Hausbesuch bei Müller

A100 Der angehende Regierende Bürgermeister bekam Besuch umwelt- und stadtpolitischer Gruppen

Stadtentwicklungssenator Michael Müller ist nach seiner Wahl zum Wowereit-Nachfolger ein gefragter Mann. Doch die kleine Gruppe, die ihm in seinem Amtssitz am Fehrbelliner Platz am Montag einen unangekündigten Besuch abstattete, wollten ihm keine Glückwünsche überbringen. Zwölf Mitglieder aus umwelt- und stadtpolitischen Gruppen übergaben einen Forderungskatalog zu der heftig umstrittenen A100.

Müllers persönliche Referentin Katharina Jentsch und der Senatsmitarbeiter Robert Drawnicki nahmen anstelle des verhinderten Senators den Brief entgegen. Zu den Forderungen gehörte die Rücknahme der Strafanträgen gegen fünf Baumbesetzer des „Aktionsbündnisses A100 stoppen“. Sie hatten im Winter 2014 mehrere Bäume besetzt, die der Autobahntrasse zum Opfer fallen sollten. Nach der Räumung am 3. Februar erstattete die für das Bauvorhaben zuständige Behörde Anzeige gegen sie wegen Hausfriedensbruch. Die Aktivisten erhielten Strafbefehle in Höhe von bis zu 900 Euro, gegen die sie Widerspruch einlegten.

„Mit der Rücknahme der Anzeige können Sie deutlich machen, dass AutobahngegnerInnen keine Kriminellen sind“, erklärte Sven Lindner den Senatsmitarbeitern. Die blieben im Ton freundlich, in der Sache aber unverbindlich – man werde die Forderung weiterleiten.

Auch was weitere Anliegen angeht, blieb es beim Austausch von gegensätzlichen Standpunkten. Die Treptower Stadtaktivistin Karin Schuster warf der Senatsbehörde vor, Treptower Mieter und Kleingärtner enteignen zu wollen, um den Bau der umstrittenen Autobahn voranzutreiben.

Zehn Mieter in den Häusern Beermannstraße 20-22 hatten Briefe erhalten, in denen eine vorzeitige Besitzeinweisung ankündigt wurden. Mit dieser im Baurecht bei Projekten „des besonderen öffentlichen Interesses“ zulässigen Maßnahme verlieren die Mieter zahlreiche Rechte. Bisher sei eine vorzeitige Besitzeinweisung im Zusammenhang mit dem Bau der A100 gegen mehrere Gewerbetreibende erlassen worden. Nun seien erstmals Mieter davon betroffen.

Bevor die Aktivisten die Behörde verließen, kündigten sie an, dass der angehende Regierende Bürgermeister Müller – der sich SPD-intern stets für den Bau der A100 starkgemacht hatte – auch künftig mit Protesten vor Ort rechnen müsse. „Wenn er dachte, der Bau der A100 wäre kein Protestthema mehr“, erklärte Schuster zum Abschied, „hat er sich getäuscht.“

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F10%2F21%2Fa0118&cHash=665ec2b37b0fb

Peter Nowak

Aktionstage gegen Verdrängung

„Ali Babas Blumen bleiben“ heißt das Motto,  mit dem das Berliner Bündnis gegen Zwangsräumungen am Freitag um 8.30 Uhr nach Spandau mobilisiert. Dort soll die Räumung eines kleinen Blumenladens verhindert werden.  Die Edeka-Reichelt-Gruppe, der das Grundstück gehört, will teurer vermieten.
Die Protestaktion ist Teil der vom Berliner Ratschlag organsierten stadtpolitischen Aktionstage. Bis zum 29.10. sind  diesem Rahmen in zahlreichen Stadtteilen, Kundgebungen, Demonstranten, Filmvorführungen und Diskussionen geplant.

Der Berliner Ratschlag hat sich im April 2014  mit einem Kongress  an der Technischen Universität Berlin konstituiert. „Wir wollen die verschiedenen Aktionen aus der Mieten- und Antirassismusbewegung bündeln und besser sichtbar  machen“, erklärte Ratschlag-Aktivistin Sara Walther gegenüber MieterEcho Online.  Sie stellte klar, dass es nicht um   eine  Konkurrenz sondern um eine Ergänzung zu den  vielen  Aktionen, geht  die  in der letzten Zeit  von MieterInnen und Geflüchteten  in Berlin auf die Beine gestellt wurden. .
Zum Auftakt der Aktionstage hatten am vergangenen Sonntag ca. 50  Menschen auf einem Parkplatz am Mehringhof gegen die Privatisierung des dortigen Dragoner Areals durch die   Bundesanstalt für Immobilienausgaben (Bima) protestiert.
Am 18. Oktober ist unter dem Motto „Zu viel Ärger zu wenig Wut“ eine berlinweite Lärmdemonstration geplant, die um 14 Uhr am Herrfurthplatz  in Neukölln beginnt.  Schon zwei Stunden zuvor ist eine Kundgebung vor dem Verein für alternative Migrationspolitik Allmende am Kottbuser Damm 25-26 angesetzt.    Der Verein ist vom Eigentümer gekündigt worden, weigert sich aber die Räume zu verlassen (MieterEcho Online berichtete). Dorthin lädt Allmende am 18.10  ab 19 zur Strategiedebatte ein.  „Wir wollen darüber  diskutieren  ob  Besetzungen, Blockaden und Mietstreiks  angemessene Aktionsformen sind“, erklärt ein Allmende-Mitarbeiter. Am 28. 10. Geht es um 19 Uhr   in der Weddinger  Prinzenallee 58 erneut um die Häuser, die sich im Besitz der Bima befinden. Die dortigen MieterInnen wollen mit UnterstützerInnen beraten, wie sie Druck auf die Behörde verstärken können, damit dort statt teurer Lofts Wohnungen für Menschen mit wenig Einkommen entstehen. Am 29.10. organisiert die AG Recht auf Wohnen für Psychiatriebetroffene um 19 Uhr im Mehringhof eine Veranstaltung, die sich der Situation der Menschen befasst, die durch die Berliner  Wohnungspolitik besonders ausgegrenzt und auch bei den Protesten zu wenig berücksichtigt werden.

