Zwei Jahre vor der Bundestagswahl hat die SPD viele Politikberater, die ihr Tipps geben, wie sie wieder stärker als die Union werden könnte. Die meisten führen weiter nach rechts
Die konservative „Welt“ hat wohl am treffendsten den Zustand der SPD beschrieben [1]: „Sie tritt nur noch als Mehrheitsbeschafferin in Erscheinung, und das ohne erkennbare politische Prioritäten. Mal helfen die Sozialdemokraten als Juniorpartner den Grünen, mal der Linkspartei, mal der Union.“
Nun könnte man einwenden, dass hier wohl nicht die ganze Wahrheit geschrieben wird. Schließlich regiert die SPD nicht nur als Juniorpartner mit der Union im Bund, mit den Grünen in Baden-Württemberg und mit der Linken in Thüringen. Es gibt auch noch Bundesländer, in denen die SPD die stärkste Partei in einer Koalition ist, in Hamburg beispielsweise. Aber im Kern trifft der Welt-Kommentator den wunden Punkt. Vor zwei Jahrzehnten noch hätten wohl nicht mal hoffnungslose Pessimisten vorausgesehen, dass die SPD gleich zweimal als Juniorpartner in Landesregierungen gehen wird und dass es eine Konstellation geben könnte, wo die Grünen und die Linkspartei stärker als die Sozialdemokraten sein werden.
Nichts macht deutlicher, dass die Krise der SPD nicht nur eine Worthülse ist. Sie trägt mittlerweile einen Namen, der 25-Prozent-Turm. Das will besagen, dass die Sozialdemokaten bei verschiedenen Prognosen nicht über 25 % der Wählerstimmen herauskommen.Die Rede vom 25-Prozent-Turm ist nicht neu. Schon Anfang der 60er Jahre gab es diesen Begriff bei Politologen und Soziologen. Ihr Rezept dagegen war der Rat, die SPD solle sich von den letzten Resten der sozialistischen Traditionen trennen und sich als deutsche Volkspartei in der Mitte platzieren. Einen solchen Rat hätte man der SPD eigentlich nicht geben müssen, sie sieht schließlich spätestens seit 1914 den Gegner auf der Linken.
Gegen Umverteilung und Politik für die Minderheiten
Auch 2015 bieten sich wieder genügend Politikberater an, die der SPD sagen, was ihr noch zur rechten deutschen Volkspartei fehlt. Dazu gehört Manfred Güllner, der im Hauptberuf Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa ist. Er hat schon seit Jahren erkannt, dass am Niedergang der SPD diejenigen schuld sind, die noch Spurenelemente von Sozialdemokratie in der Partei bewahren wollen.
So erklärte [2] er 2010 eine Kanzlerkandidatur von Kurt Beck für aussichtslos, weil der sich angeblich der Linkspartei annähern wollte und gar von Umverteilung redete. Wie eng bei Güllner Meinungsumfrage und Politikberatung zusammenfallen, zeigt sich immer wieder. In einem Interview [3] warnte er 2008 die SPD vor einem „Linksschwenk“. Die Umfrage-Werte würden beweisen, „dass den Sozialdemokraten eine Annäherung an die Linke eher schadet. Je stärker die SPD nach links rückt, desto stärker verliert sie die Mitte“. Deshalb war für Güllner auch klar, dass Andrea Ypsilanti, die in Hessen wieder etwas mehr Sozialdemokratie wagen wollte, schuld am Niedergang der SPD [4] ist.
Doch Güllner senkt nicht nur den Daumen über SPD-Politiker. Den neuen Regierenden Bürgermeister von Berlin hat er als Sozialdemokraten erkannt [5], mit der die SPD Wahlen gewinnen kann. BeiMichael Müller ist das deutsche Familienbild, das aus Vater, Mutter, Auto, Kind besteht, noch in Ordnung. Er bekannte sich dazu, Politik zu machen für „Menschen, die so langweilig leben wie viele von uns Sozialdemokraten“, eben solchen, bei denen „Kinder, der Arbeitsplatz, die Freude auf den nächsten Urlaub und das neue Auto im Mittelpunkt stehen“.
Dass die freie Fahrt für freie Bürger auch in Berlin Müller am Herzen liegt, haben die Mieter der Beermannstraße 22 in Berlin-Treptow zu spüren bekommen. Ihre Mietverträge sollten kurzerhand enteignet werden, weil sie der Erweiterung einer Autobahn im Wege standen. Entschädigung bekamen sie erst, nachdem sich eine Stadtteilinitiative [6] für die Mieter einsetzte und mit Besetzungen drohte.
