Zurück Mehr Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte

Die oft tödlichen Folgen bundesdeutscher Flüchtlingspolitik und der schwierige Widerstand dagegen

Wer braucht schon Fakten?

»11.9. Insidejob der USA« verkünden große Plakate vor dem Brandenburger Tor. Es ist Montag, seit dem 7. März ist dieser Tag für Verschwörungstheoretiker und rechte Esoteriker ein Pflichttermin. Um 18 Uhr versammeln sie sich vor dem Brandenburger Tor in Berlin und mittlerweile auch in 23 weiteren Städten. »Stoppt NWO und Fed« ist auf einem Transparent zu lesen. Die Abkürzungen stehen für »Neue Weltordnung« und die US-Notenbank, letztgenannte ist für die Montagsdemonstranten Feindbild Nummer eins. Auf selbstgebastelten Transparenten finden sich Parolen gegen die Fed und die USA. Ein Plakat zeigt einen Arm in den Farben der US-Flagge, der eine Lunte entzündet, um die Welt in die Luft zu jagen. Das gleiche Motiv war schon am 30. März vor dem Reichstagsgebäude zu sehen, als die Rechtspopulisten von Pro Deutschland mit Reichsbürgern und anderen Splittergruppen der rechten Szene für Putin demonstrierten. Auf der Montagsdemonstration mit etwa 1 200 Teilnehmern sagt ein Redner: »Wir sind nicht rechts oder links. Wir wollen nur, dass es mit Deutschland aufwärts geht.« Das will sicher auch der Mann, der Postkarten mit der Aufschrift »Einigkeit und Recht und Freiheit für des Menschen Tellerrand« verteilt. Beim Klick auf die angegebene Homepage gelangte man noch vor einigen Tagen zum Link des Youtube-Films »Der 2.Weltkrieg. Was man uns vergessen hat, zu erzählen«. Ernst Zündel und andere Altnazis verkünden dort ihre braune »Wahrheit« über Deutschland im Zweiten Weltkrieg. Wahrheitssucher scheint es auf der Demonstration einige zu geben, immer wieder wird die Forderung nach »ehrlichen Medien« laut. Der Organisator der Berliner Montagsdemonstration vertritt ebenfalls eine ganz eigene historische Wahrheit, wenn er behauptet, für fast alle Kriege in den vergangenen 100 Jahren sei die Fed verantwortlich. Einige Antifaschisten, die die Szene am Brandenburger Tor beobachten, hoffen noch, dass sich die Bewegung verläuft.

http://jungle-world.com/artikel/2014/16/49699.html

Peter Nowak

Facetten der Care-Arbeit

Die Care-Revolution von den Lohnkämpfen zu trennen, ist ebenso falsch wie die Ausblendung der marxistischen Debatten.

Ist Care-Arbeit nur ein modernerer Begriff für Tätigkeiten, die einst unter den Begriff Reproduktionsarbeit gefasst wurden? Kann die Care-Revolution zur Überwindung des Kapitalismus beitragen oder wird sie einen Beitrag zur Modernisierung des Kapitalismus leisten? Die Berliner Politikwissenschaftlerin Pia Garske hat in einem Beitrag in der Zeitschrift Analyse & Kritik dem Care-Begriff diese Fragen gestellt: »Seine Offenheit und auch die unscharfen Bestimmungen von AkteurInnen und möglichen Interessengegensätzen machen ihn zu einem Containerbegriff, der unterschiedlich, auch neoliberal gefüllt werden kann.«

Dass Garskes Befürchtung berechtigt ist, wird im Beitrag von Hannah Wettig (13/2014) deutlich. »Die Erkenntnis, dass nicht Kapitalismuskritik, sondern Kultur- und Religionskritik radikaler Feminismus wären, ist zugegebenermaßen nicht besonders kuschelig«, endet er. Mittelklassefrauen können sich in einem solchen von Staat und Kapital geförderten Kapitalismus mit feministischem Antlitz vielleicht gut einrichten. Für die vielen Care-Arbeiterinnen aus unterschiedlichen Ecken der Welt, die oft im Haushalt dieser Mittelklassefrauen arbeiten und sogar leben und deren Karriere ermöglichen, gilt das allerdings nicht. Sie haben oft mit Überausbeutung und Niedriglöhnen zu kämpfen.

Wenn Wettig zu der Einschätzung kommt, dass der Zugang zu Bildung, Gesundheit und Freizeit sich weltweit und vor allem für Frauen deutlich verbessert hat, stimmt das als empirischer Befund. Das ist aber in erster Line dem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt zu verdanken. Wettig stellt aber nicht die Frage, ob nicht beim gegenwärtig erreichten Stand der Produktivkräfte Bildung, Gesundheit und Freizeit nicht für viel mehr Menschen erreichbar sein könnten, wenn der gesellschaftliche Maßstab die Verwertungslogik wäre. So wollen etwa Pharmakonzerne die Produktion von kostengünstigen Generika verhindern, die Millionen Menschen vor allem im globalen Süden vor den Folgen behandelbarer Krankheiten bewahren können. In vielen Ländern der europäischen Peripherie sind in Zeiten der Krise die Sozialsysteme kollabiert. Vor allem aus Spanien, Griechenland, aber auch Italien erreichen uns seit einigen Jahren Berichte über Patienten, die aus Geldmangel in den Kliniken nicht behandelt werden, und über geschlossene Schulen. Frauen werden dabei besonders belastet, weil sie in der Regel zusätzliche Pflegearbeit in den Familien verrichten müssen, wenn der Sozialstaat kollabiert.

Diese Care-Arbeiterinnen werden bei Wettig ebenso ausgeblendet wie die kollabierenden Sozialsysteme in vielen Ländern der europäischen Peripherie. Nur so kann sie zu der Einschätzung kommen, dass »der Zugang zu Bildung, Gesundheit und Freizeit« sich »weltweit und vor allem für Frauen deutlich verbessert« habe.

Die Gruppe Kitchen Politics hat recht, wenn sie in ihrem Beitrag (14/2014) Wettigs Position in die Nähe liberaler Modernisierungstheorien rückt. Erstaunlich aber ist, dass die queerfeministische Gruppe zu der Einschätzung kommt: »Die ›Care Revolution‹ steht für das Interesse an einer neuen Bewegung, die nicht an der Lohnarbeit ausgerichtet ist – und die damit andere politische Subjekte ermöglicht.«

Dabei waren es gerade die Veränderungen der Lohnarbeitsverhältnisse, die die Care-Revolution-Debatte beschleunigt haben. Jörn Boewe und Johannes Schulten haben diese Veränderungen in einem Beitrag in der Wochenzeitung Freitag so auf den Punkt gebracht: »Vor 30 Jahren schrieben Männer im Blaumann Tarifgeschichte: Stahlkocher, Automobilbauer und Drucker erkämpften 1984 in wochenlangen Streiks den Einstieg in die 35-Stunden-Woche. Heute, 30 Jahre später, ist die Speerspitze der Arbeiterbewegung überwiegend weiblich und trägt blaue, grüne und weiße Kittel.« Vor einigen Jahren machte der juristische Erfolg einer Hausangestellten aus Peru Schlagzeilen, die bei einer Hamburger Lehrerfamilie schuftete und mit gewerkschaftlicher Unterstützung den ihr jahrelang vorenthaltenen Lohn erstritt. Auch der Kampf um die Verbesserung der Arbeitsverhältnisse in der Berliner Charité ist ein gutes Beispiel. Die Beschäftigten haben auf der Care-Revolution-Konferenz über ihre Auseinandersetzung berichtet. Zeitgleich informierten ebenfalls in Berlin auf einem Treffen des Netzwerks europäischer Basisgewerkschaften polnische Krankenschwestern und Hebammen über eine europäische Kampagne gegen die kapitalistische Landnahme im Gesundheitssystem. Zu einer zunächst angestrebten Kooperation zwischen den Basisgewerkschafterinnen und den Care-Revolutionärinnen, die am 16. März zeitgleich nur we­nige Kilometer entfernt in Berlin tagten, ist es nicht gekommen. Daran wird deutlich, wie wichtig eine Zusammenarbeit zwischen gewerkschaftlichen und feministischen Organisationen im Alltag ist.

