Kämpferisch für Bildung

Nicole Andersson ist Mitglied der französischen Gewerkschaft SUD-Éducation

nd: Im französischen Wahlkampf spielte Bildungspolitik eine große Rolle. Was hat sich nach dem Regierungswechsel verändert?
Es hat sich durch den Regierungswechsel nichts Wesentliches verändert, lediglich die prekären Beschäftigungsverhältnisse nehmen auch im Bildungsbereich zu. Die Sozialisten hatten im Wahlkampf versprochen, die 60000 unter Sarkozy gestrichenen Stellen im Bildungsbereich wieder zu besetzen. Doch es sind keine neuen Vollzeitkräfte geschaffen worden. Dafür nehmen die Zeitarbeitsverträge zu. Vor allem ältere Menschen aber auch schlecht ausgebildete junge Arbeitskräfte werden hier zu niedrigen Löhnen eingestellt. Dadurch wird der Lehrerberuf insgesamt entwertet.

2.) Gibt es Widerstand wegen der nicht eingehaltenen Wahlversprechen?

Nein, es ist zurzeit schwer Widerstand zu mobilisieren. Die meisten Menschen warten ab und wollen der Regierung Gelegenheit geben, ihre Politik umzusetzen. Es ist zudem generell schwerer, gegen die Politik der Sozialisten als der Konservativen Widerstand zu mobilisieren. Manche, die gegen die Politik von Sarkozy auf die Straße gegangen sind, argumentieren nun, dass die öffentlichen Kassen wohl wirklich leer sein müssen, wenn auch die Sozialisten diesen Diskurs ebenfalls übernehmen.

3.) Wie positionieren sich die Gewerkschaften zur neuen Regierung?

Die großen Gewerkschaften verhalten sich abwartend und mobilisieren ihre Basis nicht. Lediglich die Basisgewerkschaft SUD und die anarchosyndikalistischen Gewerkschaften rufen auch gegen die Politik der neuen Regierung zum Widerstand auf. Dass die Streikbereitschaft in Frankreich in der letzten Zeit nachließ, liegt auch daran, dass die Streiktage nicht bezahlt werden und daher jeder Ausstand für die Beschäftigten mit Einkommensverlusten verbunden ist. Oft haben sie die Streiktage auf ihren Urlaub anrechnen lassen.

4.) Beschäftigt sich die SUD-Education auch mit der Frage einer emanzipativen Bildung?

Das ist ein wichtiges Thema. Uns geht es auch darum, die soziale Spaltung im französischen Schulsystem zu bekämpfen. Während die Privatschulen boomen, fehlt für die Ausstattung der Schulen in Stadtteilen mit der einkommensschwachen Bevölkerung oft das Geld.

5.) Welche Widerstandsmöglichkeiten haben sie?

N.C.: Die SUD-Education hat zur Verweigerung der Dossiers aufgerufen, mit denen Schülern schon von der Grundschule an bewertet werden soll. Dort sollen auch Angaben über das Elternhaus der Schüler einfließen. Lehrer, die sich dieser Datensammlung verweigert haben, wurde der Lohn gekürzt. Die neue Regierung lehnt die Rückzahlung des einbehaltenen Betrags mit der Begründung ab, dass damit die Lehrer belohnt würden, die gegen ein Gesetz verstoßen haben. Dabei wurde es mittlerweile von der Regierung zurückgenommen.

6.) Die SUD hat auch in Deutschland viel Beachtung gefunden. Wie ist ihr aktuelle Entwicklung?

N.C.: Gegründet wurde die SUD nach den großen Streik von 1995 von Basisgewerkschaftern, die mit den großen Gewerkschaften unzufrieden waren. Lange galt sie als ultralinks. Der heutige Präsident Hollande beschimpfte die SUD noch beim großen Streik 2009 als unverantwortliche Gewerkschaft, die bekämpft werden muss. Doch heute ist der Reiz des Neuen vorbei und die SUD hat sich als kämpferische Basisgewerkschaft stabilisiert.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/803634.kaempferisch-fuer-bildung.html
Interview. Peter Nowak

Privileg des Bürgertums

Rolltreppe nach unten. Mit dieser Metapher wurde in vielen Medien das Ergebnis einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zur Durchlässigkeit der 16 Schulsysteme zusammengefasst. Die Ergebnisse der am Dienstag dieser Woche vorgestellten Studie sind nicht wirklich überraschend. In Deutschland gibt es zwischen den einzelnen Schulformen weit mehr Ab- als Aufsteiger. Etwa 50 000 Schüler der Klassen fünf bis zehn sind im Schuljahr 2010/11 auf ein niedrigeres Niveau wie Real- oder Hauptschule herabgestuft worden. Nur rund 23 000 schafften es nach oben. Welch wichtige Rolle die soziale Herkunft der Kinder dabei spielt, machte bereits eine Studie der Bertelsmann-Stiftung vom März dieses Jahres deutlich. Danach haben Kinder einkommensschwacher Eltern deutlich geringere Chancen, nach der Grundschule ein Gymnasium zu besuchen als Kinder von Akademikern – bei gleicher Intelligenz.

