Der Tod kam auch aus Ramstein


Während Verwandte von Drohnenopfern gegen das Bundesverteidigungsministerium klagen, werden bereits neue Kriege auch mit Beteiligung der Bundeswehr propagandistisch vorbereitet

Das Bundesverteidigungsministerium[1] trägt eine Mitschuld daran, dass Angehörige der Familie Ali Jaber am 29. August 2012 in einem Dorf in der Provinz Hadramaut im Jemen durch US-Drohnen getötet und verletzt wurden. Das versucht eine 43seitige Anklageschrift zu beweisen, die kürzlich beim Verwaltungsgericht Köln eingegangen ist.

Drei Angehörige der Drohnenopfer im Jemen haben die Klage mit Hilfe internationaler Juristenorganisationen eingereicht[2]. Einer der Kläger ist der Schwager des getöteten Imams Salim bin Ali Jaber. Der hatte sich gegen Al-Qaida gestellt und in einer Freitagspredigt dazu aufgerufen, sich von der islamistischen Organisation zu distanzieren. Diese Predigt hatte im Dorf für Debatten gesorgt. Der Imam und andere Männer, die seinen Kurs unterstützten,hatten Al-Qaida-nahe Islamisten zur Diskussion aufgerufen. Drei von ihnen waren dazu bereit. Die Drohnen töteten sie und die beiden Gegner der Radikalislamisten.

Dass diese Details eines Drohnenangriffs überhaupt bekannt geworden sind, ist bereits ein Erfolg der Anklageschrift der Drohnenopfer. So könnten wir doch etwas nachdenklicher werden, wenn wir wieder einmal in den Nachrichten hören, dass im Jemen, in Pakistan oder Afghanistan Drohnen Extremisten getötet haben.

Die durch die Anklageschrift bekannt gewordenen Details stärkt auch die Kritik der Gegner von bewaffneten Drohnen (Der Sensenmann kommt aus der Luft[3]), die sich weltweit zu organisieren[4] beginnen. Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, dass die Drohneneinsätze das gesamte Rechtssystem aushebeln. Diejenigen, die über diese Einsätze entscheiden, sind Richter und Henker in einer Person. Sie vollstrecken Todesurteile ohne Urteil und Verteidigung. Deshalb ist es auch kein Kollataralschaden, wenn wie in Hadramaut Al-Qaida-Gegner Opfer der Drohnen werden. Es gehört schlicht zum System. Alle, die zur falschen Zeit am falschen Ort sind, werden Opfer.

Auch das Argument der Befürworter der Drohneneinsätze, dass man nur so gegen die Islamisten vorgehen kann, zeigt sich an diesem Beispiel als absurd. Der Imam hätte mit seiner Predigt und den Gesprächen mit den Dorfbewohnern sicher einiges gegen den Einfluss von Al-Qaida in seinem Dorf erreichen können. Es hätte vielleicht auch in anderen Dörfern ähnliche Initiativen gegeben und so wäre eine Bewegung entstanden, die den Radikalislamisten tatsächlich gefährlich hätten werden können. Doch welcher Imam wird nun noch eine solche Initiative ergreifen, wenn die Gefahr besteht, dass diejenigen, die die Menschen aus dem Einfluss von Al-Qaida herauslösen wollen, selbst Opfer von Drohnen werden?

Umgekehrt können die Islamisten mit ihrer Propaganda viel Gehör finden, dass es ein Krieg gegen die Moslems ist und bekommen neuen Zulauf. Es ist also für eine universalistische Menschenrechtsperspektive an der Zeit, diese Drohnenangriffe und ihre Verantwortlichen genau so heftig abzulehnen wie den Terror der IS. Drohnenopfer aus Afrika und Asien muss genau so unsere Empathie gehören wie den Opfern der IS.

Die Publizistin Charlotte Wiedemann[5] weist in ihren Texten[6] immer wieder zu Recht darauf hin, dass es sehr wohl Unterschiede bei der Wahrnehmung der Terroropfer gibt, wenn sie aus Europa und den USA oder aus Afrika und Asien kommen. Dahinter steckt ein Kulturrelativismus, der erklärt, dass Menschen aus diesen Kontinenten oder eben deren Gesellschaft und Kultur noch nicht reif für die Menschenrechte seien. Demgegenüber geht ein universalistischer Menschenrechtsbegriff davon aus, dass alle Menschen überall auf der Welt die gleichen Rechte haben. Diese müssen gegen die jeweiligen Länderkulturen und ihre Träger genauso durchgesetzt werden, wie gegen diejenigen, die für die Drohneneinsätze verantwortlich sind.

