Neukölln hat seit Montag eine neue Integrationsbeauftragte: die Journalistin und Buchautorin Güner Balcı. Schon im Vorfeld gab es um ihre Ernennung Streit

Migrant*innen-Meinung nicht so gefragt

„Frau Balcı steht dafür, patriarchale Strukturen zu überwinden“, erklärt der Neuköllner Bürgermeister Hikel gegenüber der Taz. Unterstützung bekommt sie von Berliner Schwulen- und Lesbenverband. Kritik kommt von der Neuköllner LINKEN.

Ende vergangener Woche wurde der langjährige SPD-Politiker Thilo Sarrazin wegen seiner fortgesetzten rechtspopulistischen Aktivitäten aus seiner Partei ausgeschlossen. Sarrazins Weg nach rechts begann 2010 mit der Veröffentlichung seine Buches „Deutschland schafft sich ab“. Zehn Jahre später wird auch Güner Balcı noch einmal mit der Causa Sarrazin konfrontiert. Balcı ist seit Montag die ….

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Zoff um Verträge

Beschäftigte des Lesben- und Schwulenverbands streiken

Ein Warnstreik, und das noch kurz vor Weihnachten: Das hat es beim Berlin-Branden-burger Landesverband des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) bisher nicht gegeben. Trotz nasskalten Winterwetters waren die Be- schäftigten des Bildungswerks (BLSB), die sich am Dienstagnachmittag in Schöneberg versammelt hatten, in Arbeitskampfstimmung. Vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass die Verträge mehrerer MitarbeiterInnen nicht verlängert wurden.

Die Beschäftigten des Bildungswerks fordern seit Längerem die Verbesserung ihrer Arbeitsverhältnisse (taz berichtete). Vor mehreren Monaten haben sie eine Betriebsgruppe der Basisgewerkschaft Freie Arbeite- rInnenunion (FAU) gegründet. Ihre Forderungen: die Entfristung der Arbeitsverträge, die Einhaltung des Gesundheitsschutzes, die Anerkennung der FAU-Betriebsgruppe als Mitbestimmungsorgan und die Einrich- tung einer betriebsinternen Beschwerdestelle.

Konflikt spitzt sich zu

Der Warnstreik ist nun die Konsequenz der gescheiter ten Verhandlungen zwischen FAU-Betriebsgruppe und LSVD-Geschäftsführer Jörg Steinert. Der Konflikt spitzte sich zu, nachdem vor einigen Tagen zwei MitarbeiterInnen erfuhren, dass sie im nächs- ten Jahr nicht übernommen werden. Markus Volkerts (Name geändert), der 15 Mo- nate beim BLSB gearbeitet hat, ist einer der Gekündigten. „Zum 1. Januar stehen nun mehrere Projekte der Arbeit mit Geflüchteten wie das Familienzentrum und das Projekt Respect Game ohne MitarbeiterInnen da“, so Volkerts. Ständige Wechsel der Beschäftigten seien schon länger ein Problem.

Der LSVD-Vorstand verweist auf die Förderbedingungen der Senatsverwaltung und die noch nicht beschlossenen Haushaltsmittel für die Projekte, die für die Kündigungen verantwortlich seien. Die Pressesekretärin der FAU-Berlin, Georgia Palmer, widerspricht dem: Es gebe Projektträger, die ihre MitarbeiterInnen trotzdem mit unbefristeten Verträgen ausstatten. Zudem sei der öffentlich einsehbare Haushaltsplan für 2018/19 vom Senat bereits verabschiedet. Daraus gehe klar hervor, dass für alle größeren Projekte des BLSB die Gelder auf demsel- ben Niveau wie in 2017 eingestellt sind. „Die Kündigungen, die infrage gestellten Verlängerungen und die Abmahnungen bauen eine Drohkulisse auf, mittels deren die Belegschaft gespalten werden soll“, so Palmer.

Der Konflikt wird auch im nächsten Jahr weitergehen. „Das Verhältnis zur FAU hat sich auch nach dem Warn- streik nicht geändert. Ich sehe keine Grundlage für neue Gespräche“, erklärte LSVD-Geschäftsführer Jörg Steinert gegenüber der taz.

Peter Nowak

mittwoch, 20. dezember 2017 taz

Belastende Arbeit, befristete Verträge

Beschäftigte des Bildungswerks des Lesben- und Schwulenverbands Berlin-Brandenburg setzen sich für bessere Arbeitsbedingungen ein. Doch der Geschäftsführer spricht ihrer Gewerkschaft die Legitimation ab.

