„Vögeln ist schön“

Protest vor der Schule

Schwedische Kirche entlässt Erzieher in Wilmersdorf

Nach Kündigungen wehren sich Erzieher und Pädagogen an der Schwedischen Schule Berlin (SSB) in Wilmersdorf.

Das kommt in der beschaulichen Landhausstraße in Wilmersdorf nicht alle Tage vor. Rund 50 Menschen demonstrierten am vergangenen Freitagabend vor der dort ansässigen Schwedischen Schule in Berlin (SSB). »Komm schon Lena« war auf deutsch und schwedisch auf Transparenten und bunten Luftballons zu lesen. Es war ein Appell an die Geschäftsführerin der SSB, Lena Brolin, die Kündigungen zurückzunehmen, die der Anlass für den Protest sind. Am 28. Mai wurde der gesamten Belegschaft der Schule gekündigt. Insgesamt handelt es sich um acht Beschäftigte, darunter Lehrende, Erzieher und Betreuer. Zuvor hatten sie in einem Offenen Brief gegen von der Schulleitung geplante Lohnkürzungen bei der Hortbetreuung protestiert.

Weil mehrere Beschäftigte in der Basisgewerkschaft Freie Arbeiter Union (FAU) organisiert sind, hat die noch vor Pfingsten mit dem Protest begonnen. Am Freitagabend fand im Schulgebäude ein Fest für Kinder und Eltern statt. Sie sollten mit der Kundgebung angesprochen werden. Deswegen schallten aus den vor dem Gebäude aufgebauten Lautsprechern auch schwedische Kinderlieder. Eltern und Kinder beteiligten sich spontan an der Kundgebung. Vor allem die Luftballons fanden bei den Kindern Anklang. Weniger erfreut zeigte sich dagegen die Schulleitung über den Ballons aufgedruckten Appell an die Geschäftsführerin.

Einer der entlassenen Erzieher ist Linus Kolberg. »Noch am Dienstag sah es so aus, als könnten wir uns mit der Schulleitung über die Verteilung der Unterrichtsstunden im neuen Schuljahr einigen und dann kam die Kündigung, ohne dass mit uns gesprochen wurde«, sagt er dem »nd«. Auch seine Kollegen sehen in dem Schritt einen Bruch in den bisherigen Beziehungen zwischen Beschäftigten und Schulleitung. Bereits vor vier Jahren kämpfte die Belegschaft der Schule erfolgreich gegen schlechte Arbeitsbedingungen. Seit 2010 hatte die FAU-Gewerkschaftsgruppe zahlreiche Verbesserungen durchgesetzt. Ab Herbst 2011 erhielten alle Pädagogen erstmals schriftliche Arbeitsverträge. Alle Arbeitsstunden und Klassenfahrten werden seitdem bezahlt. Zudem wurden ein Arbeits- und ein Lehrerzimmer in der Schule eingerichtet.

Einen wesentlichen Anteil an den Verbesserungen hatte der Lehrer Johnny Hellquist, der bereits in der schwedischen Basisgewerkschaft SAC organisiert war, bevor er den Job in der SSB antrat. Zuvor hatten sich die Lehrer vergeblich an die schwedische Akademikergewerkschaft und die Berliner GEW gewandt. Die SAC will auch nach der Kündigung Solidaritätsaktionen mit den Entlassenen in Schweden organisieren, wo der Schulbetreiber, die protestantische Kirche in Schweden, sitzt.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/935440.protest-vor-der-schule.html

Peter Nowak

Mensa war gestern

Die Tafeln beobachten, dass immer mehr Studierende in Deutschland ihr Angebot nutzen. Proteste gegen die Verarmung oder gar Bündnisse mit anderen Prekarisierten gibt es bislang nicht.

Es wird einiges getan für die »Bildungsrepublik Deutschland«. Bund und Länder haben sich kürzlich auf ein »Bildungspaket« geeinigt. Der Bund soll mit sechs Milliarden Euro die Kosten für das Bafög übernehmen. Die notwendige Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge soll aber erst 2016 erfolgen.