Um diese soziale Spaltung im Bildungsbereich zu minimieren, haben progressive Bildungspolitiker aber auch die GEW in den 1970er Jahren die Gesamtschule als Alternative zum gegliederten Bildungssystem in die Diskussion gebracht. Solche Reformansätze wurden von einem Bürgertum bekämpft, das ihr Bildungsprivileg bis heute verteidigt, wie das Referendum über die Primärschule in Hamburg 2010 deutlich zeigte. Wenn die Bertelsmann-Stiftung nun die individuelle Förderung als Mittel für bessere Bildungschancen in die Diskussion bringt, bleibt sie ihrer wirtschaftsliberalen Agenda treu und stärkt das Bildungsprivileg des Bürgertums. Denn das kann sich Nachhilfeunterricht und individuelle Betreuung für ihre Kinder leisten. Entsprechende Angebote tauchen gleich neben den Onlineartikeln über die Ergebnisse der neuen Studie auf.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/802975.privileg-des-buergertums.html

Peter Nowak

Unimaut vor dem Aus

Auch in der CSU wächst die Zahl jener, die die Studiengebühren abschaffen wollen. Noch vor einem Jahr wollte die eigene Partei ihrem Parteivorsitzenden Horst Seehofer nicht folgen, als der laut über die Abschaffung der Unimaut nachdachte. Der Stimmungswandel ist einem Urteil des bayerischen Verfassungsgerichtshofs geschuldet, das einem von den Freien Wählern initiierten Volksbegehren zur Abschaffung der Studiengebühren grünes Licht gab. Dabei waren nicht nur die CSU, sondern auch die Grünen und die SPD davon ausgegangen, dass das Gericht das Volksbegehren wegen möglicher Eingriffe in das Haushaltsrecht stoppen wird.

Bevor die Initiatoren des Volksbegehrens mit dem Sammeln der knapp 900 000 notwendigen Unterschriften begonnen haben, will nun auch die CSU auf die Gebühren verzichten. Auch bei der mitregierenden FDP beginnt die Diskussion. Das schnelle Einlenken macht deutlich, dass die Regierungspartei das Thema für so relevant hält, dass sie es aus dem beginnenden Wahlkampf raushalten will. Studiengebühren sind also auch für die Konservativen keine Wahlwerbung. Diesen Erfolg können sich die studentischen Gegner der Unimaut auf die Fahne schreiben. Nur hört man über sie in den Medien wenig. Dafür kann die bürgerliche CSU-Konkurrenz von den Freien Wählern jetzt den Erfolg für sich verbuchen. Dabei wurde dort, wie jetzt auch bei der CSU, hauptsächlich damit argumentiert, dass fast alle anderen Länder auf Kosten Bayerns auf die Unimaut verzichten und es daher ein Akt der Gerechtigkeit ist, wenn der Freistaat nachzieht. Dann bliebe nur die schwarzgelbe Landesregierung von Niedersachsen als Verteidiger der Studiengebühren übrig. Auch dort beginnt demnächst der Wahlkampf.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/802410.unimaut-vor-dem-aus.html
Peter Nowak

Recht auf die Stadt

Zu Semesteranfang berichten viele Medien wieder über Studierende, die in Zeltstädten, Turnhallen oder in Hörsälen übernachten müssen, weil sie keine Wohnung finden. Politisch bleiben solche Berichte folgenlos. Dagegen versuchen Studierendenverbände deutlich zu machen, dass die studentische Wohnungsnot eine politische und soziale Dimension hat. Ein Grund sind die sinkenden Zuschüsse für Wohnraumplätze, wie der

Die studentische Wohnraumnot ist allerdings auch eine Konsequenz der bundesweiten Mietsteigerungen, die es Menschen mit geringen Einkommen vor allem in vielen Großstädten immer schwerer machen, günstigen Wohnraum zu finden. Dagegen haben sich in vielen Städten soziale Protestbündnisse gegründet, die ein Recht auf Stadt einfordern. Diese Bündnisse können studentische Unterstützung gebrauchen. So würde auch verhindert, dass die Betroffenengruppen sich auf dem Wohnungsmarkt gegeneinander ausspielen lassen. Dem in manchen Presseberichten zu lesenden Lamento, der akademische Nachwuchs habe eine Übernachtung in Notunterkünften nicht verdient, muss gekontert werden, dass alle Menschen ein Recht auf eine Unterkunft haben.