»Ich habe noch nie so wenig Wertschätzung erfahren für meine Arbeit wie beim Lesben- und Schwulenverband«, stand auf dem Schild, das sich Katrin Meinert* umgehängt hatte. Ihre Kollegin Sabine Steinert* mahnte auf ihrem Schild den Respekt an, der auch das Ziel ihrer Vereinsarbeit sei. Der Kollege, der neben ihr stand, teilte auf seinem Schild mit: »Ich traue mich nicht wirklich, über die Missstände zu reden.«

Die drei arbeiten beim Bildungs- und Sozialwerk des Lesben- und Schwulenverbands Berlin-Brandenburg (BLSB). Seit Monaten setzen sie sich für bessere Arbeitsbedingungen ein. Zunächst hatten sie sich an die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gewandt, wählten dann aber die Basis­gewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiterunion (FAU) als Interessenvertretung.

Am Donnerstag vergangener Woche haben sie mit einer Kundgebung vor dem Büro des BLSB in Berlin-Schöneberg den Arbeitskonflikt öffentlich gemacht und Flyer mit ihren vier zent­ralen Forderungen an die Passanten verteilt. Sie fordern einen Tarifvertrag, die Anerkennung der FAU-Betriebsgruppe als innerbetriebliches Mitbestimmungsorgan, die Entfristung ihrer Arbeitsverträge und die Einrichtung einer innerbetrieblichen Beschwerdestelle. »Es ist absurd, dass der BLSB, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, für Respekt und gegen Diskriminierung anzutreten, diesen Grundsätzen im eigenen Betrieb keine Beachtung schenkt«, kritisiert Meinert.


Keine Freizeit, Burn-out, Sorgen um die Zukunft

Die Beschäftigten im Bildungswerk haben ein großes Aufgabengebiet. Dazu gehört die Bekämpfung von Homophobie im Fußball ebenso wie die Arbeit an Schulen und in Jugendeinrichtungen. In den vergangenen Jahren ist die Arbeit mit Flüchtlingen in den Mittelpunkt gerückt. Vor allem aus Syrien, aber auch anderen Staaten der Region seien viele queere Menschen nach Deutschland gekommen. »Sie sind vor den repressiven Zuständen in ihren Heimatländern geflohen und dann in den Flüchtlingsunterkünften vielfach erneut Diskriminierung aus­gesetzt. In den vergangenen Monaten haben viele von ihnen bei uns Unterstützung gesucht«, erzählt Steiner. Alle Beschäftigten betonen, wie sehr sie ihre Tätigkeit schätzten, aber auch, wie belastend sie sei. Ein Indiz ist die steigende Zahl der Erkrankungen in den vergangenen Monaten. Was die Beschäftigten des BSLB hier ansprechen, kennzeichnet viele Tätigkeiten im ­sozialen Bereich. Die Beschäftigten haben oft keine Freizeit mehr und kämpfen angesichts der Belastungen mit Burn-out und Überlastung. Da ist es besonders widrig, wenn sich engagierte Beschäftigte Sorgen um ihre Zukunft machen müssen.

»Stellen Sie sich vor: Jedes Jahr zu Weihnachten wissen Sie noch nicht, ob Sie im neuen Jahr Ihren Job noch haben werden.« Sabine Stein*, seit fünf Jahren Beschäftigte des BLBS
»Stellen Sie sich vor: Jedes Jahr zu Weihnachten wissen Sie noch nicht, ob Sie im neuen Jahr Ihren Job noch haben werden«, klagt Stein. Sie arbeitet seit fünf Jahren beim Bildungs- und Sozialwerk des BLSB. Wie bei den meisten Beschäftigten ist ihr Arbeitsvertrag befristet. »Jedes Jahr muss ich mich neu bewerben und immer wieder besteht die Unsicherheit, ob ich weiterbeschäftigt werde«, schildert auch Kerstin Kronert* die prekäre Situation der etwa 20 Beschäftigten des BLSB. »Entfristung jetzt«, lautete eine Parole, die sie bei der Kundgebung vor dem BLSB-Büro riefen.
Doch Geschäftsführer Jörg Steinert argumentiert mit Sachzwängen. Die Befristung sei der alljährlichen Mittelbewilligung für den Verein geschuldet.

»Es bleibt bislang bei einer Projektförderung, die eine Befristung von Arbeitsverträgen für die jeweilige Projektlaufzeit mit sich bringt«, sagte er dem queeren Magazin Blu. Steinert weist darauf hin, dass der Berliner Senat bisher nicht über einen Antrag auf institutionelle Förderung seines Vereins entschieden habe. Mit dieser Förderungsform würde größere Planungssicherheit gewährleistet.

