Kernershow in Afghanistan

 

Guttenberg will die bisher in der Bevölkerung unbeliebten Militäreinsätze popularisieren. Seine Kritiker bleiben an der Oberfläche
Mit Ehefrau Stefanie und Fernsehmoderator Johannes B. Kerner samt Studio stattete Bundesverteidigungsminister Guttenberg den in Afghanistan stationierten Bundeswehrsoldaten einen vorweihnachtlichen „Blitzbesuch ab. „Mit der Visite setzt zu Guttenberg sein persönliches Ziel der regelmäßigen Besuche in den Einsatzgebieten der Bundeswehr fort“, heißt es auf der Homepage des Ministers.
   

 Als einen „Überraschungsbesuch mit Symbolwert“ bewertet der Spiegel den Blitzbesuch. Schließlich wird über die Verlängerung des Bundeswehrmandats in Afghanistan heftig gestritten. Friedensgruppen fordern eine Nichtverlängerung. „Sie orientiert sich dabei nicht an vermeintlich sicherheitspolitischen Überlegungen oder militärischen „Notwendigkeiten“, sondern an den machtpolitischen Bedürfnissen der US-Regierung“, heißt es populistisch. Obwohl diese Argumentation sicher von einen Großteil der Bevölkerung in Deutschland geteilt wird, bleibt der Protest gering und Guttenberg schafft es mit seinen Shows zu einem der beliebtesten Politiker in Deutschland zu werden. Focus beeilte sich, auf der Welle mitzuschwimmen und kürte ihn gerade zum „Mann des Jahres“.

Selbstbewusste Nation

Guttenbergs Beliebtheit und die Ablehnung des Afghanistaneinsatzes ist kein Widerspruch. Denn Guttenberg hat sich in der letzten Zeit zum Fürsprecher einer selbstbewussten deutschen Nation auch auf militärischem Gebiet gemacht, um damit auch Zeitgenossen zu erreichen, die den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr mit dem Argument ablehnen, dass es nicht deutschen Interessen dient. Wo er die sieht, hat Guttenberg erst vor wenigen Wochen auf einer Sicherheitskonferenz in Berlin deutlich ausgesprochen, als er dafür plädierte, „offen und ohne Verklemmung“ auf wirtschaftliche Interessen einzugehen.

 Dass wegen solch offenherziger Worte erst vor wenigen Monaten ein Bundespräsident zurückgetreten ist, kann Guttenberg gar nicht verstehen. Er moniert, dass Köhler in der Auseinandersetzung nicht stärker unterstützt wurde. Diese Kritik dürfte sich vor allem auf die Regierungsparteien beziehen, die damals eher von missverständlichen Äußerungen Köhlers sprachen und einer klaren Positionierung ausgewichen sind. Die holt Guttenberg jetzt nach und kommt damit in der Bevölkerung an.

Damit dürfte eine auch militärisch abgestützte Politik der ökonomischen deutschen Interessen, die bisher hauptsächlich in militärischen Weißbüchern formuliert worden war, zum Gegenstand der deutschen Politik werden. Sollte Guttenberg mit seinen Vorstoß Erfolg haben, dürfte vor Wahlkämpfen darum gestritten werden, welcher Politiker in der Lage ist, glaubwürdiger die deutschen Interessen vertreten und dafür auch militärische Mittel einzusetzen bereit ist.

Die Enttabuisierung des Militärischen wäre dadurch endgültig abgeschlossen. Zukünftig braucht ein Einsatz der Bundeswehr nicht mehr wie Ende der 90er Jahre mit den Menschenrechten, einem UN-Mandat oder andere internationalen Belangen begründet werden. Noch vor einigen Jahren wollten führende Politiker der deutschen Bevölkerung den Afghanistan-Einsatz dadurch näherbringen, dass sie die Bundeswehrsoldaten zu einer Art bewaffneten Arm von Amnesty International stilisierten, die im Gegensatz zu den US-Soldaten nur Schulen und Brunnen baut. Auch das war nur eine Etappe im Übergang zur selbstbewussten Nation.

