Vitamin B für die NPD

Während die Neonazipartei dabei ist, sich selber abzuschaffen, wird sie wieder mal mit einer Verbotsdebatte verwöhnt

Mitten im Sommerloch werden alte Ladenhüter wieder hervorgeholt, so zum Beispiel das NPD-Verbotsverfahren. Es sorgt auch prompt gleich wieder für parteipolitischen Streit. Vor allem die SPD-Ministerpräsidenten drängen auf einen Verbotsantrag, nachdem 2003 ein erster Versuch wegen der hohen Zahl der V-Leute am Bundesverfassungsgericht gescheitert war. Nun hat Bundesinnenminister Friedrich erklärt, in einer Arbeitsgruppe der Länder zu einem möglichen NPD-Verbot mitarbeiten zu wollen.

Der CSU-Politiker betonte allerdings weiterhin seine Skepsis gegenüber den Erfolgsaussichten eines solchen Verbotsantrages. Er wolle „ergebnisoffen“ in die Beratungen gehen. Demgegenüber forderte Berlins regierender Bürgermeister Wowereit, die juristischen Voraussetzungen für ein Verbot zu schaffen. Das würde vor allem bedeuten, die V-Leute zumindest aus der Führungsebene der Partei zurückzuziehen. Das hat Friedrich allerdings bereits abgelehnt.

Darauf weist auch die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke, in einer Pressemitteilung hin. Sie fordert den Innenminister auf, klarzustellen, wie er zu einem Verbotsantrag stehe.

Die Suche nach „Thilos Ideen“?

Von der Debatte könnte in erster Linie die NPD selbst profitieren. Schließlich kann sie sich dabei wieder in einer Opferrolle präsentieren und damit ihr zunehmend enttäuschtes Klientel bei der Stange zu halten versuchen. Ansonsten ist nur von internen Streit, Finanz- und Wahlpleiten die Rede, wenn es um die NPD geht. Der lange vorbereitete Einzug in den Landtag von Thüringen scheiterte. Auch in anderen Bundesländern gelangen keine Wahlerfolge.

Selbst die großangekündigte Fusion mit der überalterten DVU ist in einen juristischen Hickhack ausgeartet. Mehrere DVU-Landesverbände wollen den schon unterschriebenen Fusionsvertrag kippen. Der Ausgang ist noch völlig offen. Aber selbst, wenn die Fusion bestätigt wird, ist damit keine neue rechte Kraft entstanden. Denn ein Teil der noch aktiven DVUler orientieren sich eher an der Prodeutschland-Bewegung, die eine moderne Version der Rechten zu präsentieren versucht.

Sie will die Bezüge zur NS-Ideologie kappen, gibt sich proisraelisch und prowestlich und sieht im Islam den Hauptfeind. Mit der Pro-Bewegung ist der NPD eine ernsthafte Konkurrenz im rechten Lager erwachsen. Die Pro-Bewegung hat wiederum Schwierigkeiten, sich als moderne Rechte zu präsentieren, wo doch viele ihrer Funktionäre die NPD oder ähnliche Organisationen durchlaufen haben.

Die Schwierigkeiten der zersplitterten Rechten zeigen sich aktuell im beginnenden Wahlkampf zum Berliner Abgeordnetenhaus. Die rechte CDU-Abspaltung „Die Freiheit“ demonstrierte mit einem „Nazis raus!“-Transparent für Recht und Ordnung und gegen die kürzlich in Berlin eingeführte Kennzeichnungspflicht der Polizei. Die Pro-Bewegung schreibt derweil auf ihren Plakaten: „Wählen gehen für Thilos Ideen“.

Der Stichwortgeber Thilo Sarrazin aber bleibt lieber in der SPD und lässt schmollende Fans zurück. Von der Berliner NPD aber ist nur bekannt, dass sie zum Jahrestag des Mauerbaus demonstrieren und mit bundesweiter Unterstützung ihre Wahlplakate anbringen will.

Mittlerweile hat sich in Berlin ein aktives zivilgesellschaftliches Netzwerk gebildet, dass den unterschiedlichen Formen der Rechten entgegentritt und „Thilos Ideen“ auch in der Mitte der Gesellschaft bekämpft.