Auch manche Kritiker des Vorhabens argumentieren ganz im Sinne vom »Bildungsstandort«. So sagte ein Sprecher des Freien Zusammenschlusses von Studierendenschaften: »Die Bafög-Reform ist ein Projekt für die Zukunft, kein Projekt in der Zukunft. Es gibt keinen Grund, warum die Studierenden selbst auf die notwendigsten Anpassungen noch zwei weitere Jahre warten müssen.« Dabei gäbe es zumindest aus studentischer Sicht einen viel plausibleren Grund für die sofortige Erhöhung des Bafög: die Bekämpfung der wachsenden studentischen Armut.

Wie in der vergangenen Woche in den Medien berichtet wurde, sind es neben Flüchtlingen vor allem Studierende, die im vergangenen Jahr vermehrt das Angebot der Essenstafeln in Anspruch nahmen. Darüber informierte Jochen Brühl, der Vorsitzende des Bundesverbands Deutsche Tafeln e. V., auf einer Pressekonferenz, auf der die Jahresbilanz des Verbands vorgestellt wurde. Zahlen nannte er zwar nicht, doch sei schon seit Jahren zu beobachten, dass neben Erwerbslosen auch vermehrt Lohnabhängige vor allem aus dem Niedriglohnsektor und Alleinerziehende mit Kindern die Tafeln nutzen müssen. Kritiker sprechen von einer »Vertafelung« der Gesellschaft, in deren Zuge die Sozialpolitik durch eine nicht einklagbare Verteilung von Almosen ersetzt werde (Jungle World 18/2013).

Wie aber gehen die Studierenden mit ihrer Verarmung um? Empirische Erkenntnisse zu dieser Frage gibt es nicht. Vor mehr als 20 Jahren konstatierte der Hamburger Arzt und Sozialwissenschaftler Karl Heinz Roth, dass viele Studierende ihre Aussicht auf eine gut bezahlte Tätigkeit verlieren und teilweise ins Prekariat abrutschen würden. Diese Prognose verband er mit der Hoffnung, es könnte eine Solidarisierung mit anderen prekarisierten Menschen stattfinden, die als Grundlage für ein Bündnis verschiedener Gruppen von Prekären dienen könnte. Allerdings hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass Sprösslinge der Mittelschicht, die von Armut bedroht sind, keineswegs automatisch zu solcher Solidarität bereit sind. Häufig sympathisieren sie mit rassistischen und sozialchauvinistischen Bewegungen, die gegen Gruppen und Personen mobil machen, die in der gesellschaftlichen Rangordnung noch weiter unten stehen.

Die Tatsache, dass in den Jahren, in denen eine wachsende Zahl Studierender die Tafeln aufsuchte, die Protestbereitschaft abgenommen hat, könnte ein Hinweis auf den Mangel an Solidarität sein. Noch im vergangenen Jahrzehnt gab es bundesweite Bildungsproteste, die mit Universitätsbesetzungen und dem Boykott von Vorlesungen verbunden waren. Doch die vergangenen Jahre waren an den Universitäten eine protest­arme Zeit. In diesem Jahr gründete sich ein bundesweites Bündnis für Studienproteste. Es entwickelte einen Zeitplan für Proteste, die sich über mehrere Semester erstrecken sollen, wohl in der realistischen Annahme, dass in absehbarer Zeit ein bundesweiter Streik an den Universitäten nicht zu realisieren ist und es längere Zeit benötigt, um genügend Unterstützung für die Proteste zu finden und weitere Bündnisse zu schließen.

Ein gutes Beispiel für Studierendenproteste ließ sich in jüngster Zeit an der Londoner Universität beobachten. Dort solidarisierten sich Studentinnen und Studenten mit prekär beschäftigten Putzkräften am Campus. Erfreulich wäre es, wenn sich zumindest ein Teil der Studierenden auch in Deutschland ähnlich engagierte – gegen die Ver­armung und Vertafelung der Gesellschaft.

http://jungle-world.com/artikel/2014/23/50001.html

Peter Nowak

Lange U-Haft wegen vager Vorwürfe

Akademikerball mit Folgen: Jenaer Antifa sitzt in Wien

Am 6. Juni beginnt vor dem Wiener Landgericht der Prozess gegen Josef S. Das Mitglied der sozialistischen Jugendorganisation »Die Falken« aus Jena ist nach Paragraf 274 des österreichischen Strafgesetzbuches angeklagt, der Vorwurf lautet »Rädelsführerschaft«. Eine Gruppe Jenaer Antifas ist nach Wien gefahren, um ihn zu unterstützen. S. wurde am Rande einer Demonstration am 24. Januar festgenommen, sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, sich in einer Menschenmenge befunden zu haben, von der Gewalt ausgegangen ist. Am Rande der Proteste gegen den Akademikerball waren in der Wiener Innenstadt einige Fensterscheiben zu Bruch gegangen. Für eine Beteiligung von S. gibt es keine Beweise.

