Mieter*innen wehren sich gegen Kaufbesichtigungen der eigenen Wohnungen

Verdrängung: Geschäft mit dem Zuhause

Viele der Mieter*innen beteiligen sich auch am monatlichen Pankower Kieztreffen, das jeden letzten Donnerstag im Monat um 18.30 Uhr im Platzhaus am Teutoburger Platz stattfindet. Mittlerweile wurde eine Broschüre unter dem Titel »Eigenbedarf und Wohnungskauf« erstellt, die im Internet runtergeladen werden kann. Die Mieter*innen bereiten sich auch auf drohende Eigenbedarfskündigungen vor. Solidarische Prozessbegleitungen werden vorbereitet.

»Wollen Sie auch die Wohnung kaufen? Dann heißen wir Sie hier herzlich nicht willkommen.« Mit diesen Worten wird am Dienstagabend vor dem Eingang der Lychener Straße 50 in Prenzlauer Berg ein älterer Mann angesprochen. Nach kurzem Zögern geht er zielstrebig durch die Haustür, begleitet von vielstimmigen Buhrufen. Vor dem Haus haben sich etwa 30 Menschen versammelt. Einige halten ein Transparent mit der Aufschrift …

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Instrument zur Entmietung

Pankower Mieter wehren sich gegen ausufernde energetische Sanierung

Immer mehr Berliner Mieter machen gegen die energetische Sanierung ihrer Häuser mobil. Sie ist oft nicht ökologisch und treibt zudem die Mieten hoch.

Wenn der Begriff energetische Sanierung fällt, bekommen viele Mieter Angstzustände. Denn sie verbinden mit dem Begriff keineswegs umweltfreundlicheres Wohnen, sondern massive Mietpreissteigerungen und Vermieterschikanen. Das wurde am Mittwochabend beim 2. Pankower Mieterforum deutlich. Es stand unter dem Motto »Prima Klima mit der Miete«. Über 100 Mieter aus Pankow, aber auch Betroffene aus anderen Stadtteilen beteiligten sich an dem über vierstündigen Informationsaustausch im Veranstaltungsort Wabe, der selber von Investoreninteressen bedroht ist.

Sven Fischer aus der Kopenhagener Straße 46 in Prenzlauer Berg berichtete, dass vor zwei Jahren noch 60 Mietparteien in dem Haus gewohnt hätten. Nach der Ankündigung der energetischen Modernisierung und der darauffolgenden Vermieterschikanen seien viele von ihnen in eine Schockstarre gefallen. »Rentner bekamen Herzattacken und junge Mütter wollten nur noch ausziehen«, berichtete Fischer. Er gehört zu der kleinen Gruppe, die bis heute in dem Haus geblieben ist. In der Auseinandersetzung habe er sich zum Experten für energetische Sanierung entwickelt. Dabei sei ihm klar geworden, dass es hier nur um einen Türöffner für Mietpreistreiberei gehe, erklärte er unter Applaus.

Der Stadtsoziologe Andrej Holm bezeichnete die energetische Sanierung denn auch als ein Instrument zur Entmietung. »Es geht den Eigentümern nicht um die Umwelt, sondern um Rendite«, betonte er. Holm würdigte ausdrücklich die Mieter, die sich trotz Schikanen nicht aus ihren Wohnungen vertreiben lassen und auf Baustellen ausharren. »Sie sind ein Hindernis für die Renditeerwartungen der Eigentümer.«

Eine Möglichkeit, ohne große Mietsteigerungen ökologisch zu sanieren, stellte der Architekt Bernhard Hummel am Beispiel des Häuserblocks Magdalenenstraße 19 vor. Das Lichtenberger Gebäude, das vor 1989 zum Komplex der Staatssicherheit gehörte, wird heute von 60 Mietern aller Altersgruppen bewohnt. Das Haus gehört allerdings keiner privaten Wohnungsbaufirma, sondern dem Mietshäusersyndikat. Ein bundesweites Netzwerk, das sich zum Ziel gesetzt hat, Wohnraum dem Profitinteresse zu entziehen.

