Kohei Saito, Systemsturz,DER SiEG DER NATUR ÜBER DEN KAPiTALiSMUS, DTV, ISBN:978-3-423ä28369-4,25EURO,

Marx war ein Degrowth-Kommunist

in seinem neuen kapitalismuskritischen Buch «Systemsturz. Der Sieg der Natur über den Kapitalismus» plädiert der japanische Philosophieprofessor Kohei Saito für einen Degrowth-Kommunismus. Wichtige Fragen bleiben jedoch unbeantwortet.

In Japan verkaufte sich ein Buch, das den Kommunismus als Zukunftsprojekt propagiert, über eine halbe Million mal. Auch in den europäischen Städten sind die Versammlungsräume überfüllt, wenn der japanische Philosophieprofessor Kohei Saito seinen in viele Sprachen übersetzten Bestseller «Systemsturz – Der Sieg der Natur über den Kapitalismus» vorstellt. Als der auch zeitweise an der Berliner Humboldtuniversität lehrende Saito Anfang September das Buch in Berlin vorstellte, waren die Plätze schnell ausgebucht. Tausende verfolgten die Ausführungen des japanischen Professors digital. Darunter waren auch viele Klimaaktivist:innen, die bisher …

„Marx war ein Degrowth-Kommunist“ weiterlesen
Kohei Saito: Systemsturz Der Sieg der Natur über den Kapitalismus Aus dem Japanischen von Gregor Wakounig DTV, München 2023 320 Seiten, 25 Euro ISBN 978-3-423-28369-4

Bürgerräte reichen nicht

War Karl Marx ein verhinderter Ökologe? Ja, sagt Kohei Saito, aber so einfach ist es nicht

In Japan verkaufte sich ein Buch, das einen ökologischen Kommunismus als Zukunftsprojekt propagiert, über eine halbe Million Mal. Auch in den europäischen Städten sind die Versammlungsräume überfüllt, wenn der japanische Philosophieprofessor Kohei Saito seinen …

„Bürgerräte reichen nicht“ weiterlesen
"Systemsturz – Der Sieg der Natur über den Kapitalismus" wurde zum Bestseller. Kohei Saito schlägt den Degrowth-Kommunismus vor. Was daran gewagt ist – und was fehlt.

Klima und Klassenkampf: War Karl Marx der erste Ökologe?

Es besteht eine merkwürdige Diskrepanz zwischen der im ersten Teil mit Verve begründeten Option des Degrowth-Kommunismus und den reformerischen Vorschlägen im Anschluss. Ein Schwachpunkt ist auch, dass die Lohnabhängigen in diesem Buch nur eine untergeordnete Rolle spielen. Sicherlich finden sich in den von Saito vorgestellten fünf Säulen zum Degrowth-Kommunismus sinnvolle Forderungen, etwa nach Verkürzung der Arbeitszeit, demokratischer Kontrolle des Produktionsprozesses im Betrieb und einer Gebrauchswertwirtschaft, die sich an den Grundbedürfnissen der Menschen orientiert.

Als 2017 der Historienfilm „Der junge Marx“ in die Kinos kam, waren manche über den Beginn erstaunt. Die erste Szene zeigt nämlich keine Arbeiter im Streik oder auf den Barrikaden, sondern Landarbeiter, die Fallholz im Wald sammeln, was damals als Diebstahl galt. Die Feudalherren, die sich den Wald angeeignet haben, ließen ihre Privatarmee auf die Menschen los, die im Wald Holz sammelten. Viele wurden schwer verletzt oder ermordet. Diese Szene bezog sich auf die Texte von Karl Marx in der Neuen Rheinischen Zeitung über das Holzdiebstahlgesetz, das den Terror gegen die Landlosen, die das Holz zum Feuer machen sammelten, legitimierte. Diese Szene ist auf zweifache Weise interessant. Erstens wird der Blick …

„Klima und Klassenkampf: War Karl Marx der erste Ökologe?“ weiterlesen

Ein Blick auf mögliche Zukünfte

Ein Sammelband diskutiert Kybernetik und emanzipatorische Perspektiven

Roboter vernichten Arbeitsplätze, Smartphones sorgen dafür, dass die Menschen sich nicht mehr zum Plausch treffen und Drohnen sind eine neue, besonders heimtückische Form der Kriegsführung. Tatsächlich hat der technische Fortschritt auch unter außerparlamentarischen Linken keine guten Ruf mehr.

Die drei Sozialwissenschaftler Anne Koppenburger, Paul Buckerkmann und Simon Schaupp wählen einen anderen Ansatz, der schon im Titel deutlich wird. Sie verbinden Kybernetik mit emanzipatorischen Perspektiven. Dabei kritisiert das Herausgebertrio zwei Positionen, die in der Linken zur Technikfrage zu finden sind: »Die einen treibt es zurück in den Garten, in ihren Augen hält ein technologischer Wandel grundsätzlich nur Schlechtes bereit und kann nicht mehr aufgehalten oder nachjustiert werden. Für die anderen erstrahlt ein vollautomatischer Luxus-Kommunismus am Horizont des Silicon-Valley, eine Welt ohne schlechte Arbeit durch Kybernetik, Roboter und künstliche Intelligenz scheint möglich.«

In den elf Aufsätzen setzen sich verschiedene Autorinnen und Autoren mit den Verheißungen und Versprechungen, die mit bestimmten Technologien verbunden sind, kritisch auseinander. So dekonstruiert Matteo Pasquinelli den Mythos von den denkenden Maschinen und der künstlerischen Intelligenz als eine neue Form von Klassenkampf. Simon Schaupp zeigt anhand historischer Beispiele auf, dass es falsch wäre, Kybernetik nur mit dem Kapitalismus in Verbindung zu bringen. So hat der Begründer der modernen Kybernetik, Norbert Wiener, US-amerikanischen Industriegewerkschaften Beratung in Automatisierungsfragen angeboten. Dass es dazu nicht kam, lag daran, dass die Gewerkschaftsführung in den 1960er Jahren die Notwendigkeit dafür nicht erkannte. Weiter vorangeschritten waren die Planungen für das Projekt Cybersyn im sozialistischen Chile während der kurzen Zeit der Unidad-Popular-Regierung unter Salvador Allende. »Gerade der Blick in die Vergangenheit – also die historische Rekonstruktion kybernetischer Utopien – kann den Blick für mögliche Zukünfte schärfen«, betont Schaupp.

Mit Nick Srnicek kommt ein Vertreter des Akzelerationismus zu Wort, die sich besonders technikfreundlich gebären. Auch er bezieht sich positiv auf das Projekt Cybersyn in Chile. Philipp Frei wiederum erklärt, wie im Kapitalismus der Traum von einer Automatisierung der Arbeitswelt, die die Menschen von schmutzigen, gesundheitsschädlichen Tätigkeiten entlasten könnte, zum Alptraum wird. Zu seinen radikalpolitischen Vorschlägen zählt eine radikale Arbeitszeitverkürzung und ein bedingungsloses Grundeinkommen. Auch feministische Debatten werden im Band reflektiert. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Buch eine lebhafte Diskussion unter Linken auslöst.

Paul Buckermann/Anne Koppenburger/Simon Schaupp (Hg.): Kybernetik, Kapitalismus, Revolutionen, emanzipatorische Perspektiven im technologischen Wandel
Unrast. 300 S., br., 20 €.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1045579.ein-blick-auf-moegliche-zukuenfte.html

Peter Nowak