«Wir sind alle linksunten»

Die linke Informationsplattform «linksunten.indymedia» wurde im Zuge der Repression nach dem G20-Gipfel abgeschaltet. Die Plattform selber hat sich in ihrer Funktion und in ihrer Bedeutung während den letzten Jahren stark verändert.

«Rote Karte für den schwarzen Block! Linksterror stoppen», steht auf einem Wahlplakat, mit dem sich die rechtspopulistische AfD als Law-and-Order-Partei profilieren will. Doch damit unterscheidet sie sich kaum von der grossen Koalition aus CDU/CSU, FDP und SPD, die nach den militanten Auseinandersetzungen beim G20-Gipfel die letzten Reste von politischem Widerstand bekämpfen.Nicht nur linke Zentren wie die Rote Flora in Hamburg sollen kriminalisiert werden. Der Schlag gegen die Plattform «linksunten.indymedia» gehört dazu. Dabei musste erst ein Verein konstruiert werden, um dann gegen ihn vorzugehen. Am 25. August 2017 durchsuchte die Polizei auf Weisung der Bundesinnenministeriums in Freiburg mehrere Räumlichkeiten und Wohnungen. Ziel war die Durchführung des Verbots der Informationsplattform «linksunten.indymedia», die seitdem abgeschaltet ist.
Dass der Repressionsschlag mit den militanten Auseinandersetzungen in Hamburg begründet wird, zeigt einmal mehr, wie sehr es das politische Establishment geärgert hat, dass in Hamburg deutlich geworden ist, dass Deutschland kein ruhiges Hinterland ist, wenn es die Mächtigen aus aller Welt empfängt.

Nicht linksextrem
Indymedia war keine Plattform der radikalen, sondern der globalisierungskritischen Linken. Doch die Vorbereitungen des Verbots gegen den konstruierten Indymedia-Verein begannen schon vor den G20-Protesten in Hamburg. Es handelt sich auch um keinen Schlag gegen die radikale Linke, wie es nach dem Verbot viele MedienvertreterInnen voneinander abschreiben. Wer in der letzten Zeit einmal die Seite studiert hat, konnte feststellen, dass dort Berichte über eine ganze Palette von politischen Aktionen ausserhalb der Parlamente zu finden waren. Ob es Mietendemos, Kundgebungen gegen Sozialabbau oder die Organisierung eines Infostands gegen die AfD war. All diese Aktionen kamen bei «linksunten.indymedia» vor. Die Voraussetzung dazu war, dass die Berichte von den AktivistInnen selber verfasst wurden. Manche schrieben anonym, doch zunehmend wurden auch Artikel mit Klarnamen verfasst und manchmal waren sogar E-Mail-Adressen und Telefonnummern unter den Beiträgen zu finden. Daraus wird deutlich, dass Indymedia eine Plattform für ausserparlamentarische Politik in all ihren Formen war. Den Schwerpunkt nahm dort die Berichterstattung über gewaltfreien Protest der Nichtregierungsorganisationen ein und manchmal tauchten auch Berichte über militante Aktionen auf. Doch die waren so selten, wie sie es in der politischen Realität in Deutschland tatsächlich auch sind.
Wenn nun «linksunten.indymedia» unisono als Plattform der LinksextremistInnen verschrien wird, zeigt das nur, dass die VerfasserInnen solcher Einschätzungen die Seite nicht kennen. Für die radikale Linke war die Plattform in der letzten Zeit nicht besonders interessant, weil eben klar war, dass sie nicht nur von den Geheimdiensten eifrig mitgelesen wurden. Unter den VerfasserInnen von Beiträgen waren selber auch GeheimdienstmitarbeiterInnen. Zudem sorgten noch die Internettrolle, die durch solche Seiten angezogen werden, dafür, dass Indymedia an Bedeutung verloren hat. Denn dadurch waren Diskussionen auf «linksunten.indymedia» über in der Linken strittige Themen wie die Haltung im Israel-Palästina-Konflikt nicht möglich, womit die Plattform als Medium der Diskussionsplattform ausschied. Sie war damit nur noch eine reine Informationsplattform.

