Montagsdemos unter unklaren Vorzeichen

Linke Gruppen distanzieren sich von «rechtsesoterischer Lyrik» und rufen zur Teilnahme an Ostermärschen auf

Montagsdemonstrationen machen einmal mehr von sich reden. Doch was wollen die Veranstalter? Die «Friedensbewegung 2014» findet keinen Beifall der traditionellen Friedensbewegung.

«Ich war das erste Mal im Leben auf einer Demonstration», erklärt der 20-jährige Stefan. Er wohnt erst seit Kurzem in Berlin und wurde von Freunden auf die Kundgebungen aufmerksam gemacht, die seit dem 7. März jeden Montag um 18 Uhr vor dem Brandenburger Tor stattfinden. Beim ersten Termin waren es knapp 100 Menschen, die vor allem über das Internet mobilisiert wurden.

Für den Weltfrieden, eine ehrliche Presse und gegen die US-Notenbank FED wollte man auf die Straße gehen. Die Bewegung hat sich mittlerweile ausgeweitet. Am 14. April fanden in 24 Städten Mahnwachen oder Kundgebungen statt, an denen insgesamt mehrere tausend Menschen teilgenommen haben.

Obwohl die meisten Kundgebungen in westdeutschen Städten stattfinden, sprechen die Organisatoren von Montagsdemonstrationen. Sie wollen damit an die Großdemonstrationen am Ende der DDR anknüpfen. Es gab in den letzten 25 Jahren bereits mehrere Bewegungen, die sich in die Tradition der Montagsdemonstrationen stellten. Am bekanntesten wurden die Proteste gegen die Agenda 2010, die im Sommer 2004 von Magdeburg aus auf viele weitere ostdeutsche Städte übergriffen. Damals waren unter den Teilnehmern viele, die noch die Montagsdemonstrationen der DDR aus eigenem Erleben kannten. Das ist nun, zehn Jahre später, anders. In Berlin beteiligen sich viele junge Menschen, die 1989 noch gar nicht geboren waren.

Stefan und seine Freunde gehören dazu. Besonders interessiert hat er den Ausführungen von Andreas Popp gelauscht, der auf der Kundgebung einen längeren Vortrag hielt. «Man muss nicht allem zustimmen, aber ich finde seine Theorien sehr plausibel», erklärt Stefan, und seine Freunde nicken.

Im Internet bekennt sich Popp dazu, Verschwörungstheoretiker zu sein. Er will den Begriff von seinem negativen Beiklang befreien. Auch die Anschläge vom 11. 9. 2001 in den USA bezeichnet er als ungeklärt. Diese Ansicht teilt er mit anderen Rednern, die immer besonders viel Applaus bekamen, wenn sie ihre Zweifel zum 11. September äußerten.

In Magdeburg warnte die Linke Jugend- und Hochschulgruppe vor der Teilnahme an der Montagsdemonstration. Frieden, Pressefreiheit – auf den ersten Blick höre sich das nach linken Themen, also einer guten Sache an, die man bedenkenlos unterstützen könnte. Nach einer Recherche sei man allerdings auf eine «Mischung von verschwörungsideologischem Denken, rechtsesoterischer Lyrik und Truther-Propaganda» in den Texten der Montagsdemonstranten gestoßen. Als Truther bezeichnet sich eine weltweite Bewegung, die für die Anschläge vom 11. September den USA die Schuld gibt.

Auch die Kooperation für den Frieden, ein Zusammenschluss von über 60 Initiativen der Friedensbewegung, hat sich in einer Erklärung kritisch mit der neuen Montagsdemonstrationsbewegung und ihrem Mobilisierungstext befasst. «Es gibt in diesem Aufruf, der bundesweit gleichlautend ist, nur eine einzige konkrete Position: »Gegen die tödliche Politik der Federal Reserve. Was dieses Bankensystem mit internationalen Konflikten oder gar Krieg zu tun haben soll, wird nicht im entferntesten benannt.« Die Friedenskooperative erinnert daran, dass die FED oft als Synonym für das »jüdische Finanzkapitel« herhalten muss. »Wer auch immer sich durch die ›Friedensbewegung 2014‹ angesprochen fühlt, sollte genau hinsehen, für welche Ziele diese Bewegung eintritt, und für welche Ziele Demonstrantinnen und Demonstranten gesucht werden«, heißt es am Ende im Aufruf der Friedensinitiativen.

In einer Stellungnahme betonen Aktivisten der Montagsdemonstrationen, weder links noch rechts zu sein, und distanzieren sich von »jedem Extremismus«. Auch für den ehemaligen Radiomoderator Ken Jebsen, der bei mehreren Montagsdemonstrationen als Redner auftritt, steht fest: »Die Redner mögen teilweise naiv sein, aber nicht völkisch und national«.

Jebsen ist als Autor des rechtskonservativen Compact-Magazins in die Kritik geraten. Am kommenden Montag erwarten die Organisatoren der Demonstrationen weiteren Zulauf. In mehreren Städten werben Antimilitaristen allerdings für die Teilnahme an den traditionellen Ostermärschen, die sich von Militarismus, Rassismus und jeder rechten Ideologie abgrenzen.