Auch in Jena haben antifaschistische Gruppen und die Ortsgruppe der Roten Hilfe für den 6. Juni eine Solidaritätskundgebung für S. vorbereitet. An vielen Häuserwänden kann man die Parole »Solidarität mit Josef S. – betroffen ist einer, gemeint sind wir alle« lesen. Für Michael M. ist diese Parole mehr als ein Spruch. »Ich bin am 24. Januar gemeinsam mit Josef nach Wien gefahren, um mich an den Protesten gegen den Ball zu beteiligen«, sagte der junge Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Insgesamt 8000 Menschen hatten an diesen Tag in der österreichischen Hauptstadt gegen die bis 2012 von schlagenden Burschenschaften ausgerichtete Veranstaltung demonstriert.

In den letzten Jahren ist der heute von der rechtspopulistischen FPÖ organisierte Akademikerball zum Stelldichein der europäischen Rechten geworden. Aus Deutschland nahmen Mitglieder der NPD und anderer extrem rechter Gruppierungen daran teil. Doch auch der Widerstand ist in den letzten Jahren europaweit gewachsen. Schon im Vorfeld schürten rechte Politiker und Medien in Wien Angst vor »gewalttätigen Anarchisten aus Deutschland«. Die Jenaer Unterstützergruppen befürchten, dass an Josef S. ein Exempel statuiert werden soll.

Proteste gegen die U-Haft gibt es auch in Österreich. »Wir halten es für unverantwortlich, einen jungen Menschen, der zudem nicht vorbestraft ist, aufgrund eines bislang vagen Verdachtes so lange der Untersuchungshaft auszusetzen«, schreibt die den österreichischen Sozialdemokraten nahestehende Sozialistische Jugend. Auch das Österreichische Komitee für Grundrechte bezeichnete S. in einen Offenen Brief an den österreichischen Bundesjustizminister Wolfgang Brandstetter (parteilos) als »Bauernopfer« und fordert seine Freilassung. In der Kritik steht auch der Paragraf 274, nach dem jemand wegen Landfriedensbruch angeklagt werden kann, wenn er sich in einer Gruppe aufhält, von der auch Gewalt ausgeht, ohne dass ihm eine individuelle Tatbeteiligung nachgewiesen wird.

Freunde von Josef S. hoffen nun, dass der Jenaer bei Prozessbeginn freigelassen wird. Für die Solidaritätsgruppen wäre dann die Arbeit noch nicht beendet. Die Justiz ermittelt gegen weitere Teilnehmer der Proteste gegen den Wiener Akademikerball aus Deutschland.

Peter Nowak

Cash oder Crash

Denknetz-Jahrbuch 2013 (Hrsg. Denknetz)

von Peter Nowak

Im Zentrum der Aktionskonferenz Care-Revolution, die Mitte März in Berlin stattgefunden hat, stand das Recht, «selbstbestimmt für sich und andere zu sorgen und selbstbestimmt zu entscheiden, von wem wir versorgt werden wollen», schrieb Gabriele Winker, einer der Kongressorganisatorinnen. Die Diskussion ist überfällig.

Zu lange wurde die Reproduktionsarbeit, die heute Care- oder Sorgearbeit genannt wird, auf die Frauen abgeschoben. Ihre Arbeit bleibt unsichtbar und bekommt gesellschaftlich wenig Anerkennung.