Schon während des Vietnamkrieges wurden Bombenangriffe in Deutschland koordiniert

Die Anklage rückt nun eine Tatsache in den Mittelpunkt, die hierzulande gerne unter den Tisch fällt. Die Drohneneinsätze werden auch in Deutschland koordiniert – genau darauf stützt sich die Anklageschrift (Bundesregierung: Augen zu und durch[7]). Der US-Stützpunkt Ramstein ist ebenso einer dieser Knotenpunkte wie eine Kaserne am Rande des Städtchens Kalkar in NRW, was auch die Antikriegsbewegung[8] in Deutschland mittlerweile registriert hat.

Bereits in der Vergangenheit wurden Kriege beispielsweise gegen Libyen oder den Irak auch von Einrichtungen auf deutschen Boden koordiniert. Dabei spielte die Airbase Ramstein immer eine wichtige Rolle. Schon während des Vietnamkrieges wurden im US-Stützpunkt Heidelberg Bombenangriffe koordiniert. So wird jetzt die technische Entwicklung nachvollzogen, wenn auch Drohnenangriffe von Einrichtungen in Deutschland vorbereitet werden.

Der gewachsene weltpolitische Einfluss Deutschlands wird dadurch deutlich, dass längst nicht nur Opfer von Kriegseinsätzen klagen, die von US-Einrichtungen auf deutschen Boden koordiniert werden. So haben jahrelang Angehörige und Überlebende der Bombenangriffe auf die Brücke von Varvarin[9] vergeblich durch alle Instanzen geklagt, um einen Schadenersatz zu bekommen. An der Bomberflotte waren auch Flugzeuge der Bundeswehr beteiligt (Verdrängte Kollateralschäden[10]).

Wenige Jahre später, am 3. September 2009, war der deutsche Oberst Klein für das Bombardement im afghanischen Kunduz (War der Befehl zum Abwurf der Bomben falsch?[11]) verantwortlich, das über 140 Menschen das Leben tötete. Die Verwandten der Getöteten und der schwerverletzt Überlebenden scheiterten mit ihrer Klage vor dem Bonner Landgericht (Recht ist, was den Waffen nutzt[12]). Für Oberst Klein war das tödliche Bombardement keine Karrierebremse (Karrieresprung nach fast 100 Toten von Kunduz[13]).

Die Olivgrünen marschieren im Geiste voran

Daher wäre es auch falsch, wenn jetzt in Deutschland selbstgerecht wieder nur auf die USA verwiesen würde, die auf deutschen Boden Drohnenangriffe koordiniert. In Deutschland forderte erst kürzlich die Vorsitzende der Oliv-Grünen, wie die auch aus Teilen der Friedensbewegung entstandene Partei spätestens seit dem von ihr mitgetragenen Jugoslawienkrieg oft genannt wird, einen UN-mandatierten Bundeswehreinsatz der Bundeswehr fordertr[14]. Aauch die lange Zeit als aufmüpfig geltende Grüne Jugend[15] hat gegen diese Forderung wenig anzuwenden[16].

Nur wenige erinnern an die Konsequenzen, wenn eine solche Forderung umgesetzt würde. Der Ausbau für die Bundeswehr, vielleicht sogar die Wiedereinführung der Wehrpflicht stünden dann auf der Tagesordnung. Auf jeden Fall aber gäbe es bald noch mehr Todesopfer, nicht mehr nur durch auf deutschen Boden koordinierte Drohneneinsätze, sondern durch die Bundeswehr.

Vor allem aber würde sich auch das politische Klima in einer Weise ändern, dass Kritiker und Gegner von Kriegseinsätzen fast in der Nähe des Landesverrats gerückt würden. Der Shitstorm und die Häme[17] gegen die Linksparteiabgeordnete Christine Buchholz[18] gibt hier einen kleinen Vorgeschmack, nachdem sie sich für ihre Facebook-Seite[19] mit einem Schild hat fotografieren lassen, wo sie sich mit den kurdischen Kämpfern in Kobane solidarisiert, aber gegen US-Bombeneinsätze ausspricht. Das Foto entstand noch, bevor bekannt geworden ist, dass durch US-Angriffe „versehentlich“ auch kurdische Stellungen bombardiert wurden.

