünschbare vom Möglichen scheidet. Trittin hat auch schon erkannt, dass einer gestärkten grünen Partei auch der konservative Gegenwind heftiger entgegenwehen wird.

Kaum hat Künast in Berlin für mehr Tempo 30-Zonen geworben, machen die Autolobby und konservative Boulevardmedien mobil. In Berlin-Kreuzberg muss sich der grüne Bezirksbürgermeister mit Mietern auseinandersetzen, die nicht einsehen wollen, dass sie nach einer ökologischen Sanierung ihrer Wohnungen viel mehr zahlen sollen.

Wie sich die kräftigen Strompreiserhöhungen, die führende Stromkonzerne mit Verweis auf die gestiegenen Kosten für die Erneuerbaren Energien angekündigt haben, auf die Wahlpräferenzen auswirken, ist noch völlig offen. Doch gerade Menschen mit geringen Einkommen dürften damit kaum für Alternativenergie und die für sie werbenden Politiker zu gewinnen sein.

Gegen den Standort Gorleben und die Olympiade in München

Auf dem Parteitag in Freiburg war der der Widerspruch zwischen einer Realpolitik, die sich schon der Logik des Machbaren verschrieben hat, und einer Position, die sich auf gewisse grüne Grundsätze stützt, an mehreren Stellen zu beobachten. Am grünen Vorzeigethema Gorleben konnte ein Streit erst kurz vor Beginn des Parteitags beigelegt werden. Während im Leitantrag zur Energiepolitik der Standort Gorleben für ein Endlager nicht vollkommen ausgeschlossen werden sollte, konnte sich die kritische Basis durchsetzen. Nun soll ein Endlager nur noch außerhalb von Gorleben gefunden werden. Die Grünen wissen aber auch, dass, wo immer neue Projekte ins Auge gefasst werden, sich Initiativen unter Einschluss der lokalen Grünen dagegen wenden werden.

In der Frage der Münchner Olympiabewerbung 2018 konnte der Streit nicht mehr vor dem Parteitag geschlichtet werden. Eine knappe Mehrheit der Delegierten lehnte die Olympiabewerbung ab und Claudia Roth, die bisher für ihre Partei im Kuratorium der Bewerbergesellschaft gesessen hat, zieht sich zurück. Die übrigen Parteien hatten einmal mehr Gelegenheit, auf die „Dagegen-Partei“ zu schimpfen. Allerdings wurden sowohl die Olympiabefürworterin Roth als auch der Co-Vorsitzende Cem Özdemir mit guten Ergebnissen in ihren Ämtern bestätigt.

Von der Wohlfühl- zur Enteignungspartei?

Auch bei der Bürgerversicherung als Alternative zur Kopfpauschale im Gesundheitswesen folgten die Delegierten den zahmen Vorgaben der Parteigremien nicht. Sie beschlossen mehrheitlich, bei der Einführung einer Bürgerversicherung im Gesundheitssystem die Beitragsbemessungsgrenze auf 5.500 Euro zu erhöhen. Dieser Beschluss dürfte noch inner- und außerparteiliche Nachwirkungen haben.

Ein Kommentator der konservativen „Welt“ sieht die Grünen auf dem Weg zu einer Enteignungspartei und spricht von einem „Anschlag auf die Mitte der Gesellschaft“. Seit die CDU die Grünen zum Hauptgegner erklärt und schwarz-grüne Allianzen als nicht sinnvoll bezeichnet hat, kehren im rechten Blätterwald die alten Beißreflexe zurück. Selbst von Konservativen wurde gegenüber den Grünen solch schweres ideologisches Geschütz in letzter Zeit kaum noch aufgefahren. Es erinnert eher an die medialen Reaktionen aus einer Zeit, als Ökolinke wie Thomas Ebermann und Jutta Ditfurth wesentlich die Politik der Grünen bestimmten. Diese Zeiten sind aber endgültig vorbei.

