Knackis in der Altersarmut

Sozialverbände kämpfen für den Rentenanspruch von Inhaftierten. Doch viele Gefängnisse verhindern, dass die Insassen über ihre Rechte aufgeklärt werden.

Jahrzehntelanges Arbeiten ohne Aussicht auf Altersbezüge – genau das droht vielen ehemaligen Strafgefangenen, obwohl sich immer mehr in ei­genen Gewerkschaften organisieren (Jungle World 48/2015).

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Massenarmut im Alter

Die jetzt medial produzierte Aufregung um drohende Niedrigrenten sind bekannte Ergebnisse der Politik, Gegenkonzepte sind bisher rar

Bild am Sonntag schlägt Alarm. Millionen Rentnern in Deutschland droht im Alter die Armut und den Gang zum Sozialamt. Grundlage des Berichts ist ein Schreiben des Bundesarbeitsministeriums an die Junge Gruppe in der Unionsfraktion, in dem vorgerechnet wird, dass Menschen, die heute 2.500 Euro oder weniger monatlich verdienen, mit dem Tag des Renteneintritts 2030 den Gang zum Sozialamt antreten müssten, weil sie dann nach 35 Arbeitsjahren auf eine monatliche Rente von 688 Euro kämen. Nur ist diese Erkenntnis wahrlich nicht neu. Die Literatur zum Thema Altersarmut füllt mittlerweile Bibliotheken

Doch dass die Kommunikation zwischen einer aufstrebenden Unionspolitikerin und dem Parteinachrückern gleich zu Alarmmeldungen in den Medien führte, war sicher kein Zufall. Schließlich kann sich von der Leyen wieder einmal als Frau mit sozialer Ader in der Öffentlichkeit profilieren. War sie doch mit ihrem Projekt einer Zuschussrente bisher in der eigenen Partei und noch mehr beim Koalitionspartner FDP auf Widerstand gestoßen. Die nun öffentliche Kommunikation mit dem gar nicht mehr so jungen parlamentarischen Unionsnachwuchs soll dazu dienen, zumindest in der eigenen Partei eine Unterstützung für die Pläne von der Leyens zu organisieren.

Dass eine Zustimmung bei der FDP gelingt, ist wenig wahrscheinlich. Bei einer Partei, die auf ein Klientel zielt, das, zugespitzt gesagt, ein Gehalt von 2500 Euro im Monat für das Hauspersonal aus der Portokasse bezahlt und für das Solidarität ein Negativbegriff ist, kann diese Ablehnung nicht verwunderlich. Die Union aber, die zumindest eine Wurzel in der katholischen Arbeiterbewegung hatte, ist durchaus auf die Stimmen der Niedrigrentner von heute und morgen angewiesen. Da kann etwas sozialer Touch nicht schaden. Zumal das Thema in den nächsten Wahlkämpfen eine große Rolle spielen wird.

Zusammenhang von Altersarmut und Niedriglohn

Das Konzept der Zuschussrente aus dem Arbeitsministerium würde allerdings auch keineswegs Armutsrenten für alle verhindern. Schließlich sind die Zuschüsse daran gekoppelt, dass die Antragssteller jahrzehntelang in Rentenkassen eingezahlt und eine private Zusatzversicherung abgeschlossen haben. In ihrem Schreiben an die Unionsjunioren macht von der Leyen diese Grundsätze noch einmal deutlich und warnt davor, dass Menschen, die ein Leben lang gearbeitet und nie staatliche Unterstützung in Anspruch genommen haben, dann von Armutsrenten betroffen sind.

Hier wird eine neue Spaltungslinie aufgebaut. Denn allein an diesen Kriterien wird verdeutlicht, dass der einfache Grundsatz, niemand soll sich Sorgen machen müssen, im Alter in Armut zu leben, offensichtlich auch bei der Ministerin keine Bedeutung hat. Nur so ist zu erklären, dass daran Bedingungen geknüpft sind, die viele der Betroffenen gar nicht erfüllen können. Wer sich mit Niedriglöhnen über Wasser hält, hat schlicht und einfach kein Geld für eine private Versicherung. Zudem wird ausgeblendet, dass die Altersarmut eine logische Folge der Politik ist, die die großen Parteien in den letzten Jahren praktiziert haben.

Wer jahrelang im Niedriglohnsektor beschäftigt war, kann als Rentner nur in der Armutsfalle landen. Ein zentraler Grund für das steigende Altersarmutsrisiko ist die Absenkung des Rentenniveaus bis 2030 von derzeit 51 Prozent auf 43 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns durch die Politik. Dem Bild-Artikel dürften viele Presseberichte über die Armutsfalle im Alter folgen. Die Folgen sind schon absehbar. Noch mehr Menschen, die es sich eigentlich nicht leisten können, werden sich um eine private Altersversorgung kümmern. Andere werden sich schon beizeiten nach einen Job im Rentenalter umschauen. Schließlich gibt es schon heute viele Menschen, die noch im siebten Lebensjahrzehnt Zeitungen austragen, Regale in Supermärkten füllen oder andere meist schlecht bezahlte Arbeiten verrichten. Wenn in den nächsten Jahren aus demographischen Gründen dringend Arbeitskräfte gesucht werden, dürfte der Druck noch viel stärker steigen, auch im Alter erwerbstätig zu sein. Schon heute werden Szenarien vom Arbeiten bis 80 an die Wand gemalt. Dabei geht es nicht darum, Menschen, die das wollen, eine Lohnarbeit auch im Alter zu ermöglichen, Realität wird vielmehr sein, dass Menschen gezwungen sein werden, im Alter zu arbeiten, um sich zur Armutsrente etwas dazu zu verdienen. Die Löhne für die erwerbstätigen Rentner dürften dabei in der Regel im Niedrigbereich liegen, was wiederum das Lohnniveau insgesamt senkt. Denn dann werden von den Unternehmen Rentner auch als Lohndrücker eingesetzt, sollte eine Belegschaft tatsächlich eine bessere Bezahlung fordern.

Solidarische Rentenversicherung statt Altersarmut

Die Alternative zu einem solchen Szenario wäre die Entwicklung eines Rentenkonzepts, das von dem Grundsatz ausgeht, dass ein Auskommen im Alter ohne Angst vor Verarmung ein Grundrecht ist, das unabhängig davon gilt, ob jemand sich privat versichert hat und ob und wie lange er in die Rentenkasse eingezahlt hat. Es wäre die Aufgabe sozialer Initiativen, Gewerkschaften und linker Parteien, solche durchaus im Internet veröffentlichten Konzepte bekannt zu machen und zur Diskussion zu stellen. Ansonsten werden die Weichen für eine weitere Entsolidarisierung der Gesellschaft gestellt, mit einer wachsenden Konkurrenz zwischen jung und alt, weiteren Niedriglöhnen nicht nur im Alter und einer sozial gespaltenen anwachsenden Rentnerpopulation.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152703
Peter Nowak