Das zeigt sich nun deutlich, wo ein Großteil dieser Reproduktionsarbeit nicht mehr in den Familien geleistet, sondern von privaten Unternehmen angeboten wird. Noch immer verrichten hauptsächlich Frauen diese Arbeit, und noch immer ist ihr Lohn gering. Aber zunehmend wehren sich auch die Beschäftigten in diesem Sektor gegen Arbeitshetze. «Heute ist die Speerspitze der Arbeiterbewegung überwiegend weiblich und trägt blaue, grüne und weiße Kittel», schreiben Jörn Boewe und Johannes Schulten in der Wochenzeitung Freitag über die aktuellen Arbeitskämpfe. Wie lassen sich diese gewerkschaftlichen Kämpfe mit den Themen der Care-Revolution verbinden?

Einige Antworten dazu gibt das Jahrbuch 2013 des Denknetzes, einer Schweizer Plattform, die seit zehn Jahren nach Alternativen zum Kapitalismus sucht. Das von Hans Baumann, Iris Bischel, Michael Gemperle, Ulrike Knobloch, Beat Ringger und Holger Schatz herausgegebene Buch mit dem Titel Cash oder Crash wirft die Frage auf, ob die Sorgeökonomie zur Überwindung des Kapitalismus beitragen kann. Mit Tove Soiland, Mascha Mädorin und Gabriele Winker kommen drei Wissenschaftlerinnen zu Wort, die in den letzten Jahren wichtige Impulse für die Debatte über Care-Revolution geliefert haben.

In den theoretischen Beiträgen des Jahrbuches wird auf langjährige Auseinandersetzungen in marxistischen und feministischen Debatten Bezug genommen. Lisa Yashodhara Haller und Silke Chorus messen dem Staat eine bedeutende Rolle dabei zu, «dass im Rahmen des kapitalistischen Wirtschaftsparadigmas weitestgehend unproduktive Tätigkeiten diesseits und jenseits der Lohnarbeit das Fundament für kapitalistische Verkehrsformen bilden». Beide Autorinnen plädieren für eine Einbeziehung der Lebensbereiche jenseits der Wertform in die Kritik der politischen Ökonomie.

In mehreren Beiträgen wird die gewerkschaftliche Organisierung im Bereich der Care-Arbeit in der Schweiz untersucht. Hans Baumann und Beat Ringer begründen in ihren Acht Thesen, warum Carearbeit «nur außerhalb der Kapitalverwertung effizient und zweckmäßig organisiert werden kann». Mit ihrer Betonung einer umfassenden Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit bei gleichem Lohn machen auch sie sich für die Zusammenführung gewerkschaftlicher und feministischer Positionen stark. Vania Alleva, Pascal Pfister und Andreas Rieger schreiben am Schluss ihres Aufsatzes zu «Tertiärisierung und gewerkschaftliche Organisierung»: «Die Gewerkschaften müssen in den privaten Dienstleistungsbereichen wie auch in den öffentlichen Bereichen stärker werden. Sonst droht eine weitere Prekarisierung, insbesondere der professionalisierten Care-Arbeit.»

http://www.sozonline.de/2014/06/cash-oder-crash/

Peter Nowak

AfD – Kontrahent und möglicher Partner?

Mieter/innen protestieren vor der CDU-Bundeszentrale

„Ich wohne seit 46 Jahren in einer Wohnung  der Bundesfinanzverwaltung. Heute vertreten durch die Bundesverwaltung für Immobilienaufgaben. Hier habe ich mit meinem Ehemann unsere 2 Kinder großgezogen.     …  Nun  sind wir über  70 Jahre alt geworden und  werden  mit dem wahrscheinlichen  Verlust unserer Wohnung konfrontiert.“   Diese Sätze schrieb  die Rentnerin Babara Tharra in einen Brief  an Bundeskanzlerin Merkel.  Am  Nachmittag des  4. Juni  wurde er während einer Kundgebung in der Bundeszentrale der CDU abgegeben. Über 70 Menschen waren anwesend, darunter viele Mieter/innen der  Großgörschenstraße 25, 26, 27 und der  Katzlerstraße 10 + 11.  In einem der Häuser wohnt auch Frau Tharra. Wie sie befürchten auch die mehr als 50 anderen Mietparteien ihre Vertreibung.   Die Mieter/innen wandten sich  direkt an die Bundeskanzlerin, weil die Häuser  der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben  (BImA)  gehören. „Wir haben die Briefabgabe  und die Kundgebung genutzt,  um  dagegen zu  protestieren, dass sich die Bundesregierung  am Anheizen der Mietpreise beteiligt“, erklärt Antje Grabenhorst gegenüber MieterEcho. Die langjährige Gewerkschafterin ist Pressesprecherin der Interessengemeinschaft Großgörschenstraße/Katzlerstraße (IG  GroKA), in der sich viele Mieter der betroffenen Häuser organisiert haben.
„Rentner, die mehr 4  Jahrzehnte in den Häusern wohnen sind dort ebenso aktiv wie junge Ehepaare mit Kleinkindern“, berichtet Grabenhorst. An den Fenstern der Wohnungen hängen schon seit Wochen Transparente, auf denen unter Anderem zu lesen ist:“Auch wir Rentner wollen bleiben“ und „Merkel, wach auf“.

