Arbeit und Krise

Der Ums-Ganze-Kongress warf interessante Fragen auf

„So wie es ist, bleibt es nicht“ lautete der Titel eines Kongresses, der am ersten Dezemberwochenende in der Bochumer Universität stattfand. Organisiert wurde er vom Ums-Ganze-Bündnis, das seine Wurzeln in der Antifabewegung der 1990er Jahre hat. Mittlerweile versteht es sich als kommunistisches Bündnis und hat unter den Titel „Staat, Weltmarkt und die Herrschaft der falschen Freiheit“ den Versuch einer marxistischen Kritik an der gegenwärtigen Verfasstheit von Staat und Kapital entwickelt.

In großen Teilen der Linken wurde noch vor einigen Monaten davon ausgegangen, dass der Krisenprozess erst am Anfang steht. Wenn dann ein neuer Wirtschaftsboom die Zahl der Erwerbslosen und der Kurzarbeitenden verringert, erweist sich diese Prognose offensichtlich als falsch.

Ist die Krise damit vorbei? Oder treiben nicht eher der kapitalistische Normalzustand und nicht sinkende Börsenkurse viele Menschen mit Arbeitszeitverdichtung und Prekarisierung in die Krise? Wie werden solche Fragen an der Peripherie der EU diskutiert? Dass waren einige der Themen, die auch Gegenstand des Bochumer Kongresses waren.

Auf der Auftaktveranstaltung erinnerte der Politologe Michael Heinrich daran, dass MarxistInnen seit mehr als einem Jahrhundert auf die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus hingewiesen haben. „Ob die Krise auch eine Chance auf radikale Veränderung bietet oder wie bisher nur zur Festigung kapitalistischer Herrschaft führt, ist abhängig von den sozialen Auseinandersetzungen und der Rolle des Staates in der Lösung der gegenwärtigen Krise“, so Heinrich. Deshalb müssten Krisenlösungsmodelle von sozialen Bewegungen auch darauf abgeklopft werden, ob sie beispielsweise mit der Forderung nach Reregulierung des Finanzsektors nicht zur Stabilisierung von Kapitalismus und Herrschaft beitragen.

Die Krise als Chance auf radikale Veränderung?

Was es heißt, radikale Kritik zu organisieren, war auch die Ausgangsfrage beim Abschlusspodium, wo Lars Röhm von der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) am Beispiel der Organisierung von Beschäftigten in einem Berliner Kino deutlich machte, dass der Kampf um unmittelbare Interessen Ansätze von Selbstorganisierung im Alltag vermitteln und gleichzeitig Räume für eine Kritik an der kapitalistischen Verfasstheit der Gesellschaft öffnen können. Ähnliches berichtete der Kölner Rechtsanwalt und Sozialaktivist Detlef Hartmann in einem Workshop über Erwerbslosenaktivitäten in Köln und Umgebung.

Einen zentralen Stellenwert nahm auf dem Kongress die Entwicklung von Schuldenkrise und Klassenkampf in Griechenland ein. GenossInnen des linkskommunistischen Zeitungsprojekts TPTG interpretieren die Schuldenkrise als Angriff auf die Arbeiterklasse. Die von der EU unterstützte Politik der Krisenlösung solle dazu beitragen, dass sich die griechischen ArbeiterInnen mit dem Staat identifizieren und bereitwillig für ihn Opfer bringen. Bisher habe in großen Teilen des griechischen Proletariats aber eher die Stimmung vorgeherrscht: Die Schulden sind nicht unsere Schulden, und deshalb zahlen wir auch nicht für sie.

Leider war eine gründliche Diskussion der griechischen Erfahrungen nicht möglich. Die Kongressorganisation hatte noch Referate des Soziologen Rudi Schmidt und des Politologen Werner Bonefeld in die Veranstaltung gepackt, die ebenfalls viel Diskussionsstoff geboten hätten. Die OrganisatorInnen sollten die Möglichkeit schaffen, die interessanten Fragen, die auf dem Kongress aufgeworfen wurden, auch im Internet weiterzudiskutieren.

Peter Nowak

http://kongress.umsganze.de

aus:  akzeitung für linke debatte und praxis / Nr. 556 / 17.12.2010