„Räuber der Globalisierung“

Keine Verschwörung, aber viele Klischees: die China-Berichterstattung in deutschen Medien
2008 war China besonders oft im Fokus der deutschen Medien. Es war das Jahr der Unruhen in Tibet und der Olympischen Spiele. In China war man über diese Art von Aufmerksamkeit gar nicht erfreut und fühlte sich an den Pranger gestellt. Man verwies darauf, dass Journalisten wegen zu pekingfreundlicher Berichterstattung ausgewechselt wurden oder wie Zhang Danhong (siehe Wie frei darf die freie Meinung sein? als „politisch verwirrt“ bezeichnet. Um bei den Unruhen in Tibet die gewünschten Fotos von einer brutalen Soldateska zeigen zu können, griff man auf Aufnahmen aus Nepal zurück (siehe Edle Wilde gegen eine schießwütige Soldateska). Sogar von einer anti-chinesischen Verschwörung war daraufhin in Peking die Rede.

Diesen Vorwurf wies die Kommunikationswissenschaftlerin Carola Richter zurück, bestätigte aber, dass die deutsche Chinaberichterstattung von Klischees geprägt ist, die sie mit den K-Wörtern „Konflikte, Krisen, Katastrophen, Kriege“ zusammenfasste. Das ist auch das Ergebnis der von Richter erarbeiteten Studie „Die China-Berichterstattung in den deutschen Medien“, welche die Heinrich-Böll-Stiftung zusammen mit den mit den Universitäten Erfurt und Duisburg-Essen herausgegeben hat. Für die Studie wurden 8700 Artikel aus führenden Printmedien, darunter der Spiegel, de Focus, die FAZ und der taz aus dem Jahr 2008 ausgewertet.

„Räuber der Globalisierung“

Der Duisburger Politikwissenschaftler Thomas Heberer, der an der Studie mitgearbeitet hat, verwies auf einige besonders klischeehaften Formulierungen in deutschen Medien. Da wurden während der Olympiade Parallelen zum NS-System 1936 gezogen. Auf ökonomischen Gebiet wurde China als „Räuber der Globalisierung“ tituliert.

Hier müsste sich die Frage stellen, ob in solchen Formulierungen nicht die Aversion gegen die Wirtschafsmacht China mitschwingt, die als Konkurrent auch der EU wahrgenommen wird. Das würde auch erklären, warum ab 2004 in deutschen Medien in der Regel eine negative China-Berichterstattung vorherrschte. Der Erfurter Kommunikationswissenschaftler Kai Hafez problematisierte in seinen Beitrag zur Studie die mangelnde Einordnung der chinesischen Politik in die weltpolitische Situation durch deutschen Berichterstatter.

Wie die China-Berichterstattung auch mit innenpolitischen Diskursen korreliert, kann an der Tibet-Berichterstattung gezeigt werden. In den meisten deutschen Medien überwiegt eine völlig distanzlose Berichterstattung zum Dalai-Lama, der als der Mann des Friedens oft fast mystifiziert wird. Leider wurden in der Studie meist kleinere Zeitungen, die diese von Romantik und Mystik gespeiste Dalai-Lama-Begeisterung kritisieren (siehe „Die hiesige Tibet-Schwärmerei ist reine Projektion“) nicht berücksichtigt. Bei der Vorstellung der Studie wurde zudem moniert, dass die Internetmedien aus der Untersuchung ausgeblendet wurden.

http://www.heise.de/tp/blogs/6/147829

Peter Nowak

Beruf oder Berufung?

Krise der Medien
Tagelang wurde Ursula von der Leyen in den Medien als Bundespräsidentenkandidatin der Union gehandelt. Als es dann anders kam, blieb eine mediale Selbstkritik weitgehend aus, moniert Thomas Leif vom Netzwerk Recherche. Er bezeichnet den Fall als einen Tiefpunkt eines Journalismus, der sich auf anonyme Quellen aus der Politik verlässt ohne diese zu hinterfragen. Dass liege ganz im Trend eines Journalismus, der längst zu einer Tätigkeit statt zu einer Berufung geworden sei. Seine Kritik am Zeitgeistjournalismus äußerte Leif am Dienstagabend auf einer Veranstaltung der Linken Medienakademie (LIMA) und des Vereins Helle Panke im Taz-Cafe in Berlin. Bleibt im aktuellen Journalismus überhaupt noch Zeit für aufwendige Recherchen oder gehören diese journalistischen Methoden der Vergangenheit an, lautete die Frage.

Leif bleibt skeptisch. Vor allem bei den jüngeren Journalisten gebe es den Hang zum »Neonjournalismus«, der sich über viele Seiten darüber auslässt, wie man sich in der Badewanne fühlt, aber wenig Interesse für gesellschaftliche Probleme hat. Als Leif dann auch die Bloggerszene in ihrer gesellschaftlichen Funktion als maßlos überschätzt bezeichnet, widerspricht eine Teilnehmerin heftig und sprach von einer räsonierenden Altherrenrunde, die den modernen Journalismus nicht mehr verstehe. Diesen Vorwurf wies Leif mit Verweis auf die von ihm initiierten Recherchestipendien für junge Journalisten zurück.

Bei der Internetplattform Wikileaks, die bisher unveröffentlichte Dokumente ins Netz stellt, fänden sie ein großes Betätigungsfeld. Mit Daniel Schmitt saß das deutschsprachige Gesicht der weitgehend anonym arbeitenden Plattform auf dem Podium. Wikileaks verstehe ich nicht als Ersatz sondern als Ergänzung der übrigen Medien, betonte er. Die Plattform machte weltweit Furore, weil sie ein bisher geheimes Video über einen US-amerikanischen Luftangriff im Irak im Herbst 2007, bei dem auch Zivilisten umkamen, ins Netz stellte. Vor wenigen Tagen wurde ein US-Soldat verhaftet, der Wikileaks das Video zugespielt und später damit geprahlt haben soll. Mehr als 1000 Mitarbeiter rund um den Globus würden die Echtheit der zugespielten Dokumente prüfen, betonte Schmitt. So konnten schon manche gefälschte Dokumente aufgespürt werden. Aber auch Schmitt ist sicher, dass die Kontrollen irgendwann versagen werden. Die Mitarbeiter von Wikileaks arbeiten in der Regel ohne Bezahlung.