Anders als alle offiziellen NPD-Verbotsinitiativen hat diese Zivilgesellschaft den verschiedenen Ausprägungen der Rechten in Wunsiedel, Dresden und anderswo Niederlagen bei ihren Demonstrationsversuchen beigebracht.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150266

 

Peter Nowak

Die Hartz-IV-Diskussion muss geerdet werden

Seit Wochen sind die Hartz IV-Sätze ein zentrales Thema in den Medien, die Betroffenen werden dabei aber meist gar nicht erwähnt.

Diese Entwicklung ist kein Zufall. Schließlich wurde die neue Debatte um die Hartz IV-Sätze durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts im letzten Jahr ausgelost. Darauf hatten allerdings im Vorfeld auch einige Erwerbslosengruppen gesetzt. Es gab nur wenige Kritiker inner- und außerhalb der Erwerbslosenbewegung, die diese positive Bezugnahme auf die Justiz problematisierten. Denn damit werden wieder Staatsapparate und nicht die Betroffenen in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Diese Warnungen sollten sich bald bewahrheiten.
       Schnell brach unter den politischen Parteien, die Hartz IV unterstützt und verteidigt hatten, ein Streit über die Konsequenzen des Richterspruchs aus. Dazu trug bei, dass er, wie alle juristischen Urteile auslegbar war. Entgegen mancher zu positiver Bewertung auch in Erwerbslosenkreisen schrieb er keineswegs eine Erhöhung der Hartz IV-Sätze fest, sondern verlangte lediglich ihre transparente, nachvollziehbare Festlegung. Über die Umsetzung dieser richterlichen Vorgaben entbrannte fortan der Streit zwischen Regierung und Opposition. Dabei spielte auf beiden Seiten wahltaktische Überlegungen eine Rolle. Während SPD und Grüne im Vorfeld wichtiger Landtagswahlen ihre Verantwortung für die Einführung  Hartz IV vergessen machen wollen und sich als Interessenvertreter von Erwerbslosen aufspielen, geht es der Regierungskoalition vor allem  um die Senkung des Preises der Ware Arbeitskraft insgesamt, die mediengerecht als Stärkung des Wirtschaftstandortes Deutschland verkauft wird.

Senkung des Preises der Ware Arbeitskraft

Dabei spielt die Höhe des Hartz IV-Satzes eine entscheidende Rolle, die weit über die Diskriminierung von Erwerbslosen hinausgeht, wie sie Westerwelle und die FDP im letzten Jahr mit der Debatte über die spätrömische Dekadenz auf die Spitze getrieben hat.  In der öffentlichen Debatte wird noch immer zu wenig zu Kenntnis genommen, dass die Zahl der Menschen, die in  einen Vollzeitjob i so wenig verdienen, dass sie mit Hartz IV aufstocken müssen, kontinuierlich steigt. So verdienen nach Angaben des DGB-Arbeitsmarktexperten Wilhelm Adamy ein Drittel der Leiharbeiter weniger als 1200 Euro im Monat brutto. In Ostdeutschaland sind die Gehälter oft noch niedriger.     Das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit kommt in einer  Studie zu dem Schluss, dass Zeitkräfte im Schnitt 15 Prozent weniger verdienen als Stammbeschäftigte mit ähnlichen Aufgaben. Eine Untersuchung für das Arbeitsministerium in Nordrhein-Westfalen kommt bei Helfern sogar auf eine Lohnkluft von 45 Prozent. Dieser Niedriglohnsektor wurde im letzten Jahrzehnt  von CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne geschaffen. Der DGB hat ihn trotz anfänglichem Sträuben mittlerweile akzeptiert und macht Tarifabschlüsse im Leiharbeitsgewerbe.  Niedrige Hartz IV-Sätze sollen diesen Niedriglohnsektor zementieren. Hierin liegt auch der Grund, warum  sich die Bundesregierung so vehement weigert, über die Höhe des Hartz IV-Satzes mit sich reden zu lassen. Wenn SPD und  Grüne in die Verhandlungen das Thema Mindestlohn einbringen, ist das eigentlich, weil damit deutlich wird, dass die Hartz IV-Sätze kein Spezialproblem von Erwerbslosen sind. Doch  den beiden Hartz IV-Parteien geht es natürlich um Wahlkampftaktik. Eine Mobilisierung der Betroffenen  war von ihnen nicht zu erwarten. Die Linke, die sich ihren Platz in die Verhandlungsrunde über die Hartz IV-Sätze mit einer Klagedrohung erkämpfen musste, hat allerdings auch wenig zu ihrer Mobilisierung beigetragen. Ihre Verhandlungsführerin Dagmar Enkelmann sogleich kürzte für die Verhandlungen, den im Parteiprogramm festgelegten Hartz IV-Satz von 500 Euro  auf 420 Euro, was bei Erwerbslosengruppen auf Widerspruch stieß Hier stellt sich einmal mehr die Frage, warum eine linke Oppositionspartei die Interessen von Erwerbslosen nicht besser mit ihnen  auf der Straße und im Jobcenter vertreten kann, als in einer Verhandlungsrunde, wo sie als Zeichen ihrer Politikfähigkeit ihre eigenen Forderungen zurechtstutzt.            
 
