Kleine Verfassungsschutzkunde

Stipendiaten der Hans-Böckler-Stiftung kritisieren, es gebe dort zu wenig Distanz zum Verfassungsschutz.

von Peter Nowak

Spätestens seit der Selbstenttarnung des NSU im November 2011 ist der Verfassungsschutz (VS) in Erklärungsnöten. Wie konnten Neonazis über Jahre rassistische Morde verüben während der VS davon nichts mitbekommen haben will? Auch in gewerkschaftlichen Kreisen ist seitdem die Distanz zu den Diensten gewachsen. So hat sich die DGB-Jugend auf ihrer Konferenz im Herbst 2013 eindeutig positioniert. »Die Gewerkschaftsjugend lehnt jegliche Bildungsarbeit des Verfassungsschutzes ab und spricht sich eindeutig gegen jedes Engagement des Geheimdienstes in diesem Themenfeld aus«, lautete der Kernsatz des mit großer Mehrheit angenommenen Antrags »Bildungsarbeit ohne Verfassungsschutz«. Doch mit der Umsetzung dieses Beschlusses gibt es auch gewerkschaftsintern Probleme.

In einer Protesterklärung, die der Jungle World vorliegt, monieren Stipendiaten der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung (HBS), dass man dort Distanz zum VS vermissen lasse. Der Abteilungsleiter der Studienförderung der HBS habe im Februar vorgeschlagen, für ein Seminar über »rechte Strukturen« einen Referenten einzuladen, der Stipendiat der HBS war und nun beim Verfassungsschutz in Niedersachsen arbeitet. Dieses Ansinnen führte zu Protesten bei Stipendiaten. Der Verfassungsschutz habe keinen Bildungsauftrag und seinem eingeschränkten Demokratieverständnis dürfe kein Platz gegeben werden, lautete die Begründung.

Sehr zurückhaltend reagierte das siebenköpfige Leitungskollektiv der Promovierenden der Stiftung auf Nachfrage. Es wolle »zum jetzigen Zeitpunkt keine offiziellen Statements zum Thema Hans-Böckler-Stiftung und Verfassungsschutz abgeben«, hieß es in einem Schreiben an die Jungle World. »Solange keine konkreten Pläne durch die Veröffentlichung eines Seminarprogramms bekannt sind, dreht es sich unserer Ansicht nach um Spekulationen und Stiftungsinterna, die wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht diskutieren können«, so die defensive Begründung der Promovierenden. Die kritischen Stipendiaten halten diese abwartende Haltung für falsch. Schließlich ist eine Kooperation mit dem Verfassungsschutz leichter zu verhindern, wenn eine öffentliche Debatte entsteht, bevor das Programm druckfertig ist, heißt es in der Protesterklärung der VS-kritischen Stipendiaten. Im Mai suchten sie das Gespräch mit der Abteilung Studienförderung. Ihr Versuch, innerhalb der Stiftung eine kritische Diskussion zum Umgang mit dem Verfassungsschutz anzustoßen, stieß schnell an Grenzen. Die Kritiker wurden darauf verwiesen, dass die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) beim Thema Rechtsextremismus mit dem Verfassungsschutz kooperiere.

Auch das Leitungskollektiv der Stipendiaten verweist auf diese Gewerkschaft. »Die bessere Ansprechpartnerin zu dem ganzen Thema wäre unseres Erachtens zurzeit die IG BCE, die öffentlich mit dem Verfassungsschutz Ausstellungen und Bildungsveranstaltungen organisiert.« Bei der Eröffnung der Wanderausstellung »Gemeinsam gegen Rechtsextremismus« im Foyer der Hauptverwaltung der IG BCE am 7.  November 2013 in Hannover betonte Ralf Sikorski, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands, dass »die Gewerkschaften stets die Bekämpfung rechtsextremer Politik und Auffassungen, aber auch die inhaltliche Auseinandersetzung mit ihren Formen und Methoden vorangetrieben haben«. Die Kooperation mit dem Verfassungsschutz wird bei Sikorski zur antifaschistischen Praxis: »Dies ist eine gute Gelegenheit zu zeigen, dass Prävention und Sensibilisierung gegenüber den sich wandelnden Erscheinungsformen des Rechtsextremismus hochaktuell ist und bleibt. Das ist zugleich ein gemeinsames Anliegen aller demokratischen Kräfte.« Auch der Pressesprecher der IG BCE, Michael Denecke, scheint die Beschlüsse der DGB-Jugend nicht wahrgenommen haben. Auf die schriftliche Anfrage der Jungle World, wie die IG BCE mit den gewerkschaftlichen Stimmen umgehe, die ein Ende der Kooperation mit dem VS fordern, reagiert er mit der Gegenfrage: »Welche Stimmen meinen Sie?«

http://jungle-world.com/artikel/2014/33/50396.html

Peter Nowak

Elitenförderung statt Bafög für Alle?