Man kann sicher kritische Fragen an Buchholz stellen, beispielsweise warum sie gegen US- Bombardements eintritt. Dass aber eine Politikerin, für die immer mehr Bomben nicht die Lösung für Probleme auf der Welt sind, genau dafür angegriffen wird, zeigt, dass 2014 in Deutschland Propaganda für einen Krieg auf fruchtbaren Boden fällt. Es besteht also die Gefahr, dass demnächst Bombenopfer vor deutschen Gerichten klagen müssen.

http://www.heise.de/tp/artikel/43/43093/1.html

Peter Nowak

Anhang

Links

[1]

http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg

[2]

http://www.ecchr.de/drohnen.html

[3]

http://www.heise.de/tp/news/Der-Sensenmann-kommt-aus-der-Luft-2410468.html

[4]

https://drohnen-kampagne.de

[5]

http://www.charlottewiedemann.de/vita

[6]

http://www.taz.de/Schlagloch-Rassismus/!147680/

[7]

http://www.heise.de/tp/artikel/41/41630/

[8]

http://www.aixpaix.de/autoren/sander/kalkar.html

[9]

http://www.ag-friedensforschung.de/themen/NATO-Krieg/varvarin.html

[10]

http://www.heise.de/tp/artikel/13/13313/

[11]

http://www.heise.de/tp/artikel/31/31072/

[12]

http://www.heise.de/tp/news/Recht-ist-was-den-Waffen-nutzt-2102720.html

[13]

http://www.heise.de/tp/news/Karrieresprung-nach-fast-100-Toten-von-Kunduz-1993019.html

[14]

http://www.taz.de/Goering-Eckardt-fordert-Militaereinsatz/!147638/

[15]

http://www.gruene-jugend.de/

[16]

http://www.tagesschau.de/inland/goering-eckardt-bundeswehr-kobane-103.html

[17]

http://www.fr-online.de/politik/die-linke-freiwillige-selbstentbloessung,1472596,28738820.html

[18]

http://christinebuchholz.de/2014/10/10/solidaritaet-mit-dem-widerstand-in-kobane-nein-zum-us-bombardement/

[19]

http://www.facebook.com/buchholz.christine/photos/a.328468540629033.1073741827.328453390630548/478820092260543/

Deutschland – wichtige Schaltzentrale im Drohnenkrieg?

Vor neuer Rüstungsspirale in Europa?

Die Kommandozentrale des US-Raketenabwehrsystems soll im Luftwaffenstützpunkt Ramstein eingerichtet werden

Der US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein war in den 1980er Jahren ein zentraler Fokus der Proteste der deutschen Friedensbewegung gegen die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen. Zahlreiche Blockaden und Aktionen des zivilen Ungehorsams haben damals rund um das Gelände stattgefunden. Dann war es still geworden um Ramstein und viele anderen Protestorte der damaligen Zeit. Die Meldung, dass die US-Militär die nuklearen Sprengköpfe aus Rammstein entfernt hätten, interessierte nur wenige.

Doch seit einigen Tagen ist Ramstein wieder in den Medien aufgetaucht. Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) sagte Ende letzter Woche, dass die Kommandozentrale für das europäische Raketenschild in Ramstein eingerichtet werden soll. Darauf hätten sich die USA und die Nato bereits geeinigt. Zudem sollen die auf den Stützpunkt Ramstein gelagerten Patriot-Raketen Teil des Nato-Raketenschilds werden soll, das bis 2020 aufgebaut werden soll.

Die Reaktionen der Oppositionspolitiker waren sehr unterschiedlich. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold bezeichnete das Raketenschild in einem Interview mit dem Deutschlandfunk als richtige und sinnvolle Einrichtung.
Für die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen Agnieszka Brugger kam diese Entscheidung überraschend. Sie war bisher davon ausgegangen, dass sich Deutschland nicht mit Hardware an dem Raketenschild beteiligt und warnt vor unübersehbaren politischen und finanziellen Folgen. Vor allem aber befürchtet Brugger, dass damit mögliche Abrüstungsziele konterkariert werden. Auch der verteidigungspolitische Sprecher der Linken Paul Schäfer sieht mit der Entscheidung für den Raketenschild in Ramstein das „Pulverfass geöffnet“.

Gegen wen soll das Raketenschild schützen?