Dass die meisten Medienschaffenden von ihrer Arbeit leben müssen und schon deshalb für zeitaufwendige Recherchen wenig Kapazitäten haben, wurde in der Runde kaum angesprochen. Nur Christian Bommarius von der »Berliner Zeitung« verwies auf den Alltag im Zeitungsbetrieb, der oft wenig Raum für zeit- und geldaufwendige Recherchen lässt. Leider musste ver.di-Gewerkschafterin Maria Kniesburge, die über die oft prekären Arbeitsbedingungen der Medienschaffenden reden sollte, wegen Krankheit absagen. Sie hätte sicher manche herablassende Bemerkung über Journalisten, die nur für ihr Honorar schreiben und mancher idealistischen Phrase vom Journalismus als Berufung statt Beruf, mit Fakten gekontert.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/172775.beruf-oder-berufung.html

Peter Nowak

Verhaftete Recherchehelfer und selbstgemachte Verliese der Journalisten

Der Whistleblower für Wikileaks wurde in den USA verhaftet. In Berlin diskutierten Journalisten über den Fall und die Fallen, in der Journalisten sitzen, wenn es um Recherche geht
Die Internetplattform Wikileaks machte international Furore, als sie ein bisher geheimes Video über einen Hubschraubereinsatz von US-Soldaten, bei dem im Herbst 2007 im Irak auch Zivilisten starben, ins Netz stellte. Auf dem Video ist zu sehen, wie zwei Fotojournalisten von den Soldaten getötet werden (siehe „Schieß weiter, schieß weiter, schieß weiter, keep shoot’n“). Einer, als er schon verwundet abtransportiert werden sollte, und sich die Soldaten hinterher beglückwünschten.

Jetzt hat das Video für den 22jährigen US-Soldaten Bradley Manning juristische Folgen. Er wurde festgenommen, nicht weil er an der Schießerei beteiligt war, sondern weil er das Video und weitere als geheim klassifizierte Informationen an Wikileaks weitergeleitet haben soll. Ein ehemaliger Hacker, dem er sich anvertraute, sah die nationale Sicherheit in Gefahr und informierte die Behörden.

Der Fall machte einmal mehr die Gefahren deutlich, denen Menschen auch in demokratischen Ländern ausgesetzt sind, wenn sie Missstände öffentlich machen. Allerdings wurde dieser aktuelle Fall nur kurz erwähnt, bei der von der Linken Medienakademie und dem Verein Helle Panke am Dienstagabend im Berliner Taz-Cafe organisierten Diskussionsrunde zum Thema [http://www.rosalux.de/stiftung/veranstaltungsdetail/cal/event/2010/06/08//tx_cal_phpicalendar/recherchieren-ist-eine-zier-mehr-verdient-man-ohne-ihr/view-list%7Cpage_id-20280.html“ Recherchieren ist eine Zier, mehr verdient man ohne ihr?“]. Unter dem Alias-Namen Daniel Schmitt saß das deutschsprachige Gesicht von Wikileaks mit am Tisch. Die Plattform wolle eine Ergänzung zu den übrigen Medien sein, betonte er.

Sind die Neonjournalisten das Problem?

Thomas Leif vom Netzwerk Recherche konzedierte ihr diese Rolle widerwillig und ging dabei hart mit jungen „Neonjournalisten“ ins Gericht, die lieber viele Seiten über das Wohlfühlen in der Badewanne vollschreiben, als sich gesellschaftlichen Problemen zu widmen. Eine Publikumsteilnehmerin mokierte sich daraufhin über die räsonierende Altherrenrunde, die den modernen Journalismus nicht verstehe. Leif verwies dagegen auf die von ihm initiierten Recherchestipendien für junge Journalisten.

Damit hätte man zu der Frage kommen können, ob die Arbeitsbedingungen der meisten Journalisten zeit- und geldaufwendige Recherchen überhaupt zulassen. Sind nicht die auch in der Diskussionsrunde als Vorbilder für einen investigativen Journalismus erwähnten „Edelfedern“ einiger großer Zeitungen dafür das beste Beispiel, weil sie durch ihre besonderen Arbeitsbedingungen die Zeit und das Geld haben, das der Mehrheit der weniger bekannten Kollegen für aufwendige Recherchen fehlt?

Christian Bommarius von der Berliner Zeitung bejahte diese Frage mit seinen Verweis auf den Alltag im Zeitungsbetrieb, wo der Redaktionsschluss und die finanzielle Mitteln die Grenzen setzen.

Leider musste Maria Kniesburge von der Gewerkschaftszeitung verdi-publik wegen einer Erkrankung ihre Teilnahme an der Diskussion absagen. Sie hätte sicher einiges zu den überwiegend prekären Arbeitsbedingungen der Medienschaffenden, die vielkritisierten Neonjournalisten nicht ausgenommen, sagen können. Vielleicht hätte sie auch manche herablassende Bemerkung über Journalisten, die nur für ihr Honorar schreiben und der idealistischen Phrase vom Journalismus als Berufung statt Beruf mit Fakten gekontert. 
 http://www.heise.de/tp/blogs/6/147783

Peter Nowak

Filme zum 2. Juni 1967

Gegen die Entsorgung linker Geschichte
Die »Bibliothek des Widerstands« des Laika-Verlags liefert Bausteine für eine linke Geschichtsschreibung.
Jahrzehnte galt der 2. Juni 1967, der Tag, als der Student Benno Ohnesorg bei einer Demonstration gegen den Schah erschossen wurde, als Geburtsstunde der Neuen Linken in der BRD. Nachdem 2009 bekannt wurde, dass der Schütze Karl-Heinz Kurras für die Stasi gearbeitet hat und sogar SED-Mitglied gewesen sein soll, schien ein weiterer linker Mythos geknackt. Sogar die Frage, ob die Geschehnisse im Juni 1967 eine Inszenierung der DDR waren, wurde in manchen Medien gestellt. Der Laika-Verlag stellt im Rahmen seiner »Bibliothek des Widerstands« eine Gedächtnisstütze gegen die geschichtliche Amnesie bereit. Das ansprechend gestaltete Buch enthält Texte von politischen Aktivisten der vergangenen Jahrzehnte, die den 2. Juni 1967 in den gesellschaftlichen und historischen Kontext stellen. »Was für ein Land. 22 Jahre nach dem Zusammenbruch des Faschismus? An seiner Spitze steht mit Kurt-Georg Kiesinger ein ehemaliges NSDAP-Mitglied, in sechs seiner Landtage sitzen Abgeordnete der neofaschistischen NPD«, resümieren die Herausgeber im Vorwort. Dass sich nicht nur die Studierenden radikalisierten, zeigen die im Buch von Publizisten Uwe Soukup dokumentierten zeitgeschichtlichen Texte der Publizisten Sebastian Haffner und Karl-Heinz Bohrer. »Die vor einer Woche am Opernhaus eingesetzte Polizei hat nicht nur im Affekt, sondern ohne gravierende Notwendigkeit, mit Planung und Brutalität den Lauf gelassen, wie sie bisher nur aus Zeitungsberichten über faschistische oder halbfaschistische Länder bekannt wurde. Das schrieb nicht das Neue Deutschland, sondern die FAZ am 12. Juni 1967.«

Ambitioniertes Programm
Auf der im Buch eingehefteten DVD sind die mit »Der 2. Juni 1967« von Thomas Giefer und Hans-Rüdiger Minow und »Der Polizeistaatsbesuch« von Roman Brodmann zwei zentrale filmische Dokumente über jene Zeit enthalten. Während Giefer und Minow die Ereignisse rund um das Opernhaus nachzeichnen und die Aussagen von Augenzeugen über Polizeigewalt dokumentieren, zeigt Brodmann mit viel Ironie, wie die BRD für den Schahbesuch einen unerklärten Ausnahmezustand inszenierte, der einen Vorgeschmack auf die 1970er Jahre lieferte. Sehr aufschlussreich sind die auf der DVD dokumentierten Kommentare der Aktuellen Kamera und des Senders Freies Berlin.