Sara Walther formulierte gegenüber MieterEcho Online   das bescheidene Ziel der Aktionswoche:
„Die Situation für die MieterInnen ist in Berlin so schlecht, dass es überall und ständig neue Proteste gibt. Wir hoffen, dass wir nach den Aktionstagen eine bessere Koordinierung erreichen“.

MieterEcho online 16.10.2014

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/aktionstage-gegen-verdraengung.html
Peter Nowak

Lärmdemo für bezahlbares Wohnen

Berliner Ratschlag veranstaltet Aktionswochen gegen Verdrängung

»Privatisierung des Dragoner-Areals verhindern« stand auf dem Transparent, dass am auf einem Parkplatz an der Ecke Mehringdamm, Ecke Obentrautstraße in Berlin-Kreuzberg aufgespannt war. Dort hatten sich am Wochenende ca. 50 Menschen eingefunden, die verhindern wollten, dass die Bundesanstalt für Immobilienausgaben (BImA) das ehemalige Dragonergelände zum Höchstpreisverfahren verkauft. »Wir brauchen hier nicht noch mehr teure Lofts sondern Mietwohnungen für Menschen mit geringen Einkommen«, meint Ulrich von der Initiative »Wem gehört Kreuzberg«. Die Aktion war auch der Beginn der stadtpolitischen Aktionstage, die vom Berliner Ratschlag organisiert werden. Bis zum 29.10. wird es in diesem Rahmen in zahlreichen Stadtteilen, Kundgebungen, Demonstranten, Filmvorführungen und Diskussionen geben. Die Termine finden sich auf der Homepage berliner-ratschlag.org/.

»Ziel ist es, die verschiedenen Aktionen aus der Mieten- und Antirassismusbewegung zu bündeln und besser sichtbar zu machen«, erklärte Ratschlag-Aktivistin Sara Walther gegenüber »nd«. Die Aktivitäten seien keine Konkurrenz sondern eine Ergänzung der vielen Aktionen, die in der letzten Zeit von Mietern und Geflüchteten auf die Beine gestellt wurden, betont Walter. Am 18. Oktober ist unter dem Motto »Zu viel Ärger zu wenig Wut« eine berlinweite Lärmdemonstration geplant, die um 14 Uhr am Herrfurthplatz in Neukölln beginnt. Schon zwei Stunden zuvor um 12 Uhr, ist eine Kundgebung vor dem Verein für alternative Migrationspolitik Allmende am Kottbuser Damm 25-26 geplant.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/949318.laermdemo-fuer-bezahlbares-wohnen.html

Peter Nowak

Dachgeschossausbau statt Wohnungsneubau?

Die Bündnisgrünen haben kürzlich im Berliner Abgeordnetenhaus eine Studie vorgestellt, in der sie die Wohnungspolitik des Berliner Senats kritisieren und  eigene Vorschläge machen.  Peter Nowak sprach  mit  bau- und wohnungsbaupolitischer Sprecher der Fraktion der Bündnisgrünen im Berliner Abgeordnetenhaus Andreas Otto (A.O.).

Was kritisieren Sie an der Wohnungsbaupolitik des aktuellen Berliner Senats?

A.O.: Er setzt zu eindimensional auf den Neubau von Wohnungen auf der grünen Wiese. Wir hatten in der Studie hingegen am Beispiel von Neukölln Alternativen aufgezeigt.

Welche sind das?

A.O.:  Es gibt in Berlin ein  Potenzial für fast 80.000 Wohnungen durch den Ausbau von Dachgeschossen, das  Aufstocken oder die Umnutzung von   nicht mehr genutzten  Gebäuden  wie Park-  und Gewerbehäusern und die Nutzung verriegelter Flächen wie  Parkplätzen. Diese 3 Werkzeuge wären eine Alternative zu der Politik des Senats, immer mehr Häuser auf Freiflächen und z.B. Kleingärten zu bauen.
Kann  man mit den Daten  einer  Studie, die die Situation in einen Stadtteil untersuchte, Forderungen für die gesamtberliner Wohnungssituation begründen?

A.O.:  Es ist eine Frage der Kapazitäten. Wir waren nicht in der Lage eine gesamtberliner Untersuchung durchzuführen. Aber die Ergebnisse sind im Prinzip auf ganz Berlin übertragbar. Die Situation in Stadtteilen wie Treptow, Pankow, Reinickendorf ist durchaus mit der in Neukölln vergleichbar.

Wie wollen Sie Eigentümer  zum Dachgeschossausbau und den Umnutzungen  motivierten?

A.O.: Es handelte sich um eine Planungsstudie, die  zunächst aufzeigt, was in der Berliner Wohnungspolitik möglich ist.    Es ginge natürlich darum, die Eigentümer zu überzeugen und diese Maßnahmen auch finanziell zu fördern. Die steigende Nachfrage würde Eigentümer über Aufstocken oder Umbau nachdenken lassen. Zudem  könnten  mit Zuschüssen aus dem Wohnungsbauprogramm oder niedrigeren Zinsen Anreize dazu geschaffen werden.

Nun fehlen in Berlin vor allem Wohnungen für einkommensschwache MieterInnen. Besteht nicht die Gefahr, dass ein Dachgeschossausbau wieder vor allem hochpreisigen Wohnraum schafft?
A.O.:  Es ist richtig, dass ausgebaute  Dachgeschosswohnungen oft im höheren Mietpreissegment angesiedelt sind. Doch ein solcher Ausbau widerspricht nicht den Vorhaben einer Wohnungspolitik für alle und kann auch dazu beitragen, dass Bestandswohnungen für Menschen  mit geringen Einkommen zur Verfügung stehen.  Wenn jemand, der mehr Geld in der Tasche hat, in eine ausgebaute Dachgeschosswohnung zieht,  verdrängt er nicht die Mieter aus dem preiswerten Bestand. Wir fordern vom Senat deshalb, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen endlich zu beschränken.

In der letzten Zeit hat sich eine Initiative für den Neubau eines kommunalen Wohnungsbaus gegründet. Was halten Sie von diesem Ansatz?

A.O.:  In dem wohnungspolitischen Vorschlagen der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus  hat der Erhalt und die Förderung des  Kommunalen   Wohnungsbaus eine  hohe Priorität.

MieterEcho online 14.10,2014

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/wohnungsbau-der-gruenen.html

Interview: Peter Nowak

Karla Pappel im Kino

Die Dokumentation »Verdrängung hat viele Gesichter« dreht sich um Gentrifizierung

Die Initiative »Karla Pappel« wehrte sich 2009 gegen Baumfällungen zugunsten von Neubauten. Ein Film beleuchtet nun die Auseinandersetzungen zwischen Aktivisten und Baugruppen.