Die Warnungen der Kritiker, dass das Raketenschild auch international die Spannungen eher erhöhen dürfte, haben sich bei der Nato-Sicherheitskonferenz in München bestätigt. Während die Nato-Politiker bekräftigen, dass das Raketenabwehrsystem vor den Angriffen unberechenbarer Staaten wie dem Iran schützen soll, haben russische Politiker noch einmal ihre ablehnende Haltung bekräftigt. Sie befürchten, dass das System gegen die eigenen Raketen gerichtet werden könnte. Dieses Misstrauen erhält dadurch neue Nahrung, dass die Nato russische Forderungen nach einer Mitentscheidung beim Einsatz des Raketenschildes ablehnt.

Auch der auf Rüstungsfragen spezialisierte Publizist Jerry Sommer hat in einer für die Linkspartei erarbeiteten Studie nachgewiesen, dass die USA das Raketenschild nicht nur als Schutz gegen den Iran aufbauen. Vielmehr arbeite die US-Regierung an einer Ausweitung der „Bedrohungsperzeption“, nach der die Raketen von bis zu 30 Staaten als Bedrohung angesehen werden, schreibt Sommer in der Studie. Er hat schon 2010 in einem NDR-Beitrag in der Reihe „Streitkräfte und Strategien“ die jahrelange Diskussion um das Raketenschild nachgezeichnet. Nato-Generalsekretär Rasmussen hatte bereits 2010 erklärt: „Die Zeit ist gekommen, mit der Raketenabwehr voranzuschreiten. Wir müssen beim Nato-Gipfel im November beschließen, dass Raketenabwehr für unsere Bevölkerung und unser Territorium eine Aufgabe der Allianz ist.“

Sommer weist auf die erheblichen Zweifel vieler Wissenschaftler hin, dass das Raketensystem tatsächlich den versprochenen Schutz bietet. So kommt der US-Physiker Theodore Postol vom Massachusetts Institute of Technology nach der Analyse von vom Pentagon veröffentlichten Videoaufnahmen zu einem ernüchternden Fazit:

Wir haben die Aufnahmen von den auf den Abfangraketen montierten Infrarotkameras analysiert. Wir stellten fest, dass niemals der Sprengkopf, sondern immer nur der Raketenkörper dahinter getroffen wurde. Aber jeder weiß, dass man den Sprengkopf treffen muss.

Auch der Physiker Götz Neuneck vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik hält einen absoluten Raketenschutz weder für die USA noch für Europa technisch für möglich. Daher sei es auch unwahrscheinlich, dass sich die Nato-Politiker auf den Raketenschild verlassen würden. Sollte ein Angriff akut sein, würde man wie bisher eher versuchen, die gegnerischen Raketen am Boden zu zerstören. Dann bräuchte man aber auch kein teures Raketenschild, das die Spannungen noch erhöht, ist auch die Meinung von Sommer. Schließlich könnte auch die Gefahr darin bestehen, dass der Raketenschild eine Sicherheit suggeriert, die es nicht gibt, womit sich auch die Spannungen erhöhen könnten. Daher würde sich wahrscheinlich Israel, das anders als Deutschland von möglichen iranischen Raketen bedroht wäre, nicht allein durch den Aufbau eines Raketenschilds im eigenen Land beruhigen lassen.

Die Diskussionen zeigen zumindest, dass der sicherste Schutz vor Raketen eine globale Abrüstung ist. Auch diese Erkenntnis, die in den 80er Jahren immerhin durch die Friedensbewegung zentral in die Öffentlichkeit diskutiert wurde, könnte damit verloren gehen Ob die Pläne zum Aufbau einer Raketenabwehr durch die zentrale Rolle von Rammstein auch in der deutschen Innenpolitik wieder kritischer diskutiert werden, könnte sich schon an der Resonanz bei den diesjährigen Ostermärschen (http://www.dfg-vk-mainz.de/aktuell/ ) zeigen . Ob die Organisatoren so flexibel sind, die Aufwertung von Ramstein mit in der Protestagenda zu berücksichtigen ist keinesfalls sicher. Dabei dürften sich manche der Organisatoren noch an die Protestaktionen in den 80er Jahren in Rammstein erinnern.

Allerdings könnte sich bis 2020 auch europaweit noch eine größere Bewegung gegen den Raketenschild entwickeln. In Polen und der Tschechischen Republik, wo das Raketenabwehrschild zunächst errichtet werden sollte, kam es zu Protesten, so dass diese unter Bush gefassten Pläne schließlich nicht weiter verfolgt wurden (Katzenjammer in Warschau und Prag).
http://www.heise.de/tp/artikel/36/36374/1.html
Peter Nowak