»Eine Schule, die stark macht.« Mit diesen Worten wirbt die Esther-Bejarano-Gemeinschaftsschule im baden-württembergischen Wiesloch für sich. Die Schule hat den Namen bereits zu Lebzeiten der jüdischen Antifaschistin angenommen. Die Auschwitz-Überlebende hatte dort, wie an so vielen anderen Schulen, einen Vortrag über ihr Leben und die Gefahr von rechten und faschistischen Kräften gehalten. Ihr Engagement hatte die Schüler*innen und Lehrer*innen beeindruckt. Deshalb wurde die Frau als Namensgeberin gewählt. Der Kreisverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Wiesbaden/Rheingau hat sich …
„Esther Bejarano als Namensgeberin“ weiterlesenSchlagwort: Schule ohne Rassismus
Netzwerk gegen Rassismus?
-nd: Frau Kleff, kürzlich wurde mit dem Domgymnasium aus Naumburg an der Saale die 1000. Schule in das bundesweite Netzwerk »Schule ohne Rassismus« aufgenommen. Dieser Tage haben Sie auf einer Tagung in Berlin über die Arbeit des Netzwerkes diskutiert. Wie hat sich seit der Gründung des Netzwerkes vor 17 Jahren die Situation in Deutschland geändert?
Kleff: Darauf hat Barbara John, die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer der rechten Mordserie, eine Antwort gegeben. Sie hat in ihrer Rede die heutige gesellschaftliche Situation skizziert und kam zu dem Schluss, dass diese in vielerlei Hinsicht nicht mehr identisch mit der Situation Mitte der 1990er Jahre ist, als wir mit unserer Arbeit begonnen haben.
Besteht der wesentliche Unterschied vielleicht darin, dass in den 1990er Jahren der Fokus auf der Abwehr rassistischer Angriffe aus der deutschen Mehrheitsgesellschaft lag, während heute auch islamistische und antisemitische Tendenzen in der migrantischen Jugendszenen Thema sind?
Für uns gab es diese Unterscheidung nie. Wir haben uns immer gegen sämtliche Ideologien gewandt, die Ungleichwertigkeiten propagieren und die nach ähnlichen Mechanismen funktionieren, wie der Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer auf dem Podium ausführte. Dazu gehören Rassismus, Islamismus, Homophobie und Antisemitismus. Wir wurden vor einigen Jahren noch häufig dafür kritisiert, dass wir uns nicht auf ein Feld beschränken. Heute ist der Ansatz, sich gegen alle Ideologien der Ungleichwertigkeit zu wenden, weitgehend anerkannt.
Die finanzielle Absicherung des Projekts ist seit der Gründung ein großes Problem. Gibt es Aussicht auf Verbesserung?
Die Probleme liegen auch daran, dass die Bildung in Deutschland Ländersache ist, wir aber eine Organisation mit einer Bundesstruktur sind. Wir brauchen in Zukunft Finanzierungsmodelle, die uns Planungssicherheit auch über einen längeren Zeitraum als nur die nächsten Monate gibt. Zu unserer Freude hat die Kultusministerkonferenz begonnen, unser Netzwerk zu fördern. Dadurch wächst auch auf Landesebene die Bereitschaft auf Unterstützung.
Die heutige Jugend wird von vielen als unpolitisch klassifiziert. Teilen Sie diese Einschätzung?
Ich kann diese Beurteilung nicht bestätigen. Es ist richtig, dass, als wir mit unserer Arbeit begannen, ein großer Druck bestand, gegen den Rassismus aktiv zu werden. In den folgenden Jahren ging das Engagement vieler Jugendlicher zurück. Doch in den letzten Jahren ist ihr Interesse an gesellschaftlichen Fragen wieder enorm gewachsen. Ökologische Themen spielen dabei ebenso eine Rolle wie der Umgang mit privaten Daten, wie sich bei den Protesten gegen das Anti-Produktpiraterieabkommen ACTA zeigte, an denen sich viele Jugendliche beteiligten. Sie nehmen die Krisen des Systems bewusst war und reagieren darauf.
Welche Rolle kann das Netzwerk »Schule ohne Rassismus« dabei spielen?