Mehr Freiräume für die Bürger und weniger Platz für Reiche» wünscht sich Morton Finger für die Zukunft in Treptow. Der hagere Mann mit dem markanten Bart lehnt am Donnerstagabend zufrieden am Tresen im Berliner Kino Moviemento. Dort hatte der Dokumentarfilm «Die Verdrängung hat viele Gesichter» Premiere, der die Folgen der Gentrifizierung am Beispiel des Stadtteil Treptow darlegt.

Morton Finger ist einer der Menschen, die aus Treptow verdrängt wurden. Er hat mehrere Jahre auf dem Treptower Inselmarkt seinen Fahrradladen mit angeschlossenen Reparaturservice betrieben. Doch nachdem der Markt im Frühjahr 2011 schließen musste, fand Finger keinen neuen Platz für sein Gewerbe mehr. Auf dem Grundstück des Markts stehen mittlerweile die noblen Eigentumswohnungen einer Baugruppe. Innerhalb weniger Jahre haben sich im Stadtteil ein halbes Dutzend Baugruppen angesiedelt. Die Nähe zum Szenebezirk Kreuzberg und die ruhige Lage machte Treptow für eine gut verdienende Mittelschicht zur attraktiven Wohngegend. Doch nicht nur die Mieter, auch kleine Ladenbesitzer und Gewerbetreibende sind von der Aufwertung betroffen.

Mathias Mehner bereiten die Veränderungen in Treptow Probleme. Er betreibt einen kleinen Buchladen in der Plesser Straße, den er sechs Tage in der Woche offen halten muss. Für Urlaub und Erholung hat er keine Zeit. Nach Abzug von Miete und Steuern bleiben ihm trotzdem gerade mal 5 Euro am Tag. Viele ältere Menschen, die bei Mehner Bücher kauften, sterben oder ziehen weg.

Manfred Görg gehört zu seinen festen Kundenstamm. Der Rentner will in Alt-Treptow bleiben. Daran ließ er auch im Gespräch nach der Filmpremiere keinen Zweifel. Vom Fenster seiner Wohnung hatte Görg vor fünf Jahren beobachtet, wie sich regelmäßig eine kleine Gruppe auf einem Platz traf, um gegen das Abholzen von alten Pappeln zu protestieren, die einer Baugruppe im Wege standen. Die Gegner dieser Entwicklung nannten sich Karla Pappel. «Ich habe die Protestgruppe einige Wochen beobachtet, dann habe ich mich selber dazu gestellt, weil ich das Anliegen richtig finde, erklärt Görg. Das Abholzen der Pappeln konnte die Gruppe nicht verhindern. Doch nach einer längeren Pause hat sich die Gruppe entschlossen, wieder aktiv zu werden. Der persönliche Kontakt war nie abgerissen, sagt Yves, einer der Jüngeren in der Gruppe. Die Baugruppen-Bewohner rund um die Kungerstraße dürfte die Nachricht, dass Karla Pappel wieder aktiv wird, nicht freuen.

In der Dokumentation wird deutlich, dass mehrere Baugruppenmitglieder sich durch die Proteste gestört und belästigt fühlen. Manche erklärten, dass sie die allgemeinen Ziele der Gruppe durchaus teilen, die Kritik an den Baugruppen aber nicht nachvollziehen könnten.

Für Hanna Löwe ist eine solche Position ein Ausdruck von Doppelmoral. Sie ist Filmemacherin und arbeitete im Kollektiv Schwarzer Hahn mit, das den Film produzierte. Von den Baugruppen war bei der Premiere niemand anwesend. Am 5. November soll es eine Vorführung des Films im Circus Cabuwazi in Treptow geben, wozu sie ausdrücklich eingeladen sind.

Bis zum 21. Oktober läuft der Film täglich um 18.30 Uhr im Kino Moviemento. Im Anschluss sind Diskussionen mit Mieterinitiativen und stadtpolitischen Gruppen geplant. Die Termine finden sich unter:berlingentrification.wordpress.com/auffuehrungen/

Peter Nowak

„Kein Schubladendenken“

GENTRIFIZIERUNG Der Film „Verdrängung hat viele Gesichter“ nimmt vor allem Baugruppen in den Blick. Die wollte man aber nicht denunzieren, sagt Filmemacherin Hanna Löwe

INTERVIEW PETER NOWAK

taz: Frau Löwe, Thema des Films „Verdrängung hat viele Gesichter“ ist die Gentrifizierung. Warum beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit Baugruppen?

Hanna Löwe: In Treptow begann der MieterInnenwiderstand, nachdem eine Stadtteilinitiative gegen die Bebauung eines Grundstücks durch Baugruppen Sturm lief und die Beteiligung ehemaliger Linker daran thematisierte. Danach begannen im Stadtteil Diskussionen, inwieweit der Bau von Eigentumswohnungen einen Kiez aufwertet und der Mieterhöhung preisgibt.

Gab es bereits die Kritik, dass im Film die Baugruppenmitglieder ihre Position ausführlich darlegen können?

Ja, aber darauf sind wir stolz. Wir wollten keinen Film machen, der das Schubladendenken bedient. Es wäre einfach gewesen, die Kämpfe der Bewegung als die Position der „Guten“ darzustellen und alles andere zu denunzieren. Wir müssen aber niemand herabwürdigen, um die Probleme beim Namen zu nennen.

Gleich zu Beginn des Film verweigert eine Baugruppe die Kommunikation. War das öfter der Fall?

Baugruppenmitglieder sehen sich vordergründig als Menschen, die niemand verdrängen wollen. Ein Teil weiß aber genau, dass ihr Verhalten andere verdrängt, und nimmt es billigend in Kauf. Sie verweigern Interviews, weil sie die Kritik trifft. Eine Baugruppe in Treptow hat sich selber ein Gentrifizierungsfrei-Zertifikat ausgestellt, obwohl ein Mitglied seine Wohnung jetzt für 1.900 Euro kalt vermietet und in München wohnt.

Wieso kommt es im Film bei Begegnungen mit Baugruppen oft zu Diskussionen über die persönliche Verantwortung?