Deutsche Interessen mit Herz

Solche trockenen ökonomischen Botschaften müssen mit Showeinlagen kombiniert werden, wie sie die Guttenbergs in Afghanistan inszenieren, damit sie in der Bevölkerung ankommen. So kommentierte der Minister seinen jüngsten Afghanistan-Trip mit den Worten. „Es ist ganz wichtig, dass man gerade in der Weihnachtszeit jenen Anerkennung und Unterstützung gibt, die Tausende Kilometer von der Heimat entfernt einen harten Dienst absolvieren“, sagte der Minister nun vor den Soldaten. „Es ist eine Frage des Herzens.“

Mit solchen Worten hat er die Masse der Bildzeitungsleser schon gewonnen, auch wenn sie im Afghanistaneinsatz deutsche Interessen nicht erkennen wollen. Denn mit seinen Vorstößen zielt der Minister in erster Linie auf eine selbstbewusste deutsche Militärpräsenz, die längst nicht auf Afghanistan konzentriert sein muss. Deswegen bleiben die Kritiker von Guttenbergs Afghanistan-Show auch an der Oberfläche, wenn sie den „Tatort Afghanistan“ anprangern oder den Auftritt des Ministers als irreal, wie Cem Özdemir von den Grünen, oder als unangemessen wie der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel bezeichnen.

Gregor Gysi von der Linken sorgt sich derweil um die Bundeswehr. „Die Soldaten werden so gleich doppelt missbraucht: für einen falschen Krieg und nun auch noch als Staffage auf den heimatlichen Bildschirmen.“ Eine solche geschmäcklerische Kritik muss Guttenberg nicht stören, weil sie sein Konzept einer selbstbewussten deutschen Militärpolitik nicht einmal zur Kenntnis nehmen will. Zur Formulierung einer Kritik daran ist sie daher auch nicht in der Lage.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33844/1.html

Peter Nowak

Unternehmen Bundeswehr

Die von Guttenberg vorgeschlagene Reform zur Modernisierung der Bundeswehr, hat nichts mit Forderungen aus der Friedensbewegung zu tun
Eine Überraschung waren sie nicht mehr, die Reformpläne für die Bundeswehr, die Verteidigungsminister Guttenberg am 23. August den Militärexperten der die Bundesregierung stellenden Parteien vorstellte. Er will die Wehrpflicht aussetzen und die Bundeswehr um ein Drittel verkleinern. Die Truppe soll nach diesen Plänen in den nächsten Jahren von derzeit 252.000 um fast 90.000 Soldaten schrumpfen. Am Ende sollen 163.500 Soldaten übrig bleiben. Dafür soll die Zahl der Freiwilligen erhöht werden.
   

Diese Pläne einer grundlegenden Strukturreform der Bundeswehr werden seit Wochen in den Medien diskutiert.

In der Debatte werden immer wieder unterschiedliche Elemente der Bundeswehrreform besonders hervorgehoben. So nannte Guttenberg in einer Rede beim „Parlament der Wehrpflichtigen“ die dramatische finanzielle Lage des Bundeshaushaltes einen Weckruf für die Reform der Bundeswehr. Der CDU/CSU-Obmann im Verteidigungsausschuss des Bundestags Henning Otte setzte im Gespräch mit dem Deutschlandfunk hingegen die Akzente für die Notwendigkeit der Bundeswehrreform ganz anders. Er betont die veränderte militärpolitische Lage, die für die Reform maßgeblich sei.

——————————————————————————–

 Die Bundeswehr ist ausgerichtet an einer Lage, wie wir sie vor 20 Jahren hatten. Unser Ziel muss aber sein, dass wir gewappnet sind für die Herausforderungen zukünftig. Was kann das sein? Das kann sein natürlich die Landesverteidigung, das ist die Terrorbekämpfung, das ist Katastrophenhilfe und das ist auch Hilfe bei zerfallenden Staaten, um somit auch die Sicherheit unseres eigenen Landes stabilisieren zu können.
Henning Otte

Danach wäre die Bundeswehrreform keinesfalls ein erster Schritt zur Abschaffung, was zwar sowieso niemand glaubt, sondern deutlich eine Möglichkeit, die Bundeswehr im Hinblick auf die militärpolitischen Interessen des deutschen Staates effizienter zu machen.

Wann tritt der Bedarfsfall ein?

Dabei ist es interessant, dass die Wehrpflicht ausgesetzt, nicht aber abgeschafft werden soll. „Wir behalten die Wehrpflicht bei und können sie bei Bedarfsfall wieder reaktivieren, aber reagieren mit einer Aussetzung jetzt darauf, dass wir die Menschen freiwillig gewinnen wollen, dass wir sie nach ihren Fähigkeiten einsetzen und auch gewinnen wollen zum Beispiel als freiwillig länger Dienende, die somit auch im Einsatz im Ausland ihren Dienst tun können“, erklärt Otte.

