Mehr für den kleinen Geldbeutel

Ein Unternehmen wirbt mit regionaler Herstellung seiner Produkte und meint schlecht bezahlte Arbeit von Berliner GefängnisinsassInnen. Die Gefangenengewerkschaft fordert die Zahlung des Mindestlohns

Drucken, Falten, Nähen – das alles passiert in Berlin & Deutschland. Regionales Wirtschaften funktioniert einfach besser als miese Arbeitsbedingungen in Drittländern.“ So wirbt das Berliner Unternehmen Paprcuts für seine Produkte, etwa reißfeste Handyhüllen, Tabakbeutel und Portemonnaies. Hergestellt werden diese auch in Berliner Justizvollzuganstalten. Deshalb erhielt Paprcuts vergangene Woche Post von der Berliner Gruppe der Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO). Sie fordert den Mindestlohn für arbeitende Gefängnisinsassen und ihre Einbeziehung in die Rentenversicherung. „Wie euch durch eure Verträge mit der JVA Reinickendorf und Faktura bekannt ist, zahlt ihr den ArbeiterInnen aber nur 1–2 Euro die Stunde, also etwa 1/9 von dem, was arbeitende Menschen draußen er- halten“, heißt es in dem Schreiben. Zudem würden die Frauen in der JVA Reinickendorf über strenge Zeit- und Qualitätskontrollen bei der Arbeit klagen, berichtet Martina Franke von der Soligruppe der GG/BO der taz. Franke ärgert es besonders, dass Paprcuts die Arbeit in der JVA als soziales Projekt bewirbt. „Wir fordern das Unter- nehmen auf, zu erklären, warum es sich in der eigenen Werbung explizit gegen schlechte Arbeitsbedingungen in Drittländern wendet und dann einen Teil der Produkte in der JVA zu ebenso schlechten Bedingun- gen herstellen lässt.“ Schließlich seien Knäste ebenso wie Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, in denen ebenfalls Produkte von Paprcuts hergestellt werden, „Billiglohnin- sein, in welchen auf Kosten der Beschäftigte Profite gemacht werden“, moniert Franke. Als positives Signal sieht sie, dass Paprcut sich zu Gesprächen bereit erklärt hat. Geschäftsführer Oliver Wagner äußerte sich über deren Erfolgsaussichten allerdings skeptisch. „Wir empfinden das Schreiben der GG/ BO als überaus konfrontativ und zweifeln an, dass hier ein konstruktiver Dialog möglich sein wird. Daher möchten wir uns ungern in das Zentrum dieses Dialogs stellen lassen und uns für die Forderungen von der Gefangenengewerkschaft öffentlich instrumentalisieren lassen“, so Wagner. Die Vergabe der Aufträge an die JVA bezeichnet er weiterhin als soziales Projekt. Franke sieht es als positiv an, dass Wagner von der JVA weitere Informationen über die Arbeitsbedingungen angefordert hat. Auf die Frage, ob nicht eher die JVA als die Gefangenen von einer Lohnerhöhung profitieren würde, gibt sich Franke kämpferisch. „Falls sich ein Unternehmen bereit erklärt, den Mindestlohn zu zahlen, und die JVA den Gefangenen trotzdem nur 1 bis 2 Euro Stundenlohn auszahlt, gehen wir an die Öffentlichkeit.“

aus: taz
24. juli 2018

Von Peter Nowak

Whistleblower unter Druck

Warenschmuggel in der JVA Tegel: Disziplinarstrafen für Häftlinge, die Verfahren ins Rollen brachten

Im September 2016 berichtete das ZDF-Magazin „Frontal 21“, dass Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt Tegel im Knast produzierte Produkte über den anstaltseigenen Fahrdienst für den Eigenbedarf oder den Weiterverkauf ohne Lieferschein aus dem Gefängnis schmuggeln. Bereits im November 2017 wurden die Ermitt- lungen gegen sämtliche beschuldigte JVA-Mitarbeiter eingestellt, bestätigte der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft Martin Steltner kürzlich. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) zeigte sich zufrieden, dass der Verdacht gegen die MitarbeiterInnen ausgeräumt wurde.

Gefangene in die Rentenversicherung und Mindestlohn auch für Arbeit hinter Gittern

Als verheerendes Signal für die Whistleblower hinter Gittern bezeichnet hingegen die Berliner Soligruppe der Gefangenengewerkschaft/bundesweite Organisation (GG/BO) die Einstellung. Martina Franke äußerte gegenüber der taz Zweifel an der Gründlichkeit der Ermittlungen: „Unseren Angaben nach haben sich bei der Polizei, angeregt durch die damalige TV-Berichterstattung, mehrere Gefangene gemeldet, die eine Klau- und Schmuggelwirtschaft seitens der Bediensteten bestätigen hät- ten können, aber nicht vernommen worden.“ Die Whistleblower, die das Verfahren ins Rollen gebracht haben, befürchten nun wegen falscher Beschuldigungen belangt zu werden. Sie waren von Anfang an Druck im Knast ausgesetzt. Häftlinge, die von der Schmuggelwirtschaft profitierten, haben sie gemobbt und bedroht. Die Gefängnisleitung verhängte gegen zwei der Whistleblower Disziplinarstrafen, weil sie den Schmuggel mit einem Mobilteleon gefilmt und damit gegen das Handyverbot im Knast verstoßen haben. Die GG/BO unterstützt die Gefangenen weiterhin. Die 2014 in Tegel gegründete Interessenvertretung hält es für den größeren Skandal, dass die geschmuggelten Produkte unter Bedingungen des Sozial- und Lohndumpings von Gefangenen hergestellt werden. Die GG/ BO fordert die Einbeziehung der Gefangenen in die Rentenversicherung und den Mindestlohn auch für Arbeit hinter Gittern. Sebastian Brux, Sprecher des Justizsenators, wollte die Kritik der Gewerkschaft nicht kommentieren.