Viele Mitglieder von Baugruppen wollen nur die Lösung für ihre Probleme und fallen aus allen Wolken, wenn sie mit Kritik konfrontiert wurden. Sie haben oft großen Rechtfertigungsbedarf.

Wieso sind Baugruppen sogar bei aktiven Linken zum Teil beliebt?

Wo Geld ist, weil eine Erbschaft auf den Nachfolger oder die Nachfolgerin wartet, da wird schnell mal die linke Idee dem eigenen Lebenskonzept angepasst. Das gilt ja nicht nur für den Bau von Eigentumswohnungen, sondern auch bei der Jobvergabe. Man geht in bestimmte Gruppen, weil dabei der Job bei einer NGO, einer Stiftung oder einer Partei abfällt.

Mehrmals werden im Film die Füße von sprechenden Personen gezeigt, die dann fast wie Hände gestikulieren. War das ein künstlerisches Stilmittel?

Das war nicht geplant, sondern hat sich so ergeben. Manchmal mussten wir die Kamera nach unten drehen, weil Gesichtsaufnahmen unerwünscht waren. Bei einem Politiker waren wir so fasziniert, wie der mit seinen Füßen redet. Das musste als humoristische Einlage drin bleiben. Im Abspann zeigen wir die vielen Füße einer Demonstration, das war gewollt. Die Füße symbolisieren Dynamik, Bewegung, alles ist im Fluss.

Sind zur Filmpremiere auch die BaugruppenbewohnerInnen eingeladen?

Am 5. November ist im Zirkus Cabuwazi eine spezielle Kiezpremiere in Treptow geplant, zu der wir auch die Baugruppenmitglieder einladen. Wir hoffen auf kontroverse Diskussionen.

Hanna Löwe

38, ist Künstlerin und in stadtpolitischen Gruppen aktiv. Als Teil des Filmkollektivs Schwarzer Hahn hat sie „Verdrängung hat viele Gesichter“ produziert.

Der Film

Der Film „Verdrängung hat viele Gesichter“ setzt sich mit der Gentrifizierung am Beispiel von Alt-Treptow auseinander. Premiere heute um 18.30 Uhr im Moviemento, Kottbusser Damm 22. Weitere Termine: berlingentrification.wordpress.com

http://www.taz.de/Film-ueber-Gentrifizierung-in-Berlin/!147327/

Peter Nowak

Hausbesuch oder Streichung der Miete

Verdrängung hat viele Gesichter

Aufwertung der Stadtteile bedeutet die Verdrängung von MieteInnen mit geringen Einkommen. Diese Erkenntnis ist mittlerweile auch in liberalen Medien angekommen. Doch wie gehen die Betroffenen damit um?

Was passiert in einem Stadtteil, der jahrelang wenig beachtet wurde, wenn auf einmal in kurzer Zeit fast ein Dutzend Baustellen entstehen? Ist Aufwertung und Verdrängung ein Naturgesetz oder gib es Verantwortliche, die diesen Prozess vorantreiben? Dass sind einige der Fragen, denen sich der Film „Verdrängung hat viele Gesichter“ stellt, den das Filmkollektiv „Schwarzer Hahn“ produziert hat.  Dort haben StadtteilaktivInnen gemeinsam mit   KünstlerInnen  mehrere Jahre an dem Film  gearbeitet. Sie wollten den  Aufwertungsprozess am Beispiel des Stadtteils Treptow verdeutlichen.   Noch Ende der 90er Jahre schien es, als wäre der Stadtteil das totale Gegenteil zum Prenzlauer Berg. Während dort schon  Ende der 90er Jahre ein Großteil der Alt-MieterInnen  wegziehen mussten, weil sie die  teuren Mieten nicht mehr bezahlen konnten, waren  in Treptow  die Mietsteigerungen moderat und der Wegzug gering.  Doch das änderte sich, als Baugruppen den Stadtteil für sich entdeckten. Es sind meist Angehörige der neuen gut verdienenden Mittelschichten, für die   Treptow aus mehreren Gründen interessant wurde. Der Weg zu den vielen Clubs ist kurz. Zudem siedelten sich im Rahmen des Media-Spree-Projekts zahlreiche Unternehmen an.  Für die Angestellten wurde eine Wohnung in Treptow mit kurzen Anfahrtszeiten zur Arbeit attraktiv. Wie der  plötzliche Ran der  Baugruppen  auf die BewohnerInnen eines Stadtteils wirkte, der bisher von großen Veränderungen verschont geblieben war, macht der Film sehr  gut deutlich.

Nicht nur Mieter kämpfen in dem Stadtteil um das Überleben

Der Film begleitet  Menschen, die ums Überleben kämpfen müssen. Da ist der Altrocker, der auf seinen Balkon sitzt und sich bange fragt, ob er sich nach der nächsten Mieterhöhung die Wohnung noch leisten kann. Da ist die Frau mit den geringen Einkommen, die die neue Entwicklung nicht einfach hinnimmt sondern sich wehrt. Der Film zeigt, wie in Treptow plötzlich in einer  Stadtteilinitiative Menschen aus unseren kulturellen und gesellschaftlichen Milieus zusammenarbeiten. Sie eint die Angst vor der Verdrängung   aus dem Stadtteil und der Wille,  sich dagegen zu wehren.
Der Film zeigt auch, dass nicht nur MieterInnen  davon betroffen sind. Da wird ein  Treptower Buchhändler gezeigt, der trotz eines gerade überstandenen Herzinfarkts fast rund um die Uhr im Laden steht und am Ende 5 Euro Gewinn erzielt hat   Die Menschen,  die bisher seinen Buchladen aufsuchten,  verschwinden aus dem Stadtteil. Die Konsumwünsche des neu zugezogenen Mittelstandes kann er nicht befriedigen. Der Film  geht so auf Aspekte der Aufwertung eines Stadtteils ein, die oft ausgeblendet werden. Neben den MieterInnen mit wenig Geld sind auch Läden und Kneipen bedroht, die ein Angebot für eine Kundschaft mit geringen Einkommen bereithielten.