Seit Mai befürchten viele Mieter/innen, dass sie aus ihren Wohnungen vertrieben werden sollen. Damals erfuhren sie, dass  die Wohnungsbaugesellschaft GEWOBAG, die Interesse am Erwerb der Häuser bekundete hatte, ihr  Kaufangebot zurück zog,  weil  der er von der   BImA geforderte Preis zu hoch war.
Dafür machen die Mieter/innen, die von der Politik gesetzten Vorgaben verantwortlich,  an die sich die  BImA beim Verkauf der Wohnungen orientieren muss. Danach ist sie  zur wirtschaftlichen Verwertung der Wohnungen verpflichtet und muss sie zum Höchstpreis  veräußern.  „Für die Mieter/innen war der Rücktritt der GEWOBAG ein Alarmsignal“, erklärte   Grabenhorst. Gerade viele ältere Mieter/innen  verbinden mit dem  Name  der Wohnungsbaugesellschaft noch irgendeine Vorstellung von sozialem Wohnungsbau.  Nun befürchten sie, dass die Häuser an Investoren verkauft werden, die der hohe Preis nicht abschreckt, weil sie auf Mieterinteressen keine Rücksicht nehmen wollen.   Schreckensbilder von Sanierungsmaßnahmen, die die Mieter/innen zum Verlassen der Wohnungen  oder zum Leben auf einer Baustelle zwingen, machen die Runde. Doch diese Vorstellungen haben die Bewohner/innen auch aktiviert und wütend gemacht. Auf ihrer Kundgebung haben sie  mehrere Forderungen formuliert. Die  Mietshäuser sollen – wenn überhaupt –  ausschließlich an gemeinnützige, kommunale oder genossenschaftliche Wohnungsgesellschaften veräußert werden. Diese müssen die sozialverträgliche Vermietung sicherstellen, um eine Verdrängung der Bestandsmieter/innen durch unverhältnismäßige Mietsteigerungen zu verhindern. Entsprechend muss der Haushaltsausschuss seine Anweisungen an die BImA ändern. Den Mieter/innen  ist klar, dass diese Forderungen nicht durch einen  Brief an Merkel  umgesetzt werden. Die Kundgebung vor der CDU-Zentrale wird nicht ihre letzte Aktion gewesen, kündigen sie bereits an.

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/grossgoerschenstr-bima.html

MieterEcho online 05.06.2014

Peter Nowak

Viele Gesichter

Gespräche mit Anarchisten

Anarchisten werden oft mit Chaoten oder Gewalttätern gleich gesetzt. Bernd Drücke, Redakteur der Zeitschrift »Graswurzelrevolution«, versucht, diesem Zerrbild entgegen zu wirken. In dem von ihm herausgegebenen Interviewband »Anarchismus Hoch 2« kommen 16 Menschen zu Wort, die sich als Anarchisten verstehen und unterschiedlicher nicht sein könnten. Schon das Buchcover soll dem Klischee vom Anarchisten, der im Untergrund agiert, entgegenwirken. Porträts aller Gesprächspartner sind dort abgebildet – der emeritierte Politikprofessor Wolf-Dieter Narr findet sich dort ebenso wie der Arzt Michael Wilk, der durch die Anti-Startbahnbewegung Ende der 1980er Jahre politisiert wurde, oder die französische Kletteraktivistin Cécile Lecomte. Sie sprechen über Anarchie und Anarchismus, Soziale Bewegungen, Utopien und Zukunft. Es sind Gespräche für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft.