taz, dienstag, 20. februar 2018

Peter Nowak

Keine Beweise für Schmuggel


Ermittlungen gegen Mitarbeiter der JVA Tegel eingestellt / Kritik von Gewerkschaft

Im September 2016 stand die Justizvollzugsanstalt Tegel bundesweit in den Schlagzeilen. Das ZDF-Magazin Frontal 21 hatte einen Bericht veröffentlicht, nach dem die Mitarbeiter im Gefängnis produzierte Produkte über den anstaltseigenen Fahrdienst für den Eigenbedarf oder den Weiterverkauf ohne Lieferschein aus dem Gefängnis geschafft haben sollen. Der vermeintliche Diebstahl- und Schmuggelskandal beschäftigte wochenlang die Medien und auch das Abgeordnetenhaus. Kürzlich erklärte der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft Martin Steltner, seine Behörde habe das Verfahren gegen mehrere der beschuldigten JVA-Beschäftigten bereits im November 2017 eingestellt.

»Dass der Verdacht gegen Bedienstete ausgeräumt wurde, beruhigt mich. Trotz umfangreicher Ermittlungen und Zeugenvernehmungen hat sich der Verdacht nicht erhärtet«, erklärte daraufhin Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). Heftige Kritik erntet er dafür nun von der Solidaritätsgruppe Berlin der Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO). »Ich möchte schon mal hinterfragen, was mit ›umfangreichen Ermittlungen und Zeugenvernehmungen‹ gemeint ist«, sagte Martina Franke von der GG/BO-Soligruppe dem »nd«. Gefangene hätten ihr berichtet, sie hätten in dem Fall gegenüber der Staatsanwaltschaft aussagen wollen, seien aber nie vernommen worden. »Unseren Angaben nach haben sich bei der Polizei, angeregt durch die damalige Berichterstattung von «Frontal 21», mehrere Zeugen gemeldet, die eine Klau- und Schmuggelwirtschaft seitens der Bediensteten bestätigen hätten können«, sagte Franke.

Die Einstellung der Verfahren sei ein verheerendes Signal für Whistleblower hinter Gittern. Darüber hinaus seien die Gefangenen, die mit ihren Enthüllungen die Untersuchungen erst ins Rollen gebracht hätten, von Anfang an massivem Druck ausgesetzt gewesen. Ein Teil der Häftlinge, die angaben, an der Schmuggelwirtschaft beteiligt gewesen zu sein, sei gemobbt und bedroht worden. Zudem seien gegen zwei Gefangene, die Beweisvideos angefertigt haben sollen, Disziplinarstrafen verhängt worden, weil sie das Handyverbot hinter Gittern missachtet hatten.

Nach der Einstellung der Verfahren könnte der Druck auf die Gefangenen noch steigen, befürchtet Franke. »Die Betroffenen sind verunsichert und befürchten, dass sie womöglich wegen falscher Anschuldigungen verklagt werden«, so Franke. Die GG/BO stehe weiterhin solidarisch hinter den Whistleblowern.

Die Gefangenengewerkschaft wurde 2014 in der JVA Tegel gegründet. Zentrale Forderungen sind die Einbeziehung der Gefangenen in die Rentenversicherung und die Auszahlung des Mindestlohns auch für die Arbeit in der Haftanstalt. Dass ein Teil der möglicherweise geschmuggelten Produkte von den Gefangenen unter Bedingungen des Sozial- und Lohndumping produziert worden sei, hält die Gewerkschaft für den eigentlichen Skandal. Vom Berliner Justizsenat äußerte sich bis Redaktionsschluss niemand zu den Vorwürfen.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1079294.keine-beweise-fuer-schmuggel.html

Peter Nowak

»Erste Amtsmonate von Justizsenator Behrendt fallen desaströs aus«

Oliver Rast im Gespräch über die Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation

In der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel wandten sich Gefangene mit einer Petition gegen ihre Haftbedingungen. Seitdem beklagen sie verschärfte Repression. Die Jungle World hat mit Oliver Rast, dem Pressesprecher der Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO), über die Situation gesprochen.
Small talk Von Peter Nowak

Was haben die Gefangenen in ihrer Petition gefordert?
Der Ausgangspunkt ist vermeintlich banal. Es geht um einen Gruppenleiter, der für die sogenannte Vollzugsplanfortschreibung verantwortlich ist. Für Inhaftierte bedeutet es eine enorme Zusatzbelastung, wenn keine Zusammenarbeit mit dem Gruppenleiter mehr möglich ist. Das Vertrauensverhältnis zwischen Gefangenen und Gruppenleiter war komplett zerrüttet – ein Zustand, der sich über Jahre verschärfte. Die Inhaftierten haben lediglich in einer Petition ausgeführt, dass dieser Amtsmensch den gesetzlichen Auftrag der Resozialisierung, wie sie schreiben, »hintertreibe«.