Die „guten“ VerdrängerInnen

Doch auch die Menschen, die von der neuen Situation profitieren, kommen in dem Film zu Wort. Mitglieder der Baugruppen werden interviewt. Manchmal kommt es zum Dialog, oft zum Streitgespräch zwischen den GewinnerInnen und VerlierInnen  der Aufwertung.  Viele Baugruppen-Mitglieder      äußern ihr Unverständnis darüber, dass sie plötzlich in der Kritik stehen. Einige waren deshalb zum Interview mit den FilmemacherInnen bereit, wo sie sich als umweltbewusste StadtbürgerInnen präsentieren.  In dem Film werden die Baugruppen-BewohnerInnen nicht denunziert, doch es wird die Frage nach ihrer Verantwortung gestellt. Es werden die gesellschaftlichen Bedingungen infrage gestellt, die dafür sorgen, dass in einem Stadtteil  AltmieterInnen ums Überleben kämpfen und   gleichzeitig ein neuer Mittelstand  ihre Privilegien und Macht ausspielt Der Film zeigt, dass Verdrängung   viele Gesichter hat, aber kein Naturges tz ist.  So wird auch der Alltagswiderstand der MieterInnen  in Treptow gezeigt, der  vom Besuch bei den vielen neuen Kreativbüros über Stadtteilspaziergängen  bis zur Beteiligung an Baugruppen-Partys ohne Einladung reicht. Dabei ist der Film immer locker und humorvoll.

Peter Nowak

Verdrängung hat viele Gesichter«  hat  am 9.10. um 18.30 Uhr in Anwesenheit des Filmteams und Protagonist_innen im  Moviemento Kino Berlin, Kottbusser Damm 22, Premiere.
Weitere Termine mit anschließenden Diskussionen im gleichen Kino:

12.10. Publikumsgespräch mit „Zwangsräumung verhindern“
15.10. Publikumsgespräch mit der Stadtteilinitiative „Wem gehört Kreuzberg?“
20.10. Publikumsgespräch mit der Stadtteilinitative „Karla Pappel“ – 6 Jahre Stadtteilarbeit – eine Bilanz
Weitere Termine finden sich  auf der Homeapge  berlingentrification.wordpress.com

aus: MieterEcho online 01.10.2014

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/verdraengung-hat-viele-gesichter.html

Peter Nowak

Auf gute Nachbarschaft

Demonstration »United Neighbours« zieht gegen Zwangsräumung und Mietpreissteigerung durch die Stadt

Am Samstag protestierten über 1000 Menschen gegen den Umgang mit Wohnungslosen in der Stadt.

»Hände weg von meinen Nachbarn« stand auf dem selbst gemalten Schild, dass eine ältere Frau auf der von Aktivisten und Flüchtlingen organisierten Demo »United Neighbours – Bleiberecht und Wohnraum für alle!« am Samstag gen Himmel streckt. »Ich wohne hier in der Ohlauer Straße seit Jahren und die Flüchtlinge sind meine Nachbarn und sollen es auch bleiben«, erklärte sie ihr Motto, mit dem sie sich mit den jetzigen Bewohnern der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule solidarisierte. In unmittelbarer Nähe des Gebäudes startete am Samstagnachmittag gegen 15 Uhr die Demonstration. Laut Veranstaltern waren rund 1500 Menschen dem Aufruf von Refugee Strike Berlin, Bündnis Zwangsräumung Verhindern sowie politischen Gruppen und Einzelpersonen gefolgt. »Wir wollen damit deutlich machen, dass der Kampf der Mieter und der Flüchtlinge zusammengehört«, erklärte Johannes vom Vorbereitungskreis gegenüber »nd«.

Eine Nachbarschaftsinitiative sorgte sogar mit einem eigenen Schlachtruf für Stimmung. »Ohlauer Olala«, rief sie unter Beifall. Solidarität werden die noch in der Schule lebenden Flüchtlinge in den nächsten Wochen brauchen. Vor einigen Tagen haben Vertreter des Bezirks Kreuzberg-Friedrichshain erklärt, dass die Flüchtlinge das Gebäude in der nächsten Zeit verlassen müssen. Ein Bewohner gab auf der Demonstration die Antwort: »Wir lassen uns nicht in Heime stecken und werden gegen jeden Räumungsversuch erneut Widerstand leisten«. Die Demonstration zog dann zur in der letzten Woche geräumten Cuvry-Brache am Spree-Ufer, wo sich in den letzten Monaten zahlreiche wohnungslose Menschen ein Domizil gesucht hatten. »Der Platz war unsere Lücke im System. Sie gab uns die Möglichkeit, dass nicht nur Leute mit dem nötigen Geld und deutschem Pass die Stadt für sich nutzen und in dieser überleben können«, erklärte eine ehemalige Bewohnerin.

Die Demonstration endete am Oranienplatz, wo im Oktober 2012 der Flüchtlingsprotest in Berlin begonnen hatte. Dort beklagten mehrere ehemalige Bewohner der Zeltstadt, dass der Senat die Vereinbarungen, die zur Räumung des Platzes führten, weiterhin ignoriert. Erst in den letzten Tagen bekamen Geflüchtete, die in Unterkünften in Charlottenburg lebten, die Aufforderung, in der nächsten Woche Berlin zu verlassen. »Dies bedeute erneut Obdachlosigkeit, soziale Ausgrenzung und in vielen Fällen Abschiebung«, sagte ein Redner. Mieteraktivisten von »Kotti und Co.« sowie des Bündnisses »Zwangsräumung verhindern« machten in ihren Redebeiträgen noch einmal deutlich, dass sie mit dem Kampf der Geflüchteten solidarisch sind. »Wir kämpfen gemeinsam gegen jede Ausgrenzung«.

»Ich hätte mir eine Wiederbesetzung des Platzes gewünscht. Nur so können wir den Druck auf den Senat erhöhen, die Vereinbarungen mit den Flüchtlingen doch noch einzuhalten«, meinte eine Teilnehmerin. Eine Gruppe von Gewerkschaftern verteilte eine Solidaritätserklärung mit den Geflüchteten und forderte den Berliner DGB auf, sich an der Organisierung von Solidaritätsdemonstrationen zu beteiligen und den Flüchtlingen Räume zur Verfügung zu stellen. Seit Donnerstagnachmittag hält sich eine Gruppe von ca. 20 Geflüchteten im Berliner DGB-Haus am Wittenbergplatz auf.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/947489.auf-gute-nachbarschaft.html

Peter Nowak

Protestzug bis zum Oranienplatz

ASYL Über 1.000 Leute ziehen am Samstag durch Kreuzberg. Flüchtlinge kündigen Widerstand an

„Ohlauer Olala, Ohlauer Olala“, lautete der Schlachtruf einer Kreuzberger Nachbarschaftsinitiative, die sich mit den Flüchtlingen in der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg solidarisierte. Am Spreewaldplatz in unmittelbarer Nähe des Gebäudes begann am Samstagnachmittag unter dem Motto „United Neighbours“ eine Demonstration von Mieter- und FlüchtlingsaktivistInnen, an der sich circa 1.200 Menschen beteiligten. Der Zug führte quer durch Kreuzberg 36 bis zum Oranienplatz.

