CDU-Kampagne gegen Ausländerbeirat in Fulda

Kritik unerwünscht

In Fulda hat vor einem Jahr ein Polizist einen Flüchtling erschossen. Der Vorsitzende des Ausländerbeirats kritisierte die Behörden. CDU-Politiker haben deswegen eine Kampagne gegen ihn losgetreten.

Vor einem Jahr starb Matiullah J. Am 13. April 2018 wurde der 19 Jahre alte afghanische Flüchtling im osthessischen Fulda von Schüssen eines Polizisten tödlich getroffen. Zu seinem ersten Todestag wollen sich Flüchtlinge und ihre Unterstützer in Fulda zu einer Protestdemonstration treffen. Diese soll….

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Die Polizei schießt, Fulda streitet

In Fulda hat ein Polizist einen Flüchtling erschossen. Die Reaktionen darauf zeigen, wie nahe sich CDU und AfD in der Region mittlerweile stehen.

Nach tödlichen Schüssen der Polizei auf einen Flüchtling in Fulda wird die Stimmung rechtspopulistisch angestachelt

»Solidarität mit unserer Polizei« lautete das Motto einer Kundgebung der AfD im osthessischen Fulda am Montag. Die Unterstützung galt einem Polizisten, der Mitte April vor einer Bäckerei in Fulda zwölf Schüsse auf einen 19jährigen afghanischen Flüchtling abgegeben und ihn mit zwei Kugeln tödlich getroffen hatte.

Der junge Mann war von seiner Flüchtlingsunterkunft zur nahegelegenen Bäckerei gegangen, um Brötchen zu holen. Die Kassiererin weigerte sich, ihn zu bedienen, da die Kasse noch nicht geöffnet war. Der junge Mann fühlte sich offenbar als Flüchtling diskriminiert und begann zu randalieren. Im Laufe der Auseinandersetzung warf er Steine gegen die Fenster der Bäckerei und verletzte einen Lieferfahrer mit einem Stein schwer am Kopf. Nach Darstellung der Polizei attackierte der 19jährige dann einen Beamten einer eintreffenden Streife, entriss ihm den Schlagstock und schlug mit diesem auf den am Boden liegenden Polizisten ein. Die Beamten einer zweiten Streife, zu der der spätere Schütze gehörte, griff er demnach ebenfalls mit dem Schlagstock an. Daraufhin habe der Polizist das Feuer eröffnet, so die Polizei. Neben der Leiche sei ein Schlagstock gefunden worden.

Augenzeugen geben hingegen an, dass der junge Mann sich bereits beruhigt und von der Bäckerei entfernt hatte, als die Schüsse fielen. Er sei erschossen worden, als er vor der Polizei weglief.
Unter dem Motto »Gerechtigkeit für Matiullah!« demonstrierten Mitbewohner des Getöteten später in der Fuldaer Innenstadt. Dass sie bei den Protesten eine afghanische Flagge bei sich trugen, wurde ihnen von CDU-Politikern als besonderer Akt der Illoyalität gegenüber Deutschland angekreidet.

Es sei den eingesetzten Beamten in solch einem Fall nicht immer möglich, nur Arme oder Beine zu treffen, zitiert die Welt den Sprecher des hessischen Landeskriminalamts (LKA). »Die Beamten lernen, so lange zu zielen, bis die Gefahr gebannt ist.« Die Frage, welche Gefahr der Mann zum Zeitpunkt der Schüsse darstellte, stellte öffentlich nur Abdulkerim Demir vom Fuldaer Ausländerrat. »Die afghanische Gemeinschaft in Fulda und ich fordern Konsequenzen nach den tödlichen Schüssen«, sagte er.

»Wenn dieser Fall nicht aufgeklärt wird, dann wird die Polizei das nächste Mal den nächsten Mann erschießen«, so Demir. Seitdem ist er ­einer Kampagne ausgesetzt, an der sich auch Fuldas Oberbürgermeister Heiko Wingenfeld (CDU) beteiligte.