Ich freue mich, wenn dieses Projekt es schafft, in der Schule einen Handlungsansatz zu bieten und Wege aufzuzeigen, wie sich dort etwas verändern lässt.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/226692.netzwerk-gegen-rassismus.html
Interview: Peter Nowak
Jung, muslimisch, gewalttätig?
Sanem Kleff über die angebliche »Deutschenfeindlichkeit« an Schulen / Die Pädagogin leitet das Projekt »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage«
ND: Waren Sie überrascht über die aktuelle Debatte zur Deutschenfeindlichkeit an manchen Schulen? Kleff: Die Debatte hat mich überrascht, weil es sich hier um ein altbekanntes Phänomen handelt. Überall, wo es Mehrheiten und Minderheiten gibt, können solche Diskriminierungserfahrungen beobachtet werden. Dabei ist die Zusammensetzung dieser Gruppen beliebig. Wenn beispielsweise in einer Schule sehr viele Dänen und die Deutschen in der Minderheit sind, kann es ebenso zu Mobbings kommen.
2.) Hat man zulange Migranten nur als Opfer von Diskriminierung wahrgenommen?
S.K.: Nein, denn man darf bei das gesellschaftliche Umfeld nicht vergessen. Es gibt wenige Schulen, in denen Jugendliche mit migrantischen Hintergrund in der Mehrheit sind. In den meisten Schulen sind sie in der Minderheit und oft selber Diskriminierungen ausgesetzt ist.
3.) Was stört Sie an der aktuellen Debatte?
S.K.: Was mir nicht gefällt ist, dass sich ausgerechnet jetzt, wo das ganze Land scheinbar auf dem Sarrazin-Trip ist, Lehrer in dieser Weise zu Wort melden. Sie schreiben über altbekanntes mit dem Gestus, das wird man doch sagen dürfen. Sie verwenden den Begriff der Deutschenfeindlichkeit, der lange Zeit von der neuen Rechten gebraucht wird. Und sie verknüpfen das von ihnen kritisierte Verhalten mit dem angeblichen moslemischen Hintergrund der Schüler. Damit finden sie sich im Einklang mit einer veröffentlichten Meinung, wie sie von Sarrazin bis zu Alice Schwarzer und Hendrik M. Broder vertreten wird.
4.) Warum sollte die Religion aus der Debatte keine Rolle spielen?
S.K.: Weil es keine empirischen Belege für eine besondere Gewalttätigkeit der Jugendlichen mit moslemischem Hintergrund gibt. Es wird oft fälschlich der Eindruck erweckt, als wenn sich Jugendliche mit migrantischen Hintergrund in den Klauen von antiwestlichen, islamistische Gruppen befinden würden. Ich frage mich, welche Konsequenzen wir eigentlich daraus ableiten sollen, wenn eine Religion für ein bestimmtes FehlVerhalten verantwortlich gemacht wird.
5.) Wird die Schule wirklich immer mehr zur Kampfzone, wie manche Boulevardmedien suggerieren?
S.K.: Es trifft nicht zu, dass die Gewalt in den Schulen immer mehr um sich greift. Die Gewalt ist in den Schulen im letzten Jahrzehnt zurück gegangen, wie durch Polizeiberichte belegt werden kann. Zugenommen haben dagegen Mobbings und andere Diskriminierungen. So sind an manchen Schulen „Jude“ oder „du Opfer“ zu häufige Schimpfworten geworden. Eine Debatte über die angebliche Deutschenfeindlichkeit trifft das Problem dagegen nicht.
6.) Wie können Pädagogen an den Schulen gegen solche Diskriminierungen von Minderheiten vorgehen?
S.K.: Indem wir alle Formen von Diskriminierung ernst nehmen und die Elemente in den Schulen stärken, die sich dagegen zur Wehr setzen, Das Projekt Schule gegen Rassismus hat es deshalb immer abgelehnt, einzelne Diskriminierungsphänomene wie Antisemitismus, Homophobie, Rassismus isoliert wahrzunehmen. Es gibt sehr viele pädagogische Instrumente um hier einzugreifen. Ich nenne hier nur stichwortartig den Einsatz von Streitschlichtern und Konfliktlotsen, aber auch den Aufbau von Räumen und Zeiten, in denen die Auseinandersetzung mit den Schülern und ihren Problemen möglich ist.