Krach schlagen statt Kohldampf schieben
    Denn allen medialen Schein zum Trotz, gibt es weiter aktive Erwerbslose, die sich für ihre Rechte einsetzen. Sie finden sich meist nicht auf Großdemonstrationen sondern in Jobcentern, wo sie andere Erwerbslose begleiten und gemeinsam versuchen, Rechte durchzusetzen. Diese Zahltag genannten Aktionen werden in den Medien kaum wahrgenommen. Aber auch wenn die Erwerbslosen die Arbeitsagenturen und Jobcenter verlassen und ihren Protest auf die Straße tragen, haben sie es schwer, wahrgenommen zu werden. So hat sich  anlässlich des Gerichtsurteils zu den Hartz IV-Sätzen im letzten Jahr ein Bündnis aus autonomen und gewerkschaftlichen Erwerbslosengruppen gegründet, das unter dem Motto „Krach schlagen statt Kohldampf schieben“ am 10.Oktober im Oldenburg nach langen Jahren wieder eine bundesweite Erwerbslosendemonstration organisierte. Die zentrale Forderung war eine Erhöhung der Hartz IV-Sätze um 80 Euro. Das Symbol des Bündnisses, ein Kochlöffel, der auf einen leeren Kochtopf schlägt, hat sich verbreitert. An  der bundesweiten Großdemonstration für gesunde Ernährung am 22. Januar Berlin beteiligte sich der „Krach-Schlagen-Block“  laut.  Wenn gesunde Ernährung nicht ein Privileg für Wenige sein soll, müssen alle genug Geld haben, um sie kaufen zu können, lautete das Argument für die Beteiligung. Dabei werden auch die Nahrungsmittelproduzenten wie den Milchbauern unterstützt, die, so die Berichterstattung des medialen Mainstream, durch geizige Verbraucher gezwungen wird, immer billiger zu produzieren. Dass der wachsende Niedriglohnsektor dazu führt, dass immer mehr Menschen auf billige Lebensmittel angewiesen sind, wird dabei nicht natürlich  geblendet. Die Aktivisten haben aber genau diesen Zusammenhang in den Mittelpunkt gestellt- 
Doch das Anliegen der Erwerbslosenaktaktivisten wurde in der Berichterstattung entweder total verschwiegen oder mit wenigen Sätzen abgetan. Das  Aktionsbündnis Sozialproteste hat zu einem bundesweiten Treffen mit der Frage eingeladen. „Wie lange noch werden die  Politiker über unsere Köpfe hinweg über unser Schicksal verhandeln?“ Die Frage ist nicht schwer zu beantworten.  Es muss wohl noch viel mehr Krach geschlagen werden, damit das Thema Hartz IV-Sätze den Parteien und Staatsapparaten entwunden und wieder auf den Straßen und in den Jobcentern dieser Republik ein Faktor wird.
Peter Nowak
Der Autor ist Herausgeber des Buches,  Zahltag, Zwang und Widerstand: Erwerbslose in Hartz IV. SBN: 978-3-89771-103-7 Preis: 7.80 Euro, Unrast-Verlag ( http://www.unrast-verlag.de/unrast,2,324,7.html)   

 aus:   ak 558 vom 18.2.2011  

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