Mit einer Petition gegen die Anwendung des Mietspiegels hat der AStA der Goethe-Universität in Frankfurt am Main die studentische Wohnungsnot jetzt in einen größeren Kontext gestellt. Doch Petitionen und Erklärungen reichen nicht. Warum werden nicht Listen von leerstehenden Häusern veröffentlicht, die Wohnungslose mit oder ohne Studentenausweis nutzen könnten? Dann würde die Wohnungsnot in den politischen Zusammenhang gestellt, in den sie gehört.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/801064.recht-auf-die-stadt.html
Peter Nowak

Sind Arbeiterkinder an der Hochschule nicht förderungswürdig?

Rektorat der Universität Münster lehnt eine soziale und rechtliche Besserstellung eines Referats ab

Vor nun mehr 12 Jahren wurde am Asta der Universität Münster ein Referat gegründet, das sich in Deutschland einmalig der Förderung von Arbeiterkindern an der Hochschule widmete. Vor einigen Wochen hatte die Studierendenvertretung eine rechtliche und finanzielle Aufwertung zum autonomen Referat beschlossen. Es hätte bedeutet, dass das Referat nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Studierendenparlament wieder abgeschafft werden kann.

Doch dagegen legte das Rektorat der Münsteraner Universität, die als Rechtsaufsicht dem Beschluss zustimmen muss, ihr Veto ein. Nach Ansicht des Rektorats ist nicht hinreichend bestimmbar, „wer als ‚finanziell und kulturell benachteiligter‘ Studierender anzusehen ist“, lautete die Begründung.

Kein Interesse an der Förderung von Arbeiterkindern?

Der Soziologe Andreas Kemper, der das Referat vor 12 Jahren mitbegründet hat und sich auch theoretisch mit dem Klassismus beschäftigt, wie die Diskriminierung aufgrund der Klassenlage genannt wird, sieht in der Ablehnung ein Desinteresse der Unileitung an den Arbeiterkindern. Im Gespräch mit Telepolis nennt er dafür historische aber auch aktuelle Beispiele. So habe es bis in die späten 1960er Jahre hinein an der Uni-Klinik Münster Dekane gegeben, die in der Nazizeit an Zwangssterilisierungen von Arbeiterkindern beteiligt waren. Der bekannteste Fall sei der Doktorvater von Mengele, Otmar von Verschuer, gewesen, der bereits als Freikorps-Adjutant nach dem Ersten Weltkrieg an standrechtlichen Erschießungen von aufständischen Arbeitern beteiligt war.

Auch aktuell würden schon vorhandene Möglichkeiten zur Förderung von Arbeiterkindern an der Hochschule nicht wahrgenommen. So habe die Uni Münster eine Kann-Bestimmung nicht umgesetzt, die es Kindern aus der Arbeiterschicht erleichtert, ein Deutschland-Stipendium zu erhalten, das eingeführt wurde, um genau diese Studierenden zu unterstützen. Ein weiterer Fall für eine klassische Blindheit der Unileitung führt Kemper an: „Vor zehn Jahren beauftragte das Rektorat das HochschuIinformationssystem , um eine Erhebung über die Bedürfnisse und Probleme der Studierenden der Uni Münster durchzuführen. Bei der Auswertung wurde allerdings darauf verzichtet, die soziale Herkunft auszuwerten.“

Kein Service-Referat

Kemper betont die politische Dimension hinter den von Studierenden durchgesetzten Referats. „Es ist kein Service-Referat und unterscheidet sich damit fundamental von dem Projekt Arbeiterkind, das explizit unpolitisch ist und nur helfen will.“ Das Münsteraner Referat engagierte sich gegen unter Anderem gegen Studiengebühren und gegen Latein-Voraussetzungen. „Wir sehen unsere Aufgabe darin, Arbeiterkinder im Bildungsbereich zu organisieren und zu vernetzen. Zu dieser Vernetzung gehört, andere Arbeiterkinderzusammenschlüsse zu unterstützen, außerdem arbeiten wir mit entsprechenden Organisation in Wien und den Vereinigten Staaten zusammen. Nicht zuletzt geht es auch um inhaltliche Auseinandersetzungen zu dem Thema. Und uns ist wichtig, dass soziale Herkunft als Diskriminierungsgrund anerkannt wird“, betonte Kemper.

Dieses Ziel könnte durch die ablehnende Haltung des Rektorats eher gefördert werden, so seine Hoffnung. Das Rektorat musste bereits dem NRW-Bildungsministerium und der Gleichstellungsbeauftragten der Uni Münster erläutern, warum die Satzungsänderung abgelehnt wurde. Zudem soll auf einer Vollversammlung der studierenden Arbeiterkinder am 16.10. das weitere Vorgehen besprochen werden. Derweil diskutierten aktive Studierende, ob der Trend zur Eliteuniversität und die zunehmende Spaltung der Gesellschaft nicht die andere Medaille der Ablehnung einer Förderung von Arbeiterkindern an der Hochschule ist.