Ein gutes Beispiel für eine Verbindung gewerkschaftlicher und care-revolutionärer Positionen in Theorie und Praxis liefert das Jahrbuch 2013 des Denknetzes, einer Schweizer Plattform, die seit zehn Jahren nach Alternativen zum Kapitalismus sucht. Das von Hans Baumann, Iris Bischel, Michael Gemperle, Ulrike Knobloch, Beat Ringer und Holger Schatz herausgegebene Buch mit dem ­Titel »Care statt Crash« hat die Frage aufgeworfen, ob die Sorgeökonomie zur Überwindung des Kapitalismus beitragen kann. Einfache Antworten gibt es nicht, dafür kommen mit Tove Soiland, Mascha Madörin und Gabriele Winker drei Wissenschaftlerinnen zu Wort, die in den vergangenen Jahren wichtige Impulse für die Debatte über die Care-Revolution geliefert haben. In mehreren Beiträgen wird die gewerkschaftliche Organisierung im Bereich der Care-Arbeit in der Schweiz untersucht. Vania Alleva, Pascal Pfister und Andreas Rieger schreiben am Schluss ihres Aufsatzes zu »Tertiärisierung und gewerkschaftliche Organisierung«: »Die Gewerkschaften müssen in den privaten Dienstleistungsbereichen wie auch in den öffentlichen Bereichen stärker werden. Sonst droht eine weitere Prekarisierung, insbesondere der professionalisierten Care-Arbeit.« Hans Baumann und Beat Ringer begründen in ihren acht Thesen, warum Care-Arbeit »nur außerhalb der Kapitalverwertung effizient und zweckmäßig organisiert werden kann«. Mit ihrer Betonung einer umfassenden Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit bei gleichem Lohn machen auch sie sich für die Zusammenführung gewerkschaftlicher und feministischer Positionen stark.

In den theoretischen Beiträgen des Jahrbuchs wird auf langjährige Auseinandersetzungen in den marxistischen und feministischen Debatten rekurriert. Lisa Yashodhara Haller und Silke Chorus messen dem Staat eine bedeutende Rolle dabei zu, »dass im Rahmen des kapitalistischen Wirtschaftsparadigmas weitestgehend unproduktive Tätigkeiten diesseits und jenseits der Lohnarbeit das Fundament für kapitalistische Verkehrsformen bilden«. Beide Autorinnen plädieren für eine Einbeziehung der Lebensbereiche jenseits der Wertform in die Kritik der politischen Ökonomie. Damit beziehen sie sich auf langjährige feministische Einwände gegen eine marxistische Ökonomiekritik, die die unbezahlte Reproduktionsarbeit ausgeblendet habe.

Ist es nun praktisch und theoretisch sinnvoll, diese Care-Arbeit unter dem Label der »anderen Ökonomie« der wertförmigen Arbeit zuzurechnen? Der Soziologe und Theoretiker der Krisis-Gruppe Peter Samol verneint diese Frage in seinem Beitrag. Für ihn handelt es sich bei der »Ausgliederung der nichtvergüteten, für die Reproduktion der Gesellschaft und der Gattung unersetzlichen Care-Tätigkeiten aus dem Ökonomischen (…) um eine strukturelle Eigentümlichkeit der kapitalistischen Vergesellschaftungsform, die sich nur gemeinsam mit dieser aufheben lässt«. Die Beiträge in dem Jahrbuch machen deutlich, dass es ein Gewinn für die Care-Revolution-Debatte ist, wenn gewerkschaftliche Praxis und marxistische Theorie einbezogen werden.

http://jungle-world.com/artikel/2014/16/49702.html

Peter Nowak

Der Protest schwelt weiter

FLÜCHTLINGE Die Diskussion über den Oranienplatz geht auch nach dem Abbau der Zelte weiter: Eine Veranstaltung mit Bezirksbürgermeisterin Herrmann endete im Streit

Nach zwei Stunden gab der Moderator auf. „Weil eine Diskussion in der aufgeheizten Stimmung nicht möglich ist, beende ich die Veranstaltung jetzt“, erklärte ein sichtlich gestresster Reza Amiri (Linke). Der Bezirksverordnete von Friedrichshain-Kreuzberg hatte am Dienstagabend zwei Stunden lang versucht, eine Diskussionsveranstaltung zu moderieren, zu der das Linken-nahe Bildungszentrum Helle Panke geladen hatte.

Erstmals seit der Räumung des Flüchtlingscamps auf dem Oranienplatz trafen dabei Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) und jener Teil der Flüchtlinge aufeinander, die die Vereinbarung mit dem Senat ablehnten.

Hungerstreik geht weiter

Am vergangenen Dienstag hatte der Großteil der Flüchtlinge nach eineinhalb Jahren Besetzung den Oranienplatz in Kreuzberg geräumt und war in ein ehemaliges Hostel in Friedrichshain gezogen. Im Gegenzug hatte der Senat den Flüchtlingen eine Einzelfallprüfung ihrer Asylanträge und ein vorläufiges Bleiberecht zugesichert. Eine kleine Gruppe protestiert weiter an der Nordseite des Oranienplatzes, fünf befinden sich im Hungerstreik.

„Die Veranstaltung war schon länger geplant. Durch die Räumung des Oranienplatzes durch einen Teil der Flüchtlinge gegen den Willen ihrer Mitstreitenden hat sie aber an Brisanz gewonnen“, erklärte Fabian Kunow vom Bildungszentrum Helle Panke am Mittwoch.

Vor allem um die Zukunft der von Flüchtlingen besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule gab es für heftige Kontroversen. Ein Flüchtling verlangte von Herrmann die Zusicherung, dass keiner der BewohnerInnen der Schule geräumt wird. Das aber scheint ohnehin nicht geplant zu sein: Seitens des Bezirksamts hieß es am Dienstag, es sei in jedem Fall kein Auszug geplant, solange das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales keine alternative Unterkunft zur Verfügung stelle. Der Bezirk sei mit den BewohnerInnen im Gespräch und versuche derzeit, ihren genauen Status festzustellen.

Während des Schlagabtauschs zwischen Herrmann und Flüchtlingen kam die Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak (Linke), die ebenfalls am Podium saß, nur selten zu Wort. Sie hatte die Ergebnisse eines Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags vorgestellt, um zu zeigen, dass die Landesbehörden nach Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes einen Ermessensspielraum hätten und auch der gesamten Gruppe der Flüchtlinge ein Aufenthaltsrecht zusprechen könnten. Doch darauf ging am Dienstagabend niemand ein.