Repression und Solidarität
Der Repressionsschlag hat erst manche Linke wieder darauf hingewiesen, dass es Indymedia noch gibt. In der 18-jährigen Geschichte von Indymedia gab es in den verschiedenen Ländern immer wieder Repression, Hausdurchsuchungen, Beschlagnahme von Computern und die Abschaltungen der Seiten. Berühmt-berüchtigt war der Angriff schwerbewaffneter Polizeieinheiten auf Indymedia-VertreterInnen und viele andere GlobalisierungskritikerInnen am 20. Juli 2001 in Genua. Auch dieser Repression gingen Massenproteste gegen das dortige G8-Treffen voraus. Danach wurde unter anderem die Diaz-Schule am Rande von Genua von der Polizei angegriffen, in der auch Indymedia gearbeitet hat. Damals war die Plattform für diese Bewegung und ihre Organisierung noch sehr wichtig.
Indymedia wurde 1999 von GlobalisierungskritikerInnen gegründet und verbreitete sich schnell auf alle Kontinente. Es war der Beginn eines kritischen Medienaktivismus, der auch die Bedeutung von Medien auf Demonstrationen massiv veränderte. Noch bis in die 1990er Jahre hatten beispielsweise FotografInnen auf linken Demonstrationen einen schweren Stand. Die AktivistInnen wollten nicht fotografiert und gefilmt werden, um sich vor der Repression zu schützen. Heute sind auch fast auf jeder linken Protestaktion mehr Kameras als Transparente zu finden und sie werden auch bedient. Indymedia entstand in einer Zeit, als sich diese Entwicklung abzuzeichnen begann. Bei jedem Gipfelprotest seit 1999 bauten Indymedia-AktivistInnen Computernetzwerke auf und sorgten so dafür, dass die AktivistInnen global kommunizieren konnten. Heute, wo fast alle mit Laptops und Smartphones ausgestattet sind, ändert sich die Rolle dieser MedienaktivistInnen. Sie werden aber nicht überflüssig, wie die wichtige Arbeit des alternativen Medienzentrums FC MC während der G20-Proteste in Hamburg zeigte. Heute verfügt Indymedia weltweit über regionale Ableger. Die jetzt abgeschaltete Plattform gehört dazu. Wenn nun behauptet wird, sie habe nichts mit dem weltweiten Indymedia-Netzwerk zu tun, ist das falsch.

Mehr als ein Strohfeuer?
Jeder regionaler Indymedia-Ableger arbeitet selbständig. Es gibt keine zentrale Steuerung, aber es gibt Grundsätze wie die Konzentration auf den Kampf ausserhalb der Parlamente, die die Leitschnur für die Arbeit der Plattform abgab. Der Angriff auf einen Indymedia-Ableger wird als Angriff auf die Indymedia-Strukturen in aller Welt begriffen, sodass der Repressionsschlag gegen «linksunten.indymedia» auch weltweit Beachtung fand und zu Protest führte. Selbst in den USA solidarisierten sich Gruppen mit der abgeschalteten Seite. Solidaritätsstatements in Deutschland sind unter anderem vom Blockupy-Netzwerk und der Interventionistischen Linken verfasst worden. «Wir sind alle linksunten», lautet der Tenor der Erklärungen.
Angesichts des Verbots werden wieder Diskussionen über eine gemeinsame Plattform linksunten geführt. Es wird sich zeigen, ob es sich dabei um mehr als um ein Strohfeuer handelt. Auch die Linkspartei sowie einige PolitikerInnen der Grünen und sogar der SPD kritisierten das Verbot von «linksunten.indymedia». Mitglieder der Grünen Jugend monierten, dass damit «eine der wichtigsten Informationsquellen gegen rechte Gewalt» kriminalisiert worden sei. Es ist tatsächlich so gewesen, dass auf der Plattform akribisch recherchierte Berichte über die rechte Szene zu finden waren. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die AfD das Verbot als Erfüllung ihre Forderungen feiert und PolitikerInnen der Grünen, Linken und SPD, die sich mit «linksunten.indymedia» solidarisierten, heftig angriffen.

aus Vorwärts/Schweiz:

«Wir sind alle linksunten»

Peter Nowak