Parteimitbegründerin Ditfurth erklärte im Interview mit dem Deutschlandfunk, dass die Grünen der 80er Jahre und die heutige Partei zwei völlig verschiedene Projekte sind. Über die aktuelle Zusammensetzung der Mitgliedschaft sagt Ditfurth:
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 Das eine ist, es gibt – und das ist eher das, was mich verwundert hat – ja immer noch einen Teil grüner Wählerschaft, die immer sagen, wir wollen es gar nicht so genau wissen, wir möchten aber gerne glauben dürfen, dass die Grünen immer auch noch ein ganz klein bisschen links sind, und diese Menschen werden demnächst aufwachen, weil sie mitkriegen, dass das, was den Grünen an neuen Mitgliedern und an neuen Wählern zufließt, dermaßen erzkonservativ ist, aber gerne mit gutem Gewissen, das sein möchte.
Jutta Dittfurth

Diese neue Mitglieder- und Wählerschicht könnte aber zu dem Klientel gehören, die bei dem beschlossenen Modell der Bürgerversicherung selber zur Kasse gebeten wird, wie die taz anmerkt. Parteiinterne Kritiker des Beschlusses wie Theresa Schopper erklärten nachher: „Wir müssen auch nach dem Parteitag erhobenen Hauptes über den Dorfplatz gehen können – ohne von wütenden Beamtinnen und Architektinnen beschimpft zu werden.“

Der weitere parteiinterne Umgang mit dem Beschluss könnte zum Lackmustext für die Grünen werden. Sie sind längst eine linksliberale Partei mit einer bürgerlichen Klientel und wenig Interesse an sozialen Themen. Ein linksliberaler Vordenker war in den frühen 70er Jahren Karl-Hermann Flach, der bei der FDP Liberalismus und soziale Demokratie versöhnen wollte. Die damals verabschiedeten Freiburger Thesen könnten für die Grünen als Erbin der Linksliberalen von Interesse sein. Doch wie viel soziale Gerechtigkeit ist das grüne Klientel bereit mitzutragen, wenn sie selber dafür zahlen soll? Sollte dieser Konflikt offen ausbrechen, könnte es mit den grünen Höhenflügen schnell vorbei sein. Parteipolitische Konkurrenz scheint aber für die Grünen zurzeit die geringste Sorge. Die Piratenpartei beispielsweise, die vor einem Jahr durchaus als Konkurrent für die Grünen wahrgenommen wurde, fand auf ihrem Parteitag in Chemnitz nur eine begrenzte öffentliche Resonanz.

Peter Nowak

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33705/1.html

Ethecon-Preise für eine bessere Welt

Stiftung ehrt das Engagement von Flüchtlingsaktivist Elias Bierdel und übt scharfe Kritik an BP

Am Wochenende wurden in Berlin die diesjährigen Preise der Stiftung Ethik & Ökonomie (Ethecon) verliehen.
Als Stiftung, deren Leitmotiv eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung ist, bezeichnet Axel Köhler-Schnura Ethecon. Er ist Mitbegründer und Vorstandsmitglied der Stiftung für Ethik & Ökonomie, die seit 2006 jährlich je einen Positiv- und einen Negativpreis verleiht. Am Wochenende lud Ethecon in den Berliner Pfefferberg zur diesjährigen Auslobung. Zur Eröffnung hielt Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, eine mit viel Applaus bedachte Rede zum Anti-Atom-Widerstand.

Der Positivpreis »Blue Planet Award«, der für herausragende Leistungen zu Schutz und Rettung des »Blauen Planeten« verliehen wird und in diesem Jahr von der Düsseldorfer Fotokünstlerin Katharina Mayer gestaltet wurde, ging an Elias Bierdel. Der Flüchtlingsaktivist war 2004 wegen der Rettung von Flüchtlingen auf dem Schiff »Cap Anamur« kurzzeitig in Italien inhaftiert worden. Bierdel geißelte in seiner Dankesrede das Zusammenwirken deutscher und italienischer Politiker, das zur Diffamierung und jahrelangen juristischen Verfolgung der Flüchtlingsretter führte. Erst 2009 wurden er und der ebenfalls angeklagte »Cap-Anamur«-Kapitän Stephan Schmidt endgültig freigesprochen.