Auf einer Zwischenkundgebung an der kürzlich geräumten Cuvrybrache am Spreeufer erklärte eine ehemalige Bewohnerin: „Der Platz war unsere Lücke im System. Sie gab uns die Möglichkeit, dass nicht nur Leute mit dem nötigen Geld und deutschem Pass die Stadt für sich nutzen und in dieser überleben können.“

Auf der Abschlusskundgebung am Oranienplatz erklärten RednerInnen des Bündnisses „Zwangsräumung verhindern“ und „Kotti und Co.“ ihre Solidarität mit den Geflüchteten. Man kämpfe schließlich gegen jede Form von Ausgrenzung.

In mehreren Redebeiträgen berichteten Flüchtlinge, wie ihre Interessen von Bezirk und Senat ignoriert würden. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat die BewohnerInnen der Gerhart-Hauptmann-Schule erst in der vergangenen Woche erneut aufgefordert, das Gebäude zu verlassen. Einer von ihnen rief am Samstag: „Wir werden gegen jeden Räumungsversuch erneut Widerstand leisten und lassen uns nicht in Heime stecken.“

Manche TeilnehmerInnen hatten sich von der Demonstration mehr erhofft. „Angesichts der Räumung der Cuvrybrache und der erneuten Drohungen gegen die Gerhart-Hauptmann-Schule hätte ich mit mehr Leuten gerechnet“, sagte eine junge Frau. Es sei nur vereinzelt gelungen, über das linke Milieu hinauszukommen. Dazu gehörten einige GewerkschafterInnen, die sich mit den Flüchtlingsprotesten solidarisierten. Sie forderten den Berliner DGB auf, sich künftig an der Organisation von Demonstrationen zu beteiligen.

Schon während der Abschlusskundgebung leerte sich der Oranienplatz. „Ich hatte gehofft, dass wir im Anschluss den Platz wieder besetzen“, sagte eine Demoteilnehmerin enttäuscht. Der Senat habe alle Versprechen gebrochen, die er den Flüchtlingen gemacht habe, damit die das Camp räumten. „Eine Wiederbesetzung wäre eine Möglichkeit, den Druck auf den Senat zu erhöhen.“

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F09%2F29%2Fa0122&cHash=55ea5311f143fe75510f3caf74435ca2

Peter Nowak

Die Mieterstadt löst sich auf

Können Mietpreisbremse und Selbstbau-Initiativen den Wohnungsmarkt entlasten?

Senat, Opposition, Stadtforscher und Initiativen diskutierten, welche Möglichkeiten es gibt, Wohnungsnot und steigenden Mieten beizukommen.

Die Werbetafeln an der Großbaustelle an der Otto Suhr Allee im Stadtteil Charlottenburg zeigen deutlich, dass dort Lofts für eine einkommensstarke Klientel entstehen. Nur wenige Hundert Meter weiter im Rathaus Charlottenburg widmeten sich am Mittwochabend unter dem Motto »Weder Lofts noch Laube« Stadtsoziologen und Politiker der Frage, wie Menschen mit wenig Einkommen in Berlin eine Wohnung finden und ob Genossenschaften und Selbstbauinitiativen dafür eine Lösung haben. Eingeladen hatte die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin.

Wohnungsnot und steigende Mieten erfordern kreative Lösungen durch Politik und Gesellschaft. In der stadtentwicklungspolitischen Diskussion sind neben einer Mietpreisbremse bei Neuvermietungen und nach Modernisierungen vor allem Möglichkeiten der Förderung von Neubauten. Hoffnungen werden auf Genossenschaften und Selbstbau-Initiativen gesetzt. Kann durch sie bezahlbarer Wohnraum geschaffen und der Mietanstieg wirksam begrenzt werden? Welche weiteren Ideen und Projekte gibt es, um die »Berliner Mischung« zu erhalten?

Der an der Humboldt Universität lehrende Stadtsoziologe Andrej Holm lieferte eine eine ungeschminkte Zusammenfassung der Wohnsituation in der Hauptstadt: »Die Mieterstadt Berlin ist in Auflösung begriffen«, so sein Befund, den er mit einer Analyse der Zeitungsanzeigen untermauerte. Lange Zeit habe es sich überwiegend um Mietannoncen gehandelt, im letzten Jahr aber hätten erstmals die Anzeigen für Wohnungsverkäufe überwogen. Auch die dramatische Situation für Hartz IV-Empfänger belegte Holm mit Zahlen.

Während 2007 in Berlin die Mieten von rund 40 Prozent der Wohnungen unter der Bemessungsgrundlage der Jobcenter lagen, waren es 2012 nur noch 6 Prozent. Neubauwohnungen seien für einkommensschwache Bevölkerungsteile kaum erschwinglich.

Daher plädierte Maren Kern von den Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU) dafür, bei den Bestandswohnungen günstige Mieten zu erhalten. Kern betonte, ihr Unternehmen sorge seit Jahren dafür, dass einkommensschwache Menschen in Berlin wohnen können. Es sei eine alternative zu Immobilienfirmen, denen es nur um die Rendite gehe.

Wesentlich kritischer sah Thomas Schmidt von der Initiative »Genossenschaft von unten« das Agieren der etablierten Wohngenossenschaften. Die würden sich zu oft als Unternehmen der Immobilienwirtschaft sehen und hätten den Gründungsgedanken aus den Augen verloren. Viel Unterstützung bekam er aus dem Publikum. Der Zivilgesellschaft rechnete Andrej Holm das Verdienst zu, dazu beigetragen zu haben, dass in Berlin soviel über die Wohnungs- und Mietenproblematik geredet wird. Mehrere Mitglieder einer Neuköllner Genossenschaft beklagten das undemokratische Gebaren des Vorstands. Über den Bau neuer Wohnungen seien sie zu spät unterrichtet worden, auf Kritik habe der Vorstand mit Ausgrenzung reagiert. Ähnliche Kritik trugen auch Mitglieder anderer Genossenschaften vor.

