Solidaritätshacker oder Provokateure?

 

Die Gruppe Schwarzer Phönix hat zahlreiche linke Webseiten gehackt
„Wir haben die Accounts von 100 linken Gruppen und Einzelpersonen einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen“, heißt in einer mit „Bewegung Schwarzer Phönix“ unterzeichneten Erklärung. Darin betont sie, in Solidarität mit den gehackten Initiativen aus dem antifaschistischen und sozialpolitischen Spektrum gehandelt zu haben. Man habe auf die gravierenden Sicherheitslücken im linken Mailverkehr hinweisen wollen, beteuern die Schwarzen Phönixe und verschweigen auch nicht, dass sie eine erzieherische Aufgabe verfolgen.
   

„Wir haben vor Sicherheitslücken gewarnt, doch wir wurden in den meisten Fällen ignoriert oder beschimpft. Eine Überprüfung der Sicherheitslücken fand in den meisten Fällen nicht statt.“ Ihre öffentliche Aktion wollen sie als Schuss vor den Bug der linken Internetgemeinde verstanden wissen. Sie erinnert daran, dass es schließlich nicht nur linken Inhalten wohlgesonnene Hacker gibt. Die könnten mit den gesammelten Daten viel Schaden anrichten. Schließlich seien den Solidaritätshackern laut eigenen Angaben auch „Protokolle von regionalen und überregionalen klandestinen Treffen“ und „Informationen über die Planung von politischen Aktionen“ in die Hände gefallen. Um an solche sensiblen Daten zu kommen, hätten sie nur die Passwort erraten müssen, dass oft identisch mit in linken Kreisen häufig verwendete Begriffen war und den Phönixen keine große Mühe kostete.

In ihrem Schreiben weisen die Hacker darauf hin, dass ausgerechnet der in linken Kreisen beliebte Email-Anbieter riseup.net im Stresstest in Sachen Internetsicherheit besonders schlecht abgeschnitten hat, und geben Tipps für mehr Sicherheit im Emailverkehr. Außerdem versichern sie allen vom Hacking betroffenen Gruppen, dass sie ihren Account zurück bekommen.

 

Account unverschlüsselt verschickt

Das müsste viele der Gruppen eigentlich freuen, denn durch den Hack sind die Passwörter blockiert und die betroffenen Initiativen können deshalb in letzter Zeit keine Mails versenden. Weil in großen Teilen der linken Szene die gesamte Aktion auf Unverständnis stößt, wird auch auf das Angebot der Accountübergabe mit Skepsis reagiert. Schließlich wisse niemand, wer hinter den Phönixen stecke, weshalb sich die meisten Gruppen um neue Zugangsdaten bemühen.

Das Misstrauen hat sich verstärkt, als bekannt geworden ist, dass auch die Phönixe nicht alle Sicherheitskriterien einzuhalten scheinen. So wurden dem Berliner Ermittlungsausschuss, der juristische und politische Unterstützung bei Festnahmen organisiert, von den vermeintlichen Solidaritätshackern drei gekaperte Emailaccounts per Mail zugeschickt. Sie sollten sie an die betroffenen Gruppen weiterleiten. Obwohl eine Verschlüsselung problemlos möglich gewesen wäre, hätten die Phönixe keinen Gebrauch davon gemacht, moniert der EA. Er wirft den Hackern vor, in populistischer Art und Weise auf die Sicherheitslücken und Schwachstellen in der digitalen Kommunikation hingewiesen zu haben, konzediert ihnen aber, auf ein reales Problem aufmerksam gemacht zu haben.

Damit hebt sich der EA von den im Internet kursierenden Mutmaßungen ab, den Phönixen sei es weniger um Solidarität mit der linken Szene, als um das Verbreiten von Verunsicherung gegangen. Einzelne Gruppen, wie das von Räumung bedrohte Berliner Hausprojekt Liebigstraße 14 sind in der Erklärung als besonders relevant bezeichnet worden. Deshalb habe man ihren Account nicht gekapert und wisse daher auch nicht, wie sicher ihre Daten seien.

Allerdings könnte man die Kaperaktion auch in die Tradition des Chaos-Computer-Club stellen. Hat er doch seit Jahren immer wieder durch das medienwirksame Hacken von Internetseiten auf Sicherheitslücken bei der digitalen Kommunikation aufmerksam gemacht. Allerdings gehörten zur Zielgruppen des CCC eher große Wirtschaftsunternehmen, staatliche Stellen und Behörden als die linke Szene.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/34/34083/1.html

Peter Nowak

Accounts linker Gruppen gehackt Lieblingspasswort: „anarchy“

Die Hackergruppe „Schwarzer Phönix“ legt offen, wie lax linke Aktivisten mit Daten umgehen. Die Aktivisten wiederum trauen den „Phönixen“ nicht über den Weg

BERLIN taz | Zahlreiche linke Gruppen hatten in der letzten Zeit Probleme mit dem Mailversand. Betroffen sind antifaschistische Gruppen und sozialpolitische Initiativen. Während anfangs in der linken Szene gerätselt wurde, ob rechte Hacker oder der Staatsschutz dafür verantwortlich sind, tauchte ein Bekennerschreiben aus den vermeintlich eigenen Reihen auf.

„Wir haben die Accounts von 100 linken Gruppen und Einzelpersonen einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen“, hieß in der Erklärung einer „Bewegung Schwarzer Phönix“. Es habe sich um eine Solidaritätsaktion gehandelt. Man wolle die betroffenen Gruppen und die linke Öffentlichkeit auf den leichtsinnigen Umgang mit sensiblen Daten aufmerksam machen, schreiben die unbekannten Hacker.

So seien die Passwörter einfach zu erraten gewesen, weil häufig schnell zu erratende Begriffe wie „anarchy“ verwendet worden seien. Den Solidaritätshackern sind nach eigenen Angaben neben „Protokollen von regionalen und überregionalen klandestinen Treffen“ auch „komplexe Recherchen über faschistische Gruppierungen mit Hinweisen auf die recherchierenden Menschen und deren Vorgehensweise“ sowie „Informationen über die Planung von politischen Aktionen“ in die Hände gefallen.

Obwohl die Hacker versicherten, diese Daten nicht öffentlich zu machen und allen gehackten Initiativen und Einzelpersonen ihren Account zurückzugeben, reagieren linke Kreise überwiegend mit Unverständnis auf die Aktion. „Die populistische Art und Weise mit welcher auf Sicherheitslücken und Schwachstellen in der digitalen Kommunikation hingewiesen wurde, lehnen wir entschieden ab, da dies schlussendlich nur den Repressionsbehörden in die Hände spielt“, heißt es in einer Erklärung des Berliner Ermittlungsausschusses.

Daten des Berliner Ermittlungsausschusses wurden nicht gehackt, die Organisation bekam von den Schwarzen Phönixen allerdings per E-Mail Accountdaten von drei gehackten Gruppen mit der Bitte übermittelt, die Daten an diese zurückzugeben. Dabei hätten die Phönixe kein Verschlüsselungsprogramm benutzt, moniert der EA.

Viele betroffene Gruppen reagieren ablehnend auf das Angebot der Datenrückgabe, da nicht klar sei, wer die angeblichen Solidaritätshacker seien. Im Netz warnen andere Linke vor Verschwörungstheorien und sehen in dem Hack eine gute Gelegenheit, sich mehr Gedanken um die Sicherheit im Netz zu machen.

http://www.taz.de/1/netz/netzpolitik/artikel/1/lieblingspasswort-anarchy/

Peter Nowak