http://www.heise.de/tp/blogs/10/152956
Peter Nowak

Neoliberale Rhetorik

Trotz wochenlanger Proteste hält die schwarzgelbe sächsische Landesregierung an ihren hochschulpolitischen Plänen fest. Am vergangenen Montag wurde in einer nichtöffentlichen Sitzung des sächsischen Wissenschaftsausschusses mit den Stimmen der Vertreter von CDU, FDP und der NPD beschlossen, dass Studierende, die vier Semester über der Regelstudienzeit liegen, künftig Gebühren zahlen müssen. Zudem sollen die Studierenden aus der Verfassten Studierendenschaft aussteigen können und künftig selbst entscheiden, ob sie Geld für die demokratische Mitbestimmungsorgane aufbringen wollen (siehe Artikel auf dieser Seite). Studentenvertreter schlagen Alarm und verweisen auf das Beispiel Sachsen-Anhalt, wo nach der Einführung einer ähnlichen Regelung bis zu 80 Prozent der Studierenden keinen Cent mehr für ihre Vertretung zahlen.

Das Tückische an den Neuregelungen besteht darin, dass die Befürworter mit dem Aufbrechen von Zwangsmitgliedschaften und dem Recht der individuellen Entscheidungsfreiheit argumentieren. Sie bewegen sich damit ganz auf der Linie der Jungen Union, die mit den gleichen Vokabeln die Asten und Studierendenräte für entbehrlich hält. Hier wird der Demokratieabbau mit dem Begriffen neoliberaler Rhetorik durchgesetzt. Eine durch die Umstrukturierung der Hochschulen vorangetriebene Marktförmigkeit der Bildung hat auch zum Neoliberalismus in den Köpfen vieler Studierender geführt. Linke Studentenorganisationen stehen jetzt vor einer Herausforderung: Sie müssen die ständische Verfasstheit der Hochschulen verteidigen, weil daran die Frage der Finanzierbarkeit ihrer Arbeit hängt, ohne dabei das Kritikwürdige an dieser Struktur zu vergessen.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/
239214.neoliberale-rhetorik.html
Peter Nowak

Die letzten Freunde der Uni-Maut

Viel Publicity hat dem Parteichef der FDP in Nordrhein-Westfalen (NRW), Christian Lindner, seine jüngst erhobene Forderung nach Wiedereinführung der Studiengebühren nicht gebracht. Wer allerdings jetzt meint, die Uni-Maut werde nur noch vom harten Kern der Marktliberalen vertreten und sei daher nicht mehr mehrheitsfähig, sollte von solchen Naivitäten Abstand nehmen. Die FDP hat Übung darin, unpopuläre Forderungen durchzusetzen. Wenn Lindner vorrechnet, dass die 246 Millionen Euro, die die Studiengebühren in die Länderkasse von NRW bringen würden, einen Beitrag zur Haushaltssanierung leisten können, kann er auf Unterstützung auch außerhalb seiner Partei rechnen. Schließlich gehörte die Union bis in die jüngste Vergangenheit zu den großen Befürwortern von Studiengebühren. Dass man von ihr in dieser Frage wenig hört, ist ein Erfolg eines jahrelangen studentischen Kampfes. Da die Auseinandersetzung bedingt durch den Bildungsföderalismus in jedem Bundesland zu unterschiedlichen Zeiten geführt wurde, ist der Erfolg selbst vielen an der Auseinandersetzung Beteiligten nicht recht bewusst.

Wie taktisch geübt Marktradikale darin sind, das Bezahlstudium trotz fehlender gesellschaftlicher Mehrheit durchzusetzen, zeigt der Blick ins Ausland. In den Niederlanden hat eine kleine rechtsliberale Regierungspartei Gebühren für Langzeitstudierende durchgesetzt. Die ersten Zahlungsaufforderungen sollten noch vor den Parlamentswahlen am gestrigen 30. August rausgehen. Da die wahrscheinlichen linken Wahlsieger eine sofortige Rücknahme der Uni-Maut ankündigten, wurde im niederländischen Parlament eine Vertagung diskutiert. Nur Lindners holländische Parteifreunde stellten sich quer.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/237055.die-letzten-freunde-der-uni-maut.html
Peter Nowak

Von der Erziehung der Erzieher

Was ist sozialistische, linke, kritische Bildung?
Wer sich mit emanzipatorischer Bildung beschäftigt, kommt an der Geschichte der Arbeiterbewegung des 20. Jahrhunderts nicht vorbei. Eine Broschüre der Rosa-Luxemburg-Stiftung widmet sich diesem Kapitel der Geschichte.