Die wohnungspolitische Sprecherin der Linkspartei Katrin Lompscher bekam Applaus, als sie mehr Transparenz und eine Demokratisierung der Genossenschaften anmahnte. Kritische Fragen musste sich hingegen die stellvertretende Fraktionschefin der SPD im Abgeordnetenhaus Ülker Radziwill anhören, als sie den Milieuschutz als Erfolg ihrer Partei reklamierte. »Die SPD in Neukölln stellt sich dagegen«, hielt ihr ein Zuhörer vor. Aus dem Publikum stellte sich die vor einigen Monaten gegründete Initiative Neue Kommunaler Wohnungsbau (INKW) vor, die sich für einen sozialen Wohnungsbau durch die öffentliche Hand einsetzt. Damit könnten die Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass auch in Berlin wieder Wohnungen für einen Quadratmeterpreis von 6,50 Euro gebaut werden.

Peter Nowak

Kein Recht auf Platz

Die Privatisierung des öffentlichen Raums schränkt die Grundrechte ein. Auch die Mieterbewegung ist davon betroffen.

Der Leopoldplatz im Berliner Stadtteil Wedding wird täglich von vielen Menschen überquert und die meisten von ihnen dürften ihn als öffentlichen Platz wahrnehmen. Kaum jemand weiß, dass auf Teilen des Platzes die Grundrechte nur eingeschränkt gelten. Erst seit die Initiative »Hände weg vom Wedding«, in der sich Weddinger Mieter und Stadtteilaktivisten zusammengeschlossen haben, dort Anfang August eine Videokundgebung mit dem Film »Mietrebellen« veranstalten wollten, wurde deutlich, dass der Platz gar nicht so öffentlich ist. Seit 2006 gehört ein Teil des Leopoldplatzes der evangelischen Nazareth-Kirchengemeinde, die eine Genehmigung der Kundgebung ablehnte. Auf dem Platz müsse politische Neutralität herrschen, lautete die Begründung des Vorsitzenden der Kirchengemeinde, Sebastian Bergmann.

Das Berliner Amtsgericht schloss sich dieser Sichtweise an und wies eine einstweilige Verfügung gegen das Platzverbot mit der Begründung zurück, die Kirchengemeinde sei »nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden«. Denn bei ihr handele es sich nicht um »eine staatliche Organisation oder ein Unternehmen, das mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand steht«. Deshalb finde in diesem Fall auch das Fraport-Urteil aus dem Jahr 2005 keine Anwendung. Damals entschied das Bundesverfassungsgericht, dass auch auf einem Flughafen Proteste gegen die Abschiebung von Flüchtlingen möglich sein müssen.

Der Berliner Rechtsanwalt Peer Stolle, der die Weddinger Stadtteiliniative juristisch vertrat, hat für die Entscheidung des Amtsgerichts kein Verständnis und hält sie für rechtsfehlerhaft. Im Gespräch mit der Jungle Word kritisierte er, dass das Amtsgericht einen Widerspruch verunmöglicht habe, weil es die Entscheidung nicht per Fax, sondern per Post versandt habe. Aus zeitlichen Gründen seien weitere rechtliche Schritte so nicht mehr möglich gewesen. Für Stolle hat das Gericht damit einen Rechtsschutz vereitelt. Das Platzverbot hatte trotzdem keinen Bestand, weil ein großer Teil der Teilnehmer der Kundgebung auf dem Leopoldplatz die Trennlinie zum kirchlichen Teil des Platzes souverän ignorierte.

Bereits Mitte der neunziger Jahre machten künstlerische Initiativen und Stadtteilaktivisten mit Innenstadtaktionstagen auf die Konsequenzen einer Privatisierung öffentlicher Plätze aufmerksam. Schon damals wurde gewarnt, dass mitten in der Stadt Orte entstehen könnten, auf denen politische Meinungsäußerungen nicht mehr möglich und Menschen mit wenig Einkommen unerwünscht sind. Solche Aktionstage in Innenstädten gibt es nicht mehr, die Probleme, die bei ihnen angesprochen wurden, allerdings schon.

Vor allem in aufgewerteten Stadtteilen entzünden sich schnell Diskussionen über Trinker, die auf öffentlichen Plätzen zum Ärgernis werden. Betroffene der Debatte sind oft Menschen, die sich ihr Bier günstig im Spätkauf oder Discounter holen und auf einem öffentlichen Platz konsumieren wollen. Menschen, die es sich leisten können und wollen, alkoholische Getränke in einem der Restaurants zu verzehren, werden hingegen als begehrte Konsumenten umworben.

Eine Bewegung, die ein Recht auf Stadt fordert und ihren postulierten Anspruch ernst nimmt, sollte die Fragen, die damals die Organisatoren der Innenstadtaktionstage aufgeworfen haben, wieder aufgreifen. Eine Schwäche der Debatte um Stadtpolitik vor über 20 Jahren war allerdings die weitgehende Ausblendung der Eigentumsfrage. Man konzentrierte sich vor allem auf die Nutzung öffentlicher Plätze. Doch nicht nur die Auseinandersetzung um die Nutzung des Leopoldplatzes macht deutlich, dass die Frage des Eigentums mittlerweile eine zentrale Rolle spielt. Für den Münchner Publizisten Claus Schreer, der das Buch »Das Geschäft mit der Wohnung – Bodenspekulation und Stadtentwicklung im Kapitalismus« herausgegeben hat, ist die Frage nach den Eigentumsverhältnissen auch zentral für eine Mieterbewegung. »Einen wirklichen sozialen Wohnungsbau, der mit der Garantie dauerhaft preiswerter Mieten einhergeht, kann es überhaupt nur unter völliger Ausschaltung von Kapital- und Bankprofiten geben«, schreibt er.

http://jungle-world.com/artikel/2014/35/50479.html

Peter Nowak

Mieter muss nicht umziehen

WOHNEN Von Räumung bedrohter Mieter erreicht Vergleich mit der Degewo – Bündnis „Zwangsräumungen verhindern“ wertet das als Erfolg seiner Arbeit

Dieter S. darf aufatmen. Der von einer Räumung bedrohte Mieter einer Degewo-Wohnung in Moabit kann dort wohnen bleiben, wo er seit 15 Jahren lebt. Sein Anwalt und die Wohnungsbaugesellschaft Degewo haben sich auf diesen Vergleich geeinigt. Die Degewo hatte S. gekündigt, weil der mehrmals seine Mietzahlungen gemindert hatte, unter anderem wegen Baulärm. Nur ein Teil der Mietminderungen wurden gerichtlich anerkannt. Obwohl S. die offenen Forderungen beglichen hatte, entschied das Berliner Amtsgericht im April 2014, die Kündigung der Degewo sei rechtmäßig.