Bierdel wies darauf hin, dass mehrere Fischer, die Flüchtlinge aus Seenot gerettet haben, nicht so viel Glück hatten und verurteilt wurden. Der Begründer der Organisation »Borderline Europe« erinnerte in seiner sehr emotionalen Rede daran, dass auf der einen Seite alle Welt jubelte, als die Mauer in Berlin fiel. Auf der anderen Seite wird ignoriert, dass in der EU ein Grenzregime errichtet worden sei, das viel perfider und mörderischer ist, als es die innerdeutsche Grenze je war. Auch Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass stellte in seiner Solidaritätsadresse die »Festung Europa« an den Pranger: »Wo Menschen zu Tausenden einfach verschwinden können, ohne dass darüber gesprochen wird, wo im Namen der Sicherheit Kanonenboote auf Flüchtlinge losfahren, da sehen wir, wie das demokratische Europa sein letztes moralisches und politisches Kapital verspielt.«

Der Negativpreis von Ethecon geht an den britischen Ölkonzern BP, der nicht erst seit der Katastrophe im Golf von Mexiko jegliche Glaubwürdigkeit verloren hat. Der ehemalige Geschäftsführer Tony Hayward, sein Nachfolger Bob Dudley und der Vorstandsvorsitzende Carl-Henric Svanberg haben sich den »Black Planet Award 2010«, einen von einem Jugendlichen mit schwarzer Farbe bemalten Billigglobus, nach Ansicht von Winfried Wolf redlich verdient. In seiner Schmährede erinnerte der Chefredakteur der globalisierungskritischen Zeitschrift »Lunapark21« an eine ganze Reihe von Unfällen in der Verantwortung von BP, die auf Versäumnisse der Konzernführung zurückzuführen seien. Wolf betonte, dass der Schmähpreis zwar nur an die BP-Verantwortlichen geht, aber die gesamte Ölindustrie auf dem Pranger stehe. Im Zeitalter knapper werdender Reserven werde mit Tiefseebohrungen sowie Projekten in der Arktis immer rücksichtsloser nach Öl gesucht. Dass die Interessen der Bewohner dabei keine Rolle spielen, machte die US-Fischerin Diane Wilson in einem Grußwort deutlich. Sie wurde zu 800 Tage Haft auf Bewährung verurteilt und darf in dieser Zeit Washington nicht betreten. Grund: Während einer Senatsanhörung des damaligen BP-Geschäftsführers Tony Hayward protestierte sie lautstark und übergoss sich mit einer ölähnlichen Flüssigkeit. Im Gegensatz zu ihr wurde bisher gegen keinen einzigen BP-Verantwortlichen auch nur Anklage erhoben.

Aktivistin Wilson will den Negativpreis an BP aushändigen. Wie in den vergangenen Jahren soll auch in diesem Jahr die Übergabe des »Black Planet Award« mit politischen Aktionen verbunden werden. Dazu zählt auch die Veröffentlichung eines Dossiers in mehreren Sprachen, in dem dem Ethecon die Preisverleihung begründet.

Peter Nowak

http://www.neues-deutschland.de/artikel/184651.ethecon-preise-fuer-eine-bessere-welt.html

Demo gegen Wohnheime

FLÜCHTLINGE Initiative kritisiert Unterbringung in Heimen. Senat: Wohnungen schwer zu finden

„Wohnungen für alle“ lautet das Motto einer Demo am heutigen Dienstag, zu der das antirassistische „Bündnis gegen Lager Berlin/Brandenburg“ aufruft. Sie beginnt um 14 Uhr am Checkpoint Charlie und endet vor dem Amtssitz von Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) in der Oranienstraße.

Bluhm werfen die AntirassistInnen Versagen bei der Umsetzung ihrer Ziele vor. „Für EmpfängerInnen von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wird es immer schwieriger, privaten Wohnraum zu finden. Sie müssen oft weiter in Sammellagern leben“, moniert Thorsten Schmidt.

Die Sprecherin der Senatsverwaltung für Integration, Anja Wollny, sagte, ihre Behörde verfolge weiterhin das Ziel, viele Flüchtlinge in Wohnungen unterzubringen. Allerdings sei dieses Vorhaben wegen steigender Flüchtlingszahlen und einem enger werdenden Wohnungsmarkt schwer umsetzen.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2010%2F11%2F16%2Fa0126&cHash=7e01660db6

 PETER NOWAK