Neuer Zoff um das Dragoner-Areal

Informationstreffen zwischen Senat, Bezirk und Initiativen verläuft turbulent – massive Kritik an Plänen

Unter dem Motto »Die Utopie planen« trafen sich am vergangenen Montagabend Vertreter von stadtpolitischen Initiativen sowie Politiker im Rathaus Friedrichshain-Kreuzberg. Ziel des Treffens war es, sich über den aktuellen Stand zum Dragoner-Areal zu verständigen – jenes 47 000 Quadratmeter große Grundstück in Kreuzberg, das derzeit noch dem Bund gehört und von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) verwaltet wird. Wie im Rahmen des Hauptstadtfinanzierungsvertrages vereinbart, soll das Grundstück aber vom Bund an Berlin übertragen werden, damit dort unter anderem Sozialwohnungen gebaut werden können. Wenn es dagegen nach der BImA gegangen wäre, würden dort Eigentumswohnungen entstehen. 

In den vergangenen Monaten schienen Initiativen und das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg sowie der Senat bei der Perspektive des Dragoner-Areals an einem Strang zu ziehen. Doch kurz bevor das Grundstück an das Land Berlin übereignet wird, brechen die Konflikte zwischen Initiativen und Politik neu auf. Das wurde auf der Informationsveranstaltung deutlich. Dort begründete Wohnen-Staatssekretär Sebastian Scheel (LINKE), warum seine Behörde das Grundstück an die städtische Wohnungsbaugesellschaft degewo übertragen will. Würde das Land die Grundstücke in Eigenregie übernehmen, würde die Steuerbelastung steigen, hieß es. Scheel betonte, dass die Offenheit für unterschiedliche Nutzer- und Betreibermodelle weiterhin gewährleistet bleibe. Als weiteren Sachzwang führte Scheel an, dass die Rückübertragung bis zum 30. Juni 2018 abgeschlossen sein müsse. Bis dahin sei es nicht möglich, eine neue Trägergesellschaft zu gründen. 

Diesen Argumenten schloss sich der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), an. Obwohl er kritisch anmerkte, dass der Bezirk in die Entscheidung nicht genügend einbezogen worden sei, riet er den stadtpolitischen Gruppen, sich auf eine Kooperation mit der Wohnungsbaugesellschaft einzulassen.

Doch die zahlreich erschienenen Initiativenvertreter wollten sich dem nicht beugen. »In der Entwicklung des Modells für das Dragoner-Areal gibt es keine übereilte Festlegung«, zitierte Enrico Schönberg von der Initiative »Stadt von Unten« einen Grundsatz. Und: Die Entwicklung und die künftige Nutzung des Areals werden gemeinsam bestimmt. Die Initiative »Wem gehört Kreuzberg« stellte den Wohnungsbau generell infrage. Als Zeichen des Protestes verließen Vertreter der Gruppe im Anschluss sogar das Treffen. Trotz der neuen Konflikte verständigten sich die verbliebenen Aktivisten darauf, mit der Politik im Gespräch zu bleiben.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1069424.neuer-zoff-um-das-dragoner-areal.html
Peter Nowak

Das Land und seine Liegenschaften

Mit einem Volksentscheid will eine Initiative in Berlin den Bau von mehr sozialem Wohnraum durchsetzen. Der Senat hat juristischen Widerstand angekündigt.

48  541 Unterschriften hat die Initiative »Mietenvolksentscheid Berlin« am 1. Juni der Senats­verwaltung für Inneres übergeben. So viele in Berlin gemeldete Personen haben den Antrag für ­einen Volksentscheid unterstützt, der ein »Gesetz über die Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung in Berlin« zum Ziel haben soll. Ab einer Unterschriftenzahl von 20 000 kann man beim Innensenator die Einleitung eines Volksentscheids beantragen. Kern des 59seitigen Gesetzentwurfs, den die Initiative vorgelegt hat, ist die Einrichtung eines Wohnraumförderfonds zur sozialen Wohnraumversorgung. Außerdem sollen die landeseigenen Immobilien verstärkt für den sozialen Wohnungsbau genutzt und ­dieser soll auf neue rechtliche Grundlagen gestellt werden.