Am Mittwoch kritisierte auch der Flüchtlingsrat Berlin die Räumung des Oranienplatzes. Sie sei „eine traurige Bilanz für die Flüchtlingspolitik des Senates“. Das Angebot bleibe weit hinter den rechtlichen Möglichkeiten zurück und biete den Flüchtlingen keinerlei Sicherheit, „weder hinsichtlich des Verfahrens, geschweige denn des Ergebnisses“. Der Flüchtlingsrat kritisierte weiter, der Senat habe die Spaltung der Flüchtlinge bewusst betrieben und forderte nun eine „einvernehmliche“ Lösung für die Flüchtlinge in der Schule.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F04%2F17%2Fa0156&cHash=344939b345f45f9280023f8309414f7b

VON PETER NOWAK UND JULIANE SCHUMACHER

Die Angst ist groß

Flüchtlinge diskutierten mit Bezirksbürgermeisterin Monika Hermann / Zukunft der besetzten weiter Schule unklar

Eine schon länger geplante Diskussionsveranstaltung über die deutsche Asylpolitik verlief erregt. Der Grund: Die Räumung des Oranienplatzes vor einer Woche.

»Denken Sie an die Kinder, die im Flüchtlingslager leben müssen. Ihre Eltern dürfen nicht arbeiten und nicht verreisen.« Die Stimme von Amir ist brüchig. Der Flüchtling aus Ruanda sprach am Dienstagabend vor dem voll besetzten Saal im Kreuzberger Club SO 36. Der politische Bildungsverein Helle Panke hatte zur Diskussion über die europäische und deutsche Asylpolitik geladen. Gekommen sind die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), die Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak (Linkspartei), der Sprecher der Flüchtlingsaktivisten vom Oranienplatz, Turgay Ulu, der Flüchtling Darlington sowie Marius vom Unterstützerkreis der von Flüchtlingen besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule.

»Die Veranstaltung war schon länger geplant. Durch die Räumung des Oranienplatzes durch einen Teil der Flüchtlinge gegen den Willen ihrer Mitstreitenden hat diese aber nochmals an Brisanz gewonnen«, erklärte Fabian Kunow von der Hellen Panke. Tatsächlich lagen die Nerven an dem Abend blank. Monika Herrmann klagte die »rassistische Asylpolitik« an und lobte die Flüchtlinge, weil sie Druck auf die Politik machten, um Gesetze zu ändern. Deshalb setze sie sich dafür ein, dass das Protestzelt der Flüchtlinge wieder aufgebaut wird. Allerdings stellte Herrmann auch klar, dass Übernachtungen auf dem Oranienplatz nicht mehr zugelassen werden.

»Wir brauchen kein BlaBla, sondern Hilfe«, widersprach ein Flüchtling unter Applaus. Auch Politikerinnen wie Monika Herrmann seien für ihn das Problem. Halina Wawzyniak kam in der erregten Debatte nur selten zu Wort. Sie stellte das Ergebnis eines Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags vor, das den Flüchtlingen Hoffnungen macht. Es kommt zu dem Schluss, dass den obersten Landesbehörden bei einer Aufenthaltsgenehmigung nach § 23 Aufenthaltsgesetz »zur Wahrung der politischen Interessen … ein weiter politischer Beurteilungsspielraum eingeräumt« wird. Jedoch wurde darauf in der Diskussion nicht weiter eingegangen.

Eine große Rolle nahm die Zukunft der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule ein. Wie groß die Angst vor dem Verlust ihrer Unterkunft ist, machte die Romafrau Maria in einen kurzen Redebeitrag deutlich. Ihr Sohn habe die Schule freiwillig verlassen und einen der angebotenen Heimplätze angenommen. Dort allerdings werde um 22 Uhr abgeschlossen, danach dürfen keine Besuche mehr empfangen werden. »Wir wollen auch frei leben«, erklärte die Frau.

Herrmann betonte, dass der Bezirk keine Absicht habe, die Schule zu räumen, und erläuterte das Konzept eines selbstorganisierten Zentrums der Flüchtlingsinitiativen, das nach dem Willen des Bezirks in der Schule entstehen soll. »Aber eine Dusche wird trotz dringendem Bedarf nicht eingebaut«, rief eine Bewohnerin. Nach mehr als zwei Stunden beendete der Moderator die Diskussion. Die Fronten zwischen Herrmann und den Flüchtlingsaktivisten blieben verhärtet. Anschließend zogen viele der Diskussionsteilnehmer in einer Spontandemonstration zum Oranienplatz, wo sich mehrere Flüchtlinge im Hungerstreik befinden. Zu ihren Forderungen gehören die Umwandlung der besetzten Schule in ein politisches Zentrum der Geflüchteten und ein Bleiberecht für alle Flüchtlingsaktivisten.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/930385.die-angst-ist-gross.html

Peter Nowak

500 gedenken Rosemarie Fliess

»Zwangsräumungen können tödlich sein«, hat eine Frau auf ein selbstgemaltes Schild gemalt. Sie gehörte zu den mehr als 500 Demonstranten, die am Sonnabend durch Kreuzberg und Nordneukölln zogen, um der 67-jährigen Rentnerin Rosemarie Fliess zu gedenken, die vor einem Jahr kurz nach ihrer Zwangsräumung gestorben war. Schon am Freitag hatten 20 Aktivisten der Erwerbslosenbewegung an Fliess erinnert. Beide Aktionen waren von einem großen Polizeiaufgebot begleitet worden. Am Samstag sorgten rigide Vorkontrollen für Unmut unter den Teilnehmern. Mehrere Demonstranten mussten Transparente und Fahnen zurücklassen, weil die Stangen zu lang waren. Das große Polizeiaufgebot konnte die kämpferische Stimmung nicht dämpfen. Immer wieder rief Ali Gülbol auf deutsch und türkisch zur Organisierung gegen Vertreibung im Stadtteil auf und bekam dabei viel Zustimmung von den Anwohnern. Gülbol war selbst Opfer einer Zwangsräumung geworden.

»Die Räumung der Gülbols und der Tod von Rosemarie Fliess haben die Bewegung gegen Zwangsräumung nicht gelähmt, sondern gestärkt«, sagte eine Demons- trantin. Mittlerweile würden auch völlig unpolitische Leute die Kampagne gegen Zwangsräumungen um Unterstützung bitten.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/930069.500-gedenken-rosemarie-fliess.html

Peter Nowak

Falsche Freunde

MONTAGSDEMOS Linke sagen ihre Teilnahme wegen Angst vor rechten Verschwörungstheoretikern ab

In 23 Städten wollen heute Montagsdemonstranten auf die Straße gehen: Berlin, Hamburg und München, aber auch Aachen und Wilhelmshaven stehen auf der Liste der Organisatoren. Doch es wächst die Kritik an der neuen Bewegung, die am 17. März mit einer Kundgebung von knapp 100 Menschen vor dem Brandenburger Tor begann.  Am letzten Montag versammelten sich knapp 1.500 Menschen in Berlin. Auf den Transparenten standen vage Aufrufe zum Weltfrieden. Auffällig aber waren die vielen Plakate mit Parolen gegen die US-Notenbank Fed. Auch auf der Facebook-Seite der Montagsdemonstranten heißt es: „Fed provoziert Krieg. Wir wollen das nicht.“  Die Linke Jugend- und Hochschulgruppe Magdeburg warnt inzwischen vor der Teilnahme an der Montagsdemonstration in Magdeburg. Auf den ersten Blick wirkten die Sorgen um den Weltfrieden und die Pressefreiheit wie linke Themen. Doch bei einer Recherche sei man auf eine „Mischung aus verschwörungsideologischem Denken, rechtsesoterischer Lyrik, zutiefst antisemitischer Bildsprache und Truther-Propaganda gestoßen“, erklärt ein Mitglied der Hochschulgruppe. Die Truther-Bewegung bezweifelt, dass die Anschläge vom 11. September in den USA Islamisten verübten.  Bei einer Demo Anfang April waren Plakate zu sehen, auf denen die Anschläge als „Insidejob“ der USA bezeichnet wurden. Der Organisator der Berliner Montagsdemo, Lars Märholz, hat sich gegen Links- und Rechtsextremismus ausgesprochen, aber mit eigenwilligen historischen Thesen für Kritik gesorgt. Der Herausgeber des rechtskonservativen Compact-Magazins Jürgen Elsässer, vor seinen nationalen Coming-out ein Stichwortgeber der antideutschen Linken, solidarisiert sich mit Märholz und der neuen Montagsdemobewegung.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=in&dig=2014%2F04%2F14%2Fa0054&cHash=70ee633a93fa4012b013cebbea65f984

Peter Nowak

Hungern für einen schöneren Knast

In Bremen protestieren Gefangene für bessere Haftbedingungen.