Zu Diskriminierungen kann es überall kommen, wo es Mehrheiten und Minderheiten gibt
Die Pädagogin Sanem Kleff von „Schule ohne Rassismus“ über Deutschenfeindlichkeit und Gewalt an den Schulen
Der Kulturkampf um die Schulen in Deutschland geht weiter. Mittlerweile hat sich der FDP-Generalsekretär Martin Lindner mit der Forderung zu Wort gemeldet, dass Schüler mit Migrationshintergrund auf dem Schulhof deutsch sprechen müssen. Diese Forderung ist Teil eines Integrationsprogramms mit dem die FDP die Zuwanderung mit den Interessen der deutschen Wirtschaft in Einklang bringen will. Gleichzeitig haben sich in Zeiten der Krise nach einer Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Zeiten der Krise rechte und rassistische Einstellung in der Deutschen Mehrheitsgesellschaft verfestigt (Die Verfinsterung der deutschen Mitte).
Für das Projekt Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage sind solche Befunde alarmierend. Es wurde in einer Zeit gegründet, als Menschen mit nichtdeutschem Hintergrund nicht nur verbal bedroht worden sind. „Schule ohne Rassismus“ setzt auf die Selbstorganisierung von Schülern. Es bietet Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, das Klima an ihrer Schule aktiv mitzugestalten, in dem sie sich bewusst gegen jede Form von Diskriminierung, Mobbing und Gewalt wenden.
Diese Auseinandersetzung ist die Voraussetzung, eine Bildungseinrichtung zur „Schule gegen Rassismus“ zu erklären. Mittlerweile tragen mehr als 800 Schulen mit knapp 500.000 Kindern und Jugendlichen den Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Die Pädagogin Sanem Kleff leitet das Projekt und hat zahlreiche Bücher zum Thema interkulturelles Lernen herausgegeben.
Wird die Schule wirklich immer mehr zur Kampfzone, wie manche Boulevardmedien suggerieren?
Sanem Kleff: Nein, es trifft nicht zu, dass die Gewalt in den Schulen immer mehr um sich greift. Die Gewalt ist in den Schulen im letzten Jahrzehnt zurück gegangen, wie durch Polizeiberichte belegt werden kann. Zugenommen haben dagegen Mobbing und andere Diskriminierungen. So sind an manchen Schulen „Jude“ oder „du Opfer“ zu häufige Schimpfworten geworden.
War die von zwei Berliner Pädagogen losgetretene Debatte über eine Deutschenfeindlichkeit also berechtigt?
Sanem Kleff: Nein, diese Debatte trifft das Problem überhaupt nicht. Tatsächlich machen sich nicht nur Jugendliche, sondern Migranten unterschiedlichen Alters auch über die Eigenheiten der in Deutschland Geborenen lustig. Das sollten die Deutschen mit Humor auch ertragen können. Problematisch wird ein solches Verhalten doch nur, wenn es mit Diskriminierungen und Mobbing verbunden ist. Überall, wo es Mehrheiten und Minderheiten gibt, können solche Diskriminierungserfahrungen beobachtet werden. Dabei ist die Zusammensetzung dieser Gruppen beliebig. Wenn beispielsweise in einer Schule sehr viele Dänen und die Deutschen in der Minderheit sind, kann es ebenso zu Mobbing kommen.
Was stört Sie an der aktuellen Debatte?
Sanem Kleff: Was mir nicht gefällt, ist, dass sich ausgerechnet jetzt, wo das ganze Land scheinbar auf dem Sarrazin-Trip ist, Lehrer in dieser Weise zu Wort melden. Sie schreiben über Altbekanntes mit dem Gestus, dass man das doch sagen können müsse. Sie verwenden den Begriff der Deutschenfeindlichkeit, der lange Zeit von der neuen Rechten gebraucht wird. Und sie verknüpfen das von ihnen kritisierte Verhalten mit dem angeblichen moslemischen Hintergrund der Schüler. Damit finden sie sich im Einklang mit einer veröffentlichten Meinung, wie sie von Sarrazin bis zu Alice Schwarzer und Hendrik Broder vertreten wird.
Welche Konsequenzen ziehen Sie aus Diskriminierungen an den Schulen?