Buch und Film zum 2. Juni sind nur ein Beispiel im Sortiment des Hamburger Laika-Verlags. Mehr als 100 Filme und Bücher sind im Rahmen der Bibliothek des Widerstands in Vorbereitung. Bereits erschienen ist eine Filmbiografie zu Angela Davis sowie »Der Schrei im Dezember«, ein Filmessay über die Jugendrevolte 2008 in Griechenland. Am 3. Juni um 19 Uhr hat in der Ladengalerie der Tageszeitung junge Welt in Berlin der Film »Krawall« von Jürg Hassler Premiere. Der Protagonist der Züricher Jugendunruhen 1980 erinnert an eine Bewegung mit großer Ausstrahlungskraft.

»Geschichtsbetrachtung ist in Deutschland immer mit Revanche verbunden. Die Revanche will immer die Sicht im Interesse der herrschenden Macht festklopfen«, schreibt der Mitbegründer des Laika-Verlags Karl-Heinz Dellwo. Die Bibliothek des Widerstandes liefert ein Gegenprogramm, dem viel Unterstützung zu wünschen ist. Die Filmbücher können über die Homepage bestellt oder abonniert werden.

www.laika-verlag.de

http://www.neues-deutschland.de/artikel/172128.filme-zum-2-juni-1967.html

Peter Nowak

Afghanistankrieg ungeschönt und ungefiltert

Ein preisgekrönter Dokumentarfilm erregt die dänische Öffentlichkeit
„Was kümmert mich, wenn hier ein Mädchen stirbt. Pech, wie verschüttete Milch. Es sterben so viele Leute.“ Das ist eine der Passagen, die derzeit in der dänischen Öffentlichkeit erregt diskutiert werden. Es ist das Statement eines dänischen Soldaten im Afghanistaneinsatz. Sie stammt aus dem Film Armadillo, der beim Filmfestival in Cannes preisgekrönt wurde.

Der dänische Filmemacher Janus Metz hat für seinen Dokumentarfilm die dänischen Soldaten in Afghanistan über Monate begleitet. Er wollte das wahre Gesicht des Krieges in Afghanistan zeigen. Das ist ihm gründlich gelungen und hat jetzt in dem skandinavischen Land zu einer kritischen Debatte über das militärische Engagement am Hindukusch geführt.

Obwohl bereits 29 dänische Soldaten in Afghanistan ums Leben gekommen sind, war der Einsatz der 750 ISAF-Soldaten, die dort vor allem in der Provinz Helmand aktiv sind, bisher kaum Gegenstand einer öffentlichen Diskussion. Das hat Armadillo verändert. Denn der Film konterkariert das offizielle dänische Selbstbild von den Soldaten als eine Art bewaffneter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation. Die im Film zitierten Soldaten machen nämlich deutlich, dass sie nicht aus politischen Gründen, sondern wegen des persönlichen Kicks in Afghanistan sind.
„Fuck, war das fett! Da lagen vier und röchelten. Taktaktaktak, wir halten drauf, 30, 40 Schuss in den einen. Da kriecht keiner mehr weg, wenn wir da waren. Fucking fett! Jetzt ist man im Krieg gewesen!“, so äußert sich ein Soldat, der den Krieg als eine Art Computerspiel in Realität begreift.

Schon sprechen manche Kriegsgegner von einem dänischen Vietnam. In den späten 60er und frühen 70er Jahren sorgten Filme in den USA dafür, dass sich eine realistische Sicht auf den Vietnamkrieg verbreitete und die Opposition gegen den Krieg wuchs.

 
 

Übrigens steht ein ähnlicher Film über die deutschen Soldaten in Afghanistan noch aus. Der Film Der Tag der Spatzen handelt von dem Versuch des Filmemachers Philipp Scheffners, sich dem Thema Militarisierung in Form eines politischen Naturfilms anzunähern. „Wir wollten nie nach Afghanistan, erklärt Philipp Scheffner, und sein Film beweist, dass man das, was dort geschieht, unter Beteiligung der Bundeswehr nicht filmen kann“, schreibt die FAZ. Warum eigentlich nicht?.

http://www.heise.de/tp/blogs/6/147703

Peter Nowak

Kritisch bis in die Schnipsel

Das Filmfestival Globale mit Beiträgen zu Arbeitswelt, Emanzipation und Israel
 
Einblicke in die internationale Arbeitswelt: Szene aus dem Film »Terra Extrema«
Foto: Globale
»Wir haben keinen Slogan. Wir haben etwas zu zeigen.« So wirbt das am heutigen Donnerstag beginnende globalisierungskritische Filmfestival Globale für sich. Bis zum 2. Juni werden im Kino Moviemento in Kreuzberg und in den Räumen des Vereins allmende e.V. gesellschaftskritische Filme gezeigt. Daneben gibt es eine Reihe von Diskussionsveranstaltungen, bei denen auch der selbstkritische Rückblick auf die eigene Geschichte nicht fehlen soll.

Im Jahr 2003 startete eine Gruppe junger Kunstschaffender, Studierender und Gewerkschafter die erste Globale. Damals hatte die globalisierungskritische Bewegung gerade ihren Zenit überschritten und das Festival sollte Bilder liefern, die mehr als nur Propaganda waren. Damals machte das Zauberwort vom Medienaktivismus die Runde. Im Jahr 2010 bietet das Festival nun die Gelegenheit, ein Resümee zu ziehen. Was ist aus der Idee der Demokratisierung der Medien geworden? Hat das Internet wirklich die Spielräume für politisches Handeln erweitert? So lauten denn auch einige der Fragen, denen sich am Samstag ab 14 Uhr eine Diskussionsrunde widmet.