S. wandte sich auch an das Berliner Bündnis „Zwangsräumungen verhindern“, das vergangenen Freitag bei einem Go-in mit Picknick in der Degewo-Zentrale die Rücknahme der Kündigung forderte. „Von den Degewo-VertreterInnen hörten wir, dass ein Vergleich vorbereitet wird“, sagte Sara Walter von dem Bündnis gegenüber der taz. Auch der betroffene Mieter sie davon überrascht worden.

Isabella Canisius von der Degewo betonte gegenüber der taz, der Vergleich sei bereits vor der Aktion des Bündnisses geplant gewesen. In der Vereinbarung habe S. zusagen müssen, seine Verpflichtungen als Mieter künftig einzuhalten. Er habe zugesichert, seine Forderungen nach Mietminderung nicht mehr weiter zu verfolgen und einen Teil der Verfahrenskosten zu tragen.

Für Sara Walter vom Bündnis sind diese Klauseln ein Wermutstropfen bei der Vereinbarung. S. habe auf Mieterrechte verzichten müssen, um eine Zwangsräumung zu verhindern. Die Einigung sieht sie auch als Erfolg der Aktivitäten des Bündnisses. In den vergangenen Monaten habe das Bündnis öfter bei Wohnungsbaugesellschaften, Sozialbehörden und Jobcentern interveniert, um Zwangsräumungen zu verhindern. Eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Oliver Höfinghoff (Piraten) hat ergeben, dass es von 2008 bis April 2013 bei der Degewo 1.223 Räumungen gegeben hat.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F08%2F22%2Fa0122&cHash=e0e8108f3671ff7124c9d4a309ee69b7

Peter Nowak

Wenn auf privatisierten Plätzen die Grundrechte nicht mehr gelten

Kampf für Mieterrechte und gegen Privatisierung von öffentlichem Raum im Wedding

„Organisiert Mieterinitiativen. Lernt Eure Nachbaren kennen.  Nutzt öffentliche Plätze für Eure Treffen“.   Diese Aufforderung richtete eine Rednerin der StadtteiIinitiative   „Hände weg vom Wedding“  an ca. 250 Menschen, die sich dort am Donnerstagabend auf dem Leopoldplatz   zu Open-Air Aufführung des  Films „Mietrebellen“ von Gertrude Schulte Westenberg und Matthias Coers versammelt hatten.
Er zeigt die Vielfalt der Berliner  Mieterkämpfe von den Protesten der Senioren der Stillen Straße und der Palisadenpanther bis zu der Bewegung gegen Zwangsräumungen.  Daran knüpften Rednerinnen des Weddinger Bündnisses,  in dem sich MieterInnen und StadtteilaktivistInnen zusammengeschlossen haben, mit aktuellen Beispielen aus dem Stadtteil an. Sie erinnerten daran, dass im Juni  Tina S. aus ihrer Wohnung in der Weddinger Buttmannstraße 18, in der sie über 30 Jahre gewohnt hat,  zwangsgeräumt wurde.  Eine Erwerbslosenaktivistin berichtet, dass die Mieten auch im Wedding  oftmals über den Satz liegen, den das Jobcenter Hartz IV-EmpfängerInnen zubilligt.  Für sie bleibt dann nur die Alternative, den Rest der Miete von ihren kargen Einkünften zu bestreiten oder wegzuziehen.
Bereits  2010 trafen sich MieterInnen zu mehreren  Veranstaltungen,  um über die aktuellen Aufwertungsentwicklungen im Stadtteil zu analysieren und Gegenstrategien zu entwickeln (siehe MieterEcho 541/Juni 2010).   Seit letztem Jahr veranstaltet die Initiative „Hände weg vom Wedding“ regelmäßig Kundgebungen auf öffentlichen Plätzen und  vor Jobcentern, um auf  die  Verarmungsprozesse und die drohende Verdrängung  einkommensschwacher Menschen im Stadtteil aufmerksam zu machen.

Wenn die Grundrechte nicht mehr gelten

Der  Teil des Leopoldplatzes, der seit 2006 im Eigentum  der Nazareth-Kirchgemeinde ist,  sollte für die MieterInnenkundgebung  zur Verfügung stehen.    Der  Vorsitzende  des Gemeindekirchenrates  Sebastian Bergmann erklärte, man müsse die politische Neutralität achten. Davon  war er  auch nicht durch den Offenen Brief der beiden Regisseure des Films „Mietrebellen“  abzubringen, in dem sie fragten, ob „eine evangelische Gemeinde ihrem Anspruch nach, als Ort der Armen und Verdrängten, ihre Tore nicht öffnen müsste, statt sie für diese öffentliche Filmaufführung zu schließen.“   Unterstützung bekam die Kirchengemeinde durch das Berliner Amtsgericht. Es lehnte eine Einstweilige Verfügung gegen das Platzverbot mit der Begründung ab, dass  die Kirchengemeinde  „nicht unmittelbar an die  Grundrechte gebunden“ sei. Denn bei ihr handele es nicht um  „eine staatliche Organisation oder ein Unternehmen, das mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand steht.“   Mit dieser Begründung bekommen aber private Organisationen eine Handhabe, demokratische Grundrechte wie  Demonstrations- und Versammlungsfreiheit z außer Kraft zu setzen. Vor einer solchen Entwicklung hatten  KritikerInnen der neoliberalen Stadtentwicklung in den 90er Jahren mit  Innenstadtaktionstagen gewarnt.   Die Weddinger Initiative hat nun den Kampf um den öffentlichen Raum und die Interessen der MieterInnen zusammengeführt, in dem sie  den Platz für einige Stunden in Besitz genommen  und über  den MieterInnenwiderstand zu diskutieren.

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/mietrebellen-evangelische-kirche.html

MieterEcho online 08.08.2014

Peter Nowak