Der Moderator des Mieterforums, Matthias Coers, betonte, dass solche Beispiele zeigten, dass es Alternativen auf dem Wohnungsmarkt gibt. Allerdings könne damit nicht die große Masse der Wohnungssuchenden in Berlin mit bezahlbaren Wohnungen versorgt werden.

Denen kann vielleicht eine Initiative der Mieteranwältin Carola Handwerg Hoffnung machen. Sie versucht auf juristischem Wege dagegen vorzugehen, dass die energetische Modernisierung zum Schrecken der Mieter wird. Dabei bezieht sich Handwerg auf eine Klausel im Gesetz, der Wohnungseigentümern die Möglichkeit gibt, die energetische Modernisierung aus wirtschaftlichen Gründen abzulehnen. Handwerg hat ein erstinstanzliches Urteil erstritten, das auch den Mietern diese Verweigerung einräumt. Nun muss sich zeigen, ob das Urteil auch in den höheren Instanzen Bestand hat, sagte Handwerg und warnte vor verfrühtem Optimismus.

Am Ende waren sich die Teilnehmer einig, dass nur die unterschiedlichen Formen von Widerstand kombiniert mit juristischen Mitteln zum Erfolg führen.

Peter Nowak

Prima Klima, aber teure Mieten

VERDRÄNGUNG Bei einem Pankower Mieterforum im Kulturzentrum Wabe berichteten Mieter über Entmietungsstrategien unter dem Vorwand energetischer Sanierung. Es ging auch um Alternativen

Fast vier Stunden haben sich am Mittwochabend BewohnerInnen aus den Stadtteilen Pankow und Prenzlauer Berg zum Pankower MieterInnenforum im Kulturzentrum Wabe in Prenzlauer Berg getroffen. Es ging unter dem Motto „Prima Klima mit der Miete“ um die „Energetische Modernisierung“ von Altbauten. In den zahlreichen Beiträgen der anwesenden MieterInnen wurde deutlich, dass der Begriff hier keineswegs mit Umweltschutz, sondern mit Mietpreistreiberei und massiven Schikanen der EigentümerInnen in Verbindung gebracht wird.

Sven Fischer aus der Kopenhagener Straße 46 etwa berichtete, dass vor zwei Jahren noch 60 Mietparteien in seinem Haus wohnten. Nachdem sie die Ankündigung der energetischen Modernisierung im Briefkasten fanden, seien viele seiner NachbarInnen in Schockstarre verfallen. Heute gehört Fischer zu einer sehr kleinen Gruppe der MieterInnen, die noch in dem Haus leben. In den letzten zwei Jahren, berichtet er, sei er regelrecht zu einem Experten in Sachen energetische Sanierung geworden.

Doch auf dem Forum wurden auch die unterschiedlichen Strategien vorgestellt, mit der Betroffene auf die energetische Sanierung reagieren. So gründeten MieterInnen der Kavalierstraße 18-19 einen „Verein zur Bewahrung historisch-wohnkulturell bedeutender Gebäude in der Kavalierstraße, Berlin Pankow“. Sie wollen damit die historische Fassade des Gebäudes erhalten.

Über juristische Strategien im Kampf gegen die energetische Sanierung berichtete die MieterInnenanwältin Carola Handwerg. Dabei bezieht sie sich auf eine Klausel im Gesetz, der WohnungseigentümerInnen die Möglichkeit gibt, die energetische Modernisierung aus wirtschaftlichen Gründen abzulehnen. Handwerg hat ein erstinstanzliches Urteil erstritten, das auch den MieterInnen diese Möglichkeit einräumt.

Wie ökologische Sanierung auch ohne massive Mietsteigerungen möglich ist, zeigte der Berliner Architekt Bernhard Hummel am Beispiel des Wohnblocks Magdalenenstraße 19 in Berlin-Lichtenberg. Das Haus gehört zum Berliner Mietshäusersyndikat, das sich zum Ziel gesetzt hat, Wohnraum dem Profitinteresse zu entziehen. Für den Stadtsoziologen Andrej Holm liegt hierin das zentrale Problem. „Bei der energetischen Modernisierung geht es nicht um die Umwelt, sondern um die Renditeerwartungen der EigentümerInnen. Daher müssen wir wieder die Eigentumsfrage stellen, erklärte er.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2015%2F04%2F17%2Fa0132&cHash=5f5b3940de5e397786bff3e98783e35b

Peter Nowak

Mieter wehren sich gegen Vertreibung

In vielen Häusern läuft eine brutale Sanierungspraxis – in Pankow regt sich Widerstand

Nach der Sanierung wird das Dreifache der Miete verlangt. In Pankow trafen sich Betroffene zum ersten Mieterforum, um sich gegen ihre Vertreibung zu wehren.