Noch aus der 68er-Bewegung und ihren Nachwirkungen stammt ein weiteres Zauberwort: die sexuelle Revolution. Eine Filmreihe widmet sich der Frage, ob der Traum von Ausbruch aus alten Zwängen nicht zu neuer Frauenunterdrückung geführt hat und ob im Porno noch emanzipatorische Elemente zu finden sind. Dass die Globale heiße Eisen nicht scheut, zeigt auch die Reihe zum Thema Israel. Dabei soll nicht der die deutschen Linken polarisierende Streit über das Verhältnis zwischen Palästinensern und Israelis, sondern die unterschiedlichen Facetten innerhalb der israelischen Gesellschaft im Mittelpunkt stehen. Die wachsende Bedeutung von orthodoxen jüdischen Gemeinden in Israel wird ebenso Thema eines Filmes sein, wie die Bedeutung der Marke Jaffa-Orangen, die in Israel nicht nur geschätzte Exportprodukte sind, sondern auch ein Symbol für die Fruchtbarmachung der Wüste. Ein weiterer Film widmet sich der der Frage, wie linke Israelis über ihren Staat denken.

Wie in den vergangenen Jahren werden auch auf dieser Globale im Komplex »Labour-Movies« Themen aus der Arbeitswelt im Mittelpunkt stehen. Dabei wird es um den Konflikt im Berliner Kino Babylon ebenso gehen, wie um einen langjährigen, am Ende erfolgreichen Streik im mexikanischen Reifenwerk Euskadi. Im Film »Der Gewinn der Krise« geht es um die Frage, wie Menschen mit den Krisenfolgen umgehen. »Die Fragen nach den politischen Spielräumen in der ›Krise‹ werden sowohl im Film als auch in den Diskussionen einen wichtigen Stellenwert haben«, erklärt Globale-Sprecher Tobias Hering. Allerdings hat die Globale nicht erst wegen der momentanen Krise einen kapitalismuskritischen Anspruch, betont er. Zudem sieht es Hering als einen besonderen Erfolg, dass die Globale auch im sechsten Jahr ihre Unabhängigkeit bewahrt hat und den gerade bei Kulturprojekten häufigen Weg der Kommerzialisierung erfolgreich umgehen konnte.

Zudem hat die Globale auch den zweiten Teil des Begriffs »Medienaktivismus« immer ernst genommen. So findet am 30. Mai um 17 Uhr eine Videovorführung vor dem Ausreisezentrum in der Motardstraße in Berlin-Spandau statt, in dem geduldete Flüchtlinge leben. Und am 6. Juni findet als Abschlussaktion der Globale um 17 Uhr ein kritischer Rundgang durch das Deutsche Historische Museum statt. Dabei soll 125 Jahre nach der Berliner Afrikakonferenz ein kritischer Blick auf den deutschen Kolonialismus geworfen werden. Ab 20.30 Uhr soll es dann an der Temporären Kunsthalle Filmschnipsel zum Thema geben.

Mittlerweile hat die Globale in verschiedenen deutschen Städten, aber auch in Polen und Uruguay Nachahmer gefunden.

Bis 2. Juni, Moviemento, Kottbusser Damm 22, weitere Infos unter www.globale-filmfestival.org

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/171734.kritisch-bis-in-die-schnipsel.html

Peter Nowak

Berufsverbot für Heavy-Metal-Musiker?

Baden-Württemberg: Behörden verlangen von einem Lehramtsanwärter, dass er sich nachweislich von seiner Musikrichtung distanziert
Die Metal-Band Debauchery macht zurzeit auf ungewöhnliche Weise Schlagzeilen. Der Sänger und Gitarrist der Band, Thomas Gurrath, darf wegen seiner musikalischen Nebentätigkeit in Baden-Württemberg nicht als Ethiklehrer unterrichten. Der Student für Politik, Ethik und Geschichte auf Lehramt hat am 1. Januar 2010 im Stuttgarter Hegelgymnasium sein Referendariat begonnen. Doch als Gurraths Seminarleiter, bei dem er auch seine musikalischen Auftritte anmeldet, im Zuge einer Internetrecherche auf das Plattencover der Band stößt, ist es mit dem Schulfrieden vorbei. Die Schulrektorin wird verständigt, die Gurrath zum Gespräch vorlädt. Gurrath berichtet, er sei von der Rektorin im Laufe des Gesprächs als psychisch krank bezeichnet worden.

„Sie kündigte eine Attestpflicht für mich an und sagte, sie werde die Lehrerschaft über mich informieren, damit sie wissen, mit wem sie es zu tun hätten. Zusätzlich wurden alle Fachleiter informiert“, beschreibt der Referendar das Gespräch.

Gurrath wird schließlich vor die Alternative gestellt, entweder sein Engagement als Musiker aufzugeben oder als Lehrer zu kündigen. Er entscheidet sich für Letzteres. Doch damit gibt sich das Stuttgarter Regierungspräsidium nicht zufrieden. Es will Gurrath erst dann wieder als Lehrer einstellen, wenn er „(…) den Nachweis erbringt, dass er sich von seiner bisherigen Musikrichtung (…) über einen Zeitraum von drei Jahren distanziert hat (…)“.

Der Hamburger Rechtsanwaltes Niels Bialeck sieht speziell für diese Distanzierungsaufforderung keine juristische Grundlage. „Allein von einer Nebentätigkeit als Musiker auf die persönliche Nichteignung zu schließen, überspannt in meinen Augen eklatant den Spielraum, den ein staatlicher Dienstherr bei der Beurteilung seiner Anwärter hat“, so der Jurist.

Mit dieser Auflage, die ein faktisches Berufsverbot zumindest für staatliche Schulen darstellt, werden sich demnächst die Gerichte befassen. Denn Gurrath will dagegen klagen. Im Internet wird schon gegen das „Berufsverbot“ für Gurrath mobilisiert. Ein längerer Beitrag im Feuilleton der Welt hat aus der Provinzposse endgültig einen Fall gemacht, der bundesweit auf Aufmerksamkeit stößt.

http://www.heise.de/tp/blogs/6/147684

Peter Nowak

Nachrichten aus der Krisenrepublik

Mit »Der Gewinn der Krise« legt Jörg Nowak seinen Debutfilm vor
Wie es den Dax und der Börse in der Finanz- und Wirtschaftskrise geht, ist das Thema der Massenmedien. Aber wie gehen die Lohnabhängigen und Erwerbslosen damit um? Dieser Frage widmete sich der Berliner Politikwissenschaftler und soziale Aktivist Jörg Nowak in seinem ersten Film.
 
Im Sommer 2009 ist der Filmemacher quer durch die Republik gefahren, um mit Menschen zu reden, die auf unterschiedliche Weise von der Krise betroffen sind. »Die Route hat sich an Zeitungsmeldungen über Entlassungen, Werksschließungen und Kämpfe in Betrieben orientiert. Befragt haben wir aber auch Leute, die wir auf der Straße getroffen haben oder die wir vorher schon kannten«, sagt Nowak.