Der FAU-Sekretär Valentin Dormann widerspricht diesen Argumenten. Es sei durchaus möglich und in vielen Vereinen mit Projektförderung übliche Praxis, die Beschäftigten mit unbefristeten Verträgen zu beschäftigen, sagte er der Jungle World. Daher akzeptiert Dormann auch Steinerts Begründung für die jüngsten Kündigungen von 16 ­BLSB-Beschäf­tigten nicht. Für Steinert handelt es sich um turnusmäßige Entlassungen zum Ende der Projektförderung und nicht um ein Druckmittel in den Verhandlungen zwischen der FAU und dem Verein. »Es gibt keine Verhandlungsbasis, wenn die Arbeitgeberseite sich weigert, den Beschäftigten eine Perspektive über das Jahresende hinaus zu gewährleisten«, sagte Tormann. Daher sei die Tarifkommission der FAU gezwungen gewesen, die Gespräche mit dem BLSB abzubrechen. Dormann weist auch darauf hin, dass mehrere Beschäftigte abgemahnt wurden.


»Die FAU besitzt die Legitimation, einen Tarifvertrag abzuschließen«

»Die FAU hat die Gespräche abgebrochen. Daher sehen wir keine Veranlassung, zu deren Forderungen oder Behauptungen Stellung zu nehmen«, sagte Steinert der Jungle World. Damit umging er die Frage, ob er sich eine Wiederaufnahme der Gespräche mit der Basisgewerkschaft vorstellen könne. In einer Stellungnahme für Blu sprach er der FAU die gewerkschaftliche Legitimation ab. »Gemäß Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Berlin und des Kammergerichts ist die FAU nicht tariffähig. Sie ist damit im Gegensatz zu richtigen Gewerkschaften nicht zum Abschluss von verlässlichen Tarifverträgen berechtigt. Die Rechtmäßigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen leitet sich nach ständiger Rechtsprechung aus der Tariffähigkeit ab. Daher sind Arbeitskampfmaßnahmen, die durch die FAU initiiert werden, rechtswidrig.«

Für die FAU ist das inakzeptabel. Hier spreche ausgerechnet der Geschäftsführer des BLSB, der sich den Kampf gegen Diskriminierung zur Aufgabe ­gemacht habe, den Beschäftigten das Grundrecht ab, sich in der Gewerkschaft ihrer Wahl zu organisieren, moniert Dormann. »Die FAU Berlin ist im BLSB die Mehrheitsgewerkschaft und besitzt somit die Legitimation, einen Tarifvertrag abzuschließen«, stellt Dormann klar.

In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob sie dafür stark genung ist. Bei der Kundgebung war die Entschlossenheit der Beschäftigten spürbar. Einige wurden nachdenklich, als ein Passant mit Blick auf die Parolen auf den Schildern zu Bedenken gab: »Viele derjenigen, die so viel von Respekt sprechen, haben nichts gegen kapitalistische Ausbeutung.«

https://jungle.world/artikel/2017/49/belastende-arbeit-befristete-vertraege

Peter Nowak

Befristete Projektarbeit


Beschäftigte des Lesben- und Schwulenverbands fordern bessere Verträge

„Stellen Sie sich vor: Jedes Jahr zu Weihnachten wissen Sie noch nicht, ob Sie im neuen Jahr Ihren Job noch haben werden“, klagt Mika Peters*. Seit fünf Jahren arbeitet sie beim Bildungs- und Sozialwerk des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin- Brandenburg (LSVD) – immer mit einem auf ein Jahr befriste- ten Vertrag.
„Jedes Jahr muss ich mich neu bewerben und immer wie- der entsteht die Unsicherheit, ob ich weiterbeschäftigt werde“, erklärt auch ihre Kollegin Kerstin Kronert*. Deshalb haben die etwa 20 Beschäftigten des Bildungswerks vor mehreren Monaten eine Betriebsgruppe der Basisgewerkschaft Freie ArbeiterInnenunion (FAU) gegründet. Zentrale Forderung ist die Entfristung der Arbeitsverträge. Daneben fordern sie die Anerkennung der FAU-Betriebsgruppe als Mitbestimmungsorgan und die Einrichtung einer betriebsinternen Beschwerdestelle. Für FAU-Pressesekretär Daniel Pfeiffer moderate Forderungen – trotzdem sind die Verhandlungen zwischen FAU und Bildungswerk vergangene Woche gescheitert. Selbst über die Gründe dafür ist man sich nicht einig. Mitte November habe der LSVD die zweite Runde der Tarifverhandlungen platzen lassen, indem er sich weigerte, einem Kündigungsmoratorium für die MitarbeiterInnen zuzustimmen, so Pfeiffers Version. „Die FAU hat die Gespräche abgebrochen. Daher sehen wir keinen Anlass, zu deren Forderungen oder Behauptungen Stellung zu nehmen“, erklärt hingegen LSVD-Geschäftsführer Jörg Steinert. Er begründet die befristeten Tarifverträge mit den Geldflüssen der Projektförderung. *Namen geändert

aus Taz-Berlin, 27.11.2017
Peter Nowak