Seit mehr als zwei Wochen befinden sich Gefangene der JVA Oslebshausen in Bremen in einem Hungerstreik. Die Häftlinge protestieren gegen die schlechte Qualität des Essens, monieren mangelnde Bildungsmöglichkeiten innerhalb der JVA und klagen über das Fehlen separater Besucherräume und einer Schuldnerberatung.

Den Gefangenen geht es darum, unmittelbare Verbesserungen für ihren Gefängnisalltag durchzusetzen. Weitergehende politische Forderungen erheben sie nicht. Doch in der Öffentlichkeit wird ihr Protest ignoriert oder abgelehnt. So erklärte der Sprecher des Bremer Justizsenators, Thomas Ehmke: »Die Haftbestimmungen werden vom Gesetzgeber geregelt und sind keine Verhandlungssache zwischen Inhaftierten und Anstaltsleitung.« In der Taz wird Carsten Bauer, der Direktor der JVA Oslebshausen, mit der Äußerung zitiert: »Ich nehme das nicht ernst.« Seiner Ansicht nach geht es den Inhaftierten lediglich »um eine kurzfristige Aufmerksamkeit«.

Über die genaue Zahl der Hungerstreikenden gibt es unterschiedliche Angaben. Zu Beginn sollen sich elf Häftlinge beteiligt haben. Nach Angaben Bauers haben die meisten Häftlinge den Hungerstreik wieder abgebrochen. Auch vom überwiegenden Teil der linken Szene wird der Protest der Bremer Häftlinge ignoriert. Zu einer Solidaritätskundgebung vor der JVA Oslebshausen fanden sich am 28. März gerade mal sechs Menschen ein. Auch Kontakte mit den Gefangenen gibt es kaum. Das führt dazu, dass die Erklärungen der JVA-Leitung nicht überprüft werden können. Dabei sind Hungerstreiks in deutschen Gefängnissen gar nicht so selten. Erst Mitte März hatten sieben Insassen der Thüringer JVA Hohenleuben im Landkreis Greiz zu dieser Protestform gegriffen. Auch sie forderten bessere Haftbedingungen. Der Hungerstreik wurde nach wenigen Tagen abgebrochen, ohne eine größere Öffentlichkeit erreicht zu haben.

Die protestierenden Gefangenen in Bremen und Thüringen, die für bessere Haftbedingungen kämpfen, stehen in der Tradition eines Kampfes in Gefängnissen, der auch in den siebziger und achtziger Jahren nicht nur von politischen Gefangenen getragen wurde. Die kürzlich im Laika-Verlag vom Kollektiv »Bambule« unter dem Titel » Das Prinzip Solidarität« herausgegebene Historiographie der linken Solidaritätsbewegung richtet den Blick auch auf wenig bekannte Facetten des Knastkampfs. Der gesellschaftliche Aufbruch der späten sechziger und frühen siebziger Jahre machte auch vor den Gefangenen nicht halt, wie Friedrich Burschel im Buch am Beispiel des Frankfurter Gefangenenrats beschreibt, in dem sich auch Häftlinge ohne politischen Hintergrund organisierten. Das Verhältnis zu den sich politisch verstehenden Gefangenen war nicht immer ungetrübt. Die »sozialen Gefangenen« warfen vielen linken Solidaritätsgruppen vor, wegen der Konzentration auf die politischen Gefangenen ihre Si­tuation zu ignorieren. Der Gefangenenrat sorgte bundesweit für Schlagzeilen, als er aufdeckte, wie Gefängniswärter am 27. Dezember 1973 den 25jährigen Untersuchungshäftling Hans Peter Vast in der JVA Mannheim so schwer misshandelten, dass er in seiner Zelle starb. Die kurzzeitige Popularität konnte nicht verhindern, dass der Gefangenenrat kriminalisiert und schließlich zerschlagen wurde. Es ist erfreulich, dass nach fast 40 Jahren an Versuche einer autonomen Gefangenenorganisation erinnert wird. Vor allem, weil sie immer noch aktuell sind, wie die Häftlingsproteste in Bremen und Thüringen zeigen.

Der in Berlin wegen angeblicher Mitgliedschaft in der »Militanten Gruppe« zu einer Haftstrafe ­verurteilte Oliver R. bemüht sich um eine gewerkschaftliche Organisierung der Gefangenen. Angesichts der Ausweitung der Lohnarbeit auch in deutschen Gefängnissen könnte dies durchaus aussichtsreich sein. Doch Oliver R. warnt auch vor Illusionen, wenn er beschreibt, dass der Knast kein bevorzugtes Terrain für Selbstorganisation und Emanzipation ist. »Der Realismus nötigt es einem aber regelrecht auf, tiefzustapeln und keine allzu großen Erwartungen zu hegen«, beendet er seine jüngsten Betrachtungen aus dem Knast­alltag.

http://jungle-world.com/artikel/2014/15/49662.html

von Peter Nowak

Immer Montags gegen FED und für den Frieden

Neue Montagsdemonstrationen: „Mischung aus verschwörungsideologischem Denken, rechtsesoterischer Lyrik, zutiefst antisemitischer Bildsprache und Truther-Propaganda“

Es gab in den vergangenen zwei Jahrzehnen diverse Protestbewegungen, die unter dem Begriff Montagsdemonstration an die Manifestationen am Ende der DDR anknüpfen wollen. Aktuell gibt es eine neue Bewegung der Montagsdemonstrationen [1] , die sich hauptsächlich über das Internet koordinieren. An 23 Orten soll es bereits verschiedene Aktivitäten [2] gegeben haben. In einigen Städten sind es Mahnwachen, in anderen Kundgebungen und in manchen auch Demonstrationen . Am kommenden Montag soll sich die Bewegung noch ausweiten.

Auffallend ist die vage moralische Zielsetzung, „Wir wollen Frieden in der Welt“, „Für eine friedliche Zukunft“: Das ist so unbestimmt, dass wohl niemand dagegen ist. Dann taucht doch ein Gegner auf. „FED provoziert Krieg“, lautet das Motto. Die US-Notenbank ist eine Projektionsfläche für allerhand Verschwörungstheorien, nicht selten mit antisemitischen Untertönen [3].

Anonymous für Deutschland?