Während elf anonymisierte Gesprächspartner aus Eisenhüttenstadt, Frankfurt am Main, Alzenau, Kaiserslautern, Stuttgart und Glückstadt berichten, wie sich ihr Leben in der Krise verändert hat, sehen wir ihr Wohn- und Arbeitsumfeld. Zwischen den Interviews zieht die deutsche Landschaft aus der Perspektive eines PKW am Betrachter vorüber. Der Verzicht auf zusätzliche Kommentare oder filmische Effekte erweist sich ebenso als Stärke des Films, wie der Verzicht auf Politiker und Gewerkschaftsfunktionäre als Gesprächspartner. So ist der Film frei von Phrasendreschern oder Berufsoptimisten.

Es dominiert ein gnadenloser kapitalistischer Realismus, wenn eine Frau aus Eisenhüttenstadt von ihren vergeblichen Bemühungen berichtet, als Altenpflegerin ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Selbst ein Job im Dreischichtsystem mit schlechter Bezahlung in Berlin war nicht von langer Dauer. Auch der Philosophiedoktorand aus Frankfurt/Main hat wenig Hoffnung auf einen einigermaßen gut bezahlten Job im Wissenschaftsbetrieb. Er sieht in den USA, wo 60-jährige Arbeiter von der Polizei aus ihren zwangsversteigerten Häusern geholt werden, einen Blick in die Zukunft des Kapitalismus. Doch er befürchtet, dass wir auch der nächsten Krise wieder unvorbereitet gegenüber stehen. Ein Beschäftigter des Automobilzulieferers Mahle aus dem nordbayerischen Alzenau hofft noch auf Unterstützung vom Staat. Die Belegschaft hatte gegen die drohende Schließung im Mai 2009 das Werk drei Tage besetzt. Die Arbeiter gaben ihren Widerstand erst auf, nachdem Bereitschaftspolizei aufmarschiert war und ein eingeflogener Gewerkschaftsfunktionär zur Beendigung des Kampfes aufrief und auf die juristischen Folgen bei einer Fortsetzung hinwies. Jetzt sind die Beschäftigten bis 2011 in Kurzarbeit geparkt.

An die Versprechungen der Politiker, die Kraft der Gewerkschaften oder eine autonome Interessenvertretung glaubt keiner der Gesprächspartner. So passt das regnerische Wetter in den letzten Filmsequenzen zur Stimmung.

»Der Gewinn der Krise«, D 2010, 45 Minuten, von Jörg Nowak. Premiere am 22. Mai, 17 Uhr, im Regenbogenkino, Lausitzer Straße 22, Berlin-Kreuzberg. Anschließend Diskussion mit den Filmemachern, der Kulturwissenschaftlerin Katja Diefenbach und den Gewerkschaftsexperten Willi Hajek.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/171418.nachrichten-aus-der-krisenrepublik.html

Peter Nowak

Perspectives on Drug Free Culture

Perspectives on Drug Free Culture
Regie: Marc Pierschel und Michael Kirchner
Deutschland 2009
von Peter Nowak
Der Film setzt sich kritisch mit der Straight-Edge-Bewegung auseinander.
Sie waren jung, gesundheitsbewusst und hassten Drogen. Die Rede ist von den Begründern und Protagonisten einer der wohl verkanntesten subkulturellen Bewegungen der letzten Jahre: der Straight Edge-Bewegung.

«Straight Edge» heißt klare Linie. Für die sog. «Edger» hieß das, keine Drogen zu nehmen und sich mindestens fleischlos, in der Regel aber vegan zu ernähren, also auf alle tierischen Produkte in der Nahrung zu verzichten.
Diesen Anspruch nahmen die Mittelstandskinder ernst, die Ende der 70er Jahre in den Großstädten der USA vor allem ein Ziel hatten: nicht in der Gosse zu landen. Sie grenzten sich damit von dem oft extensiven Drogenkonsum der Subkulturen ab, die sie selber kannten. Denn zu dieser Zeit war der Gebrauch dieser Mittel – anders als noch Ende der 60er Jahre – nicht mehr mit Befreiung der Sinne sondern mit dem oft gar nicht so romantischen Leben der regelmäßigen Drogenkonsumenten verbunden.

Als Reaktion auf diese Erfahrungen entwickelte sich eine Subkultur, die auf Drogenfreiheit, ein gesundes Leben und auch auf konservative Werte setzt. Die in Münster lebenden Filmemacher Marc Pierschel und Michael Kirchner haben sich in ihrem Film Edge auf eine sehr sympathische Weise mit dieser in die Jahre gekommenen Subkultur auseinandergesetzt. Sie haben sie weder romantisiert, noch denunziert, und auch mit manchen Mythen aufgeräumt.

Dazu gehört die verbreitete Ansicht, die Straight Edge-Bewegung propagiere eine Asexualität. Doch mehrheitlich wanden sich die Straight-Edger gegen einen häufigen Partnerwechsel. Auch hier trafen sie in den frühen 80er Jahren, als der Schrecken über die damals neue Krankheit Aids groß war, auch bei Jugendlichen auf offene Ohren.

Leider werden diese gesellschaftlichen Umstände, ohne die die große Bedeutung der Edge-Bewegung nicht erklärbar ist, im Film nur angedeutet. Dafür werden Musiker der unterschiedlichen Bands interviewt, die der Bewegung erst die große subkulturelle Bedeutung gaben. Die Punk Band Minor Threat, die den Begriff Straight Edge prägte, gehört ebenso dazu, wie der Rapper Ray Cappo oder die Hard-Core-Combo Youth of Today, die Mitte der 80er Jahre die Edge-Bewegung mit gemeinhin links codierten politischen Themen verband. Hierin liegt der Grund, dass diese Subkultur bis heute junge, moralische Gymnasiasten in ihren Bann zieht.

Dass die Edge-Bewegung generell emanzipatorische Inhalte habe, ist einer der Mythen, die der Film dekonstruiert. So wird mit der Band Terror Edge eine Combo vorgestellt, die für eine menschenfeindliche Strömung steht. Diese Strömung ist auch die Grundlage einer offen rechtsradikalen Straight-Edge-Bewegung. Mittlerweile gibt es in Deutschland Rechtsradikale, die gesunde Ernährung und den Kampf gegen Drogen mit rassistischen und antisemitischen Elementen kombinieren und sich dabei auf Ahnherren in der NS-Bewegung berufen. Leider fehlt auch dieser Aspekt in dem ansonsten informativen Film.

Das junge Zielpublikum wird dadurch angesprochen, dass zwischen den einzelnen Szenen und Interviews im Film immer wieder Internetrecherche betrieben wird. Auch die Musikbeispiele kommen aus dem Netz. Einige Rezensenten monieren, dass die Musikbeispiele nur von You-Tube und My-Space kommen. Aber abgesehen davon, dass das vermutlich finanzielle Gründe hat, ist ein Plus des Films, dass der Fokus auf die kritische Auseinandersetzung, und nicht auf das Konsumieren einer Jugendkultur gelegt wird.