»Hier entmietet die Christmann Unternehmensgruppe 29 große und 16 kleine Menschen«, stand auf einen großen Transparent im Saal der Bezirksverordnetenversammlung Pankow. Die Firma Christmann saniert das Haus Kopenhagener Straße 46 in Prenzlauer Berg und hat es damit schon zu einiger Berühmtheit gebracht. Denn die Mieten sollen sich danach fast verdreifachen.

Ähnlich geht es vielen Mietern im Bezirk. Doch sie wollen dieses Schicksal nicht mehr einfach so hinnehmen. Am Freitagabend trafen sich 60 Bewohner aus Häusern in Prenzlauer Berg und Pankow zu einem Mieterforum, um über ihre Situation und darüber zu reden, wie sie ihre Verdrängung verhindern können. Deutlich wurde, dass in begehrten Wohngebieten eine zweite Vertreibung im Gange ist. Während bis Mitte der 90er Jahre ein großer Teil der ursprünglichen Bewohner wegziehen musste, sind nun die Verbliebenen ebenso wie auch ein Teil der in den 90er Jahren neu Zugezogenen betroffen.

»Eine neue Spekulationswelle ist über uns hereingebrochen. Sie ist mit einer brutalen Sanierungspraxis verbunden. Entmietungen und Zwangsräumungen sind ganz normale Geschäftspraktiken geworden«, stellte Oleg Myrzak fest. Er wohnt in einen der betroffenen Häuser, in der Gleimstraße 52.

Die Erfahrungsberichte zeigten, dass Myrzak nicht übertrieben hat. 16 Mieter der Kopenhagener Straße 46 bekamen fristlose Kündigungen und Abmahnungen, die juristisch natürlich keinen Bestand hatten. Sie sollten aber die Mieter zermürben. Dass sich nicht nur private Investoren, sondern auch städtische Wohnungsbaugesellschaften an der Verdrängung von Mietern beteiligen, machten Bewohner des Hauses Raumerstraße 13 deutlich, das im Besitz der Gewobag ist. Sie schilderten den Umgang des Unternehmens mit ihnen als »nicht so dramatisch wie in der Kopenhagener Straße, aber auch nicht wirklich human«. Erst sei ihnen mitgeteilt worden, dass die Wohnqualität verbessert werden solle, dann kamen die Ankündigungen für den Einbau eines Fahrstuhls, der von allen bisherigen Mietern abgelehnt wird, weil er die Miete in die Höhe treibt.

Verwiesen wurde auf die zahlreichen Internetblogs, mit denen Mieter aus den unterschiedlichen Häusern auf ihre Situation aufmerksam machen. »Leben hinter einer weißen Plane« und »Chronik einer angekündigten Entmietung« lauten die Titel.

Mit dem neugegründeten Pankower Mieterforum wollen sich die Betroffenen vernetzen und die Interessen der von Verdrängung bedrohten Menschen auch in der Politik lauter zu Gehör bringen. Der Senat wurde aufgefordert, »umgehend eine Umwandlungsverbotsverordnung zu erlassen, durch die die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in allen sozialen Erhaltungsgebieten unter einen Genehmigungsvorbehalt gestellt wird«.

Das nächste Mieterforum will sich besonders der energetischen Sanierung im Interesse der Mieter widmen. Derzeit dient sie oft der Vertreibung von Mietern, beispielsweise in der Kopenhagener Straße 46. Sind die bisherigen Bewohner ausgezogen, können ihre Wohnungen als Eigentum teuer verkauft werden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/952555.mieter-wehren-sich-gegen-vertreibung.html

Peter Nowak