Sanem Kleff: Es sollten alle Formen von Diskriminierung ernst genommen und die Elemente in den Schulen gestärkt werden, die sich dagegen zur Wehr setzen, Das Projekt Schule gegen Rassismus hat es deshalb immer abgelehnt, einzelne Diskriminierungsphänomene wie Antisemitismus, Homophobie, Rassismus isoliert wahrzunehmen. Es gibt sehr viele pädagogische Instrumente, um hier einzugreifen. Ich nenne hier nur stichwortartig den Einsatz von Streitschlichtern und Konfliktlotsen, aber auch den Aufbau von Räumen und Zeiten, in denen die Auseinandersetzung mit den Schülern und ihren Problemen möglich ist. Um solche Forderungen müsste sich die Bildungspolitik wieder auf die Prämisse besinnen. Je mehr Probleme die Schüler und ihre Familien haben, umso besser muss die Schule ihre ausgestattet sein.
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33491/1.html
Peter Nowak
Nationalismus der Minderheiten
Broschüre informiert über rechte Ideologien unter jungen Migranten
Nationale Ressentiments gibt es nicht nur in der hiesigen Mehrheitsgesellschaft. Zu diesem Schluss kommt eine Broschüre der »Initiative Schule ohne Rassismus«, die sich rechten Bestrebungen unter jungen Migranten widmet.
Im Jahr 2006 machten Beschwerden von Kölner Lehrern Schlagzeilen, die über gezielte Störungen des Unterrichts durch ultranationalistische Schüler mit türkischem Migrationshintergrund berichteten. Es sind keine Einzelfälle, wie eine aktuelle Broschüre mit dem Titel »Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft zeigt, die von der Initiative »Schule ohne Rassismus« herausgegeben wird. Die Initiative kämpft seit Jahren gegen die verschiedenen Spielarten extrem rechter Gesinnung in den Schulen. Ihr gelingt es auch, über rechte Gesinnung bei Migranten ohne die nationalen Zwischentöne zu schreiben, die oft in den Boulevardmedien bei dem Thema verbreitet werden. Die Broschüre konzentriert sich auf Migrantengruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien, der Türkei, Polen und Russland, weil es sich dabei um die zahlenmäßig größten Gruppen handelt und in ihrem Umfeld rechte Aktivitäten aufgefallen sind.
Am bekanntesten sind die ultranationalistischen türkischen Grauen Wölfe, die gegen in Deutschland lebende kurdische Menschen vorgehen. In der Broschüre werden allerdings auch die ideologischen Hintergründe der unterschiedlichen rechten Strömungen, aber auch die aktuellen kulturellen Ausformungen mit Text und Bild dargestellt. Ein eigenes Kapitel ist dem auch in Deutschland in der türkischen Community sehr beliebten Film »Tal der Wölfe – Irak« gewidmet, in dem Nationalismus mit Antisemitismus und antiwestlichen Ressentiments verbreiten werden. Für den Herbst 2010 ist eine weitere Folge des Films zum Palästinakonflikt angekündigt.
Erst seit einigen Monaten sind rechte Bestrebungen unter den in Deutschland lebenden Menschen aus Russland ins Blickfeld geraten. Mittlerweile wirbt die NPD gezielt unter den Russlanddeutschen. Noch vor einigen Jahren wurden junge Russlanddeutsche von Neonazis angegriffen. Kaum bekannt waren bisher rechte Bestrebungen bei Migranten aus Polen oder Ex-Jugoslawien. Wie die Broschüre zeigt, äußern junge Kroaten, Bosnier und Serben ihre nationalistische Gesinnung meist im Internet oder zeigen sie bei Auftritten von Musikern mit rechter Gesinnung, die außerhalb der eigenen Community kaum bekannt sind.
Es ist zu wünschen, dass die Broschüre zu einer gesellschaftlichen Debatte führt. Die Texte sind sehr ansprechend gestaltet. Neben gut lesbaren Textblöcken werden die verschiedenen Dokumente rechter Gesinnung auch mit Fotos dargestellt. Wohl um die jugendliche Klientel anzusprechen, wird gelegentlich eine sehr saloppe Sprache verwendet, wenn beispielsweise mehrmals von Ex-Jugos geschrieben wird, wenn Menschen aus dem früheren Jugoslawien gemeint sind.
Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage (Hg.): Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft, 70 Seiten. Die Broschüre kann bestellt werden über www.schule-ohne-rassismus.org
http://www.neues-deutschland.de/artikel/173294.nationalismus-der-minderheiten.html
Peter Nowak