Einer der Ausgangspunkte dieser neuen Montagsbewegung ist ein neuneinhalb Minuten langes Video unter dem Titel „Anonymous – Nachricht an die deutsche Bevölkerung“ [4] . Die Medienkritikerin Elke Wittich sagt [5] polemisch, aber zutreffend: „Der Inhalt des neuneinhalb Minuten langen Machwerks, in dem außer den ‚Chemtrails‘ fast keine Verschwörungstheorie, ausgelassen wird, lässt sich so zusammenfassen: Die Hacker-Gruppe ‚Anonymous‘ ruft unter anderem zum Kampf gegen ‚Tabuthemen, Geschichtsfälschung, Gehirnwäsche, Masseneinwanderung‘ auf, hält Deutschland für ‚ein besetztes Land‘ und Feminismus ebenso wie ‚deutsches Schuldbewusstsein‘ für das Allerletzte, weil damit das ‚deutsche Volk‘ versklavt oder ausgerottet werden soll. Pathetisch verkündet Anonymous: ‚Die Korrupten fürchten uns. Die Ehrlichen unterstützen uns. Die Heroischen schließen sich uns an.'“

Auf der Internetplattform Ruhrbarone wurde über das „Video im Nazi-Style“ [6] polemisiert. Auch in Hackerkreisen sorgt das nationale Comingout von Anonymous für Verwirrung, Verärgerung und Spott. [7]

Querelen um Anmelder der Berliner Montagsdemonstration

In Berlin tritt ein vorher nicht politisch in Erscheinung getretener Lars Märholz als Anmelder und Organisator der Montagsdemonstration auf. Mittlerweile wächst die Kritik [8] an seinen Umgang mit Kritik und seinem mehr als zweifelhaften politischen Umfeld [9]. Ein Bildmotiv [10] auf Märholz‘ Facebookseite stellt beispielsweise die Bankiersfamilie Rothschild als Monster dar. Wenn Märholz in einem Interview erklärt: Woran liegen alle Kriege in der Geschichte in den letzten 100 Jahren? Und was ist die Ursache von allem? Und wenn man das halt alles ’n bisschen auseinander klabüsert und guckt genau hin, dann erkennt man im Endeffekt, dass die amerikanische Federal Reserve, die amerikanische Notenbank, das ist eine Privatbank, dass sie seit über hundert Jahren die Fäden auf diesem Planeten zieht, muss man sich schon fragen, ob er die FED auch beschuldigt, für die beiden Weltkriege verantwortlich zu sein.

In diesem nach Rechtsaußen anschlussfähigen ideologischen Sammelsurium mischen auch esoterische Reichsbürger [11] mit, für die das deutsche Reich noch immer besteht. Dazwischen tummeln sich politisch nicht festgelegte Menschen, die über Internet von den Demonstrationen erfahren haben.

Warnung vor „Verschwörungstheoretikern und Antisemiten“

In den ersten Wochen wurden diese Demos gegen die FED und alles Böse nicht weiter ernst genommen. Doch nachdem die Anzahl der Teilnehmer gewachsen ist, artikulieren sich auch die Kritiker deutlicher. So warnen [12] linke Jugend- und Studierendenorganisationen vor der Teilnahme vor einer am 14.4. in Magdeburg geplanten Montagsdemonstration [13], die mit Slogans wie „Wir sind das Volk“, „Gegen die Todespolitik der Federal Reserve“ und „Für eine ehrliche Presse“ mobilisiert. Die Kritiker monieren in dem Aufruf und bei den Unterstützern eine „Mischung aus verschwörungsideologischem Denken, rechtsesoterischer Lyrik, zutiefst antisemitischer Bildsprache und Truther-Propaganda“.

http://www.heise.de/tp/news/Immer-Montags-gegen-FED-und-fuer-den-Friede-2169089.html

Peter Nowak

[1]

[2]

[3]

[4]

[5]

[6]

[7]

[8]

[9]

[10]

[11]

[12]

[13]

Nachholende Würdigung

Auf den Spuren verfolgter GewerkschafterInnen

Rezension von Peter Nowak

GewerkschafterInnen gehörten mit zu den ersten, die von den Nazis verfolgt wurden. Oft waren sie Polizei und Unternehmen schon in der Weimarer Zeit verdächtig, besonders wenn sie sich für die Rechte ihrer Kollegen aktiv einsetzten. Die Verfolgungsbehörden konnten also oft auf schon angelegte Akten zurückgreifen. Doch nach 1945 wurde verfolgten Gewerkschaftern in der Regel kaum gedacht. Sie engagierten sich, wenn sie überlebt hatten, in Antifa-Ausschüssen und bei den Neugründungen der Gewerkschaften. Oft starben sie jedoch infolge der Entbehrungen von Verfolgung und KZ-Haft oder schlicht aufgrund der schlechten Lebensverhältnisse von ArbeiterInnen jung.

Daher ist es besonders verdienstvoll, dass seit einigen Jahren an der Freien Universität Berlin das Forschungsprojekt „Gewerkschafter/innen im NS-Staat. Verfolgung – Widerstand – Emigration“ den oft namenlosen verfolgten GewerkschafterInnen ein Gesicht gibt.

Das Projekt  geht maßgeblich auf die Initiative des inzwischen emeritierten Politik-Professors Siegfried Mielke zurück. Ihn hat  gestört, dass gewerkschaftlicher Widerstand – wenn überhaupt wahrgenommen – in der öffentlichen Erinnerungskultur zum Thema Widerstand gegen das NS-Regime eine Nebenrolle spielt.   Im Rahmen des Projekts sind  unter
Einbeziehung einer Reihe NachwuchswissenschaftlerIinnen und Studierender

mehrere Publikationen zum Thema Widerstand und Verfolgung von
GewerkschafternInnen aus verschiedensten Berufen entstanden. Einige
Studien werden in den nächsten Jahren folgen, z. B. zum Widerstand von
Angestellten, Eisenbahngewerkschaftern, Textilarbeitern,
Polizeigewerkschaftern. Einer der Nachwuchswissenschaftler ist der Diplompolitolge Stefan H
einz. Gegenüber express begründet er seine Motivation an der Teilnahme an dem Projekt so:

„Es ist wichtig und letztlich eine politische Angelegenheit, den bisher verkannten Umfang und die kaum wahrgenommene Intensität von Widerstand, Verfolgung und Emigration von
Gewerkschaftern/innen unterschiedlichster politischer Richtungen zu
ermitteln – auch um den „vergessenen“ Widerständlern eine späte Würdigung
widerfahren zu lassen.“

Im Rahmen dieses Projekts ist kürzlich im Metropol-Verlag ein Handbuch erschienen, das die Biographien von 95 Gewerkschaftern – tatsächlich ausschließlich Männern – vorstellt, die hauptsächlich in brandenburgischen Konzentrationslagern Sachsenhausen und Oranienburg,   aber auch im weniger bekannten KZ Sonnenburg, das heute in Polen liegt, inhaftiert   waren. Die an dem Forschungsprojekt beteiligten Wissenschaftler Siegfried Mielke und Stefan Heinz stellen in der ausführlichen Einleitung auch die Frage, warum die Gewerkschaften bisher so wenig unternommen haben, um die Verfolgungsgeschichte vieler ihrer Mitglieder bekannter zu machen. Wesentlich präsenter in der öffentlichen Wahrnehmung ist hingegen der Anpassungskurs, mit dem Funktionäre des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) nach dem Machtantritt der Nazis die Gewerkschaften in das „Dritte Reich“ eingliedern wollten. Trauriger Höhepunkt dieser Anpassungspolitik war der Aufruf des ADGB-Vorstands zur Teilnahme an den von den Nazis organisierten Feiern zum 1. Mai 1933. Einen Tag später ließen die Nazis die Gewerkschaftshäuser besetzen. „Die Auswirkungen der Anpassungspolitik der Organisatoren des ADGB im Frühjahr führten zu der weitverbreiteten Annahme, es habe kaum gewerkschaftlichen Widerstand gegeben. An diese öffentliche Wahrnehmung schließt sich an, dass sowohl die Quantität als auch die Qualität der Verfolgung, die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter betraf, unterschätzt wurden.“ (S. 11) Dabei wird von Heinz und Mielke auch die Verantwortung des DGB benannt. „Die DGB-Gewerkschaften in der Bundesrepublik haben demgegenüber eine große Zahl von Mitgliedern und Funktionäre ihrer Vorläuferorganisationen, die nach 1933 Opfer der NS-Verfolgung waren, in Vergessenheit geraten lassen.“ (S. 13) 1995 äußerte der damalige DGB-Vorsitzende Dieter Schulte sein Bedauern, dass die Gewerkschaften das Gedenken an die Verfolgten vernachlässigt hätten. Das FU-Forschungsprojekt holt nun fast sieben Jahrzehnte nach der Zerschlagung des NS-Systems die versäumte Erinnerungsarbeit nach.