Bisher scheiterten Versuche, landeseigene Grundstücke für Genossenschaften und nichtkommer­zielle Wohnprojekte zur Verfügung zu stellen, an der Vorgabe des Liegenschaftsfonds, die Areale gewinnbringend zu veräußern. Mittlerweile ist es Mieterinitiativen gelungen, die Kritik an dieser Praxis bis ins Parlament zu tragen. So wird derzeit heftig über die Zukunft des Dra­go­ner­areals am Mehringdamm in Berlin-Kreuzberg gestritten. Während der Bund weiterhin die Meistbietenden zum Zuge kommen lassen möchte, unterstützen nicht nur Kreuzberger Bezirkspolitiker, sondern auch einige Ländervertreter im Bundesrat die Initiative »Stadt von unten«, die sich für eine sozialverträgliche Gestaltung des Areals einsetzt. Auch die Interessengemeinschaft Groka, in der sich Mieter aus der Großgörschen- und der Katzlerstraße in Schöneberg zusammengeschlossen haben, fordern von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) den Stopp des Verkaufs ihrer Häuser zum Höchstpreisgebot.

Diese Initiativen sind das Ergebnis einer Mieterbewegung in Berlin, in der es nicht um ein Lamento über gierige Immobilienhändler oder die Jagd auf Vermieter von Ferienwohnungen geht. Initiativen wie die IG Groka und »Stadt von unten« stellen in Frage, dass Grund und Boden der kapitalistischen Verwertung unterworfen sein sollen.

Obwohl mit den vorgelegten Unterschriften die erste Hürde des Verfahrens für ein Volksbegehren genommen sein könnte, heißt das noch nicht, dass der Gesetzentwurf zur Abstimmung kommt. Nachdem sich die Initiatoren von Warnungen durch Mitglieder des Berliner Senats wegen der hohen Kosten, die bei einer Realisierung ihrer Vorschläge für die Schaffung von mehr sozialem Wohnraum anfallen würden, nicht haben einschüchtern lassen, hat Berlins Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) nun angekündigt, den Gesetzentwurf vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof prüfen zu lassen. Es müsse geklärt werden, inwieweit ein solch tiefer Eingriff in das Budgetrecht des Parlaments verfassungsgemäß sei. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) machte bereits Ende April Stimmung gegen den Mietenvolksentscheid und wies darauf hin, dass im Fall seines Erfolgs erst einmal kein Geld mehr für Kitas, Kultur und den öffentlichen Personennahverkehr zur Verfügung stehe.

Für die Initiatoren des Volksbegehrens, zu denen neben Mieterinitiativen wie »Kotti und Co« auch die Interventionistische Linke gehört, könnten solche Drohungen auch eine Chance sein. Zumindest wird deutlich, dass es illusionär ist, auf dem kapitalistischen Wohnungsmarkt per Unterschrift eine sozialverträglichere Mietenpolitik durchzusetzen. Die kommenden Monate, in denen der Gesetzesentwurf juristisch geprüft wird, könnten für eine Debatte darüber genutzt werden, wie man reagieren wird, sollte das Volksbegehren vom Verfassungsgerichtshof gestoppt werden. Zudem gibt es Zeit für eine Diskussion mit den wenigen linken Kritikern der Initiative, die sich zu Wort gemeldet haben. So bezeichnete Karl-Heinz Schubert im Editorial des Online-Magazins Trend den zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf als »kapitalaffines Elaborat« und warf linken Unterstützern des Mietervolksbegehrens vor, sich am Mitverwalten im Kapitalismus zu beteiligen.