Ab Mai als DVD erhältlich unter www.compassionmedia.org/ oder www.theedgeprojectmovie.com/.

 http://www.sozonline.de/2010/04/pierschelkirchner-edge/#more-705

Peter Nowak

Tatort Brunnenstraße – zwischen Kunst und Widerstand

Wegen eines Fehlers des Autors wurde in der ersten Version der Ausstellungsbesprechung die Fotoarbeit von Said Sennine der  Künstlerin Giovanna Schulte-Ontrop zugeordnet. Der Autor bedauert den Fehler und entschuldigt sich bei Frau Schulte-Ontrop.

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Ein schwarzgekleideter, vermummter Jugendlicher steht auf einen  Dach und  schwenkt eine Fahne mit einem Anarchiezeichen. Im Loop von Jan Wirdeier  wiederholt sich die Szene immer wieder von Neuem.    

 Bis vor einigen Monaten konnte man in der  Berliner Brunnenstraße solche Szenen noch  im realen Leben sehen. Am 21. November 2009 wurde mit der Brunnenstraße 181 eines der letzten besetzen Häuser Berlins geräumt.

In der Ausstellung „Tatort Brunnenstraße“ in der Neuen Schule für Fotografe  kommt das Hausprojekt, in dem Berlins erster Umsonstladen sein Domizil gefunden hatte, gleich mehrfach vor.  Schließlich stelle die Dozentin  Eva Bertram den Studierenden ihrer Klasse die Aufgabe, sich in ihren Semesterabschlussarbeiten mit der Straße zu befassen, in der sich die Schule seit einiger Zeit befindet.

Nicht alle Fotografen konnten mit der gestellten Aufgabe etwas anfangen.  Tobias Wirth betonte, dass er keinen Zugang zu der Straße gefunden hat. Deshalb  hatte er auch Modefotografien zur Ausstellung beigesteuert. Die übrigen Arbeiten drehen sich tatsächlich um die Brunnenstraße, die im Wedding beginnt und fast am Hackeschen Markt endet.  Der Kontrast der beiden Stadtteile wird in der Arbeit von  Said Sennine  etwas überstrapaziert. Auf den 10 Fotos sind unter Anderem ein Blumenladen,  ein Imbiss, ein Restaurant abgebildet. Die Zuordnung nach Stadtteilen aber will dem unbefangenen Betrachter nicht sofort gelingen. Denn der im Begleittext aufgestellten These, dass im Weddinger Teil der Brunnenstraße eher bürgerliche, ältere Menschen das Bild prägen, werden zumindest langjährige Bewohner oder Besucher der Gegend nicht zustimmen.

Auf den ersten Blick irritierend wirken die Fotographien von Juliane Apel mit dem vielen zugemauerten Fenstern und Türen und den verlassenen Häusern. Sie wurden nicht in Berlin sondern in der Großen Brunnenstraße in Halle, dem Heimatort der Künstlerin, aufgenommen. Das Bild dieser Straße  ist von der Verarmung und dem Wegzug vieler Menschen geprägt.  An den alten Brunnen erinnert nur noch der Name,    aus der eine Schule waren ein Armenhaus und dann ein Gefängnis geworden, bevor das Gebäude verschwand. Auch die Studentenkneipe hat schon lange geschlossen.

Die Arbeiten drehen sich um den schnellen Wandel einer Straße und da ist die Berliner Brunnenstraße tatsächlich ein gutes Beispiel. Nur wenige Meter von dem Ausstellungsort  befindet sich das geräumte  Gebäude, jetzt ohne Fenster und mit zugemauerten Türen. „Wir bleiben alle“ prangt noch groß auf den Außenmauern. Direkt gegenüber der Galerie findet sich auf der Fassade eines sanierten Gebäudes der Satz: „Dieses Haus stand einmal in einem anderen Land“. Kunst und Widerstand findet sich also hier auf engsten Raum. Die Ausstellung lädt auch zur Frage ein, wie die Straße in 10 Jahren aussehen wird. 

 Wo heute noch kleine Galerien ihr Domizil haben, könnte in wenigen Jahren mondäne Restaurants die Pforten eröffnen. Schließlich sind Kunstobjekte auch nur zeitweilige Platzhalter im Aufwertungsprozess eines Stadtteils und einer Straße. Deshalb könnte auch das Forum für Neue Fotografie nur ein temporäres Projekt in der Brunnenstraße sein, so wie viele der Einrichtungen, die auf den Fotos zu sehen ist. 

aus Neues Deutschland, 30.3.2010  

Peter Nowak

Die Angst vor dem Internet-Tsunami

Die klassischen Printmedien geraten durch den Online-Journalismus zunehmend unter Druck
Ist das Zeitalter der klassischen Printmedien vorbei? Sind Tageszeitungen eine aussterbende Spezies auf dem Medienmarkt? Die Zukunft des Print-Journalismus im Onlinezeitalter war auch auf der Linken Medienakademie ein zentrales Thema.
 Die Branchenvertreter blicken alles andere als optimistisch in die Zukunft. Der stellvertretende Chefredakteur der »taz«, Reiner Metzger, vergleicht die aktuelle Lage der Printmedien mit der der Stahlwerke in der alten BRD vor 40 Jahren. Auch damals hätten viele Arbeiter in der Stahlbranche die Hoffnung gehegt, sie könnten einfach weitermachen wie bisher. Allerdings räumte auch Metzger ein, dass sich die journalistische Arbeit nicht einfach in ein Billiglohnland verlegen lässt. Trotzdem sei die Frage, wie sich in Zukunft mit Journalismus noch Geld verdienen lässt, offen.

Ist Online-Journalismus der berühmte Strohholm, der auch die Printmedien retten kann? Der Redaktionsleiter der Jugendzeitung »Spießer«, die schon länger eine Online-Präsenz hat, warnte vor zu großen Erwartungen. Besondere journalistische Qualitäten seien ihm unter den Bloggern nicht aufgefallen. Leider hatte der Herausgeber der Wochenzeitung »Der Freitag«, Jakob Augstein, kurzfristig seine Teilnahme an der Debatte abgesagt. Er hätte sicher zum Thema Online-Journalismus einiges beisteuern können. Schließlich hat seine Zeitung nach ihrem Relaunch im letzten Jahr eine Pionierrolle bei der Verbindung zwischen Print- und Online-Journalismus eingenommen.