Mittlerweile sollen einige der Unterzeichner ihre Unterschrift zurückgezogen haben. Was wissen Sie über die Hintergründe?

Unseren Informationen zufolge wurden Inhaftierte zu einer Unterredung mit Mitgliedern der Anstaltsleitung zitiert, nicht um dem Sachverhalt aus der Petition nachzugehen, sondern um ihnen gegenüber Druck aufzubauen, damit sie ihre Unterschrift zurückziehen. Unter anderem wurde der Vorwurf der »Meuterei« erhoben.

Was bedeutet dieser Vorwurf für die Gefangenen?
Es ist eine übliche Praxis der Anstaltsleitung, mittels des Meutereivorwurfs aktive Gefangene zu verunsichern und mundtot zu machen. Der Vorwurf der »Gefangenenmeuterei« nach Paragraph 121 des Strafgesetzbuchs besagt, dass sich Inhaftierte »zusammenrotten und mit vereinten Kräften« versuchen, zum Beispiel einen Anstaltsbeamten »zu nötigen oder tätlich anzugreifen«. Das führt zu einem neuen Verfahren und in der Regel zu einer weiteren Haftstrafe und längerer Haftzeit.

Die Sprecherin der Senatsverwaltung sieht keine Einschränkung der Grundrechte der Inhaftierten. Setzt Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) die Politik seines CDU-Vorgängers fort?
Wenn eine Vollzugsbehörde mit Einschüchterungen und Drohungen arbeitet, um die Verbreitung einer Petition zu unterbinden, dann ist das ein eklatanter Fall einer Einschränkung von Grundrechten. Und an einem solchen Punkt schreiten wir als Gefangenengewerkschaft ein. Es ist für uns völlig unverständlich, dass eine Pressesprecherin eines grünen Justizsenators dazu beiträgt, eine konkrete Grundrechtsverletzung gegenüber Gefangenen in Frage zu stellen.

Was fordern Sie vom Justizsenator?
Wir fordern von Behrendt das ein, was er all die Jahre zuvor als Oppositionspolitiker hinsichtlich eines liberalen und progressiven Vollzugswesens angemahnt hat. Seine ersten Amtsmonate fallen desaströs aus: Es werden weder Suizide eigenständig öffentlich gemacht noch erkennen wir, dass er bei einem der größten Skandale in der Berliner Justizgeschichte, der mutmaßlichen sogenannten Klau- und Schmuggelwirtschaft seitens JVA-Bediensteter, sein vormals angekündigtes Aufklärungsinteresse zeigt. Behrendt hat bei den Gefangenen viel Kredit verspielt. Wir werden als Gefangenengewerkschaft am 20. Mai vor der JVA Berlin-Tegel eine Kundgebung abhalten, um auf die Schikanen und die desolaten Haftbedingungen insbesondere in abbruchreifen Hafthäusern aufmerksam zu machen. Die JVA Tegel, übrigens der Ursprung der Gefangenengewerkschaft, wird zu unserem Schwerpunktthema in Berlin.

aus:

Jungle.World 2017/16 Small Talk

https://jungle.world/artikel/2017/16/erste-amtsmonate-von-justizsenator-behrendt-fallen-desastroes-aus

Interview: Peter Nowak

Petition gegen einen Gruppenleiter

KNAST Insassen der JVA Tegel werfen einem Sozialarbeiter im Gefängnis vor, sie schlecht zu behandeln

Die Vorwürfe gegen einen Sozialarbeiter der JVA Tegel wiegen schwer. Eine Petition, die vor einigen Wochen von 18 Insassen
im Hafthaus V der JVA Tegel unterzeichnet wurde, beginnt so: „Wir bitten Sie um Hilfe bei der Erreichung unseres Vollzugs,
welcher leider durch den für unsere Behandlung und Unterstützung verantwortlichen Gruppenleiter nicht nur verhindert, sondern konterkariert wird.“ Die Insassen werfen ihm vor, sie „abwertend, verständnislos und überheblich“ zu behandeln. „Mit seiner mangelnden Empathie brüstet er sich bei Verkündung seiner vorrangigen Aufgabe, uns Inhaftierten unsere Fehler und Schwächen nachdrücklich vorzuhalten“, heißt es in der Petition. Die Unterzeichner betonen, dass auch etliche Stationsbedienstete den kritisierten Sozialarbeiter als „Punisher“ bezeichnen, und verweisen auf mehrere Urteile von Strafvollstreckungskammern gegen seine Maßnahmen. Zu den Unterzeichnern der Petition gehören auch mehrere Aktivisten der Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO), die in der JVA Tegel gegründet wurde. Deren Sprecher Oliver Rast machte jetzt öffentlich, dass mehrere Unterzeichner sanktioniert wurden. Der Stationssprecher Hauke Burmeister wurde in ein
anderes Hafthaus innerhalb der JVA verlegt. Zudem wurde ihm eine Zwangsverlegung in eine Haftanstalt in einem anderen
Bundesland angedroht. Den massiven Druck gegenüber den Unterzeichnern bestätigt auch ein Gefangener, der anonym
bleiben will. Mehr als die Hälfte seien vor das Gremium der Teilanstaltsleitung zitiert und eingeschüchtert worden, sagt er. Einige seien regelrecht in Panik geraten, als ihnen mit einer Anklage wegen Meuterei gedroht wurde. Eine solche Anklage könnte eine erneute Verurteilung bedeuten. Daraufhin hätten zwei der Unterzeichner ihre Unterschrift zurückgezogen. „Es kann nicht sein, dass Gefangene, die mittels einer Petition ein demokratisches Grundrecht ausüben, mit einem solchen Vorwurf unter Druck
gesetzt werden“, kritisiert GG/BO Sprecher Oliver Rast gegenüber der taz. Er erwartet vom Berliner Justizsenator Dirk Behrendt
(Grüne), dass die Vorwürfe überprüft und die Schikanen verurteilt werden. Der stellvertretende Pressesprecher der Senatsverwaltung für Justiz, Sebastian Brüx, erklärte, er könne erst im Laufe der Woche eine Stellungnahme abgeben, weil die Behördepersonell gerade schwach besetzt ist.

