Berliner Mieter wenden sich an Merkel

Union soll Wahlversprechen umsetzen

Mieter wollen vor der CDU-Zentrale gegen das Anheizen der Mietpreise durch die Bundesregierung protestieren.

»Die Union hat vor der Wahl versprochen, dass sie sich für eine Senkung der Mietpreise einsetzt. Jetzt wollen wir testen, was dieses Versprechen wert ist«, meint Erika Kranzler. Die Rentnerin wohnt seit zwei Jahrzehnten in der Großgörschenstraße 27 im Berliner Bezirk Schöneberg. Die Union hätte eine optimale Gelegenheit ihre Ankündigung umzusetzen. Denn das Haus gehört der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Daher haben die Mieter in einer ihrer Versammlungen beschlossen, sich mit einem Brief direkt an Angela Merkel zu wenden. Am 4. Juni soll er um 17.30 Uhr in der CDU-Zentrale abgegeben werden.

»Wir haben die Briefabgabe mit einer Kundgebung verbunden, auf der wir dagegen protestieren, dass sich die Bundesregierung am Anheizen der Mietpreise beteiligt«, erklärt Antje Grabenhorst gegenüber »nd«. Die langjährige Gewerkschafterin ist Sprecherin einer Protestgruppe, die sich IG Groko nennt und in der sich Mieter von fünf bundeseigenen Häusern in Schöneberg zusammengeschlossen haben. »Rentner, die drei Jahrzehnte in den Häusern wohnen, sind dort ebenso aktiv wie junge Ehepaare mit Kleinkindern«, berichtet Grabenhorst.

An den Fenstern der Wohnungen hängen Transparente, auf denen zu lesen ist: »Auch wir Rentner wollen bleiben.« Denn seit Mai befürchten viele Mieter, dass sie aus ihren Wohnungen vertrieben werden sollen. Dafür machen sie die von der Politik gesetzten Vorgaben verantwortlich, an die sich die Bundesanstalt beim Verkauf der Wohnungen orientieren muss. Demnach muss sie zum möglichen Höchstpreis veräußern. Die Wohnungsbaugesellschaft GEWOBAG, die Interesse an den Häusern bekundet hatte, trat deshalb vor einigen Monaten vom Kauf zurück. Der gefordert Preis war zu hoch.

»Für die Mieter war die Absage der GEWOBAG ein Schock«, sagt Grabenhorst. Für viele Ältere sei der Name noch irgendwie mit sozialem Wohnungsbau verbunden gewesen. Nun befürchten sie, dass die Häuser an Investoren verkauft werden, die auf Mieterinteressen keine Rücksicht nehmen. Schreckensbilder von Sanierungsmaßnahmen, die die Mieter zum Verlassen ihrer Wohnung oder zum Leben auf einer Baustelle zwingen, machen die Runde. Doch diese Szenarien haben die Bewohner auch wütend gemacht.

Mit der Kundgebung vor der CDU-Zentrale gehen sie nun an die Öffentlichkeit. Sie wollen dabei deutlich machen, dass die Verwertungsinteressen von Wohneigentum nicht über den Mieterinteressen stehen dürften. Die Mietshäuser sollen, wenn überhaupt, ausschließlich an gemeinnützige, kommunale oder genossenschaftliche Wohnungsgesellschaften veräußert werden, fordern die Mieter. Sozialverträgliche Mieten müssten garantiert werden, um die Verdrängung der bisherigen Bewohner durch unverhältnismäßige Steigerungen zu verhindern.

Ein Brief an Merkel wird nicht ausreichen, um diese Forderungen umzusetzen. Das ist der Mieterinitiative auch klar. Daher erhofft sie sich Unterstützung von anderen Berlinern.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/934912.berliner-mieter-wenden-sich-an-merkel.html

Peter Nowak

Peter Nowak