Auch »Freitag«-Chefredakteur Philipp Grassmann sieht für den bisherigen Journalismus keine Zukunft mehr. Anders als in Großbritannien und den USA würden aber in Deutschland noch immer viele Journalisten ihre Distanz zu der Bloggerszene und dem Internet-Journalismus kultivieren. Grassmann sieht in dieser Haltung die illusionäre Hoffnung, der Internet-Tsunami würde wieder vorbeigehen. Mit Verweis auf Beispiele aus Großbritannien und den USA vertritt er die These, das Internet sei keine Gefahr sondern eine Chance für den Journalismus. So seien dem britischen »Guardian« Papiere zugespielt worden, die auf einen Steuerbetrug hindeuteten. Weil die Redaktion keine Kapazitäten zur Aufarbeitung der Unterlagen hatte, entschloss sie sich, die Papiere ins Netz zu stellen. Innerhalb weniger Tage hätten Internetnutzer die Unterlagen studiert und für die Leser aufbereitet.

Grassmann verteidigte auch den Mikroblog Twitter vor der Kritik, damit würden nur Belanglosigkeiten ausgetauscht. In Großbritannien habe Twitter bereits zur Verteidigung der Pressefreiheit beigetragen. Nachdem britische Gerichte der Presse verboten hatten, über den von einem Großkonzern verursachten Umweltskandal zu berichten und selbst über diese Entscheidung des Gerichts keine Meldung veröffentlicht werden durfte, sorgte eine 204 Zeichen lange Meldung bei Twitter für einen Sturm der Entrüstung in Großbritannien. Innerhalb von wenigen Tage hatten findige Internetznutzer die Hintergründe der Meldung recherchiert und ins Netz gestellt. Schließlich musste das Gericht das wirkungslos gewordene Verbot, über den Fall zu berichten, zurücknehmen.

Diese Beispiele eines engagierten Bürgerjournalismus beantworteten allerdings noch nicht die Frage, wie Journalisten künftig bezahlt werden sollen. Auch Grassmann machte hier aus seiner Ratlosigkeit keinen Hehl. Werbung im Internet kann die andauernde Flaute im Anzeigengeschäft der Printmedien nicht kompensieren. Während ein Werbebanner im Internet nicht einmal 100 Euro einbringt, erzielt eine in der »Süddeutschen Zeitung« veröffentlichte Anzeige in gleicher Größe Einnahmen in fünfstelliger Höhe. Der Chefredakteur des »Freitag« verweist darauf, dass in den englischsprachigen Ländern engagierte Journalisten Geld für ihre Recherchearbeit über das Internet sammeln. So konnte eine Umweltredakteurin rund zehntausend Dollar im Netz auftreiben, um über einen Umweltskandal im Südpazifik zu recherchieren und zu berichten.

Grassmann will hierin allerdings kein Modell für die Bezahlung von Journalisten sehen. Schließlich könnten auch finanzstarke Gruppen unter dem Deckmantel der Unterstützung Beiträge lancieren. Zudem besteht die Gefahr, dass die Journalistenhonorare noch mehr abgesenkt werden, wenn Bürgerjournalisten unentgeltliche Recherchearbeit machen. Diese auch von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di geäußerten Befürchtungen, haben eine reale Grundlage. Für Grassmann wäre es allerdings eine falsche Strategie, wenn ver.di Blogger und Bürgerjournalisten als Gegner von professionellen Journalisten betrachten würden. Vor allem aber wäre es eine anachronistische Position, weil die Entwicklungen nicht aufzuhalten seien.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/167069.die-angst-vor-dem-internet-tsunami.html
 Peter Nowak

Gemütlichkeit am Ort des Schreckens

Filmemacherin Andrea Behrendt dokumentiert die Geschichte eines Berliner Arbeitshauses
»Individuell eingerichtete, ehemalige Zellen, teilweise mit Wasserblick, und wohltuende Ruhe erwarten Sie abends nach Ihren Entdeckungstouren durch die lebendige Metropole«, heißt es auf der Homepage. Sie wirbt für das von Huberta Bettex von Schenck geleitete »Andere Haus 8«. Eine Übernachtung kostet pro Bett 40 Euro.

 Interessierte erfahren per Internet, dass sich in dem Gebäude ein »Arresthaus für männliche Corrigenden« befunden habe. Ein wenig bekannter Begriff für das zentrale Berliner Arbeitshaus, das 1876 – damals weit außerhalb der Stadt – in Rummelsburg errichtet wurde.

Es sei ein Ort des Schreckens für Tausende gewesen, erklärte der Berliner Historiker Thomas Ulmer. Er setzt sich dafür ein, dass in dem noch erhaltenen Gebäude an der Rummelsburger Bbucht ein Erinnerungsort für die als asozial verfolgten Menschen entsteht Die Berliner Filmemacherin Andrea Behrendt hat mit ihrem Kurzfilm »arbeitsscheu-abnormal-asozial – Zur Geschichte der Berliner Arbeitshäuser« einen wichtigen Beitrag zu dieser Auseinandersetzung geliefert.

Sie lässt neben der Hotelbesitzerin Huberta Bettex von Schenck und dem Historiker Thomas Ulmer auch Anne Allex vom Arbeitskreis »Marginalisierte – gestern und heute« zu Wort kommen. Dort haben sich Erwerbslose und kritische Wissenschaftler zusammengeschlossen, die die Stigmatisierung und Verfolgung sogenannter Asozialer aufarbeiten.

»Oft hat es sich um Menschen gehandelt, die mit ihrem Lebensentwurf in der Gesellschaft aneckten und deswegen Verfolgung erleiden mussten«, betont Allex. Am Beispiel des Berliner Arbeitshauses lässt sich gut aufzeigen, dass diese Verfolgung während der NS-Zeit verschärft, nach 1945 aber in beiden Teilen Deutschlands nicht beendet wurde. Aber unter den Nazis wurden die Bedingungen für die Insassen des Arbeitshauses enorm verschlimmerte zahlreiche Menschen wurden von dort in weitere Gefängnisse und Konzentrationslager eingeliefert.

Der AK Marginalisierte will in dem noch erhaltenen Gebäude des ehemaligen Arbeitshauses einen Erinnerungsort für die als asozial Verfolgten errichten. Durch Kundgebungen, Bücher, Broschüren sowie eine Ausstellung im Stadtmuseum Lichtenberg wurde die fast vergessene Geschichte des Arbeitshauses einer größeren Öffentlichkeit bekannt.

Doch selbst eine Gedenktafel ist an dem Gebäude des ehemaligen Arbeitshauses bisher nicht angebracht. Mittlerweile ist die Rummelsburger Bucht ein begehrtes Wohngebiet geworden. Townhäuser für die wohlhabende Mittelklasse sind dort sehr begehrt. In ein solches Umfeld passt ein spezielles Hotel wie das »Andere Haus 8« besser als ein Erinnerungsort für Asoziale.