Taz, MONTAG, 3. APRI L 2017

PETER NOWAK

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Zensiert die JVA Tegel die „taz“?

Unseren Informationen zufolge wurden heute in der JVA Tegel keine Ausgaben der Tageszeitung „taz“ den Gefangenen ausgehändigt, was seit Jahren üblich ist. Die Ausgaben werden vor allem über den Verein „Freiabos“ verteilt bzw. ausgelegt.
Inhaftierte haben die Vermutung, dass dies eine Reaktion der JVA-Leitung auf den heutigen „taz“-Artikel von Peter Nowak zu den Schikanen gegen Inhaftierte aufgrund der Abfassung einer Protest-Petition sein könnte.
„Falls es sich bei der Nicht-Aushändigung der ´taz´ um faktische Zensurmaßnahmen der Tegeler JVA-Leitung handeln sollte, dann ist dies ein weiterer Beleg, dass die Berliner Vollzugsbehörden unter Senator Behrendt (Grüne) eine kritische Öffentlichkeit unterlaufen und Inhaftierte vom Pressezugang ausschließen“, so GG/BO-Sprecher Oliver Rast.

Berlin, 03. April 2017

Gefangenengewerkschaft/bundesweite Organisation

https://ggbo.de/zensiert-die-jva-tegel-die-taz/

Klau-und-Schmuggel-Wirtschaft in der JVA Tegel

Die größte bundesdeutsche Haftanstalt in Berlin-Tegel liefert Stoff für einen handfesten Justizskandal: Materialien und Waren aus der Knastarbeit werden von JVA-Bediensteten für den Eigenbedarf oder den Weiterverkauf entwendet.

Ein Bericht im ZDF-Magazin «Frontal21» vom 13.9.16 mchte es publik: Im großen Stil werden seit Jahren Produkte, die arbeitende Gefangene unter den Bedingungen von Sozial- und Lohndumping erzeugen, von JVA-Bediensteten über den anstaltseigenen Fahrdienst oder den sogenannten Knast-Shop für den Eigenbedarf oder den Weiterverkauf und ohne Lieferschein und Rechnung aus der JVA geschafft. Die menschliche Arbeitskraft der Inhaftierten wird damit nicht nur zum Billig-, sondern zum Nulltarif abgegriffen. Das beförderten Informationen engagierter Inhaftierter und der Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) ans Tageslicht.

«Tegeler Tauschring» nennt sich der Dreh. Was aus der JVA Tegel an Informationen über das Ausmaß und den Netzwerk-Charakter diese «Tauschrings» nach außen dringt, zeigt: Die von der Berliner Senatsverwaltung (SVW) für Justiz vertretene «Einzelfall-These» ist pure Augenwischerei. Mindestens (!) 20–30 JVA-Bedienstete sind Teil dieses «Tegeler Tauschrings», sie sind überwiegend namentlich bekannt.

Bereits im Januar dieses Jahres hat der Hauptbelastungszeuge Timo F. die «irregulären Vorgänge» in der JVA Tegel gegenüber der Anstaltsleitung offen gemacht. Anscheinend haben diese und die zuständige Senatsverwaltung die brisanten Informationen nicht nur zurückgehalten, sondern wissentlich vertuscht.

Timo F. legt in seinen Aussagen, die dem Landeskriminalamt Berlin seit Mitte Juli des Jahres vorliegen, u.a. dar, welche Fabrikationen in dem schwungvollen und lukrativen Handel besonders begehrt waren: «Der Umfang der Selbstbedienung ist ziemlich erheblich – sicher 50 Grills, unzählige Schlosserei-Maßanfertigungen (Liegen, Stühle, Vitrinen, Deko-Objekte etc.), mindestens 50 Paletten Steine (Waschbetonplatten, Betonkamine, Ziersteine, Säulen etc.), mindestens 100 Möbel und 200 Produkte aus der Polsterei wurden pro Jahr von den Beamten gezockt; der Schaden liegt meines Erachtens im mittleren sechsstelligen Bereich.»
Konsequenzen
Die neue Berliner Koalition wird sich mit den Vorgängen der organisierten Tegeler «Klau-und-Schmuggel-Wirtschaft» befassen müssen. Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, zeitnah einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzuberufen, der u.a. die Mitwisserschaft der Senatsverwaltung für Justiz unter dem Noch-Senator Heilmann (CDU) aufklären muss.