Dabei ergibt sich sofort die Frage, wann der Bedarfsfall eintritt, bei dem die Wehrpflicht wieder reaktiviert wird? Geht die Politik allen Beteuerungen zum Trotz, dass wir seit 20 Jahren nur von Freunden umgeben sind, davon aus, dass doch auch an Deutschlands Grenzen kriegerische Konflikte wieder möglich sind? Oder wird dann bei einer möglichen Notstandssituation entgegen gegenwärtigen verfassungsrechtlichen Grundsätzen ein Eingreifen der Bundeswehr auch im Innern nicht ausgeschlossen?

Die wesentliche Aussage aber lautet, dass für die aktuell von der Politik formulierten militärpolitischen Ziele motivierte Freiwillige zielführender seien, als durch die Wehrpflicht gezogene Rekruten. Dass die Motivation durchaus auch wirtschaftlicher Natur sein kann, zeigte Ottes Antwort auf die Frage, was getan werden müsse, um die Bundeswehr attraktiver zu machen.
——————————————————————————–

 Das wird die Herausforderung auch sein für die Politik, dass die Bundeswehr ein Arbeitgeber ist, wo sich die Menschen für interessieren, wo sie bereit sind, ihre Arbeit einzubringen, ihre Fähigkeiten einzubringen.
Henning Otte

Schon heute wird die Bundeswehr als Arbeitgeber behandelt, der junge Erwerbslose auch mittels Veranstaltungen im Jobcenter von seinen Vorteilen überzeugen will.

Unterschiedliche Einschätzungen in der Antikriegsbewegung

Weil in der Debatte um die Bundeswehrreform einzelne Elemente oft isoliert dargestellt werden, entsteht schnell ein verzerrtes Bild. So wurde durch die Stichworte vorläufige Abschaffung der Wehrpflicht und Verkleinerung der Bundeswehr der Eindruck erweckt, als würde nun der CSU-Politiker Guttenberg umsetzen, wofür Bundeswehrkritiker seit Jahren gekämpft haben.

Diesen Eindruck erwecken auch manche Organisationen, die im weitesten Feld der Antikriegsbewegung zugerechnet werden können. So erklärt der Leiter der Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen Peter Tobiassen in einem Interview zur Aussetzung der Wehrplicht:
——————————————————————————–

 Für uns war das nur eine Frage der Zeit, und wir sehen jetzt, dass unsere bisherigen Argumente aufgegriffen werden. Wenn inzwischen 23 von 28 Nato-Ländern die Wehrpflicht abgeschafft haben, dann scheint das wirklich die vernünftigere Lösung zu sein. Deutschland ist sozusagen der letzte Hort der Wehrpflicht, in dem einige kalte Krieger immer noch an ihr festhalten, weil sie Massenarmeen für nötig halten.
Peter Tobiassen

Die Zentralstelle berät das Ministerium bei der Umstrukturierung der Bundeswehr.

Realitätsnäher vom Standpunkt der Antikriegsbewegung argumentiert der politische Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Monty Schädel. Auf die Frage, ob Guttenberg für seine Bundeswehrpläne Lob von der Friedensbewegung bekommen soll, antwortet er:
——————————————————————————–

 Auf keinen Fall. Wenn er die Bundeswehr interventionsfähiger macht, ist das für uns kein Grund, Orden zu verteilen. Würde er sie auflösen und tatsächlich abrüsten, bekäme er sie en masse! Was der Kriegsminister macht, ist eine Umrüstung, um in anderen Ländern mit Freiwilligen besser intervenieren zu können.
Monty Schädel

Allerdings würde die Umsetzung der Bundeswehrreform für die Arbeit der Antikriegsbewegung auch eine Zäsur bedeuten. Denn die obligatorische Wehrpflicht für junge Männer war ein Ansatzpunkt für die Kritik, auch wenn dieser Punkt schon in den letzten Jahren an Bedeutung verloren hatte. Zudem dürfte auch die weitere Diskussion über die Alternative für den Zivildienst interessant sein. Denn dafür sind keine regulär bezahlten Arbeitsplätze, sondern ist die Ausweitung der Freiwilligenarbeit im Gespräch, wobei ausdrücklich auch junge Frauen mit einbezogen werden sollen. Hier könnte sich in Zukunft ein neuer Null- oder Niedriglohnsektor im sozialen Bereich entwickeln.

Diese Fragen werden allerdings für die Frage, wie es mit der Bundeswehrreform weitergeht, nicht an erster Stelle gehen. Vielmehr wird die Diskussion vor allem innerhalb der Unionsparteien hier maßgeblich. Einigen Unionspolitiker fällt es schwer, sich von der Wehrpflicht zu verabschieden, die die Union in den fünfziger Jahren eingeführt hat.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33175/1.html

Peter Nowak