Dieser sprach von einer Vorverurteilung der Polizei und forderte Demir auf, sich von seinen Äußerungen zu distan­zieren.
Bei so viel Parteinahme für die Polizei und derartiger Abwehr eines Kritikers musste sich die AfD offenbar bemühen, noch eigene Akzente zu setzen. »Merkels Zuwanderungspolitik endet tödlich – auch in Fulda«, schrieb sie in einer Pressemitteilung. Den Polizisten sei »für ihre Entschlossenheit zu danken. Diese Entschlossenheit sollte als Signal dafür verstanden werden, dass bei uns nicht jeder machen kann, was er will.« Mit der Kundgebung Anfang dieser Woche setzte die AfD ihre Hetzkampagne fort.

Zu den Rednern gehörte Martin Hohmann, der vor knapp 15 Jahren bundesweit bekannt und in der rechten Szene populär wurde. Der damalige Bundestagsabgeordnete der CDU hatte sich in einer Rede am 3. Oktober 2003 zustimmend auf antisemitische Verschwörungstheorien bezogen, die Juden für die Oktoberrevolution verantwortlich machen. So zitierte er aus dem von Johannes Rogalla von Bieberstein herausgegebenen Buch »Der jüdische Bolschewismus« und der von Henry Ford herausgegebenen Schrift »Der internationale Jude«, die seit ihrer Veröffent­lichung in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein Standardwerk für Antisemiten in aller Welt ist. Auf Druck der CDU-Spitze wurde Hohmann schließlich aus Fraktion und Partei ausgeschlossen. 2016 urteilte das Landgericht Dresden, dass man ihn wegen der Rede als Antisemiten bezeichnen darf.

Als Kandidat der AfD hat Hohmann im Herbst 2017 den Weg zurück in den Bundestag geschafft. Dass er weiterhin zu seiner inkriminierten Rede steht, machte er in einem Wahlkampfflyer deutlich. Darin warf er der CDU-Spitze vor, sie habe ihn zum Sündenbock ­gemacht. »Lieber bleibe ich bei der Wahrheit als bei der CDU« – Hohmann ließ diesen Satz aus seiner damaligen Einlassung vor dem Bundesparteigericht der CDU auf dem Wahlkampfflyer fett markieren. So kann er sich vor seinen Anhängern als Mann inszenieren, der nichts bereut.

Noch immer hat Hohmann viele Anhänger an der Basis der Fuldaer CDU. Schließlich stehen viele von ihnen in der Tradition des rechten Stahlhelmflügels des langjährigen Fuldaer Oberbürgermeisters und Bundestagsabgeordneten Alfred Dregger, der der politische Ziehvater Hohmanns war.

https://jungle.world/artikel/2018/19/die-polizei-schiesst-fulda-streitet

Peter Nowak

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Gegendarstellung

Veröffentlicht am 04.06.2018, 13:55 Uhr

In dem Artikel unter der Überschrift „Die Polizei schießt, Fulda streitet“ des Autors Peter Nowak vom 9. Mai 2018 auf der Internetseite „jungleworld“ heißt es:

„2016 urteilte das Landgericht Dresden, dass man ihn wegen der Rede als Antisemiten bezeichnen darf.“

Hierzu stelle ich fest:
Zu keinem Zeitpunkt hat das Landgericht Dresden geurteilt, dass man mich wegen meiner Rede vom 3. Oktober 2003 als Antisemiten bezeichnen darf.

Neuhof, den 23. Mai 2018
Martin Hohmann

Ein Toter und viele offene Fragen

Flüchtlingsbeirat in Fulda verurteilt Polizeischüsse auf Schutzsuchenden

»Gerechtigkeit für Matiullah!« »Der Polizist muss bestraft werden!« »Ein Unschuldiger wurde getötet!« So lauteten in den letzten Tagen die Rufe von Geflüchteten, die durch die Innenstadt von Fulda gezogen sind. Damit protestierten sie gegen einen Vorfall, der in der Stadt für große Aufregung gesorgt hat. Am Freitagmorgen wurde der junge afghanische Flüchtling Matiullah von der Polizei erschossen. Zuvor soll er in einer Bäckerei randaliert und dabei Angestellte und einen Auslieferungsfahrer verletzt haben. »19-jähriger Afghane greift Bäckerei an«, lautete die Schlagzeile der »Osthessen-News«.