Die Beauftragung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist gleichfalls angezeigt. Das Verhältnis zwischen Materialeinsatz und Warenproduktion in der JVA Tegel dürfte eine enorme Diskrepanz aufweisen. Zudem scheint die JVA Tegel über kein Warenwirtschaftssystem zu verfügen, ein Umstand, der den anstaltsinternen «Schankverlust» erleichtert haben dürfte.

Die Vorfälle in der JVA Tegel sind kein Einzelfall. Korruption ist strukturell im Wesen des Gefängnisses angelegt. Es darf davon ausgegangen werden, dass es – graduell verschieden – faktisch in allen Haftanstalten der Bundesrepublik eine «Klau-und-Schmuggel-Wirtschaft» seitens Bediensteter gibt.

Die Zustände in den Gefängnissen sind auch auf die sozial- und arbeitsrechtliche Diskriminierung der Inhaftierten zurückzuführen: Arbeitszwang, kein Mindestlohn, keine Rentenversicherung, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, kein Kündigungsschutz und nicht zuletzt ein knastspezifisches Union Busting. Gewerkschaftliche Selbstorganisierung schafft eine wichtige Voraussetzung, damit Inhaftierte im Bündnis mit (Basis-)Gewerkschaften und fortschrittlichen parlamentarischen Vertretern die soziale Frage hinter Gittern wirkungsvoller stellen können. Und Antworten finden…
Bestraft wird der Bote
Die JVA Tegel hat gegen die Gefangenen Timo F. und Benjamin L., die Videos über die Schmuggel- und Klauwirtschaft in der JVA Tegel veröffentlicht hatten, eine Disziplinarstrafe verhängt, weil sie für die Aufnahmen offensichtlich ein Handy benutzt haben. Sie müssen länger in ihren Zellen bleiben und haben Fernsehverbot. Am Donnerstag, den 13.Oktober, bezeichneten die Rechtsanwälte der beiden Gefangenen auf einer Pressekonferenz in Berlin die Maßnahme als Einschüchterung von zwei Whistleblowern, die Missstände hinter Gittern offenlegen.

«Mein Mandant galt in der JVA Tegel als ein Beispiel für eine gelungene Resozialisierung. Nachdem er die Schmuggelwirtschaft in der JVA Tegel aufgedeckt hat, ist seine Prognose für die Zukunft plötzlich negativ», moniert der Anwalt von Benjamin L., Jan Oelbermann. Das könne für seinen Mandanten bedeuten, dass er seine Strafe vollständig verbüßen muss, statt vorzeitig entlassen zu werden. Rechtsanwalt Carsten Hoenig kritisiert nicht nur die Gefängnisleitung, sondern auch das LKA. Sein Mandant Timo F. habe seit Januar 2016 der Verwaltung Informationen über die Existenz des Schmuggelnetzwerks übermittelt. Der damalige Vertrauensanwalt des Landes Berlin, Christoph Partsch, sei ebenso eingeschaltet worden wie das Landeskriminalamt. Im Mai 2016 habe er dem LKA eine Liste mit detaillierten Angaben zu den Vorwürfen im Auftrag seines Mandanten übermittelt. Der sei nun ständig Drohungen von Mitgefangenen ausgesetzt, die an dem Schmuggelnetzwerk beteiligt waren. Trotzdem hat er bisher erfolglos die Verlegung seines Mandanten in ein anderes Gefängnis gefordert.

Knast als Selbstbedienungsladen

von Peter Nowak/Oliver Rast

Überwachen und Strafen

TEGEL Gefangene werden drangsaliert, weil sie Schmuggel enthüllten

„Wir haben uns 2014 in der JVA Tegel gegründet, um den Mindestlohn und die Einbeziehung von Gefangenen in die Rentenversicherung durchzusetzen. Zwei Jahre später kämpfen wir auch um die Menschenrechte für Whistleblower hinter Gittern“, erklärte der Sprecher der Gefangenengewerkschaft/bundesweite Organisation (GG/BO) am Donnerstag auf einer Pressekonferenz am Berliner Haus der Demokratie. Es ging um die Rechte von Timo F. und Benjamin L., die Videos über die Schmuggel- und Klauwirtschaft in der JVA Tegel veröffentlicht haben. Wegen Handynutzung wurden sie von der Gefängnisleitung mit Disziplinarstrafen belegt (taz berichtete). Sie müssen länger in ihren Zellen bleiben und haben Fernsehverbot. Am Donnerstag bezeichneten die Rechtsanwälte der beiden Gefangenen die Maßnahmen als Einschüchterung
von zwei Whistleblowern, die Missstände hinter Gitter offenlegen. „Mein Mandat galt in der JVA Tegel als ein Beispiel für eine gelungene Resozialisierung. Nachdem er die Schmuggelwirtschaft in der JVA Tegel aufgedeckt hat, ist seine Prognose für die Zukunft plötzlich negativ, moniert der Anwalt von Benjamin L. Jan  Oelbermann. Das könne für seinen Mandanten bedeuten, dass er statt vorzeitiger Entlassung seine Strafe vollständig verbüßen muss. Rechtsanwalt Carsten Hoenig kritisierte nicht nur die Gefängnisleitung, sondern auch das LKA. Sein Mandat Timo F. habe seit Januar 2016 der Verwaltung Informationen über die Existenz des Schmuggelnetzwerkes übermittelt. Der damalige Vertrauensanwalt des Landes Berlin Christoph Partsch
sei ebenso eingeschaltet worden wie das Landeskriminalamt. Im Mai 2016 habe er dem LKA eine Liste mit detaillierten
Angaben zu den Vorwürfen im Auftrag seines Mandanten übermittelt. Der sei ständig Drohungen von Mitgefangenen, die an
dem Schmuggelnetzwerk beteiligt waren, ausgesetzt. Trotzdem habe er bisher vergeblich die Verlegung in eine andere
Haftanstalt gefordert. Die Pressesprecherin des Berliner Justizsenats Claudia Engfeld habe seinen Mandanten vorgeworfen,
nur die Verlegung in die JVA seiner Wahl durchsetzen zu wollen, kritisiert Hoenig.
aus Taz vom 13.10.2016
Peter Nowak

