Sind Vorstellungen von Emanzipation und Fortschritt ein Auslaufmodell in einer Welt, die zunehmend an ihre Grenzen stößt? Das ist zumindest die Annahme, die der Soziologe Philipp Staab seinem aktuellen Buch »Anpassung – Leitmotiv der nächsten Gesellschaft« zugrunde legt. Während man in der Moderne noch glaubte, »die Welt ließe sich gestalten und der Fortschritt sorge quasi automatisch für ein besseres Leben«, schreibt Staab, würden die Krisen der Gegenwart eine andere Stimmung einläuten: »Erderwärmung, Wachstumskrise und subjektive Überlastungen haben diesen Optimismus erschüttert. Heute geht es in erster Linie darum, …
„Fortschritt war gestern“ weiterlesenSchlagwort: Cybersyn
Wo bleibt das „CyberSyn“ in Venezuela?
Der Machtkampf um Venezuela geht weiter. Je länger die Doppelherrschaft andauert, desto größer wird die Gefahr eines militärischen Eingreifens der Nachbarländer gemeinsam mit den USA. Dagegen haben in den letzten Tagen in vielen Ländern, auch in Deutschland, Menschen unter der Parole „Hände weg von Venezuela“ [1] demonstriert. Es ist allerdings…
„Wo bleibt das „CyberSyn“ in Venezuela?“ weiterlesenEin Blick auf mögliche Zukünfte
Ein Sammelband diskutiert Kybernetik und emanzipatorische Perspektiven
Roboter vernichten Arbeitsplätze, Smartphones sorgen dafür, dass die Menschen sich nicht mehr zum Plausch treffen und Drohnen sind eine neue, besonders heimtückische Form der Kriegsführung. Tatsächlich hat der technische Fortschritt auch unter außerparlamentarischen Linken keine guten Ruf mehr.
Die drei Sozialwissenschaftler Anne Koppenburger, Paul Buckerkmann und Simon Schaupp wählen einen anderen Ansatz, der schon im Titel deutlich wird. Sie verbinden Kybernetik mit emanzipatorischen Perspektiven. Dabei kritisiert das Herausgebertrio zwei Positionen, die in der Linken zur Technikfrage zu finden sind: »Die einen treibt es zurück in den Garten, in ihren Augen hält ein technologischer Wandel grundsätzlich nur Schlechtes bereit und kann nicht mehr aufgehalten oder nachjustiert werden. Für die anderen erstrahlt ein vollautomatischer Luxus-Kommunismus am Horizont des Silicon-Valley, eine Welt ohne schlechte Arbeit durch Kybernetik, Roboter und künstliche Intelligenz scheint möglich.«
In den elf Aufsätzen setzen sich verschiedene Autorinnen und Autoren mit den Verheißungen und Versprechungen, die mit bestimmten Technologien verbunden sind, kritisch auseinander. So dekonstruiert Matteo Pasquinelli den Mythos von den denkenden Maschinen und der künstlerischen Intelligenz als eine neue Form von Klassenkampf. Simon Schaupp zeigt anhand historischer Beispiele auf, dass es falsch wäre, Kybernetik nur mit dem Kapitalismus in Verbindung zu bringen. So hat der Begründer der modernen Kybernetik, Norbert Wiener, US-amerikanischen Industriegewerkschaften Beratung in Automatisierungsfragen angeboten. Dass es dazu nicht kam, lag daran, dass die Gewerkschaftsführung in den 1960er Jahren die Notwendigkeit dafür nicht erkannte. Weiter vorangeschritten waren die Planungen für das Projekt Cybersyn im sozialistischen Chile während der kurzen Zeit der Unidad-Popular-Regierung unter Salvador Allende. »Gerade der Blick in die Vergangenheit – also die historische Rekonstruktion kybernetischer Utopien – kann den Blick für mögliche Zukünfte schärfen«, betont Schaupp.
Mit Nick Srnicek kommt ein Vertreter des Akzelerationismus zu Wort, die sich besonders technikfreundlich gebären. Auch er bezieht sich positiv auf das Projekt Cybersyn in Chile. Philipp Frei wiederum erklärt, wie im Kapitalismus der Traum von einer Automatisierung der Arbeitswelt, die die Menschen von schmutzigen, gesundheitsschädlichen Tätigkeiten entlasten könnte, zum Alptraum wird. Zu seinen radikalpolitischen Vorschlägen zählt eine radikale Arbeitszeitverkürzung und ein bedingungsloses Grundeinkommen. Auch feministische Debatten werden im Band reflektiert. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Buch eine lebhafte Diskussion unter Linken auslöst.
Paul Buckermann/Anne Koppenburger/Simon Schaupp (Hg.): Kybernetik, Kapitalismus, Revolutionen, emanzipatorische Perspektiven im technologischen Wandel
Unrast. 300 S., br., 20 €.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1045579.ein-blick-auf-moegliche-zukuenfte.html
Peter Nowak
Erinnerung an ein Stück Computersozialismus
Langsam verblasst die Erinnerung an die knapp dreijährige Regierungszeit der Unidad Popular unter Präsident Salvador Allende in Chile. Im Herbst 1970 wurde der linke Präsident ins Amt gewählt und im Anschluss immer heftiger von der chilenischen Konterrevolution
und ihren Verbündeten in den USA, aber auch in lateinamerikanischen Nachbarstaaten attackiert.