Proletarier hinterlassen weniger Spuren als das Bürgertum

Die Herausgeber gehen auch auf die schwierige Quellenlage ein. ArbeiterInnen hinterlassen offenbar weniger Spuren als Menschen aus dem Bürgertum. Neben den Vernehmungsakten der politischen Polizei und der Gestapo sind auch Berichte, die die Gewerkschafter nach 1945 in Ost- wie Westdeutschland geschrieben haben, um als Verfolgte des NS-Regime anerkannt zu werden, wichtige Quellen, die in dem Buch herangezogen und kritisch ausgewertet werden. In einigen Fällen fließen in die Biographien auch persönliche Angaben von Angehörigen ein.

Die einzelnen Biographien sind sehr interessant und lebendig geschrieben und auch sozialgeschichtlich aufschlussreich. Traditionell interessierten sich viele Menschen auch aus dem Proletariat für das Leben von Adeligen und ‚Stars‘. Das zeigt beispielsweise  die Lektüre der sogenannnten Regenbogenpresse, aber auch das Konsumieren von Fernsehserien , die den „Reichen und Schönen“ gewidmet sind.

In dem Buch wird das Leben von unbekannten ArbeiterInnen dem Vergessen entrissen. Wir lernen in den Biographien Menschen in all ihren Widersprüchen, mit ihrem Mut und politischem Willen, aber auch mit ihren Zweifeln, Ängsten und Fehlern kennen. Gerade weil die Widersprüche nicht verschwiegen werden, ist die Lektüre so anregend. Gleich bei Paul Albrecht (S. 67ff.), dem ersten vorgestellten Gewerkschafter, werden diese Widersprüche deutlich. Als junger Mann war er in der anarchosyndikalistischen Jugend Thüringens aktiv. Ende der 1920er  wechselte er zur KPD,  weil er in deren eigenständiger Gewerkschaftsgründung und der stärkeren Abgrenzung zur SPD einen Linksruck sah. wegen deren Linkskurs zur KPD und engagierte sich in der Revolutionären Gewerkschaftsopposition. Bereits nach dem Reichstagsbrand am 28. Februar 1933 wurde er inhaftiert und misshandelt. Am 1. Juni 1933 wurde er in das Konzentrationslager Sonnenburg gebracht. Nach seiner Freilassung. 1934 setzte er seine Widerstandsarbeit fort. Zwischen 1945 und 1949 war er als Landrat von Genthin führend an der Aufteilung des Großgrundbesitzes beteiligt. Doch nachdem einige Briefe von 1938 bekannt wurden, die er in einem Sorgerechtsstreit mit seiner geschiedenen Frau um den gemeinsamen Sohn geschrieben hatte, verlor Albrecht sein Amt und wurde aus der SED ausgeschlossen (S. 85). In den Briefen hatte er erklärt, mittlerweile auf dem Boden des „Dritten Reiches“ zu stehen. Er warf seiner Frau vor, weiter mit Juden zu verkehren. Erst viele Jahre später, nachdem Albrecht Selbstkritik geübt hatte, wurde er wieder in die SED aufgenommen, bekam aber nur noch Verwaltungsposten beim FDGB. Die  in dem Buch dargelegte Quellenlage löst offen, ob Albrecht den Brief schrieb, um seine Widerstandstätigkeit zu schützen.

Unter den von den Nazis verfolgten GewerkschafterInnen gab es allerdings nicht nur aktive AntifaschistInnen. Exemplarisch sei hier die Biographie des Schauspielers Alfred Braun genannt, der als Sozialdemokrat und Mitglied der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger 1933 inhaftiert war. Nach einem kurzen Exil kehrte er nach Nazi-Deutschland zurück, wo er als  Hörspielregisseur  Karriere beim Berliner Rundfunk machte, die er nach 1945 bruchlos fortsetzte. Ein besonderes Kapitel nehmen die im NS-Staat zeitweise verfolgten gewerkschaftlich organisierten Polizisten ein. Hierfür steht exemplarisch die Biographie von Friedrich Woidelko (S. 778), der im Herbst 1933 für einige Wochen wegen staatsfeindlicher Betätigung verhaftet wurde, obwohl er zu dieser Zeit bereits NSDAP-Mitglied war.

„Nach seiner endgültigen Entlassung am 13. Oktober 1933 sei Woidelko aufgefordert worden,  … zu den Vorfällen zu schweigen und keinen Versuch zu unternehmen, aus der NSDAP auszutreten“ (S. 776). Er blieb bis zum Ende des NS-Regimes NSDAP-Mitglied.  Trotzdem wurde Woidelko nach 1945 eine kleine Rente als Entschädigung gezahlt. Kommunistische Gewerkschafter hingegen, die oft bis 1945 viele Jahre im Konzentrationslager verbringen musste, wurde im Kalten Krieg die Entschädigung verweigert, wenn sie sich weiterhin als Kommunisten betätigten. Viele der vorgestellten Gewerkschafter wollten sich nach 1945 am Aufbau eines antifaschistischen Deutschlands beteiligen. Nur wenige machten Karriere in Spitzenpositionen. Viele hatten zeitweise Konflikte mit der Parteibürokratie, wurden später aber wieder rehabilitiert und kamen auf neue Positionen. Zahlreiche der im Buch aufgeführten sozialdemokratischen Gewerkschaftler in der sowjetischen Besatzungszone unterstützten nach 1945 die Vereinigung der beiden großen Arbeiterparteien zur SED. Zumindest in den vorgestellten Fällen kann nicht davon geredet werden, dass sie gegenüber den ehemaligen KPD-Mitgliedern in der DDR benachteiligt wurden. Generell war in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR eine akribische Prüfung die Voraussetzung für die Anerkennung als Opfer des Naziregimes.