Schmuggel ist Knastalltag

Schiebereien von Beamten und Häftlingen in der JVA Tegel sind symptomatisch

Justizvollzugsbeamte des Männergefängnisses Tegel sollen seit Jahren in großem Stile Waren aus den Gefängniswerkstätten hinaus gebracht und auf eigene Rechnung verkauft haben. Zur Schmuggelbande in Deutschlands größtem Männerknast sollen auch Häftlinge im sogenannten Fahrdienst gehört haben. Diese Vorwürfe erhoben zwei Gefängnisinsassen vor den Kameras des ZDF-Politmagazins »Frontal 21«. Die Sendung wurde letzte Woche ausgestrahlt.

Aber auch in die andere Richtung soll geschmuggelt worden sein: Auf Bestellung habe die Fahrtruppe den Häftlingen »Handys, besseres Essen oder mal ein paar Pornos« mitgebracht. 70 Euro habe so ein Wunschpaket gekostet, erzählen die beiden Männer, im Fernsehvideo Timo F. und Benjamin L. genannt. Von ihren Mithäftlingen werden sie nun als »Anscheißer« beschimpft. Gegen mindestens einen Vollzugsmitarbeiter ermittelt jetzt der Staatsanwalt: »Verdacht der Bestechlichkeit« und »Erpressung« lauten die Vorwürfe.

»Routine oder Einzelfall?« fragt die traditionsreiche Gefangenenzeitung »Lichtblick« in einem »Extrablatt« zu den Tegeler Vorfällen. Während die Sprecherin des Justizsenators, Claudia Engfeld, das »wirklich nicht entschuldbare Verhalten eines einzelnen Beamten« konstatiert, interpretiert »Lichtblick« die Tegeler Geschäfte eher als Regel, denn als Sonderfall: »Gefangene und Beamte, die hier sauber bleiben und nicht die Chance nutzen, was zu drehen, sind eher die Ausnahme.«

Den Schmuggel sehen sie als Symptom eines kranken Justizapparates: »Überstunden, Aufgabenanhäufung, ein Dienstherr, der ihnen bei Problemen in den Rücken fällt, und zu guter Letzt die bescheidene Bezahlung« der Beamten trügen zu personellem Notstand bei. Die miesen Bedingungen müssten die Gefangenen dann ausbaden in Form gekürzter Besuchszeiten, reduzierter Ausführungen und gestrichener Freizeitangebote. Auf beiden Seiten wachse der Frust und münde in Aggressivität gegenüber den Bediensteten. »In den meisten Fällen die falsche Adresse«, schreibt der anonyme Autor des »Lichtblicks«.

Auch Oliver Rast von der Gefangenengewerkschaft BB/GO sieht in dem Tegeler »Skandal« keinen Einzelfall: »Die uns vorliegenden Ausführungen des Hauptbelastungszeugen Timo F. legen nahe, dass es sich um ein organisiertes Netzwerk von 20 bis 30 Bediensteten handelt«, erklärt Rast gegenüber »nd«. Ihn überrascht die Schmuggelwirtschaft keineswegs, vielmehr gehöre sie in allen Haftanstalten zum Alltagsgeschäft. In der jetzt durch die Fernsehsendung losgetretenen öffentlichen Debatte um Schmuggel und Hehlerei im Knast kommt dem Gewerkschafter Rast jedoch ein Aspekt zu kurz: die Ausbeutung von Häftlingen in der »Billiglohninsel Knast«.

Seine Gefangenengewerkschaft hatte übrigens erst am vergangenen Wochenende den Fritz-Bauer-Preis der Humanistischen Union entgegennehmen dürfen. Die Menschenrechtsorganisation will damit auch auf die dringende Reformbedürftigkeit des deutschen Strafvollzugswesens hinweisen, so ist auf ihrer Homepage nachzulesen.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1026149.schmuggel-ist-knastalltag.html

Peter Nowak

Gewerkschaft hinter Gittern

In der Berliner JVA Tegel begann eine Organisierung von Gefangenen – weitere Haftanstalten werden folgen

Arbeitsbedingungen, Löhne und die Rente sind auch im Knast ein Thema. Gefangene beginnen nun, sich gewerkschaftlich zu organisieren, um sich Gehör zu verschaffen.