Manche dürfte verwundern, dass sich der Liedermacher Konstantin Wecker in dem Buch zum Anarchismus bekennt. Zuweilen hätte man sich mehr kritische Nachfragen gewünscht, etwa wie der Comiczeichner Gerhard Seyfried die Gestaltung eines Wahlplakats für den Grünenpolitiker Christian Ströbele mit seinem Anarchismusverständnis vereinbaren kann. Wann mündet die anarchistische Offenheit in Beliebigkeit?

Desillusioniert äußert sich der DDR-Oppositionelle Wolfgang Rüddenklau, sehr informativ ist das Gespräch mit dem russischen Anarchismusforscher Vadim Damier. Dass ein Bekenntnis zum Anarchismus auch heute noch mit Repression verbunden ist, zeigt das Einreiseverbot in die USA, das gegen den Österreicher Gabriel Kuhn verhängt wurde, Autor des Standardwerks über den neuen Anarchismus in den USA. Auch Drücke wurde Opfer staatlicher Repressalien. Sein Lehrauftrag an der Universität Münster wurde nicht verlängert, weil er die Unterstützung der Grünen für den Jugoslawienkrieg kritisiert hatte.

Bernd Drücke (Hg.): Anarchismus Hoch 2. Karin Kramer Verlag, 240 Seiten, 18 Euro.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/934965.viele-gesichter.html

Peter Nowak

Berliner Mieter wenden sich an Merkel

Union soll Wahlversprechen umsetzen

Mieter wollen vor der CDU-Zentrale gegen das Anheizen der Mietpreise durch die Bundesregierung protestieren.

»Die Union hat vor der Wahl versprochen, dass sie sich für eine Senkung der Mietpreise einsetzt. Jetzt wollen wir testen, was dieses Versprechen wert ist«, meint Erika Kranzler. Die Rentnerin wohnt seit zwei Jahrzehnten in der Großgörschenstraße 27 im Berliner Bezirk Schöneberg. Die Union hätte eine optimale Gelegenheit ihre Ankündigung umzusetzen. Denn das Haus gehört der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Daher haben die Mieter in einer ihrer Versammlungen beschlossen, sich mit einem Brief direkt an Angela Merkel zu wenden. Am 4. Juni soll er um 17.30 Uhr in der CDU-Zentrale abgegeben werden.

»Wir haben die Briefabgabe mit einer Kundgebung verbunden, auf der wir dagegen protestieren, dass sich die Bundesregierung am Anheizen der Mietpreise beteiligt«, erklärt Antje Grabenhorst gegenüber »nd«. Die langjährige Gewerkschafterin ist Sprecherin einer Protestgruppe, die sich IG Groko nennt und in der sich Mieter von fünf bundeseigenen Häusern in Schöneberg zusammengeschlossen haben. »Rentner, die drei Jahrzehnte in den Häusern wohnen, sind dort ebenso aktiv wie junge Ehepaare mit Kleinkindern«, berichtet Grabenhorst.

An den Fenstern der Wohnungen hängen Transparente, auf denen zu lesen ist: »Auch wir Rentner wollen bleiben.« Denn seit Mai befürchten viele Mieter, dass sie aus ihren Wohnungen vertrieben werden sollen. Dafür machen sie die von der Politik gesetzten Vorgaben verantwortlich, an die sich die Bundesanstalt beim Verkauf der Wohnungen orientieren muss. Demnach muss sie zum möglichen Höchstpreis veräußern. Die Wohnungsbaugesellschaft GEWOBAG, die Interesse an den Häusern bekundet hatte, trat deshalb vor einigen Monaten vom Kauf zurück. Der gefordert Preis war zu hoch.

»Für die Mieter war die Absage der GEWOBAG ein Schock«, sagt Grabenhorst. Für viele Ältere sei der Name noch irgendwie mit sozialem Wohnungsbau verbunden gewesen. Nun befürchten sie, dass die Häuser an Investoren verkauft werden, die auf Mieterinteressen keine Rücksicht nehmen. Schreckensbilder von Sanierungsmaßnahmen, die die Mieter zum Verlassen ihrer Wohnung oder zum Leben auf einer Baustelle zwingen, machen die Runde. Doch diese Szenarien haben die Bewohner auch wütend gemacht.