»Die Lehre von der Veränderung der Umstände und der Erziehung vergisst, dass die Umstände von den Menschen verändert und der Erzieher selbst erzogen werden muss.« Diese berühmte Feuerbachthese von Karl Marx ist die Leitlinie des Gesprächskreises »Politische Bildung der Rosa-Luxemburg-Stiftung«, der sich in einer Broschüre einer weitgehend vergessenen Geschichte widmet. Erinnert wird an den linken Pädagogen Heinz-Joachim Heydorn, der als NS-Widerstandskämpfer in Abwesenheit zum Tode verurteilt, in den 60er Jahren wegen seiner Verteidigung des Sozialistischen Studentenbundes (SDS) aus der SPD ausgeschlossen wurde und eine wichtige Rolle für die Bildungsdebatte der Außerparlamentarischen Bewegung spielte. Nicht wenige ließen sich von seinem Leitspruch »Der Lehrer ist kein Berufsrevolutionär sondern revolutionär im Beruf« in ihrer Berufswahl leiten. Der Diplompädagoge Torsten Feltes kommt zu dem ernüchternden Schluss, dass die Wirkung, die Heydorn sich mit seiner Bildungsarbeit erhofft hatte, nicht erreicht wurde.

Ein ähnliches Fazit zieht die Politikwissenschaftlerin Julika Bürgin, die sich mit der Rolle Oskar Negts in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit beschäftigte. Mit seinem Konzept des »exemplarischen Lernens« wollte Negt Bildung mit konkreten Erfahrungen in Klassenauseinandersetzungen verbinden und damit eine Transformation der Gesellschaft erreichen. »Arbeiterbildung wurde als Beitrag eines historischen Kampfes zur Entwicklung von Gegenmacht zur Überwindung der bestehenden Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse konzipiert«, schreibt Bürgin. Für sie ist Negts Konzept angesichts der grundlegenden Veränderung in der Arbeits- und Lebenswelt vieler Menschen nach wie vor aktuell.

Auch die KPD hatte sich in der Weimarer Republik mit Bildungskonzepten beschäftigt, die Carsten Krinn einer kritischen aber differenzierten Bewertung unterzieht. Dass dabei das Marxsche Postulat von der Erziehung der Erzieher oft zu kurz kam, lag am zentralistischen Parteikonzept aber auch an den schwierigen Bedingungen, unter der diese Bildungsarbeit geleistet werden musste. Als einen Höhepunkt der KPD-Bildungsarbeit sieht Krinn in der Marxistischen Arbeiterschule (MASCH). Leider geht er nicht auf die Rolle ein, die Pädagogen der frühen Sowjetunion auf die KPD-Bildungsarbeit hatten. David Salomon schließlich verteidigt in seinem klugen Essay Bertholds Brechts Lehrstücke, die in vielen Feuilletons zu Unrecht verrissen werden.

Janek Niggemann (Hrsg.): Emanzipatorisch, sozialistisch, kritisch, links? Zum Verhältnis von (politischer) Bildung und Befreiung, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Juni 2012, Download unter www.rosalux.de
http://www.neues-deutschland.de/artikel/236361.von-der-erziehung-der-erzieher.html

Feindbild AStA

Hochschuldemokratie und Studierendenvertretungen – für die Junge Union sind das Altlasten der linken 68er-Bewegung, die endlich abgeschafft werden sollten. Im neuen Grundsatzprogramm der Jugendorganisation der größten Regierungspartei soll die Abschaffung der Asten und die Schleifung der letzten Reste von Hochschuldemokratie ins Programm aufgenommen werden. In einem Gespräch im Deutschlandfunk machte Marcel Grathwohl von der JU aus seinem Feindbild keinen Hehl. »AStA ist eine Selbstbeschäftigung für Leute im 35. Semester«, räsonierte er. Seine Interessen würden dort nicht vertreten. Diese definiert er so: Schneller studieren und das Semesterticket wieder abschaffen. Im Klartext: Porschefahrer möchten den Transport von weniger betuchten Kommilitonen nicht mitfinanzieren.

Hier wird klar, dass eine Uni für die Elite die Zielvorstellung ist. Was die konservative Jugend an den Asten stört, ist der Diskurs über Gerechtigkeit, Demokratisierung der Wissenschaft, der Kampf gegen Rassismus und Studiengebühren. Die auch die Verschlechterung der Studienbedingungen bewirkte Entpolitisierung auf dem Campus spielt solchen Vorstellungen in die Hände. Die JU führt gerne die geringe Wahlbeteiligung für die studentischen Selbstverwaltungsorgane an. Vielleicht sorgt aber gerade der konservative Vorstoß dafür, dass sich wieder mehr Kommilitonen für die Asten interessieren. Trügerisch wäre es hingegen, würde man – wie es Torsten Reckewitz vom studentischen Dachverband fzs vorschwebt – auf Widersprüche zwischen JU und RCDS (Ring Christlich-Demokratischer Studenten) setzen. Schließlich hat es der CDU-Studentenverbund geschafft, an der TU Berlin eine über Jahrzehnte aufgebaute studentische Infrastruktur zu schleifen.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/234371.feindbild-asta.html
Peter Nowak

Petition gegen Maaßen?