Eine Initiative, die Schule macht: Vor knapp zwei Monaten haben Häftlinge in der Berliner JVA Tegel eine Gefangenengewerkschaft gegründet. Ein Mindestlohn und die Einbeziehung der Häftlinge in die Rentenversicherung sind die beiden zentralen Forderungen. Innerhalb weniger Tage hatten mehr als 150 Häftlinge in der JVA Tegel die Gründungserklärung unterschrieben. Nun laufen in den Haftanstalten Plötzensee, Willich und Aschaffenburg ebenfalls Vorbereitungen für eine Gewerkschaftsgründung. »Wir gehen davon aus, dass in weiteren Knästen eine unabhängige Inhaftiertenorganisierung im Rahmen der Gefangengewerkschaft möglich ist«, erklärt Gewerkschaftsmitbegründer Oliver Rast. Er ist von den Reaktionen positiv überrascht: »Es übersteigt unsere Erwartungen, dass es in so kurzer Zeit gelungen ist, unsere kleine Projektidee einer Gefangenengewerkschaft über die JVA Tegel hinaus auszudehnen«, betonte er.

Für den Gefangenbeauftragten des Komitees für Grundrechte und Demokratie Christian Herrgesell ist dieses große Interesse an einer Interessenvertretung im Gefängnis keine Überraschung. »Ich erhalte häufig Briefe von Gefangenen, die über schlechte Arbeitsbedingungen, miese Löhne sowie die fehlende Einbeziehung in die Rentenversicherung klagen«, betont der Gefangenenbeauftragte. »Der Rentenanspruch von Menschen, die mehrere Jahre in Haft waren, verringert sich drastisch, nach acht bis zehn Jahren gibt es in der Regel kaum noch Hoffnung für ein Auskommen über Hartz-IV-Niveau. Vor allem bei der Entlassung älterer Menschen ist das ein immenses Problem«, betont Herrgesell.

Davon sind auch Menschen betroffen, die in DDR-Gefängnissen inhaftiert waren. Dort waren Gefangene in das Rentensystem integriert. Seit dem BRD-Anschluss wird auch ihnen die Zahlung der Rente verweigert. Dabei gibt es auch in der BRD seit 1976 die gesetzliche Grundlage für die Einbeziehung von Häftlingen in die Rentenversicherung. Doch passiert ist bisher nichts. Eine vom Komitee für Grundrechte initiierte Petition, die von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen unterstützt wird, ist in die parlamentarische Ausschüsse verwiesen worden.

Eine Gefangenengewerkschaft könnte sowohl beim Mindestlohn als auch beim Thema Rentenversicherung Druck machen. Daher gibt es mittlerweile starken Widerspruch gegen diese Initiative. So erklärte ein Beauftragter des Berliner Justizsenats als Antwort auf eine Kleine Anfrage von Klaus Lederer, der für die Linkspartei im Abgeordnetenhaus sitzt: »Der Senat beabsichtigt nicht, Insassen der Justizvollzugsanstalten entsprechend einem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten.« Die Arbeit und Entlohnung sei nicht mit der Tätigkeit auf dem freien Arbeitsmarkt vergleichbar, lautet die Begründung. Als Antwort auf eine Kleine Anfrage des Mitglieds des Berliner Abgeordnetenhauses Dirk Behrendt (Grüne) bestreitet der Sprecher des Berliner Justizsenats den Gefangenen auch die Gewerkschaftsfreiheit, weil kein Arbeitnehmerverhältnis bestehe. In Köln wurde eine Radiosendung zum Thema Gefangenengewerkschaft in dem Webprojekt »Radio Köln« mit der Begründung abgesetzt, es müsse geprüft werden, ob in dem Beitrag gegen Gesetze verstoßen werde.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/938673.gewerkschaft-hinter-gittern.html

Peter Nowak

Razzia bei der IG Knast

JUSTIZ In Tegel werden Zellen zweier Insassen durchsucht, die eine Gewerkschaft gründen

Die Leitung der Justizvollzugsanstalt Tegel hat die Zellen zweier Häftlinge durchsuchen lassen, die zuvor den Aufruf zur Gründung einer Gefangenen-Gewerkschaft verbreitet hatten. Dies bestätigte Justizsprecherin Lisa Jani am Donnerstag der taz. Auf dem mit einer Unterschriftenliste verbundenen beschlagnahmten Aufruf sei die Einführung des Mindestlohns für Gefangene sowie deren Aufnahme in die Rentenversicherung gefordert worden.

„Gefangene haben bisher keine Lobby. Die schaffen wir uns mit der Gefangenen-Gewerkschaft nun selber“, erklärt ihr Sprecher Oliver Rast in der Presseerklärung zur Gründung. Rast, dessen Zelle durchsucht wurde, war wegen Mitgliedschaft in der linksautonomen militanten gruppe (mg) zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Gemeinsam mit einer kleinen Gruppe Gefangener hatte er die Gewerkschaftsgründung bereits seit mehreren Monaten vorbereitet.

Grundrechte im Knast

Der Rechtsanwalt Sven Lindemann, der Rast juristisch vertritt, kritisierte die Durchsuchung und betonte, dass die gewerkschaftlich engagierten Häftlinge lediglich ihr Grundrecht wahrnehmen: Schließlich sei das in Artikel 9, Absatz 3 des Grundgesetzes verankerte Recht auf Koalitionsfreiheit auch im Gefängnis nicht aufgehoben.

Justizsprecherin Jani erklärte hingegen, dass jedwede politische Aktivitäten, wozu auch das Sammeln von Unterschriften gehöre, zuvor mit der Anstaltsleitung abzusprechen seien, „um der Gefahr vorzubeugen, dass es zu einer Aufwiegelung“ komme. Das Vorgehen gegen die Gefangenen begründete Jani mit dem Verstoß gegen diese Regel. Es sei nicht darum gegangen, die Gründung einer Gefangenen-Gewerkschaft zu verhindern.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F05%2F30%2Fa0128&cHash=28f7f56f23fcc4491657adb6e3b5706c

Peter Nowak

PETER NOWAK, PLUTONIA PLARRE

Scheine machen? Tüten kleben!