Peter Nowak

Peter Nowak

Wer braucht schon Fakten?

»11.9. Insidejob der USA« verkünden große Plakate vor dem Brandenburger Tor. Es ist Montag, seit dem 7. März ist dieser Tag für Verschwörungstheoretiker und rechte Esoteriker ein Pflichttermin. Um 18 Uhr versammeln sie sich vor dem Brandenburger Tor in Berlin und mittlerweile auch in 23 weiteren Städten. »Stoppt NWO und Fed« ist auf einem Transparent zu lesen. Die Abkürzungen stehen für »Neue Weltordnung« und die US-Notenbank, letztgenannte ist für die Montagsdemonstranten Feindbild Nummer eins. Auf selbstgebastelten Transparenten finden sich Parolen gegen die Fed und die USA. Ein Plakat zeigt einen Arm in den Farben der US-Flagge, der eine Lunte entzündet, um die Welt in die Luft zu jagen. Das gleiche Motiv war schon am 30. März vor dem Reichstagsgebäude zu sehen, als die Rechtspopulisten von Pro Deutschland mit Reichsbürgern und anderen Splittergruppen der rechten Szene für Putin demonstrierten. Auf der Montagsdemonstration mit etwa 1 200 Teilnehmern sagt ein Redner: »Wir sind nicht rechts oder links. Wir wollen nur, dass es mit Deutschland aufwärts geht.« Das will sicher auch der Mann, der Postkarten mit der Aufschrift »Einigkeit und Recht und Freiheit für des Menschen Tellerrand« verteilt. Beim Klick auf die angegebene Homepage gelangte man noch vor einigen Tagen zum Link des Youtube-Films »Der 2.Weltkrieg. Was man uns vergessen hat, zu erzählen«. Ernst Zündel und andere Altnazis verkünden dort ihre braune »Wahrheit« über Deutschland im Zweiten Weltkrieg. Wahrheitssucher scheint es auf der Demonstration einige zu geben, immer wieder wird die Forderung nach »ehrlichen Medien« laut. Der Organisator der Berliner Montagsdemonstration vertritt ebenfalls eine ganz eigene historische Wahrheit, wenn er behauptet, für fast alle Kriege in den vergangenen 100 Jahren sei die Fed verantwortlich. Einige Antifaschisten, die die Szene am Brandenburger Tor beobachten, hoffen noch, dass sich die Bewegung verläuft.

http://jungle-world.com/artikel/2014/16/49699.html

Peter Nowak

Falsche Freunde

MONTAGSDEMOS Linke sagen ihre Teilnahme wegen Angst vor rechten Verschwörungstheoretikern ab

In 23 Städten wollen heute Montagsdemonstranten auf die Straße gehen: Berlin, Hamburg und München, aber auch Aachen und Wilhelmshaven stehen auf der Liste der Organisatoren. Doch es wächst die Kritik an der neuen Bewegung, die am 17. März mit einer Kundgebung von knapp 100 Menschen vor dem Brandenburger Tor begann.  Am letzten Montag versammelten sich knapp 1.500 Menschen in Berlin. Auf den Transparenten standen vage Aufrufe zum Weltfrieden. Auffällig aber waren die vielen Plakate mit Parolen gegen die US-Notenbank Fed. Auch auf der Facebook-Seite der Montagsdemonstranten heißt es: „Fed provoziert Krieg. Wir wollen das nicht.“  Die Linke Jugend- und Hochschulgruppe Magdeburg warnt inzwischen vor der Teilnahme an der Montagsdemonstration in Magdeburg. Auf den ersten Blick wirkten die Sorgen um den Weltfrieden und die Pressefreiheit wie linke Themen. Doch bei einer Recherche sei man auf eine „Mischung aus verschwörungsideologischem Denken, rechtsesoterischer Lyrik, zutiefst antisemitischer Bildsprache und Truther-Propaganda gestoßen“, erklärt ein Mitglied der Hochschulgruppe. Die Truther-Bewegung bezweifelt, dass die Anschläge vom 11. September in den USA Islamisten verübten.  Bei einer Demo Anfang April waren Plakate zu sehen, auf denen die Anschläge als „Insidejob“ der USA bezeichnet wurden. Der Organisator der Berliner Montagsdemo, Lars Märholz, hat sich gegen Links- und Rechtsextremismus ausgesprochen, aber mit eigenwilligen historischen Thesen für Kritik gesorgt. Der Herausgeber des rechtskonservativen Compact-Magazins Jürgen Elsässer, vor seinen nationalen Coming-out ein Stichwortgeber der antideutschen Linken, solidarisiert sich mit Märholz und der neuen Montagsdemobewegung.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=in&dig=2014%2F04%2F14%2Fa0054&cHash=70ee633a93fa4012b013cebbea65f984

Peter Nowak