Mathias Bartelt ist Student und Mitglied des Akademischen Senats (AS) der FU Berlin
Der Akademische Senat der Freien Universität (FU) Berlin hat dem künftigen Verfassungsschutz-Chef Georg Maaßen eine Honorarprofessur verweigert. Eine studentische Initiative hat jetzt trotzdem eine Petition gestartet. Warum ist diese noch nötig, wenn die Entscheidung gegen Maaßen ausgefallen ist?
Wir haben die Initiative gestartet, nachdem Maaßen in Zeitungsinterviews erklärt hatte, er könne sich eine Kandidatur vorstellen, wenn sich die Mehrheitsverhältnisse im Akademischen Senat geändert haben.

Wie realistisch ist das? Das ist durchaus möglich, denn die momentane rechnerische Stimmverteilung im Akademischen Senat der FU stellt zum Teil eine Ausnahme dar, weil Listen aus formalen Gründen nicht antreten konnten. Meist war der Akademische Senat in den vergangenen Jahren von einer konservativen Mehrheit geprägt. können sich immer ändern. Ich bin sicher, dass Herr Maaßen so etwas im Hinterkopf hatte.

Warum halten Sie Georg Maaßen für eine Honorarprofessur an der FU-Berlin nicht geeignet? M.B.: Maaßen war als Beamter im Innenministerium mit verantwortlich für die menschenunwürdige Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Als Ko-Schriftleiter und Autor der Zeitschrift „Ausländerrecht und Ausländerpolitik“ hat er sich dort und in anderen Publikationen stets als „Hardliner“ präsentiert, der auch darüber sinnierte, dass verdächtigen Muslimen die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt werden müsste, was ganz klar grundgesetzwidrig ist.
Maaßen ist zudem mitverantwortlich für die Verweigerung der Einreisegenehmigung des vier Jahre unschuldig im US-Lager Guantanamo Bay festgehaltenen Mannes. Wir halten solche Positionen mit einer Honorarprofessur einer Institution, die in einer kritischen wissenschaftlichen Tradition steht, für unvereinbar.

Welche Gruppen haben im Senat gegen die Berufung Maaßens gestimmt?
Als Mitglied des AS darf ich zu Personal-Vorgängen im AS keine Angaben machen.

Worauf stützt sich diese Geheimtuerei bei der Personalentscheidung einer Hochschule? Im Berliner Hochschulgesetz ist festgeschrieben, dass Personalangelegenheiten geheim sind.

Ist eine solche Geheimhaltung in einer Zeit, , wo so viel von Transparenz geredet wird, nicht anachronistisch?
Wir kritisieren diese Geheimhaltungspolitik, die im übrigen nicht nur bei der Professurenberufung praktiziert wird. Auch bei der Diskussion um die neue Grundordnung der Hochschule hat die Fraktion des Hochschulpräsidenten durchgesetzt, dass sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden muss.

Was soll mit der Petition geschehen?
Sie kann in den nächsten 6 Monaten unterzeichnet werden und richtet sich an die Fachbereiche und die Hochschulgremien. Mitten in den Semesterferien läuft die Unterzeichnung natürlich langsam an. Wir wollen dazu beitragen, dass nach Semesterbeginn auch mit Veranstaltungen und Aktionen eine Debatte hierüber entsteht.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/
233614.petition-gegen-maassen.html

Peter Nowak

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Der Druck steigt

Es ist selten geworden, dass studentische Vollversammlungen (VV) bis auf den letzten Platz besetzt und die Menge auch nach zwei Stunden nicht kleiner geworden ist. Doch in den letzten Wochen gab es mehrere solcher VV an der Freien Universität (FU) Berlin. »Der Druck steigt«, diese Parole auf einem Transparent trifft die Stimmung vieler Kommilitonen gut. Es ist der Druck durch immer höhere Leistungsanforderungen, der mit der Angst gekoppelt ist, das Arbeitspensum nicht zu schaffen – und von der Universität zu fliegen. Denn nach einer neuen Prüfungsordnung, die an der FU zum Wintersemester in Kraft treten soll und Grund für die Proteststimmung ist, sollen nur noch drei Prüfungswiederholungen möglich sein. Wer die nicht besteht, wird exmatrikuliert und hat an keiner Hochschule in Deutschland mehr die Möglichkeit, weiter zu studieren. Studierende, die mit den Leistungspunkten in Verzug sind, sollen sich in sogenannten Leistungsvereinbarungen zu »Maßnahmen zur Erreichung des Studienstils« verpflichten. Zudem soll die Anwesenheitspflicht wieder eingeführt werden, die beim letzten großen Bildungsstreik Gegenstand starken studentischen Widerstands war und daher wieder zurückgezogen wurde.

Weil es in letzter Zeit kaum Proteste gab, schien für die Hochschulleitung die Zeit günstig, mit der Prüfungsordnung den Leistungsdruck massiv zu erhöhen und studentische Rechte einzuschränken. Im nächsten Semester wird sich zeigen, ob auch der studentische Druck gegen die neue Prüfungsordnung noch wächst. Was in den letzten Wochen an Widerstand aufgeflackert ist, war ein guter Anfang. Um aber die neue Prüfungsordnung zu verhindern, müsste an die Bildungsstreiks der letzten Jahre angeknüpft werden.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/231766.der-druck-steigt.html
Peter Nowak

Wo sind die Stipendiaten?