JUSTIZ Ein Häftling in Tegel wird trotz Fernstudium nicht von der Arbeit freigestellt. Warum, bleibt unklar

Oliver R. hat zurzeit eine 78-Stunden-Woche. Seit dem 1. Oktober belegt er wöchentlich 38 Stunden Kurse für sein Studium der Kulturwissenschaft an der Fernuniversität Hagen. Daneben faltet er 40 Stunden Kartons und klebt Tüten: R. arbeitet in der Kartonageabteilung der JVA Tegel.

Zu einer Haftstrafe verurteilt wurde R. wegen angeblicher Mitgliedschaft in der Militanten Gruppe (mg). Zunächst war er im offenen Vollzug und arbeitete in einer Buchhandlung. Als er im vergangenen Mai im Zusammenhang mit einer Großrazzia gegen die mutmaßliche mg-Nachfolgeorganisation „RAZ“ in den geschlossenen Vollzug verlegt wurde, entschloss er sich zur Aufnahme des Studiums.

Sein Antrag auf Freistellung von der Arbeit wurde auch von der zuständigen Sozialarbeiterin der JVA befürwortet. „Bis heute hat er aber darauf keine Antwort bekommen“, erklärte Lisa Steffen vom „Solikomitee Olli R.“ der taz, „er muss weiter 40 Stunden arbeiten und kann sehen, wie er nebenbei sein Studium auf die Reihe kriegt.“ R. solle sofort von der Lohnarbeit freigestellt werden, fordert die Soligruppe. JVA-Sprecher Lars Hoffmann weist die Kritik gegenüber der taz zurück. „Die JVA Tegel stellt Häftlinge von der Lohnarbeit frei, wenn sie ein Fernstudium abschlussorientiert absolvieren.“ Voraussetzung sei, dass sie den Studienfortschritt regelmäßig nachwiesen. Häftlinge ohne Abitur könnten sich an der Fernuni Hagen als GasthörerInnen einschreiben, würden aber nicht von der Arbeit freigestellt. Oliver R. hat Abitur und will sein Studium zum Abschluss bringen. Warum er nicht von der Arbeit freigestellt wurde, konnte Hoffmann auf Nachfrage der taz nicht sagen.

Eigentlich fortschrittlich

Der Sprecher betonte aber, die JVA Tegel biete als eine von wenigen deutschen Anstalten ihren Häftlingen die Möglichkeit des Fernstudiums. Das bestätigt Oliver Schlemmer, als AStA-Referent an der Hagener Uni für die Belange der JVA-KommilitonInnen zuständig. „Leider lehnen viele Justizvollzugsanstalten ein Studium an der Fernuniversität aufgrund der erforderlichen Internetverbindung komplett ab und vereiteln dieses sinnvolle Angebot“, so Schlemmer zur taz. Die JVA Tegel ist da aus meiner Sicht fortschrittlich.“ Er gehe davon aus, dass KommilitonInnen in der JVA Tegel von der Arbeit befreit würden. Das sei auch notwendig: „Ein Studium, das der Resozialisierung und Arbeitsaufnahme nach der Haft dienen soll, kann sinnvoller ohne Doppelbelastung erfolgen.“

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2013%2F10%2F15%2Fa0126&cHash=6f728182b69e1325dfc1246365717106

Peter Nowak

Soli für Olli

Freilassung gefordert

Er stand kurz vor seiner Entlassung aus dem Gefängnis, dann durchsuchte die Polizei am 22. Mai bundesweit mehrere Wohnungen und verlegte Oliver R. kurzerhand in den geschlossenen Vollzug der JVA in Tegel. Als Protest dagegen hat die »Soligruppe für Olli« gleich zu zwei Aktionen in dieser Woche vor der JVA aufgerufen. Unter dem Motto »Linke Politik verteidigen« ist für den 19. Juni um 11 Uhr eine Kundgebung angemeldet. Am 22. Juni soll ab 15 Uhr eine Demonstration vom U-Bahnhof Holzhausener Straße zur JVA ziehen.

Oliver R. war wegen angeblicher Mitgliedschaft in der »Militanten Gruppe« (mg) zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Er war bisher im offenen Vollzug untergebracht.

Am 22. Mai durchsuchte die Polizei gleichzeitig mehrere Wohnungen unter anderem in Berlin und Stuttgart. Anlass war ein Ermittlungsverfahren nach Paragraf 129. Dabei gehe es um die mögliche Bildung einer »linksextremistischen kriminellen Vereinigung«. Im Rahmen der Durchsuchungen wurde auch gegen R. ermittelt.

»Obwohl kein Haftbefehl vorlag, wurde R. aus seiner Arbeitswelt und seinem sozialen Umfeld herausgerissen und in eine Vollzugssituation geworfen, die sowohl seinen Job als auch seine physische Gesundheit akut gefährden«, so ein Soligruppen-Sprecher. Eine Freundin von R. berichtete, auch eine medizinische Behandlung habe er abbrechen müssen.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/824885.soli-fuer-olli.html
Peter Nowak