In dem Buch werden keine Helden vorgestellt, aber Menschen, die in der Regel nicht auf der Sonnenseite des Lebens standen und die in einer Zeit Widerstand leisteten, in der führende Industrielle und andere Stützen der Gesellschaft die Nazis gefördert haben. Gerade in einer Zeit, in der Neonazis die Krisenverlierer zu rekrutieren versuchen, ist die Erinnerung an diese Menschen sehr wichtig. Auch das Interesse der Studierenden an der Thematik ist in der  letzten Zeit gewachsen. Umso unverständlicher, dass die FU-Forschungsstelle, die diese wichtige historische Aufgabe übernommen hat, noch immer ohne nennenswerte finanzielle Mittel auskommen muss und ohne das ehrenamtlichen Engagement vieler Studierender und Wissenschaftler ihre wichtige Arbeit nicht fortsetzen könnte. Stefan Heinz beschreibt die prekäre Situation so:  „Nahezu alles, was wir machen, wird also aus Drittmitteln bestritten und muss immer wieder aufs Neue extern eingeworben werden, beispielsweise von der Hans-Böckler-Stiftung. Fallen diese Förderungen weg, können wir unsere Forschungen nicht fortsetzen.“

Peter Nowak

Siegfried Mielke (Hrsg.): „Gewerkschafter in den Konzentrationslagern Oranienburg und Sachsenhausen. Biographisches Handbuch“, Bde. 1-4, Berlin 2002-2013: EditionHentrich und Metropol Verlag

aus

express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit 3/4 2014,

http://www.labournet.de/express/

Peter Nowak

Wichtiger Film zur rechten Zeit

»MUMIA: Long Distance Revolutionary«
Über Mumia Abu Jamal ist auch im Sprachrohr schon öfter berichtet worden. Eine weltweite Solidaritätsbewegung verhinderte, dass der schwarze US-Radiojournalist auf dem elektrischen Stuhl landete. Er war von einer weißen Jury wegen eines Polizistenmordes zum Tode verurteilt worden. Er hat die Tat immer bestritten, und es gibt zahlreiche Beweise, die die Version der Anklage erschüttern. Trotzdem soll Mumia bis zu seinem Lebensende im Gefängnis bleiben, denn das Todesurteil wurde in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt. Er kämpft mit seinen Anwälten und Unterstützern für eine Neuauflage des Verfahrens und seine Freilassung. Sein Fall darf auch
nach Aufhebung des Todesurteils nicht in Vergessenheit geraten. Daher
kommt ein Dokumentarfilm zur rechten Zeit, der deutlich macht, warum
Mumia seit fast drei Jahrzehnten im Gefängnis sitzt. Der ungeklärte Kriminalfall wird nur am Rande erwähnt. Vielmehr interviewt Filmemacher
Stephen Vittoria Freunde und Kollegen, die über Mumias früh einsetzende

Politisierung berichten. Inspiriert vom Kampf der Black Panther und anderer linker Bewegungen, wurde er bereits mit 14 Jahren zum Aktivisten. Er protestierte mit Gleichgesinnten gegen rassistische Politiker und wurde von weißen Polizisten verprügelt. Hier liegen die Anfänge  des Films »Long Distance Revolutionary «. Darin wird deutlich, wie Mumia bereits als Jugendlicher Journalismus und politisches Engagement verband. Seine ersten journalistischen Erfahrungen machte er bei einer Black Panther-Zeitung, später arbeitete  er für ein Communitiy-Radio. In der schwarzen Community wurde  er bewundert, weil er die wirtschaftliche Ausbeutung und Polizeibrutalität, denen schwarze Menschen in den USA ausgesetzt sind, öffentlich machte. Gehasst wurde er von den Politikern und der Polizei. Die versuchte ihn auszuschalten, weil er die Armen, die Obdachlosen, die Hungernden zu Wort kommen ließ. Damals bekam er den Beinamen »Stimme
der Unterdrückten«. Der Film vermittelt einen Einblick in Mumias Biographie und die sozialen Kämpfe, die ihn prägten. Zudem trägt er dazu bei, dass Mumia und sein Kampf nicht vergessen werden. Es bedarf weiterhin einer weltweiten Solidaritätsbewegung, um seine Freiheit zu erkämpfen. In den USA sorgte der Film für ein großes Presseecho. In Deutschland, wo er am 4. Oktober 2013 im Berliner Kino Babylon Premiere hatte, ist die Resonanz noch verhalten.

Stephen Vittoria, »MUMIA – Long Distance
Revolutionary«, 120 Minuten. Der Film kann
unter https://vimeo.com/monoduo/freemumia
kostenpflichtig heruntergeladen werden.
Ab Frühjahr kann er als DVD beim
Jump Up Versand http://www.jump-up.de/
bestellt werden.

aus: Sprachrohr 1/2014

http://medien-kunst-industrie-bb.verdi.de/service/sprachrohr

Peter Nowak

Deutschland – wichtige Schaltzentrale im Drohnenkrieg?

Verliert die Linkspartei ihre friedenspolitische Unschuld?

Morgen wird sich zeigen, ob manche Abgeordnete der Linkspartei dem Bundeswehreinsatz im Rahmen der Vernichtung syrischer Chemiewaffen zustimmen werden

Einige Friedensgruppen sehen das so und haben in den letzten Tagen eine sehr zivile Schlacht der Offenen Briefe [1] eröffnet. Gewarnt wird, dass die Linkspartei ihr parlamentarisches Alleinstellungsmerkmal als Friedenspartei verlieren würde, wenn, wie angekündigt, einige ihrer Abgeordneten den Bundeswehreinsatz im Rahmen der Vernichtung syrischer Chemiewaffen [2] zustimmen. Abgestimmt wird auch über einen Antrag der Linken [3], in dem von der Bundesregierung gefordert wird, keine zivil wie militärisch verwendbaren Güter, die zur Herstellung chemischer oder biologischer Waffen verwendbar sind, an Staaten zu genehmigen, die die Chemiewaffen- und die Biowaffenkonvention der Vereinten Nationen nicht ratifiziert haben.

Kritisch ist die parlamentarische Absegnung des von der Bundesregierung in der vergangenen Woche beschlossenen Mandats. Es sieht vor, dass die Bundeswehr mit 300 Soldaten und einer Fregatte den Einsatz des US-Spezialfrachters „Cape Ray“ [4] schützen soll. Auf dem Schiff werden im Mittelmeer die syrischen Chemiewaffen durch das sogenannte Hydrolyseverfahren [5] unbrauchbar gemacht. Die Zustimmung der Linkspartei ist nicht notwendig, weil bereits eine ganz große Koalition aus Union, SPD und Grünen eine Zustimmung zu dem Einsatz angekündigt haben.

Wenn einige Linke nun in dieser Frage auch mit Ja stimmen, wollen sie ein Signal setzen, nicht zu den ewigen Neinsagern gehören zu wollen. Das aber wird als erster Schritt in ein potentielles Bündnis mit der SPD und vielleicht auch den Grünen verstanden. Der einer Regierungsbeteiligung aufgeschlossene, in den Medien als Reformer titulierte Flügel und die nicht so sehr darauf erpichten Kreise, die gerne als Traditionalisten abgewatscht werden, belauern sich gegenseitig. Wer gibt wieder welche Signale, ist immer die großeFrage. Erst vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum die Abstimmung über eine Begleitung eines zur Vernichtung vorgesehenen Giftgastransportes eine solch heftige Debatte provozierte.

Abrüstungspolitisch glaubwürdig?