Damit leistete das Portal die Vorlage für die Schlagzeilen diverser alarmistischer Meldungen auf rechten Homepages. Dort war die Rede davon, dass der Terror nun auch Fulda erreicht habe. Dass die rechten Netzwerke so ausführlich berichteten, ist nicht verwunderlich. Schließlich ist Fulda der Wahlkreis von Martin Hohmann, der einst wegen einer als antisemitisch bewerteten Rede aus der CDU ausgeschlossen wurde und bei der AfD ein politisches Comeback gestartet hat. Hohmann hatte nach dem Vorfall behauptet, dass Kanzlerin Angela Merkel und ihre Flüchtlingspolitik verantwortlich seien.

Während sich in den ersten Tagen nach dem Vorfall in der Bäckerei auch die Lokalmedien an der Hetze gegen den toten Schutzsuchenden beteiligten, beginnt man nun damit, sich auf die Menschen einzuschießen, die sich nicht martialisch über Asylbewerber äußern wollen. Angegriffen wurden etwa die Geflüchteten, welche die Geschehnisse teilweise als AugenzeugInnen verfolgten und die Polizei kritisiert haben. Schließlich befindet sich der Tatort in unmittelbarer Nähe der Flüchtlingsunterkunft.

Der junge Mann war am Freitagvormittag nur mit Hausschuhen in die Bäckerei gekommen, um für das Frühstück einzukaufen. »Wir haben mit zwei Zeugen gesprochen. Einer von ihnen hat den Tathergang genau beobachten können«, sagte Abdulkerim Demir. Er ist Vorsitzender des Ausländerbeirats der Stadt Fulda. »Der Verstorbene wollte ausschließlich zwei Brötchen kaufen, geriet dann jedoch mit einer Verkäuferin in Streit, weil die Bäckerei noch geschlossen war.« Daraufhin habe er laut Demir die Steine gegen die Fensterscheibe geworfen. »Wir heißen das Verhalten des jungen Mannes keineswegs gut, doch er war nicht bewaffnet. Als er vor der Polizei weggerannt ist, wurde er erschossen. Dieses aggressive Verhalten der Polizei war gänzlich falsch«, so Demir. Es sei untragbar, dass ein junger Mensch in Deutschland, der zwei Brötchen kaufen will, erschossen werde.

Wegen dieser Aussagen wurde Demir von Heiko Wingenfeld scharf angegriffen. »Solche Vorverurteilungen passen nicht zu unserem Rechtsstaat«, monierte der CDU-Politiker. Er wandte sich damit auch gegen die Schutzsuchenden, die mit ihrer spontanen Demonstration ihre Trauer und Empörung über den Tod ihres Mitbewohners im Flüchtlingsheim zum Ausdruck gebracht hatten.

Verständnis für die Sorgen der Geflüchteten äußerte hingegen Karin Masche, die Mitglied der Fraktion »Die Linke.Offene Liste/Menschen für Fulda« im Stadtrat der Bischofsstadt ist. Sie sprach von einer »grauenvollen Allianz aus AfD, CDU und der Fuldaer SPD«, die den Vorsitzenden des Ausländerbeirats unter Druck setze, weil der den tödlichen Polizeieinsatz kritisiert hatte. Dabei seien die Augenzeugen der tödlichen Schüsse bis heute nicht befragt worden.

Mittlerweile liegt der Obduktionsbericht vor, welcher der Kritik an der Polizei neue Nahrung geben dürfte. Danach wurden zwölf und nicht, wie die Beamten behauptet hatten, vier Schüsse auf den Mann abgegeben. Mittlerweile wurde gegen den Schützen in Uniform ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Gegen ihn wird wegen eines Tötungsdelikts ermittelt. Geprüft wird dabei allerdings auch, ob Notwehr vorlag. Denn die zur Hilfe gerufenen Polizisten sollen mit Steinwürfen und einem Schlagstock angegriffen worden sein.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1085667.vorfall-in-fulda-ein-toter-und-viele-offene-fragen.html

Peter Nowak