Mit der Kundgebung vor der CDU-Zentrale gehen sie nun an die Öffentlichkeit. Sie wollen dabei deutlich machen, dass die Verwertungsinteressen von Wohneigentum nicht über den Mieterinteressen stehen dürften. Die Mietshäuser sollen, wenn überhaupt, ausschließlich an gemeinnützige, kommunale oder genossenschaftliche Wohnungsgesellschaften veräußert werden, fordern die Mieter. Sozialverträgliche Mieten müssten garantiert werden, um die Verdrängung der bisherigen Bewohner durch unverhältnismäßige Steigerungen zu verhindern.

Ein Brief an Merkel wird nicht ausreichen, um diese Forderungen umzusetzen. Das ist der Mieterinitiative auch klar. Daher erhofft sie sich Unterstützung von anderen Berlinern.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/934912.berliner-mieter-wenden-sich-an-merkel.html

Peter Nowak

Peter Nowak

EU vor einem neuen Demokratietest?

Ist die Grillo-Bewegung rechts angekommen?

Kampf gegen die Fußball-WM

BEWEGUNG Linke Aktivisten diskutieren in Leipzig über Flüchtlings- und Stadtpolitik. Gäste aus Venezuela und Brasilien berichten über ihre Heimat

BERLIN taz | „Wir sind eine der ältesten noch bestehenden Solidaritätsstrukturen in Deutschland“, betont Buko-Aktivistin Martina Meister. Sie gehört zur Bundeskoordination Internationalismus, die am Wochenende in Leipzig getagt hat. Mehr als 300 Interessierte waren gekommen. Ihnen wurde eine große Palette von Diskussionsveranstaltungen und Workshops geboten.

Gegen Profitlogik

Die zwei thematischen Schwerpunkte der Buko waren in diesem Jahr die Flüchtlingspolitik und das Recht auf Stadtbewegung. Dabei wurde der Blick über den Tellerrand ernst genommen. So waren unter anderem AktivistInnen aus Venezuela und Brasilien angereist, um über die Kämpfe um das Recht auf Stadt in ihren Ländern zu berichten. Die Bedingungen sind denkbar unterschiedlich.

Die AktivistInnen aus Venezuela berichten, dass sie durch das Landgesetz zahlreiche Rechte erhalten haben. Carla Hirt von der brasilianischen Bewegung gegen die Fußballweltmeisterschaft betonte auf der Konferenz, die Menschen in Leipzig und Rio de Janeiro würden gegen die Folgen der kapitalistischen Profitlogik kämpfen. Die transnationale Kooperation beschäftigt den Buko seit seiner Gründung vor 36 Jahren. Er wurde als loser Dachverband von Solidaritätsgruppen, Erste-Welt-Läden und entwicklungspolitischen Organisationen bereits 1977 gegründet und hat die Flaute der linken Bewegung bisher überlebt. „Der Buko ist immer ein Spiegelbild des Standes der außerparlamentarischen Linken“, betonte Buko-Aktivistin Martina Meister. Die Flüchtlingskämpfe und der Widerstand gegen Zwangsräumungen waren im letzten Jahr zentrale Kampffelder der außerparlamentarischen Linken geworden. Dass es keinen Kontakt zu den Leipziger Amazon-Beschäftigten gab, die seit Wochen für einen besseren Arbeitsvertrag streiken, bedauert Martina Meister. In diesem Jahr waren viele FlüchtlingsaktivistInnen auf der Konferenz vertreten. Sie machten sich am Sonntag von dort aus auf den Weg zu ihrem „Marsch für die Freiheit“ durch mehrere europäische Länder.

Von Leipzig fuhren sie mit dem Bus ins luxemburgische Schengen, um gegen die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit zu protestieren. „Das war ebenso ein gelungenes Beispiel für eine transnationale Solidarität wie der Auftritt der brasilianischen Aktivistin auf der Demo zum Erhalt eines Wagenplatzes in Leipzig“, meinte Marina Meister.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=in&dig=2014%2F06%2F02%2Fa0034&cHash=35b28b416c5bd1cc01445046bfce063e

Peter Nowak

Solidarität von der Pleiße bis an die Copa Cabana

In Leipzig kam die Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) zu ihrem 36. Kongress zusammen

Mietenkämpfe, Fußball-WM, Flüchtlingshilfe und Wagenplätze – die Themenpalette beim 36. BUKO-Kongress war breit gefächert.