Links

[1]

http://www.studienstiftung.de/aktuelles.html?user_press[uid]=333&cHash=ad16bd91e585cc78f2e6c54f73db9e40

[2]

http://www.studienstiftung.de/pressemitteilungen.html?user_press[uid]=284

[3]

http://www.studienstiftung.de

[4]

http://www.jusohochschulgruppen.de//meldungen/neuigkeiten/neuigkeit.html?&object=2783

[5]

http://www.zeit.de/2009/40/C-Begabtenfoerderung

[6]

http://www.his.de/presse/news/ganze_pm?pm_nr=467

[7]

http://www.bafoeg-rechner.de/Hintergrund/art-1544-stipendien-buechergeld.php

[8]

http://www.stipendienkritik.de/

Extrageld für Privilegierte

Zum Wintersemester 2013/2014 wird das sogenannte Büchergeld für öffentlich geförderte Stipendiaten erneut erhöht. Bereits zum Sommersemester 2011 war es von 80 auf 150 Euro pro Monat angehoben worden. Wie damals gibt es auch bei der erneuten Erhöhung Kritik von einigen Geförderten. So bezeichnete die Vollversammlung der Stipendiaten der Rosa-Luxemburg-Stiftung die Erhöhung als Teil der Eliteförderung der Bundesregierung.

Tatsächlich profitieren von den Stipendien vor allem die Kinder gut verdienender Akademiker. Die Zahl der Arbeiterkinder hingegen ist in diesen Kreisen äußerst gering. Schon 2009 kam die Wochenzeitung »Die Zeit« in Bezug auf die Nutznießer von Stipendien zu dem Fazit: Wer hat, dem wird gegeben. Bildungsforscher sprechen in Bezug auf das Stipendiatensystem denn auch von der Herausbildung von Eliten und der Selbstreproduktion des deutschen Bildungsbürgertums.

Während also hier von Seiten der Bundesregierung immer großzügig finanzielle Mittel locker gemacht werden, ist für eine Bafög-Erhöhung scheinbar kein Geld vorhanden. Sie war von Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) bereits im Frühjahr angekündigt worden. Umgesetzt wurde sie bis heute nicht, obwohl das Geld dafür sicherlich vorhanden ist. Gerade solche Maßnahmen wären die Voraussetzung dafür, dass sich mehr Kinder aus Arbeiterfamilien ein Studium überhaupt leisten können.

Stipendien für wenige statt Bafög und damit Studienfinanzierung für alle, auf diese Formel lässt sich die Politik der Bundesregierung herunterbrechen. Erkämpfte und einklagbare studentische Rechte werden so von einer Politik der Gnade abgelöst.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/831778.extrageld-fuer-privilegierte.html

Peter Nowak

Wo sind die Stipendiaten?

»Stipendiaten, wo seit Ihr?« Nicht nur »spiegel-online« stellte diese Frage in den letzten Tagen, nachdem das Statistische Bundesamt kürzlich erste Daten über das Deutschlandstipendium veröffentlicht hat. Es war vor einem Jahr als Renommierprojekt des Bundesbildungsministeriums gestartet worden. Begabte Studierende sollten 300 Euro monatlich unabhängig von ihrer sonstigen sozialen Lage bekommen. Nach einem Jahr zeigt sich, dass das Deutschlandstipendium kaum nachgefragt wird. Gerade mal 5400 Kommilitonen nahmen es in Anspruch. Vor einem Jahr war noch von 150 000 Studierenden die Rede, die davon profitieren könnten.

Trotzdem mag eine Sprecherin des Bundesbildungsministeriums in diesen Zahlen kein Scheitern des Projekts erkennen und schwärmt gar vom »Beginn einer neuen Stipendiumskultur«. Erik Marquardt vom studentischen Dachverband fzs kommt zu einem ganz anderen Schluss. »Das Deutschlandstipendium ist gescheitert«, stellt der studentische Verband in einer Pressemitteilung fest. Neben der geringen Nachfrage wird moniert, dass Universitäten gegenüber den Fachhochschulen und Natur- und Wirtschaftswissenschaften gegenüber den Geisteswissenschaften bei der Stipendiumsvergabe bevorzugt werden.

Beim Deutschlandstipendium handelt es sich um eine Form der Elitenförderung. Für Kommilitonen mit finanziellen Rücklagen mögen die 300 Euro eine willkommene Ergänzung sein, Studierende mit geringen Einkommen können davon aber nicht leben. Die Anregung des fzs, die Gelder des Deutschlandstipendiums in eine Bafög-Erhöhung umzuleiten, ist vom Standpunkt der sozialen Gerechtigkeit richtig. Trotzdem dürfte er bei Bundesbildungsministerin Annette Schavan auf taube Ohren stoßen.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/228434.wo-sind-die-stipendiaten.html
Peter Nowak