Paul Schäfer war verteidigungspolitischer Sprecher der Linksfraktion in der letzten Legislaturperiode. Weil er bei den letzten Wahlen den Wiedereinzug ins Parlament verfehlte, kann er jetzt nur noch per Offenem Brief [6] agieren und seine Parteifreunde zur Zustimmung auffordern [7]:

„Ein Nein zum Antrag der Bundesregierung käme für mich nicht in Frage. Dass die Koalition diesen Einsatz auch zur Legitimation anderer Militäreinsätze missbrauchen wird, ist klar, aber kein ausreichender Grund.
Eine Enthaltung wäre eine Option, weil man sich der Abrüstung nicht verweigern will, aber die besonderen Begleitumstände – ’neue deutsche Verantwortung‘ heißt mehr Militäreinsätze – kritisch sieht. Ein Ja wäre meine bevorzugte Option, weil man sich in der Sache, um die es eigentlich geht, konsequent verhält und abrüstungspolitisch glaubwürdig bleibt.“

Vor allem die beiden letzten Absätze in Schäfers Text sind interpretationsfähig. Obwohl er die Stimmenthaltung als eine Option sieht, nicht die Waffenvernichtung, aber deutsche Militäreinsätze abzulehnen, bezeichnet er am Schluss eine Zustimmung als seine bevorzugte Option. Aus der Logik seiner Argumentation kann das aber nur bedeuten, dass er beides, die Vernichtung des Giftgases und die neue deutsche Verantwortung, nicht kritisch sieht. Inhaltich argumentiert Schäfer, die Begleitung des Giftgases sei „kein Kampfeinsatz. Die UN-Resolution 2118 stützt sich nicht auf das Kapitel VII der UN-Charta, der Auftrag lautet nicht, einen Gegner militärisch zu bezwingen, sondern ist auf Begleitschutz und hierbei auf Selbstverteidigung und die Pflicht zur Nothilfe festgeschrieben.“

Symbolpolitik der Bundeswehr?

Die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Annette Groth widersprach [8] ihrem Ex-Kollegen.

„Selbstverständlich ist die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen zu begrüßen. Die geplante Entsendung von 300 Soldaten zum maritimen Begleitschutz des US-Schiffes CAPE RAY, an dessen Bord die syrischen Chemiewaffen unbrauchbar gemacht werden sollen, ist aber mehr als fragwürdig. Denn sie stellt formal einen Kampfeinsatz dar.“

Groth weist auch darauf hin, dass die Beteiligung der Bundeswehr am Giftgastransport nicht benötigt und die Gefährdungslage von der Bundesregierung selber als niedrig eingeschätzt wird Daher sei die
Beteiligungder Bundeswehr selber eine Symbolpolitik. Die Bundesregierung will damit weltpolitisch Flagge zeigen. Ähnlich argumentiert der aktuelle verteidigungspolitische Sprecher der Linksfraktion, Alexander Neu. Die Argumente seines Vorgängers für eine Zustimmung überzeugen ihn nicht. In einem Interview [9] sagte er:

„Paul Schäfer kann mir den militärischen Mehrwert durch eine deutsche Fregatte nicht plausibel erklären. Die Sicherheitsmaßnahmen sehen so aus: Auf dem US-Schiff, das die Vernichtung der Chemiewaffen vornimmt, ist eine US-Spezialeinheit. Um das Schiff herum bilden US-Kriegsschiffe einen ‚Schutzgürtel‘. Jenseits dieses Schutzgürtels soll es einen zweiten durch Kriegsschiffe anderer Staaten, darunter der deutschen Fregatte, geben. Zugleich wird seitens der Bundesregierung gesagt, die Bedrohungslage sei ‚gering‘. Der zweite, äußere Schutzgürtel ist faktisch nicht erforderlich.“

Das Parteizentrum um Gysi versucht den Konflikt um den Bundeswehreinsatz nun dadurch zu entschärfen, dass er für alle Bundestagsabgeordneten der Linkspartei eine Stimmenthaltung empfiehlt.

http://www.heise.de/tp/news/Verliert-die-Linkspartei-ihre-friedenspolitische-Unschuld-2166325.html

Peter Nowak

[1]

[2]

[3]

[4]

[5]

[6]

[7]

[8]

[9]

Eine zweite Warnung

Aktivisten übergaben Senat mietenpolitisches Dossier

Mieteraktivisten übergaben dem Berliner Senat für Stadtentwicklung und Umwelt am Montagnachmittag auf dem Stadtforum ein mietenpolitisches Dossier. In diesem wird Kritik geübt, doch es finden sich auch Lösungsvorschläge für zahlreiche Probleme, die Berliner Mieter heute umtreibt. Das Spektrum der in der »Dossiergruppe« kooperierenden Mietergruppen ist groß und umfasst viele Stadtteile.

Alle Initiativen beschreiben auf maximal zwei Seiten ihre Probleme, benennen die Ignoranz der Politik und listen Lösungsvorschläge auf. So fordert zum Beispiel die Pankower Oase »Kleingärten statt Luxusimmobilien«. Das Bündnis »Zwangsräumungen verhindern« setzt sich für einen sofortigen Stopp der Vertreibung von Mietern aus ihren Wohnungen bei Härtefällen wie Alter und Krankheit ein, während von energetischer Modernisierung betroffene Mieter für eine Begrenzung der Mieterhöhung eintreten. Eine weitere zentrale Forderung ist der Erhalt von Bestandswohnungen zu bezahlbaren Mieten. Dem Berliner Senat wirft die Dossiergruppe vor, sich auf Wohnungsneubauten zu konzentrieren, womit aber kaum Wohnungen für einkommensschwache Bewohner geschaffen würden.

»Die Geduld der Mieter mit der Politik geht zu Ende«, erklärt Gerlinde Walther von der Dossiergruppe. Bereits 2012 habe man ein erstes mietenpolitische Dossier der Politik übergeben. Die Situation habe sich aber für die Mieter nicht verbessert. Walther betonte, wenn die Politiker die zweite Mahnung ignorieren, könnte die Zahl der Widerstandsaktionen gegen Zwangsräumungen weiter steigen.

mietendossier.blogsport.de/

http://www.neues-deutschland.de/artikel/929625.eine-zweite-warnung.html

Peter Nowak

Mieter mahnen erneut

WOHNEN Initiativen veröffentlichen das zweite mietenpolitische Dossier. Sie fordern ein Vetorecht gegen die Privatisierung kommunalen Wohnraums

„Ein Recht auf Stadt für Alle“ lautet der Titel des zweiten mietenpolitischen Dossiers, das am Montag veröffentlicht wurde. Es richtet sich an die Fraktionen im Abgeordnetenhaus und in den Bezirksparlamenten, aber auch an Stadtteilinitiativen und MieterInnenorganisationen.

Ende 2012 hatten zahlreiche MieterInnen das erste Dossier vorgestellt. Dort hatten sie zehn Lösungsvorschläge für Probleme aufgelistet, die MieterInnen besonders betreffen. „Eineinhalb Jahre später hat sich unsere Situation nicht verbessert. Die Frist für eine solidarische Stadt läuft ab“, begründet Gerlinde Walther von der Dossiergruppe die zweite Mahnung an die Politik.

Bereits im Vorwort weisen die VerfasserInnen auf die Verantwortung der Politik hin. Noch 2011 habe Klaus Wowereit hohe Mieten als ein Zeichen wirtschaftlicher Gesundung bezeichnet. In den vergangenen Monaten habe die Große Koalition „mit einer Mischung aus Irrwegen, Placebos und Ankündigungen“ auf die Wohnungsnot reagiert. Zu den Irrwegen zählen die MieterInnen auch die Konzentration des Senats auf den Wohnungsneubau. Damit würde das Problem der hohen Mieten nicht gelöst. „Freuen können sich Investoren und Banken“, heißt es.

Die VerfasserInnen des Dossiers fordern den Erhalt bestehender Wohnungen zu bezahlbaren Preisen. Ein Vetorecht gegen die Privatisierung kommunalen Wohnraums gehört ebenso in den Forderungskatalog des Dossiers wie eine Begrenzung der Mieterhöhung bei einer energetischen Sanierung.

Download unter http://mietendossier.blogsport.de

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F04%2F08%2Fa0111&cHash=fe91103bcd85fdc8e726841102088e13

Peter Nowak