Mit seinem Faible für die Autobahn und eine Politik für die Reichen bleibt Müller in den Fußstapfen seines Vorgängers Klaus Wowereit. Mit seinem Bekenntnis zur traditionellen Familie rücken allerdings eher alte Werte wieder in den Mittelpunkt, die von Wowereit etwas verschoben wurden. Damit könnte sich Müller schon vorbereiten auf eine Kanzlerkandidatur für die Nach-Merkel-Ära. Wenn sich tatsächlich Ursula von der Leyen auf der Seite der Union auf diesen Posten vorbereitet, wie immer wieder gemutmaßt wird, könnte Müller das alte Patriarchat um sich sammeln, das der Meinung ist, dass jetzt wieder ein Mann auf diesen Posten müsste. Dann wäre die SPD auf ihrem ewigen Weg in die Mitte endlich rechts von der Union angekommen.
Gabriel – Fußnote in der Geschichte
Bei den nächsten Wahlen, bei der Merkel noch mal antreten dürfte, könnte die SPD dann Sigmar Gabriel antreten und verlieren lassen, was es auch seinen innerparteilichen Kontrahenten leichter macht, sich von ihm abzusetzen. Gabriel tut ja auch alles, damit seine Partei die Wahlen verliert und, wenn sie Glück hat, weiter Juniorpartner unter Merkel bleibt.
Da kämpft er nun seit Monaten dafür, dass seine Partei auch das Freihandelsabkommen mit den USA akzeptiert, obwohl manche in der SPD in dieser Frage eine Möglichkeit sehen, sich gegenüber der Union zu profilieren. Auch bei der Akzeptanz der Vorratsdatenspeicherung ist Gabriel gelegen, zum Koalitionspartner möglichst keinen Dissens aufkommen zu lassen. Dass er damit nicht nur seinen eigenen Justizminister, sondern auch manche Parteifreunde brüskiert, die sich in den letzten Monaten gegen die Vorratsdatenspeicherung engagierten, nimmt Gabriel in Kauf.
Auch die Politikberatung des Taz-Korrespondenten Ulrich Schulte dürfte da wenig ändern. Der hat in einem Beitrag [7] daran erinnert, dass nicht Ypsilanti und Beck, sondern Ex-Kanzler Schröder und die Agenda 2010 dafür verantwortlich sind, dass die SPD nicht mehr aus dem 25-Prozent-Turm herauskommt. Zudem sieht er die Abgrenzung zur Union als lebenswichtig für die SPD. Nur geht auch Schulte noch von der Illusion aus, dass die SPD zumindest noch sozialdemokratische Reformen durchsetzen will. Selbst Michael Jäger, Korrespondent des Freitag, der eigentlich auch theoretisch über Rolle und Funktion der SPD informiert sein müsste, hängt [8] noch in der Illusion an, dass die SPD Teil eines Bündnisses links von der Union werden könnte. Doch anders als der Reformerflügel der Linkspartei, der ja ebenfalls auf dieses Ziel hinarbeitet, beschleichen Jäger zumindest Zweifel über den Realitätsgehalt solcher Vorstellungen:
„Wenn sich aber zeigt, dass die SPD am Spardiktat festhält, mit ein paar Modifikationen vielleicht – und das muss grundsätzlicher formuliert werden: wenn sie wieder einmal nicht bereit ist, aus dem Konsens des deutschen Zwei-Lager-Systems auszubrechen –, dann sollte die Linke endlich einmal die Konsequenz ziehen, die schon Syriza und Podemos gezogen haben, sich nämlich an diesem System nicht mehr zu beteiligen. Eine dritte Kraft zu werden, die auf beide Säulen des Systems nicht mehr wartet. Auf die SPD so wenig wie auf die Union. Diese Strategie würde einem rot-rot-grünen Bündnis eher abträglich sein. Aber es gibt Auflösungserscheinungen in der Gesellschaft, die ihr entgegenkommen.“
Dass die Möglichkeit, einer neuen linken Kraft unabhängig von Union/SPD/Grünen in einer Zeitung, die sich Jahrzehnten bemüht hat, die Illusion einer Mehrheit links von der Union aufrechtzuerhalten, überhaupt diskutiert wird, ist das Bemerkenswerte.
http://www.heise.de/tp/news/Die-SPD-im-25-Prozent-Turm-2582432.html
Peter Nowak
Links:
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