Leipzig hat seit dem 24. Mai einen neuen Wagenplatz. Die Bewohner des Trailerparks wollen eine Brache im Osten der Stadt zu ihren Lebensmittelpunkt machen. Doch nun droht die Räumung. Am vergangenen Samstag gingen die Wagenplatzbewohner in Leipzig mit internationaler Unterstützung auf die Straße. In einem Redebeitrag erklärte Carla Hirt von der brasilianischen Bewegung gegen die Fußballweltmeisterschaft, in Leipzig wie in Rio de Janeiro kämpfen die Menschen gegen ein kapitalistisches System, dass den Profit zur einzigen Maxime erhoben habe. Eingeladen wurde Hirt von der Bundeskoordinierung Internationalismus (BUKO), der vom 29. Mai bis 1. Juni in der Leipziger tagte. »Wir sind eine der ältesten noch bestehenden Solidaritätsstrukturen«, betont BUKO-Aktivistin Martina Meister. Tatsächlich wurde der Dachverband von Solidaritätsgruppen, Eine-Welt-Läden und entwicklungspolitischen Organisationen bereits 1977 gegründet und hat die Flaute der linken Bewegung bisher überlebt. »Dabei sah die Perspektive des BUKO schon öfter schlecht aus«, betont Meister.

Als die Koordination 2008 für das 30. Jubiläum zum ersten Mal nach Leipzig eingeladen hatte, hätte kaum jemand darauf gewettet, dass sie sechs Jahre später erneut in der Stadt tagen wird. »Ohne viel unbezahltes Engagement wäre diese enorme Arbeit nicht zu leisten«, meint auch Joachim Kleist, der ebenfalls im ehrenamtlichen BUKO-Vorbereitungskreis tätig ist.

In diesem Jahr gab es auf dem Kongress zwei Themenkomplexe. Der eine kreiste um die Flüchtlingspolitik, der andere um die Mietenkämpfe, die auch unter dem Oberthema Recht auf Stadt diskutiert wurden. Wie ist es möglich, diese Bewegungen zusammenzuführen, lautete eine zentrale Frage auf verschiedenen Podiumsdiskussionen und Workshops. Die Notwendigkeit einer besseren Kooperation hat niemand bestritten. So betonte eine Aktivistin der Bewegung gegen Zwangsräumungen, dass der Grund für Mietschulden in dem wachsenden Niedriglohnsektor in Deutschland und der Sanktionspolitik der Jobcenter liege. Daher wäre der Kampf für höhere Löhne und die Abschaffung der Sanktionen für Hartz IV-Empfänger auch ein Beitrag dazu, dass es gar nicht erst zu Räumungsklagen kommt.

Ein Grund für die Schwierigkeiten, Gewerkschaften, Erwerbslosengruppen und Mieterinitiativen im Kampf gegen eine Zwangsräumung zusammenzubringen, sahen mehrere Konferenzteilnehmer in dem Fehlen einer linken Organisation, die in der Lage wäre, verschiedene Teilbereichskämpfe zu verbinden. Viele der ca. 300 BUKO-Teilnehmer sind an linken Organisationsprojekten wie der Interventionistischen Linken (IL) beteiligt. Andere wollen dezentrale Strukturen nicht zugunsten fester bundesweiter Organisationen ersetzen.

In der praktischen Kooperation war man sich einig. So machten Flüchtlinge auf ihrem Marsch für die Freiheit durch mehrere europäische Länder beim BUKO Zwischenstation. Von Leipzig fuhren sie mit dem Bus ins luxemburgische Schengen, um gegen die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit zu protestieren. »Das war ebenso ein gelungenes Beispiel für eine transnationale Solidarität wie der Auftritt der brasilianischen Aktivistin auf der Demo zum Erhalt eines Wagenplatzes in Leipzig«, meinte Martina Meister.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/934653.solidaritaet-von-der-pleisse-bis-an-die-copa-cabana.html

Peter Nowak