»Stipendiaten, wo seit Ihr?« Nicht nur »spiegel-online« stellte diese Frage in den letzten Tagen, nachdem das Statistische Bundesamt kürzlich erste Daten über das Deutschlandstipendium veröffentlicht hat. Es war vor einem Jahr als Renommierprojekt des Bundesbildungsministeriums gestartet worden. Begabte Studierende sollten 300 Euro monatlich unabhängig von ihrer sonstigen sozialen Lage bekommen. Nach einem Jahr zeigt sich, dass das Deutschlandstipendium kaum nachgefragt wird. Gerade mal 5400 Kommilitonen nahmen es in Anspruch. Vor einem Jahr war noch von 150 000 Studierenden die Rede, die davon profitieren könnten.

Trotzdem mag eine Sprecherin des Bundesbildungsministeriums in diesen Zahlen kein Scheitern des Projekts erkennen und schwärmt gar vom »Beginn einer neuen Stipendiumskultur«. Erik Marquardt vom studentischen Dachverband fzs kommt zu einem ganz anderen Schluss. »Das Deutschlandstipendium ist gescheitert«, stellt der studentische Verband in einer Pressemitteilung fest. Neben der geringen Nachfrage wird moniert, dass Universitäten gegenüber den Fachhochschulen und Natur- und Wirtschaftswissenschaften gegenüber den Geisteswissenschaften bei der Stipendiumsvergabe bevorzugt werden.

Beim Deutschlandstipendium handelt es sich um eine Form der Elitenförderung. Für Kommilitonen mit finanziellen Rücklagen mögen die 300 Euro eine willkommene Ergänzung sein, Studierende mit geringen Einkommen können davon aber nicht leben. Die Anregung des fzs, die Gelder des Deutschlandstipendiums in eine Bafög-Erhöhung umzuleiten, ist vom Standpunkt der sozialen Gerechtigkeit richtig. Trotzdem dürfte er bei Bundesbildungsministerin Annette Schavan auf taube Ohren stoßen.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/228434.wo-sind-die-stipendiaten.html
Peter Nowak

Netzwerk gegen Rassismus?

-nd: Frau Kleff, kürzlich wurde mit dem Domgymnasium aus Naumburg an der Saale die 1000. Schule in das bundesweite Netzwerk »Schule ohne Rassismus« aufgenommen. Dieser Tage haben Sie auf einer Tagung in Berlin über die Arbeit des Netzwerkes diskutiert. Wie hat sich seit der Gründung des Netzwerkes vor 17 Jahren die Situation in Deutschland geändert?
Kleff: Darauf hat Barbara John, die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer der rechten Mordserie, eine Antwort gegeben. Sie hat in ihrer Rede die heutige gesellschaftliche Situation skizziert und kam zu dem Schluss, dass diese in vielerlei Hinsicht nicht mehr identisch mit der Situation Mitte der 1990er Jahre ist, als wir mit unserer Arbeit begonnen haben.

Besteht der wesentliche Unterschied vielleicht darin, dass in den 1990er Jahren der Fokus auf der Abwehr rassistischer Angriffe aus der deutschen Mehrheitsgesellschaft lag, während heute auch islamistische und antisemitische Tendenzen in der migrantischen Jugendszenen Thema sind?
Für uns gab es diese Unterscheidung nie. Wir haben uns immer gegen sämtliche Ideologien gewandt, die Ungleichwertigkeiten propagieren und die nach ähnlichen Mechanismen funktionieren, wie der Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer auf dem Podium ausführte. Dazu gehören Rassismus, Islamismus, Homophobie und Antisemitismus. Wir wurden vor einigen Jahren noch häufig dafür kritisiert, dass wir uns nicht auf ein Feld beschränken. Heute ist der Ansatz, sich gegen alle Ideologien der Ungleichwertigkeit zu wenden, weitgehend anerkannt.

Die finanzielle Absicherung des Projekts ist seit der Gründung ein großes Problem. Gibt es Aussicht auf Verbesserung?
Die Probleme liegen auch daran, dass die Bildung in Deutschland Ländersache ist, wir aber eine Organisation mit einer Bundesstruktur sind. Wir brauchen in Zukunft Finanzierungsmodelle, die uns Planungssicherheit auch über einen längeren Zeitraum als nur die nächsten Monate gibt. Zu unserer Freude hat die Kultusministerkonferenz begonnen, unser Netzwerk zu fördern. Dadurch wächst auch auf Landesebene die Bereitschaft auf Unterstützung.