http://jungle-world.com/artikel/2015/24/52111.html

Peter Nowak

Mieter/innen protestieren vor der CDU-Bundeszentrale

„Ich wohne seit 46 Jahren in einer Wohnung  der Bundesfinanzverwaltung. Heute vertreten durch die Bundesverwaltung für Immobilienaufgaben. Hier habe ich mit meinem Ehemann unsere 2 Kinder großgezogen.     …  Nun  sind wir über  70 Jahre alt geworden und  werden  mit dem wahrscheinlichen  Verlust unserer Wohnung konfrontiert.“   Diese Sätze schrieb  die Rentnerin Babara Tharra in einen Brief  an Bundeskanzlerin Merkel.  Am  Nachmittag des  4. Juni  wurde er während einer Kundgebung in der Bundeszentrale der CDU abgegeben. Über 70 Menschen waren anwesend, darunter viele Mieter/innen der  Großgörschenstraße 25, 26, 27 und der  Katzlerstraße 10 + 11.  In einem der Häuser wohnt auch Frau Tharra. Wie sie befürchten auch die mehr als 50 anderen Mietparteien ihre Vertreibung.   Die Mieter/innen wandten sich  direkt an die Bundeskanzlerin, weil die Häuser  der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben  (BImA)  gehören. „Wir haben die Briefabgabe  und die Kundgebung genutzt,  um  dagegen zu  protestieren, dass sich die Bundesregierung  am Anheizen der Mietpreise beteiligt“, erklärt Antje Grabenhorst gegenüber MieterEcho. Die langjährige Gewerkschafterin ist Pressesprecherin der Interessengemeinschaft Großgörschenstraße/Katzlerstraße (IG  GroKA), in der sich viele Mieter der betroffenen Häuser organisiert haben.
„Rentner, die mehr 4  Jahrzehnte in den Häusern wohnen sind dort ebenso aktiv wie junge Ehepaare mit Kleinkindern“, berichtet Grabenhorst. An den Fenstern der Wohnungen hängen schon seit Wochen Transparente, auf denen unter Anderem zu lesen ist:“Auch wir Rentner wollen bleiben“ und „Merkel, wach auf“.

Seit Mai befürchten viele Mieter/innen, dass sie aus ihren Wohnungen vertrieben werden sollen. Damals erfuhren sie, dass  die Wohnungsbaugesellschaft GEWOBAG, die Interesse am Erwerb der Häuser bekundete hatte, ihr  Kaufangebot zurück zog,  weil  der er von der   BImA geforderte Preis zu hoch war.
Dafür machen die Mieter/innen, die von der Politik gesetzten Vorgaben verantwortlich,  an die sich die  BImA beim Verkauf der Wohnungen orientieren muss. Danach ist sie  zur wirtschaftlichen Verwertung der Wohnungen verpflichtet und muss sie zum Höchstpreis  veräußern.  „Für die Mieter/innen war der Rücktritt der GEWOBAG ein Alarmsignal“, erklärte   Grabenhorst. Gerade viele ältere Mieter/innen  verbinden mit dem  Name  der Wohnungsbaugesellschaft noch irgendeine Vorstellung von sozialem Wohnungsbau.  Nun befürchten sie, dass die Häuser an Investoren verkauft werden, die der hohe Preis nicht abschreckt, weil sie auf Mieterinteressen keine Rücksicht nehmen wollen.   Schreckensbilder von Sanierungsmaßnahmen, die die Mieter/innen zum Verlassen der Wohnungen  oder zum Leben auf einer Baustelle zwingen, machen die Runde. Doch diese Vorstellungen haben die Bewohner/innen auch aktiviert und wütend gemacht. Auf ihrer Kundgebung haben sie  mehrere Forderungen formuliert. Die  Mietshäuser sollen – wenn überhaupt –  ausschließlich an gemeinnützige, kommunale oder genossenschaftliche Wohnungsgesellschaften veräußert werden. Diese müssen die sozialverträgliche Vermietung sicherstellen, um eine Verdrängung der Bestandsmieter/innen durch unverhältnismäßige Mietsteigerungen zu verhindern. Entsprechend muss der Haushaltsausschuss seine Anweisungen an die BImA ändern. Den Mieter/innen  ist klar, dass diese Forderungen nicht durch einen  Brief an Merkel  umgesetzt werden. Die Kundgebung vor der CDU-Zentrale wird nicht ihre letzte Aktion gewesen, kündigen sie bereits an.

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/grossgoerschenstr-bima.html

MieterEcho online 05.06.2014

Peter Nowak