Die Initiative wird aber nicht aufgeben. Andrea Behrendts Film ist dabei eine gute Unterstützung. Der Künstlerin gelingt in knapp 30 Minuten ein kurzweiliger Überblick über die Geschichte des Berliner Arbeitshaus und die Stigmatisierung einer ganzen Bevölkerungsgruppe, die auch ohne Arbeitshäuser bis heute nicht beendet ist.

DVD »arbeitsscheu-abnormal-asozial – Zur Geschichte der Berliner Arbeitshäuser«, 15 Euro, zu bestellen über Globale Medienwerkstatt e. V., behrendt@globale-medienwerkstatt.de. Tel.: 92 12 02 59

http://www.neues-deutschland.de/artikel/165216.gemuetlichkeit-am-ort-des-schreckens.html

Peter Nowak

Verkürzte Medienkritik

Eine Initiative stellt jährlich eine Liste in den Medien vernachlässigten Themen zusammen, bleibt aber mit ihrer Kritik an der Oberfläche.
Was haben die mangelhafte Deklarierung von Jodsalz in Lebensmitteln, die Zwangseinweisung von Menschen in die Psychiatrie und der Notstand im Krankenhaus miteinander zu tun? Sie gehören zu den 10 Themenfeldern, die nach Meinung der Initiative Nachrichtenaufklärung im letzten Jahr in deutschen Medien kaum oder mangelhaft behandelt worden sind.

Die INI war im Jahr 1997 nach dem Vorbild des US-amerikanischen Project Censored gegründet worden. Sie wird von der TU-Dortmund und der Jakocs University Bremen getragen.

Die nach Meinung der Initiative vernachlässigten Medienthemen werden jährlich von einer Jury aus den Vorschlägen ausgewählt, die von Wissenschaftlern, Medienschaffenden und interessierten Einzelpersonen eingereicht worden sind. Bei der Auswahl spielt die gesellschaftliche Relevanz der Themen eine wichtige Rolle. Kritisch könnte man einwenden, dass man dadurch eine Fülle von Themen vor sich hat, die medial völlig unterschiedlich behandelt werden. Auch die Gründe für eine mögliche Vernachlässigung sind unterschiedlich. So kommt der als Top 1 auf der Liste genannte Pflege-Notstand durchaus in den Medien vor. Allerdings wird er oft auf ein individuelles Problem abgehandelt. Die Verbindung zu einer Sozialpolitik, die den Pflegekräften ihre Arbeit immer schwerer macht, wird dagegen seltener gezogen.

Dagegen wird in den wenigsten Medien thematisiert, dass die seit einem Jahr auch für Deutschland verbindliche UN-Behindertenkonvention in Widerspruch zur weiterhin praktizierten zwangsweisen Einweisung von Menschen psychiatrische Kliniken steht. Das steht auf Punkt 2 der Liste. Die Proteste von Betroffeneninitiativen werden weitgehend ignoriert und erst aufgegriffen, wenn die Anliegen von Gerichten oder der Politik getragen werden. Die Gründe liegen weniger in einer direkten Zensur sondern in gesellschaftlichen Konventionen, denen auch Medienvertreter ausgesetzt sind. Eine Aneinanderreihung von angeblich vernachlässigten Themen bleibt unbefriedigend, wenn nicht die Zusammenhänge in jedem einzelnen Fall aufgezeigt werden. Zudem stellt sich die Frage, wie weit auch das Internet in die Medienanalyse einbezogen worden ist. 
 

http://www.heise.de/tp/blogs/6/147009
Peter Nowak

Der unmögliche Frieden

 

»Wenn du das, was du siehst, nicht fühlst, wirst du Andere nie dazu bringen, etwas zu fühlen, wenn sie deine Bilder betrachten.« So lautet das Motto des 1935 in London geborenen Fotografen Don McCullin, dem die C/O-Galerie im Alten Postfuhramt mit der Ausstellung »The impossible Peace« eine Retrospektive widmet. Die Ausstellung beginnt mit Aufnahmen aus West- und Ostberlin in den Tagen des Baus der Berliner Mauer. Gleich im Anschluss beginnen die Fotos von den zahlreichen Kriegen, in denen McCullin als Fotograf berühmt wurde. Zypern, Vietnam, Kambodscha, Biafra, der Nahe Osten lauten einige seiner Stationen zwischen 1966 und 1984.www.co-berlin.eu

Mehrmals wurde McCullin dabei schwer verletzt. In einem kurzen Film erzählt der Fotograf, wie er in Kambodscha von einer Kugel getroffen wurde, und mit Morphium betäubt in einen Pritschenwagen verladen wurde, auf dem viele Schwerverletzte und Sterbende lagen. Trotz seiner Schmerzen packte McCullin seine Kamera und schoss Fotos. Dabei ist er keineswegs ein Mann, der für ein Foto über Leichen geht. Im Gegenteil: McCullins Intention ist eine Denunzierung des Krieges. Er wollte verhindern, dass der Krieg wie ein Hollywood-Film dargestellt wird. Dafür zeigte er gefolterte und sterbende Zivilisten und Soldaten. Er lichtete US-Rangers ab, die den spärlichen persönlichen Besitz eines getöteten Vietcong in alle Winde zerstreuen. Doch es sind nicht nur die Schlachtfelder in Asien und Afrika, die McCullins fotografisches Interesse geweckt haben. Er richtet seine Linse auch auf sozialen Verheerungen am Rande europäischer oder US-amerikanischer Städte. Wir sehen einen völlig verwahrlosten Mann auf einer Straße in Liverpool liegen. Sein Alter ist unklar, ebenso ist ungewiss, ob er noch lebt. McCullin hat genau hingeschaut in den Obdachlosenheimen und Irrenanstalten. Seine Fotos denunzieren nicht die abgebildeten Menschen, sondern die Verhältnisse, die sie in ein solches Leben zwingen.

In zwei Räumen sind McCullins Arbeiten der jüngsten Zeit zusehen. Mit Motiven aus den Antike hat er scheinbar seinen Job als Fotograf der Kriege hinter sich gelassen. Doch in dem Film berichtet er davon, dass ihn die Erlebnisse aus den Kriegs- und Krisengebieten bis heute nicht loslassen. Wer den letzten Hilferuf eines sterbenden Soldaten mit der Kamera einfängt oder Bilder über ein Kleinkind schießt, das vor Hunger seine eigene Finger aufisst, kann nicht einfach die Verhältnisse vergessen, die dafür verantwortlich sind. McCullins Fotos sorgen dafür, dass sich auch seine Betrachter Gedanken darüber machen.

Die Ausstellung »The impossible Peace« ist noch bis 28.2. zu sehen, täglich von 11 bis 20 Uhr, in der C/O-Galerie in der Oranienburger Str. 35/36, 10117 Berlin zu sehen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/163488.der-unmoegliche-frieden.html

Peter Nowak