Die heutige Jugend wird von vielen als unpolitisch klassifiziert. Teilen Sie diese Einschätzung?
Ich kann diese Beurteilung nicht bestätigen. Es ist richtig, dass, als wir mit unserer Arbeit begannen, ein großer Druck bestand, gegen den Rassismus aktiv zu werden. In den folgenden Jahren ging das Engagement vieler Jugendlicher zurück. Doch in den letzten Jahren ist ihr Interesse an gesellschaftlichen Fragen wieder enorm gewachsen. Ökologische Themen spielen dabei ebenso eine Rolle wie der Umgang mit privaten Daten, wie sich bei den Protesten gegen das Anti-Produktpiraterieabkommen ACTA zeigte, an denen sich viele Jugendliche beteiligten. Sie nehmen die Krisen des Systems bewusst war und reagieren darauf.

Welche Rolle kann das Netzwerk »Schule ohne Rassismus« dabei spielen?
Ich freue mich, wenn dieses Projekt es schafft, in der Schule einen Handlungsansatz zu bieten und Wege aufzuzeigen, wie sich dort etwas verändern lässt.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/226692.netzwerk-gegen-rassismus.html
Interview: Peter Nowak

Forschen für den Krieg

Am Mittwoch ist eine Aktionswoche zu Ende gegangen, mit der Studierende für die Einführung der Zivilklausel in die Hochschulverfassungen mobilisierten. Die Initiative »Hochschulen für den Frieden – ja zur Zivilklausel« rief Studierende, Lehrende und Hochschulmitarbeiter auf, sich für zivile Hochschulen als Ort für Studium, Lehre und Forschung einzusetzen. Jede Art von Militärforschung soll nach den Willen der Aktivisten ausgeschlossen werden.

»Mit den Waffen des Geistes soll gegen den Geist der Waffen mobilisiert werden«, heißt es im Aufruf zur Aktionswoche. Tatsächlich aber kann das Beschwören der humanistischen Bildungsideale nicht darüber hinweg täuschen, dass die Militärforschung ein großes Geschäft ist und die Reichweite der Zivilklausel meist dort endet, wo die Gefahr besteht, dass Drittmittelgelder gekürzt werden könnten. Deswegen geht es auch am Thema vorbei, wenn von Politikern die Wissenschaftsfreiheit in Stellung gebracht wird, um die Zivilklausel entweder ganz auszuschließen oder auf eine unverbindliche Absichtserklärung zu reduzieren.

Die Aktionswoche hat gezeigt, dass sich an vielen Hochschulen Studierende für eine nichtmilitärische Forschung einsetzen. Deutlich ist aber auch geworden, dass von einer größeren Bewegung keineswegs gesprochen werden kann. Wenn aber die Initiativen im Campusalltag präsent sind und dort ihre Forderungen nach einer militärfreien Wissenschaft mit sozialen Forderungen verbinden, könnte sich das ändern. Positiv war auch, dass die Forderung nach der Zivilklausel in verschiedenen Städten auch den gewerkschaftlichen Demonstrationen zum 1.Mai vertreten wurde. Damit wurde verdeutlicht, dass der Kampf auch außerhalb des Campus geführt werden muss.
Peter Nowak

http://www.neues-deutschland.de/artikel/226551.forschen-fuer-den-krieg.html

Kein Interesse an Uni-Politik?

Auch im zweiten Anlauf scheiterte das Volksbegehren für den freien Zugang zu einem Masterstudium in Berlin. Ziel war es, einen Rechtsanspruch für alle Bachelor-Absolventen auf Zulassung zu einem Master-Studiengang durchzusetzen. Die Initiative konnte nur etwa zehn Prozent der notwendigen 20 000 Unterschriften sammeln. Die Schuld dafür suchen die Studierenden, die nach dem letzten Bildungsstreik die Initiative ergriffen hatten, bei den Studentenvertretungen mehrerer Berliner Hochschulen. In einer Pressemitteilung werfen sie ihnen vor, das Volksbegehren sabotiert zu haben.

Tatsächlich gab es schon länger politische und wohl auch persönliche Kontroversen zwischen den studentischen Initiatoren des Volksbegehrens und den Mitgliedern der Hochschulgremien. Doch für das Scheitern können die schon deshalb kaum verantwortlich gemacht werden, weil die Studentenvertretungen im Campusalltag keinerlei politische Hegemonie besitzen. Das beweisen schon die niedrigen Wahlergebnisse bei den Wahlen zu den Studierendenparlamenten. Wäre die Forderung für ein »Freies Masterstudium« ein gesellschaftliches Thema gewesen, hätte das Referendum auch ohne Gremienunterstützung Chancen gehabt. Dass das möglich ist, zeigte der »Berliner Wassertisch«, der im vergangenen Jahr ganz ohne die Unterstützung der Parteien in der Hauptstadt mittels eines Volksentscheids die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben erzwang.

Das Scheitern der studentischen Forderung ist weniger Ergebnis mangelnder Unterstützung von Uni-Gremien, eher ist es ein Indiz für die zunehmende Entpolitisierung an den Hochschulen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/225275.kein-interesse-
an-uni-politik.html

Peter Nowak